L 8 B 684/08 SO ER

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
8
1. Instanz
SG Augsburg (FSB)
Aktenzeichen
S 15 SO 85/08 ER
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 8 B 684/08 SO ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
I. Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Augsburg vom 24. Juli 2008 wird zurückgewiesen
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten

Gründe:

I.

Gegenstand des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens ist eine erneute Übernahme von Betriebskosten für ein Kraftfahrzeug im Wege der Kraftfahrzeughilfe (Kfz-Hilfe) durch den Antragsgegner.

Der 1957 geborene Antragsteller ist schwerbehindert und bezieht eine Rente wegen voller Erwerbsminderung. Früher erhielt er zum Teil vom Antragsgegner Kfz-Hilfe. So verpflichtete der Bayer. Verwaltungsgerichtshof den Antragsgegner mit Beschluss vom 11.05.2000 im Rahmen eines Verfahrens des einstweiligen Rechtsschutzes, Hilfe zur Beschaffung eines Kraftfahrzeugs zu leisten. Mit Bescheid vom 28.09.2000 bewilligte der Antragsgegner dem Antragsteller eine Leistung in Höhe von 4.000,00 DM für die Anschaffung eines inzwischen vom Antragsteller selbst beschafften Fahrzeugs und darüber hinaus eine monatliche Betriebskostenpauschale in Höhe von 87,00 DM sowie verschiedene Zuschüsse (Zulassungskosten, Haftpflichtversicherung).

Mit Bescheid vom 03.09.2002 (bestätigt durch das Verwaltungsgericht B-Stadt mit Urteil vom 03.12.2002, Az.: Au 3 K 02.1175) lehnte der Antragsgegner die Bewilligung weiterer Hilfeleistungen für ein neu beschafftes Fahrzeug Opel Vectra über 3.500,00 EUR ab. Mit Bescheid vom 02.05.2003 (bestätigt vom Verwaltungsgericht B-Stadt mit Urteil vom 30.09.2003, Az.: 3 K 03.748) stellte der Antragsgegner auch die bislang noch bezahlte Betriebskostenpauschale und darüber hinaus alle weiteren Leistungen der Kfz-Hilfe ein. Die Voraussetzungen des § 8 Abs. 1 der Eingliederungshilfe-Verordnung (EinglhV) seien nicht erfüllt. Denn vorrangig diene die Kraftfahrzeughilfe der Teilhabe am Arbeitsleben. Zwar sei die Gewährung auch in Fällen möglich, in denen es nicht um die Eingliederung des Betroffenen in das Arbeitsleben gehe. Allerdings müsse auch dann jemand ständig auf die Benutzung eines eigenen Kraftfahrzeuges angewiesen sein. Insoweit sei der Antragsteller hinsichtlich der Fahrten zu ärztlichen Behandlungen vorrangig auf die Möglichkeit der Beförderung bzw. Fahrtkostenerstattung nach § 60 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) zu verweisen. Daneben bestehe die Möglichkeit, den Behindertenfahrtdienst des Landkreises in Anspruch zu nehmen, wodurch mindestens 12 Fahrten jährlich möglich wären.

Am 30.06.2008 beantragte der Antragsteller erneut Kfz-Hilfe. Am 09.07.2008 stellte er einen Antrag auf Übernahme von Treibstoffkosten, Pflege, Reparatur, TÜV, Versicherung und Kosten der ASU. Mit Bescheid vom 16.07.2008 lehnte der Antragsgegner den Antrag auf Gewährung von Betriebskostenpauschale, Hilfe zur Instandhaltung eines Kraftfahrzeugs, Übernahme der Kraftfahrzeugversicherung sowie Kosten für den TÜV ab. Am 22.07.2008 übersandte er eine Rechnung für TÜV - und ASU - Untersuchung vom 18.07.2008 in Höhe von 194,16 EUR.

Den am 17.07.2007 gestellten Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz lehnte das Sozialgericht Augsburg (SG) mit Beschluss vom 24.07.2008 ab. Der Antragsteller habe keinen materiell-rechtlichen Anspruch mit überwiegender Wahrscheinlichkeit glaubhaft machen können.

Hiergegen hat der Antragsteller am 31.07.2008 beim SG, Eingang beim Bayer. Landessozialgericht (LSG) am 08.08.2008, Beschwerde eingelegt. Seine Grundrechte würden verletzt. Es würde ihm vorgeschrieben nur mit seiner Ehefrau ausgehen zu dürfen, Busunternehmen anflehen zu müssen, auf seine Behinderung einzugehen, beim Einkauf nicht mehr selbst entscheiden zu dürfen und das Ende seiner Freizügigkeit aufgrund seiner Behinderung hinnehmen zu müssen.

II.

Die zulässige Beschwerde ist unbegründet. Zu Recht ging das SG von einem Beschwerdewert aus, der auch nach dem 8. SGG-ÄndG eine statthafte Beschwerde ermöglicht.

Das SG ging auch vom richtigen Prüfmaßstab aus. Die beantragte Leistung reicht nicht in den Bereich der Existenzsicherung, für den das Bundesverfassungsgericht entschieden hat, dass die Fachgerichte die Ablehnung eines Eilantrags dann nicht auf eine nur summarische Prüfung stützen können, wenn ohne die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes eine schwere Rechtsverletzung droht (Beschluss vom 12.05.2005, Az.: 1 BvR 569/05). Der notwendige Lebensunterhalt umfasst insbesondere Ernährung, Unterkunft, Kleidung, Körperpflege, Hausrat, Heizung und persönliche Bedürfnisse des täglichen Lebens. Zu den persönlichen Bedürfnissen des täglichen Lebens gehören in vertretbarem Umfang auch Beziehungen zur Umwelt und eine Teilnahme am kulturellen Leben (§ 27 Abs. 1 SGB XII). Damit wird deutlich, dass über die Garantie des existenziellen Minimums hinaus kulturelle und soziale Bedürfnisse zwar Berücksichtigung finden, aber nicht uneingeschränkt zum so genannten soziokulturellen Existenzminimum zählen. Beim hier vorliegenden Sachverhalt können Defizite im Mobilitätsbedürfnis in gewissem Umfang weiterhin durch den Behindertenfahrdienst des Landkreises, Hilfestellungen der Ehefrau des Antragstellers und Inanspruchnahme des öffentlichen Nahverkehrs zum Teil kompensiert werden. Hinsichtlich der Fahrten zu medizinischen Behandlungen erbringt die gesetzliche Krankenversicherung (hier Fahrtkostenübernahme nach § 60 SGB V) Leistungen. Dadurch werden die Grundrechte des Klägers auch nicht über Gebühr beeinträchtigt, da diese wiederum auch Schranken unterliegen bzw. im Rahmen der gesetzlichen Ordnung ausgestaltet werden können.

Damit durfte das SG seine Antragsablehnung zu Recht vorrangig auf die Prüfung des Anordnungsanspruchs stützen. Dazu hat das SG die einschlägigen Rechtsgrundlagen (§ 8 Abs. 1 Eingliederungshilfeverordnung - EinglhV-, § 60 SGB XII und § 53 SGB XII) erkannt und geprüft. Insbesondere ist § 8 Abs. 1 EinglhV zutreffend dahingehend ausgelegt worden, dass Kfz-Hilfe vorwiegend als Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben und auch zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft in angemessenem Umfang erbracht wird, wenn der behinderte Mensch wegen Art oder Schwere seiner Behinderung insbesondere zur Teilhabe am Arbeitsleben auf die Benutzung eines Kraftfahrzeuges angewiesen ist. Unter Beachtung der Rechtsprechung noch des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. dazu etwa Urteil des Bayerischer Verwaltungsgerichtshofs München vom 26.07.2004, Az.: 12 B 03.2723 bzw. Verwaltungsgericht B-Stadt vom 30.09.2003, Az.: Au 3 K 03.748, m.w.N.) hat das SG zu Recht angenommen, dass, soweit die Hilfe zu anderen Zwecken als der beruflichen Eingliederung beantragt wird, diese Gründe mindestens vergleichbar gewichtig sein müssten. Dazu gehört auch, dass die Notwendigkeit der Benutzung ständig, nicht nur vereinzelt und gelegentlich besteht. Hilfe zur Beschaffung eines Kraftfahrzeugs kann behinderten Menschen dann nicht gewährt werden, wenn der unmittelbare Zweck der Eingliederungshilfe mit einem Krankenfahrzeug erreicht werden kann und der mittelbare Zweck der Hilfe, nämlich die Eingliederung in die Gemeinschaft, keinen Schaden nehmen würde. Hinzugefügt werden kann noch § 10 Abs. 6 EinglhV, wonach als Versorgung in angemessenem Umfange auch zur Erlangung der Fahrerlaubnis, zur Instandhaltung sowie durch Übernahme von Betriebskosten eines Kraftfahrzeugs gewährt werden kann, wenn der behinderte Mensch wegen seiner Behinderung auf die regelmäßige Benutzung eines Kraftfahrzeuges angewiesen ist oder angewiesen sein wird.

Zu Recht ist das SG auch davon ausgegangen, dass die früheren Bewilligungen dem Kläger keine geschützte Rechtsposition, etwa im Sinne eines Dauerverwaltungsaktes, eingeräumt haben.

Angesichts des im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes zu Grunde liegenden Sachverhaltes, wie ihn der Kläger glaubhaft gemacht hat, ist das SG auch zu zutreffenden Schlussfolgerung gelangt. Die Einholung von Befundberichten sowie eines Sachverständigengutachtens muss dem Verfahren in der Hauptsache (Erkenntnisverfahren) vorbehalten bleiben.

Danach ist der Kläger zwar schwerst behindert (GdB 100 verbunden mit den Merkzeichen "G", "B" und "aG") und gehört damit gemäß § 53 SGB XII zum eingliederungshilfeberechtigten Personenkreis. Eine automatische Erbringung von Kfz-Hilfe ist damit aber nicht verbunden. Die Prüfung der Notwendigkeit im Sinne des § 8 Abs. 1 EinglhV verlangt neben der medizinisch begründeten Notwendigkeit, ein Kraftfahrzeug zu benützen, das Vorliegen weiterer Voraussetzungen. Es müssen hinreichend und glaubhaft Bedarfe geltend gemacht sein (Verwandtenbesuche, Teilnahme an kulturellen Veranstaltungen, Kirchenbesuche), die auch nicht wegen des Nachrangs von Sozialhilfeleistungen anderweitig gedeckt werden können. So kann der Kläger die Leistungen der Pflege- und Krankenversicherung sowie Hilfestellungen seine Ehefrau in Anspruch nehmen und so hat er auch nicht hinreichend anderweitige, in ihrer Gewichtigkeit der Teilhabe am Arbeitsleben gleichstehend, in der Mobilität erforderliche Bedarfslagen aufgezeigt.

Die Beschwerde ist daher zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG analog.

Dieser Beschluss ist endgültig.
Rechtskraft
Aus
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