Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 4 AL 974/04
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 3 AL 4009/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 30. Juni 2006 aufgehoben und die Klage gegen den Bescheid vom 12. Januar 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06. Februar 2004 abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung von Kurzarbeitergeld in einer betriebsorganisatorisch eigenständigen Einheit (beE) - sog. Strukturkurzarbeitergeld (Struktur-KuG) - streitig.
Am 02.12.2003 zeigte die Klägerin der Beklagten die geplante Bildung einer beE bei der Marconi Communications GmbH B. an, bei der im Dezember 2003 ca. 1200 Arbeitnehmer beschäftigt waren. Am 12.12.2003 beantragte die Klägerin die Gewährung von Struktur-KuG gemäß § 175 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) für Arbeitnehmer der Marconi Communications GmbH, die in einer unter ihrer Trägerschaft zu bildenden beE zusammengefasst werden sollten. Die tiefgreifende strukturelle Krisensituation der Telekommunikationsbranche erzwinge bei der Marconi Communications GmbH weitere strukturelle Anpassungsmaßnahmen, die mit erheblichen Personalanpassungsmaßnahmen einhergingen. Die beE starte zum 15.12.2003 mit dem Übertritt der ersten Arbeitnehmer mittels der vereinbarten dreiseitigen Verträge. Entsprechend der betrieblichen Personalplanung und der notwendigen Projektbeendigungen würden die Arbeitnehmer sukzessive in die beE überwechseln.
Mit Schreiben vom 22.12.2003 trug die Klägerin weiter vor, von den 44 Arbeitnehmern, die in die beE eintreten sollten, seien 14 noch im Dezember 2003 eingetreten. Für die weiteren Arbeitnehmer sei ein Wechsel in die beE aufgrund des betrieblichen Personalanpassungskonzeptes zu einem späteren Zeitpunkt vorgesehen, so dass für die tatsächlich in die beE wechselnden Arbeitnehmer die Mindestgrößenordnung erst zu einem späteren Zeitpunkt erreicht werde. Der tatsächliche Wechsel orientiere sich an betrieblichen Entscheidungen, durch die sich die personellen Folgen der Betriebsänderung über einen längeren Zeitraum erstreckten. Insbesondere aus Gründen der Unvermeidbarkeit des Arbeitsausfalles seien für Arbeitnehmer unterschiedliche Eintrittsdaten bis zum 15.01.2004 vorgesehen.
Beigefügt war der Interessenausgleich zwischen der Marconi Communications GmbH und dem Gesamtbetriebsrat vom 28.11.2003, das Personalanpassungskonzept sowie eine umfangreiche Darstellung der Strukturkrise in der Marconi Communications GmbH B ... Weiter beigefügt war eine Liste der in die beE eintretenden Arbeitnehmer. Danach sollten 5 Arbeitnehmer am 15.12.2003 und die restlichen Arbeitnehmer in der Zeit zwischen dem 01.01.2004 und dem 01.04.2004 in die beE eintreten.
Mit Bescheid vom 12.01.2004 lehnte die Beklagte die Gewährung von Struktur-KuG ab. Zur Begründung führte sie aus, zum Zeitpunkt der Gründung der beE müssten gemäß § 175 SGB III alle Anspruchsvoraussetzungen erfüllt sein. Nach § 175 SGB III in Verbindung mit § 17 Abs. 1 Kündigungsschutzgesetz (KSchG) hätten im Dezember 2003 mindestens 30 Arbeitnehmer in die beE eingetreten sein müssen. Dies sei nicht der Fall. Auch sei nicht wenigstens der gleichen Anzahl von Arbeitnehmern der Eintritt von Arbeitslosigkeit erspart worden.
Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 06.02.2004 zurück.
Hiergegen hat die Klägerin am 01.03.2004 Klage zum Sozialgericht Stuttgart, das den Rechtsstreit an das örtlich zuständige Sozialgericht Reutlingen (SG) verwies, erhoben. Zur Begründung hat sie vorgetragen, der tatsächliche Personalabbau bis zum 31.12.2003 sei nicht lediglich durch den Wechsel von Arbeitnehmern in die beE erfolgt. Es hätten 20 Aufhebungsverträge mit Betriebswechsel, ein Abgang in Rente, fünf Eigenkündigungen, 53 Vorruhestandsregelungen, 25 dreiseitige Verträge mit Wechsel in die Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaft, davon 10 mit Ausscheiden zum 31.12.2003 und Wechsel zum 01.01.2004 in die beE stattgefunden. Es seien insgesamt 41 Mitarbeiter in die beE gewechselt.
Die Klägerin hat weiter vorgetragen, nach Ziffer 7.4 der Durchführungsanweisung zu § 175 SGB III könnten die Anspruchsvoraussetzungen bei Gründung der beE auch dann anerkannt werden, wenn zwar zu diesem Zeitpunkt weniger als die in § 17 Abs. 1 KSchG genannte Zahl von Arbeitnehmern in die beE einmünde, aber zu einem späteren Zeitpunkt die Mindestgrößenordnung hinsichtlich der Arbeitnehmer erreicht werde. Insoweit habe sich die Entscheidung an den arbeitsrechtlichen Regelungen zu orientieren, wenn sich die personellen Folgen der Betriebsänderung über einen längeren Zeitraum erstreckten.
Demgegenüber hat die Beklagte vortragen, die Klägerin habe keinerlei zwingenden betrieblichen Erfordernisse für einen späteren Eintritt der Arbeitnehmer in die beE nach dem 31.12.2003 dargelegt. Zudem werde die gleiche Arbeit mit weniger Mitarbeitern bewältigt. Schließlich habe die Marconi Communications GmbH die späteren Eintritte in die beE mit der Einarbeitung von Nachfolgern und Übergabe von Arbeitsinhalten begründet, so dass hier davon auszugehen sei, dass es sich um einen Personalabbau im Rahmen von Rationalisierungsmaßnahmen gehandelt habe.
Die Beklagte hat der Klägerin Transferkurzarbeitergeld gemäß § 216 b SGB III in der ab 01.01.2004 geltenden Fassung für die Zeit vom 01.01.2004 bis 31.12.2004 bewilligt.
Mit Urteil vom 30.06.2006 hat das SG den Bescheid der Beklagten vom 12.01.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.02.2004 aufgehoben und die Beklagte verurteilt, der Klägerin Struktur-KuG für die betriebsorganisatorisch eigenständige Einheit Marconi Communications GmbH zu gewähren. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Klägerin habe Anspruch auf Gewährung von Kurzarbeitergeld gemäß § 175 SGB III in der bis zum 31.12.2003 geltenden Fassung. Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 169 SGB III für die Gewährung von Kurzarbeitergeld lägen vor. Der Personalabbau bei der Marconi Communications GmbH beruhe darüber hinaus auf Strukturveränderungen des Telekommunikationsmarktes. Schließlich sei auch die Anspruchsvoraussetzung des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB III erfüllt, wonach die von dem Arbeitsausfall betroffenen Arbeitnehmer zur Vermeidung von Entlassungen einer erheblichen Anzahl von Arbeitnehmern des Betriebes (§ 17 Abs. 1 KSchG) in einer betriebsorganisatorisch eigenständigen Einheit zusammengefasst sein müssten. Danach müssten dreißig Arbeitnehmer in der beE aufgenommen worden sein. Grundsätzlich müssten zum Zeitpunkt der Gründung der beE die Anspruchsvoraussetzungen erfüllt sein, spätestens jedoch im ersten Anspruchszeitraum (Kalendermonat), für den das Struktur-KuG beantragt werde. Insgesamt seien zwar 41 Arbeitnehmer in die beE übergewechselt, jedoch keine 30 Arbeitnehmer bis zum 31.12.2003. Obwohl das Struktur-KuG zum 31.12.2003 ausgelaufen und ab 01.01.2004 durch das Transferkurzarbeitergeld mit einer verkürzten Anspruchsdauer ersetzt worden sei, könnten die Anspruchsvoraussetzungen auch noch durch Eintritt von Arbeitnehmern nach dem 31.12.2003 zur Erfüllung des Quorums erfüllt werden. Soweit das zwischen den Betriebsparteien vereinbarte Personalanpassungskonzept eine Eingliederung der Arbeitnehmer in die beE zu unterschiedlichen Zeitpunkten vorsehe, könnten die Anspruchsvoraussetzungen bei Gründung der beE auch dann anerkannt werden, wenn zwar zu diesem Zeitpunkt weniger als die in § 17 Abs. 1 KSchG genannte Zahl von Arbeitnehmern in die beE einmünde, aber zu einem späteren Zeitpunkt die Mindestgrößenordnung der Arbeitnehmer erreicht werde. Eine solche flexible Herangehensweise sei rechtlich allein schon deshalb geboten, weil die Arbeitnehmer unterschiedliche Kündigungsfristen hätten. Es sei auch arbeitsmarktpolitisch sinnvoll, dem abgebenden Betrieb hinreichende Flexibilität bei der Abdeckung von Restaufträgen und Restarbeiten zu geben. Ausweislich der Personallisten hätten die Kündigungsfristen der Arbeitnehmer überwiegend sechs Monate zum Quartalsende, in Einzelfällen sechs Wochen zum Quartalsende betragen. Dies verdeutliche, dass ein Erfüllen des Quorums von 30 Arbeitnehmern zum 31.12.2003 aus arbeitsrechtlichen Gründen gar nicht möglich gewesen wäre. Im vorliegenden Fall lägen auch keine Anhaltspunkte für eine Umgehung des Gesetzes im Hinblick auf reine Mitnahmeeffekte vor.
Gegen das am 25.07.2006 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 09.08.2006 Berufung eingelegt. Sie trägt vor, mit Blick auf das Auslaufen der Leistung zum 31.12.2003 sei es unabdingbar, dass die Voraussetzungen des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB III schon zum Jahresende 2003 erfüllt gewesen seien. Da die Mindestgröße nach § 17 Abs. 1 KSchG der beE im Dezember 2003 nicht vorgelegen habe und damit nicht mindestens für den Anspruchszeitraum Dezember ein Anspruch auf Struktur-KuG bestanden habe, seien die Anspruchsvoraussetzungen nicht erfüllt. Voraussetzung für die Anwendung der bis zum 31.12.2003 geltenden Regelung sei nicht nur, dass die beE bis dahin gegründet sei, sondern dass sie auch "leben" müsse.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgericht Reutlingen vom 30. Juni 2006 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Sie trägt vor, § 434 j Abs. 11 SGB III regle allein Verlängerungen der Bewilligung von Struktur-KuG, die bis zum 31.12.2003 entstanden seien. Diese Norm sei auf den streitigen Sachverhalt weder direkt noch analog anwendbar. Darüber hinaus sei die Zulässigkeit späterer Eintritte in eine (bereits laufende) beE unter Anrechnung der seit Beginn der beE bereits abgelaufenen Zeit schon immer anerkannt gewesen. Maßgeblich sei allein, ob im Zeitpunkt der Gründung der beE das spätere Erfüllen der gesetzlichen Tatbestandsvoraussetzungen bereits in der Maßnahme angelegt gewesen sei. Für ihre Rechtsauffassung sprächen zudem die Durchführungsanweisungen der Beklagten zu § 175 SGB III. Entscheidungserheblicher Zeitpunkt sei danach die Einrichtung der beE, von der aus, in die Zukunft gesehen, zu beurteilen sei, ob die Tatbestandsvoraussetzungen zu einem späteren Zeitpunkt erfüllt würden und damit ausnahmsweise bereits zu diesem Zeitpunkt alle Voraussetzungen für den Bezug von Struktur-KuG vorlägen.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Beklagtenakten sowie der Gerichtsakten beider Rechtszüge, welche Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe liegen nicht vor.
Die Klägerin führt das Verfahren als Prozessstandschafterin der in die beE eingetretenen Arbeitnehmer, deren Beiladung nicht notwendig ist (BSG, Urteil vom 29.01.2008 - B 7/7a AL 20/06 R).
Die Berufung ist auch begründet. Die Beklagte hat mit den angefochtenen Bescheiden zu Recht die Gewährung von Struktur-KuG abgelehnt. Bis zum 31.12.2003 waren die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB III nicht erfüllt und konnten danach wegen der Änderung der Rechtslage nicht mehr erfüllt werden.
Arbeitnehmer haben gemäß § 169 SGB III Anspruch auf Kurzarbeitergeld, wenn ein erheblicher Arbeitsausfall mit Entgeltausfall vorliegt, die betrieblichen Voraussetzungen erfüllt sind, die persönlichen Voraussetzungen erfüllt sind und der Arbeitsausfall dem Arbeitsamt angezeigt worden ist.
Gemäß § 175 Abs. 1 Satz 1 SGB III (in der bis zum 31.12.2003 geltenden Fassung) besteht Anspruch auf Kurzarbeitergeld auch in Fällen eines nicht nur vorübergehenden Arbeitsausfalls, wenn 1. Strukturveränderungen für einen Betrieb mit einer Einschränkung und Stilllegung des ganzen Betriebs oder von wesentlichen Betriebsteilen verbunden sind und mit Personalanpassungsmaßnahmen in erheblichen Umfang einhergehen und 2. die von dem Arbeitsausfall betroffenen Arbeitnehmer zur Vermeidung von Entlassungen einer erheblichen Anzahl von Arbeitnehmern des Betriebes (§ 17 Abs. 1 des Kündigungs-schutzgesetzes) in einer betriebsorganisatorisch eigenständigen Einheit zusammengefasst sind.
Gem. § 182 SGB III konnte das Struktur-KuG bis zu einer Dauer von 24 Monaten bezogen werden.
§ 175 SGB III ist ab 01.01.2004 durch das Dritte Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23.12.2003 - BGBl. I S. 2848 - aufgehoben und durch das Transferkurzarbeitergeld nach § 216 b SGB III ersetzt worden, das jedoch lediglich für eine Bezugsfrist von längstens 12 Monaten (§ 216 b Abs. 8 SGB III) gewährt wird.
Durch die Zusammenfassung von Arbeitnehmern in einer beE muss wenigstens der in § 17 Abs. 1 KSchG genannten Mindestzahl von Arbeitnehmern Arbeitslosigkeit (vorübergehend) erspart bleiben. Maßgebend ist in der Regel der Zeitpunkt ihrer Gründung, spätestens der erste Kalendermonat, für den Strukturkurzarbeitergeld beantragt wird. Dies war vorliegend der Monat Dezember 2003. Ausweislich der Anzeige über Arbeitsausfall waren bei der Marconi Communications GmbH B. vor Durchführung der Betriebsänderung ca. 1200 Arbeitnehmer beschäftigt. Gem. § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 KSchG wäre danach der Eintritt von mindestens 30 Arbeitnehmern in die beE erforderlich gewesen. Dies war auch beabsichtigt. In der beE sollten insgesamt 54 Arbeitnehmer zusammengefasst werden, tatsächlich übergewechselt sind 41 Arbeitnehmer. Diese Anzahl wurde jedoch erst im Jahr 2004 erreicht. Im Dezember 2003 traten ausweislich der vorgelegten Arbeitnehmerlisten lediglich 5 Arbeitnehmer in die beE ein. Damit waren bis zum 31.12.2003 die Anspruchsvoraussetzungen nicht erfüllt.
Durch den Eintritt weiterer Arbeitnehmer im Jahr 2004 konnten die Anspruchsvoraussetzungen des § 175 SGB III nicht mehr erfüllt werden, da dieser mit Ablauf des 31.12.2003 aufgehoben worden war.
Grundsätzlich ist es zwar zutreffend, dass unter Zugrundelegung einer flexiblen Herangehensweise es als ausreichend angesehen werden muss, wenn die erforderliche Anzahl der Arbeitnehmer unter Berücksichtigung betrieblicher Belange nicht schon im Monat der Gründung der beE, sondern zu einem späteren Zeitpunkt erreicht wird. Dies gilt jedoch nur bei unveränderten rechtlichen Voraussetzungen und nicht mehr, wenn - wie vorliegend - die Rechtsgrundlage aufgehoben worden ist. Entgegen der Auffassung des SG kommt es deshalb auf die Frage, ob eine Gesetzesumgehung vorliegt, nicht an.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Wortlaut des § 175 SGB III. Die Bewilligung von Struktur-KuG setzt danach voraus, dass die vom Arbeitsausfall betroffenen Arbeitnehmer in einer beE zusammengefasst sind. Die Zusammenfassung muss danach schon erfolgt sein. Nicht ausreichend ist, dass die Arbeitnehmer in einer beE - zukünftig - zusammengefasst werden sollen.
Auch die Übergangsregelung für die Verlängerung der Bezugsfrist für das Struktur-KuG in § 434 j Abs. 11 SGB III spricht dafür, dass alle Voraussetzungen für die Entstehung des Anspruchs bis zum 31.12.2003 vorgelegen haben müssen. Ist danach ein Anspruch auf Kurzarbeitergeld in einer betriebsorganisatorisch eigenständigen Einheit bis zum 31. Dezember 2003 entstanden, so richtet sich die Entscheidung über eine Verlängerung nach den bis zum 31. Dezember 2003 geltenden Vorschriften. In der Gesetzesbegründung zu § 434 j Abs. 11 SGB III wird ausgeführt: " Für Arbeitnehmer, die bis zum Jahresende 2003 mit dem Bezug von Kurzarbeitergeld in einer betriebsorganisatorischen Einheit gemäß § 175 beginnen, bleibt gemäß § 422 Abs. 1 die vor dem 01. Januar 2004 bestehende Rechtslage maßgeblich, also auch die verlängerte 24-monatige Höchstbezugsfrist nach der Verordnung über die Bezugsfrist für das Kurzarbeitergeld vom 15. Januar 2003. Die Regelung bestimmt, dass - abweichend von § 422 Abs. 2 - in den o.g. Fällen auch über die Verlängerung des Bezuges von Kurzarbeitergeld nach der alten Rechtslage zu entscheiden ist." Die Vorschrift regelt zwar nur die Verlängerung von Ansprüchen auf Kurzarbeitergeld. Ihre Anwendung setzt jedoch voraus, dass der Anspruch bereits im Jahr 2003 nach altem Recht entstanden sein muss.
Die Rechtsänderung ist auch nicht nach § 422 Abs. 1 Nr. 1 SGB III unbeachtlich, der regelt, welches Recht bei Änderungen des SGB III anzuwenden ist. Wird danach das SGB III geändert, so sind, soweit nichts Abweichendes bestimmt ist, auf Leistungen der aktiven Arbeitsförderung bis zum Ende der Leistungen oder der Maßnahme die Vorschriften in der vor dem Tag des Inkrafttretens der Änderung geltenden Fassung weiter anzuwenden, wenn vor diesem Tag der Anspruch entstanden ist. Unter Anspruch in diesem Sinne ist der sich aus dem Stammrecht ableitende Einzelanspruch auf die konkrete Leistung zu verstehen (vgl. Niesel, SGB III, 4. Aufl. § 422 Rn. 3). Selbst wenn die beE bereits im Jahr 2003 entstanden wäre, könnte dies allenfalls einen Anspruch für die bereits im Jahr 2003 in die beE eingetretenen Arbeitnehmer begründen. Der Anspruch auf Struktur-KuG ist ein Individualanspruch des jeweiligen Arbeitnehmers. Dieser entsteht frühestens mit dem Eintritt in die beE. Ist dieser nicht mehr im Jahr 2003 erfolgt, ist der Anspruch des jeweiligen Arbeitnehmers noch nicht entstanden.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus den Dienstanweisungen der Beklagten, die zudem lediglich verwaltungsinterne Anweisungen enthalten und für das Gericht rechtlich nicht bindend sind. Für den Fall eines Personalanpassungskonzepts mit stufenweiser Eingliederung der Arbeitnehmer enthält der KUG-Sammelerlass DA 7.4 Abs. 3 zu § 175 SGB III folgende Regelung: "Die Anspruchsvoraussetzung muss grundsätzlich zum Zeitpunkt der Gründung der beE erfüllt werden, spätestens jedoch im ersten Anspruchszeitraum (Kalendermonat), für den das KuG beantragt wird. Soweit das zwischen den Betriebsparteien vereinbarte Personalanpassungskonzept eine Eingliederung der Arbeitnehmer in die beE zu unterschiedlichen Zeitpunkten vorsieht, kann die Anspruchsvoraussetzung bei Gründung der beE auch anerkannt werden, wenn zwar zu diesem Zeitpunkt weniger als die in § 17 Abs. 1 KSchG genannte Zahl von Arbeitnehmern in die beE einmündet, aber zu einem späteren Zeitpunkt die Mindestgrößenordnung der Arbeitnehmer erreicht wird. Insoweit hat sich die Entscheidung an den arbeitsrechtlichen Regelungen zu orientieren, wenn sich die personellen Folgen der Betriebsänderung über einen längeren Zeitraum erstrecken." Diese Dienstanweisung ist auf die vorliegende Konstellation nicht anwendbar. Sie setzt vielmehr voraus, dass die rechtlichen Grundlagen auch noch während des (späteren) Eintritts der Arbeitnehmer in die beE unverändert fortgelten.
Unabhängig hiervon spricht viel dafür, dass der Eintritt der Mitarbeiter in die beE erst nach Ablauf des Jahres 2003 nicht allein auf arbeitsrechtlichen Regelungen - insbesondere Einhaltung der Kündigungsfristen -, sondern weit überwiegend darauf beruht hat, dass noch Abwicklungsmaßnahmen durchzuführen waren. Ausweislich der vorgelegten Personallisten waren die Kündigungsfristen der Arbeitnehmer überwiegend nicht maßgeblich für den späteren Eintritt in die beE. Die Arbeitnehmer haben in der Zeit zwischen dem 12.12.2003 und den 17.12.2003 die Beendigungs- bzw. Überführungsverträge unterschrieben. Für 4 der 5 Arbeitnehmer, die bereits zum 15.12.2003 in die beE eingetreten sind, galt eine Kündigungsfrist von 6 Monaten zum Quartalsende. Sie haben somit die Einhaltung der für sie geltenden Kündigungsfrist nicht geltend gemacht. Für den weit überwiegenden Teil der übrigen Arbeitnehmer galt die gleiche Kündigungsfrist. Dies spricht dafür, dass nicht die Kündigungsfrist, sondern betriebliche Erfordernisse maßgeblich den Zeitpunkt des Übergangs in die beE bestimmten. So wird bei zahlreichen Arbeitnehmern angegeben, die Übergabe der Arbeitsinhalte benötige ca. 4 Wochen. Dies lässt jedoch, wie die Beklagte zutreffend vorgetragen hat, darauf schließen, dass die von den in die beE wechselnden Arbeitnehmern ausgeführten Tätigkeiten bzw. Arbeitsgebiete nicht entfallen, sondern von anderen Mitarbeitern fortgeführt worden sind. Ursache für den späteren Eintritt in die beE war damit nicht die zwingende Beachtung arbeitsrechtlicher Regelungen, wie das SG angenommen hat. Zutreffend ist zwar die Erwägung, dass es arbeitsmarktpolitisch sinnvoll ist, dem abgebenden Betrieb hinreichende Flexibilität bei der Abwicklung von Restaufträgen und Restarbeiten zu geben (Bieback in Gagel, SGB III, § 175 Anm. 39). Diese Überlegung gilt jedoch, wie bereits oben ausgeführt, lediglich bei unverändert fortbestehender Rechtslage, nicht jedoch, wenn zwischenzeitlich eine Gesetzesänderung eingetreten ist.
Auf die Berufung der Beklagten war deshalb das Urteil des SG aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 177 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung von Kurzarbeitergeld in einer betriebsorganisatorisch eigenständigen Einheit (beE) - sog. Strukturkurzarbeitergeld (Struktur-KuG) - streitig.
Am 02.12.2003 zeigte die Klägerin der Beklagten die geplante Bildung einer beE bei der Marconi Communications GmbH B. an, bei der im Dezember 2003 ca. 1200 Arbeitnehmer beschäftigt waren. Am 12.12.2003 beantragte die Klägerin die Gewährung von Struktur-KuG gemäß § 175 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) für Arbeitnehmer der Marconi Communications GmbH, die in einer unter ihrer Trägerschaft zu bildenden beE zusammengefasst werden sollten. Die tiefgreifende strukturelle Krisensituation der Telekommunikationsbranche erzwinge bei der Marconi Communications GmbH weitere strukturelle Anpassungsmaßnahmen, die mit erheblichen Personalanpassungsmaßnahmen einhergingen. Die beE starte zum 15.12.2003 mit dem Übertritt der ersten Arbeitnehmer mittels der vereinbarten dreiseitigen Verträge. Entsprechend der betrieblichen Personalplanung und der notwendigen Projektbeendigungen würden die Arbeitnehmer sukzessive in die beE überwechseln.
Mit Schreiben vom 22.12.2003 trug die Klägerin weiter vor, von den 44 Arbeitnehmern, die in die beE eintreten sollten, seien 14 noch im Dezember 2003 eingetreten. Für die weiteren Arbeitnehmer sei ein Wechsel in die beE aufgrund des betrieblichen Personalanpassungskonzeptes zu einem späteren Zeitpunkt vorgesehen, so dass für die tatsächlich in die beE wechselnden Arbeitnehmer die Mindestgrößenordnung erst zu einem späteren Zeitpunkt erreicht werde. Der tatsächliche Wechsel orientiere sich an betrieblichen Entscheidungen, durch die sich die personellen Folgen der Betriebsänderung über einen längeren Zeitraum erstreckten. Insbesondere aus Gründen der Unvermeidbarkeit des Arbeitsausfalles seien für Arbeitnehmer unterschiedliche Eintrittsdaten bis zum 15.01.2004 vorgesehen.
Beigefügt war der Interessenausgleich zwischen der Marconi Communications GmbH und dem Gesamtbetriebsrat vom 28.11.2003, das Personalanpassungskonzept sowie eine umfangreiche Darstellung der Strukturkrise in der Marconi Communications GmbH B ... Weiter beigefügt war eine Liste der in die beE eintretenden Arbeitnehmer. Danach sollten 5 Arbeitnehmer am 15.12.2003 und die restlichen Arbeitnehmer in der Zeit zwischen dem 01.01.2004 und dem 01.04.2004 in die beE eintreten.
Mit Bescheid vom 12.01.2004 lehnte die Beklagte die Gewährung von Struktur-KuG ab. Zur Begründung führte sie aus, zum Zeitpunkt der Gründung der beE müssten gemäß § 175 SGB III alle Anspruchsvoraussetzungen erfüllt sein. Nach § 175 SGB III in Verbindung mit § 17 Abs. 1 Kündigungsschutzgesetz (KSchG) hätten im Dezember 2003 mindestens 30 Arbeitnehmer in die beE eingetreten sein müssen. Dies sei nicht der Fall. Auch sei nicht wenigstens der gleichen Anzahl von Arbeitnehmern der Eintritt von Arbeitslosigkeit erspart worden.
Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 06.02.2004 zurück.
Hiergegen hat die Klägerin am 01.03.2004 Klage zum Sozialgericht Stuttgart, das den Rechtsstreit an das örtlich zuständige Sozialgericht Reutlingen (SG) verwies, erhoben. Zur Begründung hat sie vorgetragen, der tatsächliche Personalabbau bis zum 31.12.2003 sei nicht lediglich durch den Wechsel von Arbeitnehmern in die beE erfolgt. Es hätten 20 Aufhebungsverträge mit Betriebswechsel, ein Abgang in Rente, fünf Eigenkündigungen, 53 Vorruhestandsregelungen, 25 dreiseitige Verträge mit Wechsel in die Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaft, davon 10 mit Ausscheiden zum 31.12.2003 und Wechsel zum 01.01.2004 in die beE stattgefunden. Es seien insgesamt 41 Mitarbeiter in die beE gewechselt.
Die Klägerin hat weiter vorgetragen, nach Ziffer 7.4 der Durchführungsanweisung zu § 175 SGB III könnten die Anspruchsvoraussetzungen bei Gründung der beE auch dann anerkannt werden, wenn zwar zu diesem Zeitpunkt weniger als die in § 17 Abs. 1 KSchG genannte Zahl von Arbeitnehmern in die beE einmünde, aber zu einem späteren Zeitpunkt die Mindestgrößenordnung hinsichtlich der Arbeitnehmer erreicht werde. Insoweit habe sich die Entscheidung an den arbeitsrechtlichen Regelungen zu orientieren, wenn sich die personellen Folgen der Betriebsänderung über einen längeren Zeitraum erstreckten.
Demgegenüber hat die Beklagte vortragen, die Klägerin habe keinerlei zwingenden betrieblichen Erfordernisse für einen späteren Eintritt der Arbeitnehmer in die beE nach dem 31.12.2003 dargelegt. Zudem werde die gleiche Arbeit mit weniger Mitarbeitern bewältigt. Schließlich habe die Marconi Communications GmbH die späteren Eintritte in die beE mit der Einarbeitung von Nachfolgern und Übergabe von Arbeitsinhalten begründet, so dass hier davon auszugehen sei, dass es sich um einen Personalabbau im Rahmen von Rationalisierungsmaßnahmen gehandelt habe.
Die Beklagte hat der Klägerin Transferkurzarbeitergeld gemäß § 216 b SGB III in der ab 01.01.2004 geltenden Fassung für die Zeit vom 01.01.2004 bis 31.12.2004 bewilligt.
Mit Urteil vom 30.06.2006 hat das SG den Bescheid der Beklagten vom 12.01.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.02.2004 aufgehoben und die Beklagte verurteilt, der Klägerin Struktur-KuG für die betriebsorganisatorisch eigenständige Einheit Marconi Communications GmbH zu gewähren. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Klägerin habe Anspruch auf Gewährung von Kurzarbeitergeld gemäß § 175 SGB III in der bis zum 31.12.2003 geltenden Fassung. Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 169 SGB III für die Gewährung von Kurzarbeitergeld lägen vor. Der Personalabbau bei der Marconi Communications GmbH beruhe darüber hinaus auf Strukturveränderungen des Telekommunikationsmarktes. Schließlich sei auch die Anspruchsvoraussetzung des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB III erfüllt, wonach die von dem Arbeitsausfall betroffenen Arbeitnehmer zur Vermeidung von Entlassungen einer erheblichen Anzahl von Arbeitnehmern des Betriebes (§ 17 Abs. 1 KSchG) in einer betriebsorganisatorisch eigenständigen Einheit zusammengefasst sein müssten. Danach müssten dreißig Arbeitnehmer in der beE aufgenommen worden sein. Grundsätzlich müssten zum Zeitpunkt der Gründung der beE die Anspruchsvoraussetzungen erfüllt sein, spätestens jedoch im ersten Anspruchszeitraum (Kalendermonat), für den das Struktur-KuG beantragt werde. Insgesamt seien zwar 41 Arbeitnehmer in die beE übergewechselt, jedoch keine 30 Arbeitnehmer bis zum 31.12.2003. Obwohl das Struktur-KuG zum 31.12.2003 ausgelaufen und ab 01.01.2004 durch das Transferkurzarbeitergeld mit einer verkürzten Anspruchsdauer ersetzt worden sei, könnten die Anspruchsvoraussetzungen auch noch durch Eintritt von Arbeitnehmern nach dem 31.12.2003 zur Erfüllung des Quorums erfüllt werden. Soweit das zwischen den Betriebsparteien vereinbarte Personalanpassungskonzept eine Eingliederung der Arbeitnehmer in die beE zu unterschiedlichen Zeitpunkten vorsehe, könnten die Anspruchsvoraussetzungen bei Gründung der beE auch dann anerkannt werden, wenn zwar zu diesem Zeitpunkt weniger als die in § 17 Abs. 1 KSchG genannte Zahl von Arbeitnehmern in die beE einmünde, aber zu einem späteren Zeitpunkt die Mindestgrößenordnung der Arbeitnehmer erreicht werde. Eine solche flexible Herangehensweise sei rechtlich allein schon deshalb geboten, weil die Arbeitnehmer unterschiedliche Kündigungsfristen hätten. Es sei auch arbeitsmarktpolitisch sinnvoll, dem abgebenden Betrieb hinreichende Flexibilität bei der Abdeckung von Restaufträgen und Restarbeiten zu geben. Ausweislich der Personallisten hätten die Kündigungsfristen der Arbeitnehmer überwiegend sechs Monate zum Quartalsende, in Einzelfällen sechs Wochen zum Quartalsende betragen. Dies verdeutliche, dass ein Erfüllen des Quorums von 30 Arbeitnehmern zum 31.12.2003 aus arbeitsrechtlichen Gründen gar nicht möglich gewesen wäre. Im vorliegenden Fall lägen auch keine Anhaltspunkte für eine Umgehung des Gesetzes im Hinblick auf reine Mitnahmeeffekte vor.
Gegen das am 25.07.2006 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 09.08.2006 Berufung eingelegt. Sie trägt vor, mit Blick auf das Auslaufen der Leistung zum 31.12.2003 sei es unabdingbar, dass die Voraussetzungen des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB III schon zum Jahresende 2003 erfüllt gewesen seien. Da die Mindestgröße nach § 17 Abs. 1 KSchG der beE im Dezember 2003 nicht vorgelegen habe und damit nicht mindestens für den Anspruchszeitraum Dezember ein Anspruch auf Struktur-KuG bestanden habe, seien die Anspruchsvoraussetzungen nicht erfüllt. Voraussetzung für die Anwendung der bis zum 31.12.2003 geltenden Regelung sei nicht nur, dass die beE bis dahin gegründet sei, sondern dass sie auch "leben" müsse.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgericht Reutlingen vom 30. Juni 2006 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Sie trägt vor, § 434 j Abs. 11 SGB III regle allein Verlängerungen der Bewilligung von Struktur-KuG, die bis zum 31.12.2003 entstanden seien. Diese Norm sei auf den streitigen Sachverhalt weder direkt noch analog anwendbar. Darüber hinaus sei die Zulässigkeit späterer Eintritte in eine (bereits laufende) beE unter Anrechnung der seit Beginn der beE bereits abgelaufenen Zeit schon immer anerkannt gewesen. Maßgeblich sei allein, ob im Zeitpunkt der Gründung der beE das spätere Erfüllen der gesetzlichen Tatbestandsvoraussetzungen bereits in der Maßnahme angelegt gewesen sei. Für ihre Rechtsauffassung sprächen zudem die Durchführungsanweisungen der Beklagten zu § 175 SGB III. Entscheidungserheblicher Zeitpunkt sei danach die Einrichtung der beE, von der aus, in die Zukunft gesehen, zu beurteilen sei, ob die Tatbestandsvoraussetzungen zu einem späteren Zeitpunkt erfüllt würden und damit ausnahmsweise bereits zu diesem Zeitpunkt alle Voraussetzungen für den Bezug von Struktur-KuG vorlägen.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Beklagtenakten sowie der Gerichtsakten beider Rechtszüge, welche Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe liegen nicht vor.
Die Klägerin führt das Verfahren als Prozessstandschafterin der in die beE eingetretenen Arbeitnehmer, deren Beiladung nicht notwendig ist (BSG, Urteil vom 29.01.2008 - B 7/7a AL 20/06 R).
Die Berufung ist auch begründet. Die Beklagte hat mit den angefochtenen Bescheiden zu Recht die Gewährung von Struktur-KuG abgelehnt. Bis zum 31.12.2003 waren die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB III nicht erfüllt und konnten danach wegen der Änderung der Rechtslage nicht mehr erfüllt werden.
Arbeitnehmer haben gemäß § 169 SGB III Anspruch auf Kurzarbeitergeld, wenn ein erheblicher Arbeitsausfall mit Entgeltausfall vorliegt, die betrieblichen Voraussetzungen erfüllt sind, die persönlichen Voraussetzungen erfüllt sind und der Arbeitsausfall dem Arbeitsamt angezeigt worden ist.
Gemäß § 175 Abs. 1 Satz 1 SGB III (in der bis zum 31.12.2003 geltenden Fassung) besteht Anspruch auf Kurzarbeitergeld auch in Fällen eines nicht nur vorübergehenden Arbeitsausfalls, wenn 1. Strukturveränderungen für einen Betrieb mit einer Einschränkung und Stilllegung des ganzen Betriebs oder von wesentlichen Betriebsteilen verbunden sind und mit Personalanpassungsmaßnahmen in erheblichen Umfang einhergehen und 2. die von dem Arbeitsausfall betroffenen Arbeitnehmer zur Vermeidung von Entlassungen einer erheblichen Anzahl von Arbeitnehmern des Betriebes (§ 17 Abs. 1 des Kündigungs-schutzgesetzes) in einer betriebsorganisatorisch eigenständigen Einheit zusammengefasst sind.
Gem. § 182 SGB III konnte das Struktur-KuG bis zu einer Dauer von 24 Monaten bezogen werden.
§ 175 SGB III ist ab 01.01.2004 durch das Dritte Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23.12.2003 - BGBl. I S. 2848 - aufgehoben und durch das Transferkurzarbeitergeld nach § 216 b SGB III ersetzt worden, das jedoch lediglich für eine Bezugsfrist von längstens 12 Monaten (§ 216 b Abs. 8 SGB III) gewährt wird.
Durch die Zusammenfassung von Arbeitnehmern in einer beE muss wenigstens der in § 17 Abs. 1 KSchG genannten Mindestzahl von Arbeitnehmern Arbeitslosigkeit (vorübergehend) erspart bleiben. Maßgebend ist in der Regel der Zeitpunkt ihrer Gründung, spätestens der erste Kalendermonat, für den Strukturkurzarbeitergeld beantragt wird. Dies war vorliegend der Monat Dezember 2003. Ausweislich der Anzeige über Arbeitsausfall waren bei der Marconi Communications GmbH B. vor Durchführung der Betriebsänderung ca. 1200 Arbeitnehmer beschäftigt. Gem. § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 KSchG wäre danach der Eintritt von mindestens 30 Arbeitnehmern in die beE erforderlich gewesen. Dies war auch beabsichtigt. In der beE sollten insgesamt 54 Arbeitnehmer zusammengefasst werden, tatsächlich übergewechselt sind 41 Arbeitnehmer. Diese Anzahl wurde jedoch erst im Jahr 2004 erreicht. Im Dezember 2003 traten ausweislich der vorgelegten Arbeitnehmerlisten lediglich 5 Arbeitnehmer in die beE ein. Damit waren bis zum 31.12.2003 die Anspruchsvoraussetzungen nicht erfüllt.
Durch den Eintritt weiterer Arbeitnehmer im Jahr 2004 konnten die Anspruchsvoraussetzungen des § 175 SGB III nicht mehr erfüllt werden, da dieser mit Ablauf des 31.12.2003 aufgehoben worden war.
Grundsätzlich ist es zwar zutreffend, dass unter Zugrundelegung einer flexiblen Herangehensweise es als ausreichend angesehen werden muss, wenn die erforderliche Anzahl der Arbeitnehmer unter Berücksichtigung betrieblicher Belange nicht schon im Monat der Gründung der beE, sondern zu einem späteren Zeitpunkt erreicht wird. Dies gilt jedoch nur bei unveränderten rechtlichen Voraussetzungen und nicht mehr, wenn - wie vorliegend - die Rechtsgrundlage aufgehoben worden ist. Entgegen der Auffassung des SG kommt es deshalb auf die Frage, ob eine Gesetzesumgehung vorliegt, nicht an.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Wortlaut des § 175 SGB III. Die Bewilligung von Struktur-KuG setzt danach voraus, dass die vom Arbeitsausfall betroffenen Arbeitnehmer in einer beE zusammengefasst sind. Die Zusammenfassung muss danach schon erfolgt sein. Nicht ausreichend ist, dass die Arbeitnehmer in einer beE - zukünftig - zusammengefasst werden sollen.
Auch die Übergangsregelung für die Verlängerung der Bezugsfrist für das Struktur-KuG in § 434 j Abs. 11 SGB III spricht dafür, dass alle Voraussetzungen für die Entstehung des Anspruchs bis zum 31.12.2003 vorgelegen haben müssen. Ist danach ein Anspruch auf Kurzarbeitergeld in einer betriebsorganisatorisch eigenständigen Einheit bis zum 31. Dezember 2003 entstanden, so richtet sich die Entscheidung über eine Verlängerung nach den bis zum 31. Dezember 2003 geltenden Vorschriften. In der Gesetzesbegründung zu § 434 j Abs. 11 SGB III wird ausgeführt: " Für Arbeitnehmer, die bis zum Jahresende 2003 mit dem Bezug von Kurzarbeitergeld in einer betriebsorganisatorischen Einheit gemäß § 175 beginnen, bleibt gemäß § 422 Abs. 1 die vor dem 01. Januar 2004 bestehende Rechtslage maßgeblich, also auch die verlängerte 24-monatige Höchstbezugsfrist nach der Verordnung über die Bezugsfrist für das Kurzarbeitergeld vom 15. Januar 2003. Die Regelung bestimmt, dass - abweichend von § 422 Abs. 2 - in den o.g. Fällen auch über die Verlängerung des Bezuges von Kurzarbeitergeld nach der alten Rechtslage zu entscheiden ist." Die Vorschrift regelt zwar nur die Verlängerung von Ansprüchen auf Kurzarbeitergeld. Ihre Anwendung setzt jedoch voraus, dass der Anspruch bereits im Jahr 2003 nach altem Recht entstanden sein muss.
Die Rechtsänderung ist auch nicht nach § 422 Abs. 1 Nr. 1 SGB III unbeachtlich, der regelt, welches Recht bei Änderungen des SGB III anzuwenden ist. Wird danach das SGB III geändert, so sind, soweit nichts Abweichendes bestimmt ist, auf Leistungen der aktiven Arbeitsförderung bis zum Ende der Leistungen oder der Maßnahme die Vorschriften in der vor dem Tag des Inkrafttretens der Änderung geltenden Fassung weiter anzuwenden, wenn vor diesem Tag der Anspruch entstanden ist. Unter Anspruch in diesem Sinne ist der sich aus dem Stammrecht ableitende Einzelanspruch auf die konkrete Leistung zu verstehen (vgl. Niesel, SGB III, 4. Aufl. § 422 Rn. 3). Selbst wenn die beE bereits im Jahr 2003 entstanden wäre, könnte dies allenfalls einen Anspruch für die bereits im Jahr 2003 in die beE eingetretenen Arbeitnehmer begründen. Der Anspruch auf Struktur-KuG ist ein Individualanspruch des jeweiligen Arbeitnehmers. Dieser entsteht frühestens mit dem Eintritt in die beE. Ist dieser nicht mehr im Jahr 2003 erfolgt, ist der Anspruch des jeweiligen Arbeitnehmers noch nicht entstanden.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus den Dienstanweisungen der Beklagten, die zudem lediglich verwaltungsinterne Anweisungen enthalten und für das Gericht rechtlich nicht bindend sind. Für den Fall eines Personalanpassungskonzepts mit stufenweiser Eingliederung der Arbeitnehmer enthält der KUG-Sammelerlass DA 7.4 Abs. 3 zu § 175 SGB III folgende Regelung: "Die Anspruchsvoraussetzung muss grundsätzlich zum Zeitpunkt der Gründung der beE erfüllt werden, spätestens jedoch im ersten Anspruchszeitraum (Kalendermonat), für den das KuG beantragt wird. Soweit das zwischen den Betriebsparteien vereinbarte Personalanpassungskonzept eine Eingliederung der Arbeitnehmer in die beE zu unterschiedlichen Zeitpunkten vorsieht, kann die Anspruchsvoraussetzung bei Gründung der beE auch anerkannt werden, wenn zwar zu diesem Zeitpunkt weniger als die in § 17 Abs. 1 KSchG genannte Zahl von Arbeitnehmern in die beE einmündet, aber zu einem späteren Zeitpunkt die Mindestgrößenordnung der Arbeitnehmer erreicht wird. Insoweit hat sich die Entscheidung an den arbeitsrechtlichen Regelungen zu orientieren, wenn sich die personellen Folgen der Betriebsänderung über einen längeren Zeitraum erstrecken." Diese Dienstanweisung ist auf die vorliegende Konstellation nicht anwendbar. Sie setzt vielmehr voraus, dass die rechtlichen Grundlagen auch noch während des (späteren) Eintritts der Arbeitnehmer in die beE unverändert fortgelten.
Unabhängig hiervon spricht viel dafür, dass der Eintritt der Mitarbeiter in die beE erst nach Ablauf des Jahres 2003 nicht allein auf arbeitsrechtlichen Regelungen - insbesondere Einhaltung der Kündigungsfristen -, sondern weit überwiegend darauf beruht hat, dass noch Abwicklungsmaßnahmen durchzuführen waren. Ausweislich der vorgelegten Personallisten waren die Kündigungsfristen der Arbeitnehmer überwiegend nicht maßgeblich für den späteren Eintritt in die beE. Die Arbeitnehmer haben in der Zeit zwischen dem 12.12.2003 und den 17.12.2003 die Beendigungs- bzw. Überführungsverträge unterschrieben. Für 4 der 5 Arbeitnehmer, die bereits zum 15.12.2003 in die beE eingetreten sind, galt eine Kündigungsfrist von 6 Monaten zum Quartalsende. Sie haben somit die Einhaltung der für sie geltenden Kündigungsfrist nicht geltend gemacht. Für den weit überwiegenden Teil der übrigen Arbeitnehmer galt die gleiche Kündigungsfrist. Dies spricht dafür, dass nicht die Kündigungsfrist, sondern betriebliche Erfordernisse maßgeblich den Zeitpunkt des Übergangs in die beE bestimmten. So wird bei zahlreichen Arbeitnehmern angegeben, die Übergabe der Arbeitsinhalte benötige ca. 4 Wochen. Dies lässt jedoch, wie die Beklagte zutreffend vorgetragen hat, darauf schließen, dass die von den in die beE wechselnden Arbeitnehmern ausgeführten Tätigkeiten bzw. Arbeitsgebiete nicht entfallen, sondern von anderen Mitarbeitern fortgeführt worden sind. Ursache für den späteren Eintritt in die beE war damit nicht die zwingende Beachtung arbeitsrechtlicher Regelungen, wie das SG angenommen hat. Zutreffend ist zwar die Erwägung, dass es arbeitsmarktpolitisch sinnvoll ist, dem abgebenden Betrieb hinreichende Flexibilität bei der Abwicklung von Restaufträgen und Restarbeiten zu geben (Bieback in Gagel, SGB III, § 175 Anm. 39). Diese Überlegung gilt jedoch, wie bereits oben ausgeführt, lediglich bei unverändert fortbestehender Rechtslage, nicht jedoch, wenn zwischenzeitlich eine Gesetzesänderung eingetreten ist.
Auf die Berufung der Beklagten war deshalb das Urteil des SG aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 177 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
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