L 11 AS 3/08

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
11
1. Instanz
SG Würzburg (FSB)
Aktenzeichen
S 9 AS 777/07
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 11 AS 3/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts
C-Stadt vom 29.11.2007 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist, ob die Beklagte die Aufwendungen des Klägers in der Zeit von 02.03.2006 bis 14.10.2006 für die Renovierung der ab 01.03.2006 angemieteten Unterkunft zu übernehmen hat.

Der 1960 geborene, ledige Kläger bezieht seit 01.01.2005 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes (Arbeitslosengeld II -Alg II-) nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II).

Ab 01.03.2006 mietete er eine 45 qm große Unterkunft (2 Zimmer/Küche/Flur/ Bad/WC, 1 Bodenraum, 1 Dachboden und 1 Abstellraum). Lt. Mietvertrag vom 10.02.2006 ist er verpflichtet, die Schönheitsreparaturen ("Tapezieren bzw. Anstreichen der Wände, Anstrich der Böden bzw. Reinigung der Teppichböden, Streichen der Heizkörper, Streichen der Innentüren und Fenster") während der Mietdauer auszuführen, die Fristen hierfür begännen mit Beginn des Mietverhältnisses. Kleinere Instandsetzungen und -haltungen (Kleinreparaturen) seien vom Vermieter auf Kosten des Mieters auszuführen (bis 52,00 EUR je Einzelreparatur und 154,00 EUR im Jahr).

Am 15.02.2006 beantragte der Kläger u.a. die Übernahme von Renovierungskosten bei der Beklagten. Die Beklagte bewilligte Renovierungskosten in Höhe von 110,00 EUR gemäß § 22 Abs 3 SGB II (Bescheid vom 15.02.2006).

Am 18.04.2006 beantragte der Vermieter die Übernahme einer "vorbereitenden Schönheitsreparatur" für die Wohnung in Höhe von 208,80 EUR, die von einem Fachmann ausgeführt worden sei. Die Wohnung sei stark renovierungsbedürftig. Die Beklagte lehnte diesen Antrag ab, der Vermieter sei nicht Anspruchsberechtigter.

Auf einen im März 2007 hin gestellten Antrag auf Übernahme der Kosten für weiteres Renovierungsmaterial in Höhe von 178,76 EUR und für einen Fußbodenbelag bewilligte die Beklagte mit Abhilfebescheid vom 08.06.2007 weitere Renovierungskosten in Höhe von 180,00 EUR ohne Anerkennung einer Rechtspflicht.

Mit streitgegenständlichem Antrag vom 16.10.2006 beantragte der Kläger die Übernahme von Renovierungskosten in Höhe von 509,16 EUR - entstanden durch Materialkäufe in der Zeit von 02.03.2006 bis 14.10.2006. Die Übernahme dieser Aufwendungen lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 13.06.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.09.2007 ab. Der Vermieter habe die Wohnung in einem bezugsfertigen Zustand zur Verfügung zu stellen; allenfalls Streichen und Tapezieren sei erforderlich. Hierfür habe der Kläger 110,00 EUR Einzugsrenovierungskosten erhalten. Nach Hausbesichtigung am 08.05.2007 seien wegen des außerordentlich schlechten Zustandes des Hauses weitere 180,00 EUR Renovierungskosten übernommen worden. Im Übrigen sei es Aufgabe des Vermieters, einen bezugsfertigen Zustand des Hauses bzw. der Wohnung herzustellen; ein solcher habe noch nicht einmal zum Zeitpunkt des Hausbesuches bestanden. Es hätten andere Wohnungen im bezugsfertigen Zustand im Bereich der Beklagten zur Verfügung gestanden.

Dagegen hat der Kläger Klage zum Sozialgericht Würzburg (SG) erhoben. Die Wohnung sei nicht sanierungsbedürftig gewesen, vielmehr habe nur ein Renovierungsbedarf bestanden, weil sie stark verwohnt gewesen sei. Die Kosten der Anfangsrenovierung seien von der Beklagten zu übernehmen, zumal sie zulässigerweise vom Vermieter auf den Mieter übertragen worden seien, denn Schönheitsreparaturen habe lt. Mietvertrag der Mieter zu tragen.

Das SG hat die Klage mit Urteil vom 29.11.2007 abgewiesen. Der Antrag auf Übernahme von Renovierungskosten sei erst nach deren Entstehen gestellt worden. Leistungen für die Zeit vor Antragstellung seien jedoch nicht zu erbringen (§ 37 Abs 2 SGB II). Über den ursprünglichen Antrag vom 15.02.2006 sei mit bestandskräftigem Bescheid vom 15.02.2006 entschieden worden, der weitere Antrag sei nicht rechtzeitig gestellt worden. Im Übrigen seien Renovierungskosten, die nach dem Einzug entstünden, keine Wohnungsbeschaffungs- bzw. Umzugskosten i.S. des § 22 Abs 3 SGB II, allenfalls handle es sich dabei um weitere Unterkunftskosten gemäß § 22 Abs 1 SGB II. Eine Zusicherung zur Übernahme dieser Kosten gemäß § 22 Abs 2 SGB II sei dem Kläger nicht erteilt worden, wobei die Unterkunftskosten inkl. kalter Nebenkosten die Mietobergrenze für eine Person (270,00 EUR) überschreiten würden, wenn die Renovierungskosten zu den Unterkunftskosten gezählt würden. Die Angemessenheitsgrenze sei dem Kläger bekannt gewesen. Zudem sei fraglich, ob der Kläger als Mieter überhaupt verpflichtet sei, diese Kosten zur Herstellung einer bewohnbaren Unterkunft zu tragen.

Zur Begründung der dagegen zum Bayer. Landessozialgericht eingelegten Berufung hat der Kläger vorgetragen, eine Rechtsverordnung gemäß § 27 Nr 1 SGB II sei bisher nicht erlassen worden. Zur Festlegung der Angemessenheit der Miete sei ein qualifizierter Mietspiegel oder die Einholung eines Sachverständigengutachtens erforderlich. Die Zustimmung zum Abschluss des Mietvertrages habe er mündlich von der Beklagten erhalten. Die Mietkosten seien bisher auch von der Beklagten getragen worden, worin eine faktische Zustimmung zu sehen sei. Die Erstrenovierung ziehe sich wegen seiner finanziellen Situation hin.

Der Kläger beantragt,
das Urteil des SG C-Stadt vom 29.11.2007 und den Bescheid vom 13.06.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.09.2007 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, weitere in der Zeit vom 02.03.2006 bis 14.10.2006 entstandene Renovierungskosten in Höhe von 509,16 EUR zu zahlen.

Die Beklagte beantragt ,
die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die Entscheidung des SG für zutreffend.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die beigezogenen Akten der Beklagten sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung (§§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz
-SGG-) ist zulässig, aber nicht begründet. Die Entscheidung des SG ist zutreffend. Der Bescheid vom 13.06.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.09.2007 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Er hat keinen Anspruch auf die Übernahme weiterer Renovierungskosten durch die Beklagte in Höhe von 509,16 EUR für Aufwendungen, die in der Zeit von März 2006 bis Oktober 2006 entstanden sind.

Ein solcher Anspruch ergibt sich weder aus § 22 Abs 1 SGB II noch aus § 22 Abs 3 SGB II noch aus § 23 Abs 3 Satz 1 Nr 1 SGB II.

Aus § 23 Abs 3 Satz 1 Nr 1 SGB II ergibt sich kein Anspruch, denn bei den Renovierungskosten handelt es sich nicht um Kosten für die Erstausstattung einer Wohnung. Hierunter fallen lediglich Gegenstände wie Möbel, jedoch nicht die Erneuerung fest eingebauter Teile der Wohnung.

Gemäß § 22 Abs 1 SGB II werden Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit diese angemessen sind. Gemäß § 22 Abs 3 SGB II können Wohnungsbeschaffungskosten und Umzugskosten bei vorheriger Zusicherung durch den bis zum Umzug örtlich zuständigen kommunalen Träger übernommen werden.

Bei den vom Kläger geltend gemachten Aufwendungen handelt es sich um Material für das Streichen und Tapezieren der Wände, um Fußbodenleisten und Material, dessen Verwendung nicht genau zuordenbar ist. Weiter werden vom Kläger Kosten für die Anschaffung von Werkzeug geltend gemacht, wobei es sich nur zum Teil um Malerwerkzeug handelt.

Ein Anspruch auf Übernahme dieser Aufwendungen durch die Beklagte besteht nicht. Es handelt sich nämlich weder um Aufwendungen des Klägers für Schönheitsreparaturen, die er lt. Mietvertrag zu tragen hat und die über § 22 Abs 1 SGB II zu erstatten sein könnten, noch um Aufwendungen für eine sog. Einzugsrenovierung, worunter ein Tapezieren oder Streichen der Wände und evtl. ein Verschließen kleinerer Löcher in den Wänden zu verstehen ist, soweit nicht der Vormieter die Wohnung beim Auszug hat herrichten müssen. Für solche Arbeiten hat die Beklagte dem Kläger insgesamt 290,00 EUR mit Bescheid vom 15.02.2006 und 08.06.2007 gezahlt, wobei offen gelassen werden kann, ob es sich dabei um Wohnungsbeschaffungs- und Umzugskosten handelt (§ 22 Abs 3 SGB II) oder um einmalige Unterkunftskosten (§ 22 Abs 1 SGB II, vgl. zum Ganzen: LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 10.01.2007 - L 13 AS 16/06 ER - und Beschluss vom 11.09.2006 - L 9 AS 409/06 ER -; SächsLSG, Beschluss vom 19.09.2007 – L 3 B 411/06 AS ER -).

Schönheitsreparaturen fallen lt. Mietvertrag erst im zeitlichen Turnus ab Einzug an und betreffen nur den Erneuerungsbedarf durch vertragsgemäßen Gebrauch (vgl. Pkt. 8.1 des Mietvertrages). Solche Schönheitsreparaturen umfassen nur gewöhnliche Malerarbeiten, wie das Streichen und Tapezieren (vgl. Palandt, BGB, 64.Aufl, § 535 Rdnr 41) und ebenfalls ein Reinigen der Teppiche (vgl. Regelung im Mietvertrag vom 10.02.2006, Punkt 8). Die vorgenommene Einzugsrenovierung fällt allerdings weder vom tatsächlichen Umfang noch von der Art her (u.a. Nivellierung des Bodens, Verputzen von Wänden, nicht lediglich von Rissen oder kleineren Löchern) unter die im Mietvertrag dem Kläger übertragenen Schönheitsreparaturen.

Die Einzugsrenovierung hat lt. Mietvertrag nicht der Kläger zu übernehmen. Hierüber ist im Mietvertrag nämlich keine - schriftliche - Regelung getroffen worden, so dass gemäß §§ 535 Abs 1 Satz 2 iVm 549, 554 Abs 1 BGB der Vermieter hierzu verpflichtet ist. Lt. den Angaben des Vermieters im Rahmen seiner vergeblichen Antragstellung, die mit dem Protokoll über die Hausbesichtigung durch die Beklagte übereinstimmen, war die Unterkunft des Klägers stark renovierungsbedürftig. Das Treppenhaus wurde verputzt, Wände mussten mehrfach gestrichen werden, Fußbodenleisten fehlten, der Fußbodenbelag war stark zerschlissen bzw. fehlte ganz. Auch der Kläger selbst hat zuletzt die Notwendigkeit der Nivellierung des Fußbodens angegeben und die Übernahme der Kosten für einen Fußbodenbelag beantragt. Es ist jedoch - zumindest soweit keine anderweitige mietvertragliche Regelung getroffen worden ist - Aufgabe des Vermieters, die Wohnung in einem zum vertragsgemäßen Gebrauch geeigneten Zustand zur Verfügung zu stellen. Zum vertragsgemäßen Gebrauch erforderlich sind sowohl ein vorhandener Fußbodenbelag als auch - soweit nach Mietvertrag die Einzugsrenovierung nicht auf den Mieter übertragen wurde - gestrichene Wände, lackierte Heizkörper, Fenster und Türen. Die vom Kläger vorgelegten Quittungen enthalten im Wesentlichen Werkzeuge und Material, das nicht zum Streichen und Tapezieren erforderlich ist (Holz, Abbeizer, Hohlkielleisten, Leuchten, Bewegungsmelder etc.). Sollte es sich hierbei um Aufwendungen handeln, die nicht zum Herrichten der Wohnung in einen gebrauchstauglichen Zustand erforderlich sind und die daher der Mieter nicht zu tragen hätte, so dienen sie allein der Verschönerung der Wohnung nach dem jeweiligen Geschmack des Mieters, gehören damit aber nicht zu den angemessenen Unterkunftskosten für einfachen Wohnraum im unteren Segment (z.B. besonders teuere Vinyltapeten) und sind daher vom Mieter - hier: Kläger - selbst zu tragen. Sollte dieses Material erforderlich sein, um die Wohnung in einen gebrauchstauglichen Zustand zu bringen, so hat diese Kosten vorliegend der Vermieter zu tragen, zumal es sich nicht nur um Wandfarbe oder Tapeten handelte.

Nachdem entweder der Vermieter die Kosten der Renovierung bzw. Sanierung des Mietobjektes zu tragen hat bzw. es sich lediglich um Verschönerungen nach dem Geschmack des Klägers handelt, sind die vom Kläger geltend gemachten Kosten nicht als angemessene Wohnungsbeschaffungs- oder als Unterkunftskosten von der Beklagten zu übernehmen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Beklagte dem Kläger für das Streichen bzw. Tapezieren der Wände und weitere Renovierungsarbeiten bereits 290,00 EUR zur Verfügung gestellt hat. Die in den vorgelegten Quittungen enthaltenen Aufwendungen für Streichen und Tapezieren (Farbe, Tapeten und Werkzeug hierfür) überschreiten diesen Betrag nicht.

Im Übrigen ist ein Anspruch auf Übernahme der Renovierungskosten in Höhe von 509,16 EUR abzulehnen, denn der erforderliche Antrag hierauf ist erst nach Entstehen des Bedarfes gestellt worden.

Gemäß § 37 Abs 1 SGB II werden Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende auf Antrag erbracht. Sie werden für Zeiten vor Antragstellung nicht erbracht (§ 37 Abs 2 Satz 1 SGB II).

Die Belege über die geltend gemachten 509,16 EUR stammten allesamt aus dem Zeitraum von 02.03.2006 bis 14.10.2006. In diesem Zeitraum sind die Ausgaben angefallen. Den Antrag auf Übernahme hat der Kläger jedoch erst am 16.10.2006 gestellt. Über seinen vorangegangenen Antrag auf Übernahme von Renovierungskosten vom 15.02.2006 hat die Beklagte bereits mit Bescheid vom 15.02.2006 bestandskräftig und abschließend entschieden, so dass ein neuer Antrag vom Kläger zu stellen war. Dieser Antrag ist vor dem Entstehen der Aufwendungen zu stellen, denn die Beklagte hat ansonsten keine Möglichkeit, den Kläger hinsichtlich der evtl. zu übernehmenden Kosten zu beraten. Vorliegend ist der Antrag verspätet gestellt, denn der Bedarf ist bereits vor Antragstellung entstanden und die Rechnungen sind auch bereits vom Kläger bezahlt worden.

Nachdem die Beklagte vor der Antragstellung am 16.10.2006 keine Kenntnis vom Umfang der notwendigen Renovierungs- bzw. Sanierungsarbeiten hatte, war auch keine Beratungspflicht gegeben (vgl. zum Ganzen: BayLSG, Urteil vom 10.08.2007 –
L 7 AS 301/06 -), so dass auch ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch nicht in Betracht kommt, im Rahmen dessen eine Antragstellung als rechtzeitig unterstellt werden könnte.

Nach alledem hat der Kläger keinen Anspruch auf Übernahme der in der Zeit von März bis 14.10.2006 entstandenen Aufwendungen für die Renovierung der Wohnung. Auf die Frage der Höhe der angemessenen Kosten für eine Unterkunft und des Erlasses einer Rechtsverordnung nach § 27 SGB II ist daher nicht mehr einzugehen. Die Berufung war somit zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe, die Revision gemäß § 160 Abs 2 Nrn 1 und 2 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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