L 11 R 1117/08

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 14 R 559/06
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 R 1117/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 18. Januar 2008 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung ab 08. September 2004 streitig.

Die am 04. Juni 1976 geborene Klägerin wurde am 14. September 2004 für ihre Tätigkeit als Rechtsreferendarin vom 02. Mai 2002 bis 04. Juni 2004 bei der Beklagten nachversichert. Seit dem 08. September 2004 ist sie bei der P. Berufsfachschule für Sozial- und Pflegeberufe gGmbH, 7. Z. a.H. (Berufsfachschule) als Dozentin/Rechtsanwältin für Rechtskundeunterricht beschäftigt. Seit dem 22. September 2004 ist sie als Rechtsanwältin Mitglied der Rechtsanwaltskammer F. und des Versorgungswerks der Rechtsanwälte in Baden-Württemberg (Beigeladener).

Am 23. Oktober 2004 beantragte sie die Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung für ihre seit 08. September 2004 ausgeübte Beschäftigung als Angestellte bei der P. Berufsfachschule für Sozial- und Pflegeberufe.

Mit Bescheid vom 21. Dezember 2004 lehnte die Beklagte den Antrag mit der Begründung ab, eine Befreiung könne nur für die jeweilige berufsspezifische rentenversicherungspflichtige Beschäftigung ausgesprochen werden, auf der die Mitgliedschaft im Versorgungswerk der Rechtsanwälte beruhe. Daraus folge, dass eine Befreiung regelmäßig nur bei einer Beschäftigung als angestellter Anwalt zulässig sei. Da die Klägerin nach eigenen Angaben nicht anwaltlich tätig sei, komme somit eine Befreiung nicht in Betracht.

Mit ihrem dagegen eingelegten Widerspruch machte die Klägerin geltend, bei ihrer Tätigkeit für die Schule handle es sich um eine solche anwaltliche Tätigkeit. Denn die von ihr vermittelten Lehrinhalte wiesen erhebliche berufspraktische Bezüge auf. Hierbei bringe sie die Kenntnisse und Fähigkeiten aus ihrer anwaltlichen Tätigkeit - teilweise anhand konkreter Rechtsfälle - in den Rechtskundeunterricht ein. Im Rahmen ihrer Tätigkeit für die Schule sei sie auch als deren juristische Beraterin tätig. Sie hat hierzu ihren Arbeitsvertrag vom 22. September 2005 (Einstellung ab 08. September 2005 zu 55 %, d.h. 22 Wochenstunden und 28 Deputats-Unterrichtsstunden), ferner eine Tätigkeitsbeschreibung der Arbeitgeberin sowie einen weiteren Arbeitsvertrag für die Zeit vom 01. April 2005 bis 30. Juni 2005 als Rechtsanwältin bei der A. GmbH mit 40 Stunden im Monat, unterzeichnet von PD Dr. R., vorgelegt.

Mit Widerspruchsbescheid vom 13. Oktober 2006 wies die Beklagte den Widerspruch mit der Begründung zurück, auch wenn die Schule im Befreiungsantrag bestätigt habe, dass die Klägerin dort als Rechtsanwältin beschäftigt sei und eine Funktions- und Stellenbeschreibung erstellt habe, die zumindest begrifflich einen Teil der im Hinweisblatt aufgeführten Merkmale beinhalte, so könne nicht davon ausgegangen werden, dass die Klägerin anwaltlich tätig sei. Vielmehr handle es sich um eine Tätigkeit als Lehrerin. Der Beurteilung als anwaltliche Tätigkeit stehe zunächst der abgeschlossene Arbeitsvertrag entgegen, in dem die Tätigkeit ganz allgemein als "Angestellte" bezeichnet worden sei. Außerdem bestimme der Vertrag eine Tätigkeit auf Weisung der Gesellschaft bzw. der jeweiligen Vorgesetzten und ggf. die Übernahme anderer Tätigkeiten. Dies stehe einer weitgehend unabhängigen und weisungsfreien Tätigkeit - was eine anwaltliche Tätigkeit charakterisiere - entgegen. Zwar ließen sich die von der Arbeitgeberin verwandten Begriffe wie Vorbereitung, Durchführung und Nachbereitung von Unterricht der "Rechtsvermittlung", die Durchführung von Praxisbesuchen im Rahmen des fachpraktischen Unterrichts und die Verwaltung der "Rechtsgestaltung", die Abnahme von Prüfungen und Kolloquien der "Rechtsentscheidung" und die Mitwirkung und Teilnahme an internen/externen Konferenzen und Fachbereichskonferenzen der "Rechtsberatung" formal einer anwaltlichen Tätigkeit zuordnen. Mit Rechtsvermittlung sei aber nicht die reine Unterrichtstätigkeit gemeint, wie sie an schulischen Einrichtungen allgemein üblich sei. Gemeint sei vielmehr das mündliche Darstellen von rechtlichen Regelungskomplexen oder das Verfassen von Fachbeiträgen zu speziellen branchenbezogenen rechtlichen Problemen und zu gerichtlichen Entscheidungen sowie zu deren Auswirkungen für die jeweilige betriebliche Praxis. Ein solcher Sachverhalt liege bei der Klägerin - auch wenn der Rechtskundeunterricht durch einen praktischen Bezug durch Rechtsfälle aus dem Gerichtsleben mitbestimmt werde - unter Berücksichtigung des schulischen Hintergrundes nicht vor. Sie übe vielmehr eine Lehrtätigkeit im Bereich Rechtskunde aus, somit nicht eine zur Befreiung von der Versicherungspflicht berechtigende anwaltliche Tätigkeit.

Mit ihrer dagegen am 10. November 2006 beim Sozialgericht Freiburg (SG) erhobenen Klage hat die Klägerin geltend gemacht, dass sie im Unternehmen ihrer Arbeitgeberin quasi die Stellung einer Syndikusanwältin bekleide. Neben ihrer Tätigkeit als Dozentin nehme die Rechtsberatung einen großen Teil ihrer Tätigkeit ein. Die Dozententätigkeit und die anwaltliche Tätigkeit im Angestelltenverhältnis seien untrennbar miteinander vermischt. Im Übrigen seien im Unternehmen der Arbeitgeberin mehrere Ärztinnen als Dozentinnen beschäftigt, die bei Mitgliedschaft in der entsprechenden berufsständischen Versorgungseinrichtung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung befreit seien.

Das SG hat mit Beschluss vom 25. Juli 2007 das Versorgungswerk zum Verfahren beigeladen und die Klägerin persönlich angehört sowie die Geschäftsführerin der Arbeitgeberin, Frau M., die Ärztin und Dozentin Dr. E. und die Ärztin/Krankenschwester und Dozentin K. als Zeugen vernommen. Hinsichtlich der Einzelheiten ihrer Angaben wird auf die Niederschrift vom 17. Juli 2007 verwiesen.

Mit Urteil vom 18. Januar 2008, der Klägerin zugestellt am 28. Januar 2008, hat das SG die Klage mit der Begründung abgewiesen, die Klägerin übe keine berufsspezifische anwaltliche Tätigkeit aus. Nach ihrem Arbeitsvertrag sei sie Angestellte mit einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von durchschnittlich 22 Stunden. Der Inhalt ihrer Beschäftigung ergebe sich unter Bezugnahme auf die Deputats-Unterrichtsstunden sowie unter Berücksichtigung der Antragsunterlagen. Danach sei sie als Angestellte im Unterrichtsbetrieb mit dem Zweck der Erteilung von Rechtskundeunterricht eingestellt und beschäftigt worden. Die praktische Handhabung im Lehrbetrieb entspreche auch nach den Angaben der Klägerin und der Zeugin M. weitgehend der vertraglichen Vereinbarung. 55 % einer Vollzeitbeschäftigung (28 Unterrichtsstunden) seien ca. 14 Unterrichtsstunden. Die Klägerin habe den Umfang ihrer Dozententätigkeit auf wöchentlich etwa 8 bis 13 Unterrichtseinheiten beziffert. Sie wende damit jedenfalls mehr als die Hälfte ihrer Arbeitszeit für den Lehrbetrieb auf. Damit stehe fest, dass sie überwiegend als Dozentin für Rechtskunde in einer Berufsfachschule lehrend tätig sei. Daneben sei sie in Erfüllung der sich aus dem Direktionsrecht des Arbeitgebers ergebenden Verpflichtung rechtsberatend tätig. Dieser Teil der Tätigkeit umfasse insbesondere die Beratung in arbeitsrechtlichen Angelegenheiten und allen Rechtsfragen, die sich beim Betrieb der Berufsfachschule ergäben, ferner - mit Zustimmung der Arbeitgeberin, aber ohne Entgelt - der Beratung der Kursteilnehmer sowie deren Klienten im Rahmen des Ausbildungsverhältnisses. Diesen untergeordneten Teil der Tätigkeit schulde die Klägerin, wie sich aus den Angaben der Zeugin M. ergebe, quasi als "Nebenverpflichtung" der Dozententätigkeit. Denn von den Dozenten werde erwartet, dass sie der Arbeitgeberin in den jeweiligen Fachgebieten neben der Erteilung von Unterricht beratend zur Seite stünden. Damit könne die Tätigkeit insgesamt nicht als anwaltliche Tätigkeit angesehen werden. Was darunter zu verstehen sei, sei gesetzlich nicht ausdrücklich geregelt. Die Mitgliedschaft im Kammer und Versorgungswerk knüpfe jeweils lediglich an die formale Zulassung zur Rechtsanwaltschaft an. Gewisse Anhaltspunkte ließen sich allerdings §§ 1, 3 Abs. 1 Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) entnehmen, wonach der Rechtsanwalt ein unabhängiges Organ der Rechtspflege bzw. der berufene unabhängige Berater und Vertreter in allen Rechtsangelegenheiten sei. Dies setze in allen Tätigkeiten ein konkretes Mandatsverhältnis voraus, in welchem der Rechtsanwalt beratend oder als Vertreter tätig sei. Die anwaltliche Tätigkeit könne dabei als Auftragsverhältnis oder Werkvertrag ausgestaltet sein, oder - als Syndikusanwalt - in einem Beschäftigungsverhältnis ausgeübt werden. Damit komme für die Tätigkeit der Klägerin allenfalls die Zuordnung zum Berufsbild der Syndikusanwältin in Betracht. Als Syndikusanwalt werde nach der Definition des Deutschen Anwaltsvereins von der Versicherungspflicht befreit, wer für seinen Dienstherrn beratend, rechtsentscheidend, rechtsgestaltend und rechtsvermittelnd tätig sei. Diese Voraussetzungen erfülle die Klägerin, soweit sie die Berufsfachschule rechtlich berate. Hinsichtlich der Dozententätigkeit im Fach Rechtskunde seien die Voraussetzungen jedoch nicht erfüllt. "Rechtsvermittlung" meine die Aufbereitung abstrakter Rechtsinhalte in Vorträgen oder durch das Verfassen von Schriftstücken. Bei der Tätigkeit eines Syndikusanwalts gehe es mithin um die spezialisierte Rechtsberatung des Arbeitgebers. Dabei müsse im Einzelfall durchaus abstraktes Wissen in Vorträgen vermittelt werden, gemeint sei aber stets die Wissensvermittlung (quasi im "Innenverhältnis") gegenüber dem Arbeitgeber. Bei der Klägerin ginge es aber um Wissensvermittlung gegenüber Dritten im Rahmen der Lehrtätigkeit im Auftrag des Arbeitgebers. Diese Tätigkeit werde vom Berufsbild des Syndikusanwalts nicht erfasst. Die von der Klägerin in den Vordergrund gerückten berufspraktischen Bezüge vermöchten hieran nichts zu ändern. Die Durchführung des Unterrichts anhand praktischer Beispiele aus der anwaltlichen Praxis oder der beruflichen Erfahrungswelt der Lehrgangsteilnehmer ließe eine Lehrtätigkeit nicht zur Rechtsberatung werden. Die Klägerin sei demnach in einem einheitlichen Arbeitsverhältnis überwiegend (nicht anwaltlich) als Dozentin für Rechtskunde und daneben untergeordnet (anwaltlich) als Syndikusanwältin tätig. Da die Beurteilung der Voraussetzungen für die Befreiung von der Versicherungspflicht tätigkeitsbezogen sei, könne zwar eine Befreiung hinsichtlich der Tätigkeit als Syndikusanwältin erfolgen. Nach dem eigenen Vortrag der Klägerin und dem Ergebnis der Beweisaufnahme seien aber beide Tätigkeiten untrennbar miteinander vermischt. Hinzu komme auch, dass hinsichtlich des Entgelts nicht differenziert werden könne. Die Beurteilung der Voraussetzungen für die Befreiung müsse sich daher nach dem überwiegenden Charakter der Tätigkeit richten. Da die nichtanwaltliche Dozententätigkeit überwiege, liege insgesamt eine versicherungspflichtige Beschäftigung ohne Anspruch auf Befreiung von der Versicherungspflicht vor. Soweit sich die Klägerin auf die Befreiung anderer Dozentinnen in anderen Kammerberufen von der Versicherungspflicht berufe, so seien die Befreiungsvoraussetzungen tätigkeitsbezogen an die Mitgliedschaft in den berufsständischen Kammern und dem berufsständischen Versorgungswerken angeknüpft. Dabei möge eine Tätigkeit als Dozentin möglicherweise die Mitgliedschaft in den berufsständischen Einrichtungen der Ärzte begründen. Bei den berufsständischen Einrichtungen der Rechtsanwälte sei dies aber nicht der Fall.

Mit ihrer dagegen am 28. Februar 2008 beim SG eingelegten Berufung macht die Klägerin geltend, die Rechtsvermittlung betrage zwischen 8 bis 13 Unterrichtseinheiten an einem bis zweieinhalb Tagen pro Woche. Die übrige Zeit arbeite sie an der ihr von der Arbeitgeberin gestellten Rechtsfragen. Von einer untergeordneten Nebenpflicht könne somit keine Rede sein. Aufgrund der praxisorientierten Ausbildung von erwachsenen Teilnehmern finde auch keine reine Lehrtätigkeit, sondern eben auch eine rechtsberatende und damit anwaltliche Tätigkeit statt. Die Rechtsvermittlung erfolge auch in vielen Mitarbeitersitzungen, Dozentenversammlungen und den Fachbereichssitzungen gegenüber den Kollegen. Mithin finde eine Rechtsvermittlung intern statt. Der von ihr vermittelte Stoff werde in Form von geschlossenen Einzelvorträgen dargeboten. Von dem Deutschen Anwaltsverein sei im Oktober 2004 festgestellt worden, dass eine anwaltliche Tätigkeit auch dann vorliege, wenn ein angestellter Anwalt für ein Unternehmen, bei dem er angestellt sei, rechtsberatende, rechtsgestaltende oder rechtsentscheidende Tätigkeiten erbringe. Auch liege eine Ungleichbehandlung gegenüber anderen Dozenten vor. Ihre angestellte Tätigkeit habe nur der Existenzsicherung in Zeiten des Aufbaus einer selbständigen Anwaltsexistenz gedient und sei nicht auf Dauer angelegt.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 18. Januar 2008 sowie den Bescheid der Beklagten vom 21. Dezember 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. Oktober 2006 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, sie von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung zu befreien.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückweisen.

Sie erachtet das erstinstanzliche Urteil für zutreffend.

Zur weiteren Aufklärung des Sachverhaltes hat der Senat die Akten des Finanzamts Freiburg Stadt beigezogen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie die von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist nach § 143 SGG statthaft. Ein Ausschließungsgrund nach § 144 SGG liegt nicht vor. Die Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung ist keine Leistung i.S.d. § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG. Sie führt zwar dazu, dass keine Beiträge zur Rentenversicherung gezahlt werden müssen, ihr kommt aber - wie im umgekehrten Fall der Feststellung von Versicherungspflicht - eine eigenständige Bedeutung zu (vgl. BSG, Urteil vom 25. Juli 2002, B 10 LW 6/02 B, juris, Urteil vom 15. Oktober 1981, 5b/5 RJ 90/80, BSGE 52, 245, 246).

Die damit insgesamt zulässige Berufung der Klägerin ist indessen nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten. Sie hat keinen Anspruch auf Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung im Hinblick auf ihre Beschäftigung als Angestellte "Dozentin/Rechtsanwältin für Rechtskundeunterricht" bei der P. Berufsfachschule für Sozial- und Pflegeberufe gGmbH.

Rechtsgrundlage hierfür ist § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI). Nach dieser Vorschrift werden unter bestimmten Voraussetzungen auf Antrag Beschäftigte und selbständig Tätige für die Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit, wegen der sie aufgrund einer durch Gesetz angeordneten Verpflichtung oder auf Gesetz beruhenden Verpflichtung Mitglied einer öffentlich-rechtlichen Versicherungseinrichtung oder Versorgungseinrichtung ihrer Berufsgruppe (berufsständische Versorgungseinrichtung) und zugleich kraft gesetzlicher Verpflichtung Mitglied in einer berufsständischen Kammer sind, von der Versicherungspflicht befreit.

Die Befreiung von der gesetzlichen Versicherungspflicht setzt eine Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit voraus, die in der gesetzlichen Rentenversicherung die Versicherungspflicht von Gesetzes wegen oder auf Antrag begründet hat und nimmt unter den Voraussetzungen der Zugehörigkeit zum Personenkreis des § 6 Abs. 1 und eines Antrags nach § 6 Abs. 2 SGB VI die von ihr erfassten Sachverhalte von der Versicherungspflicht aus. Die Regelung soll den betroffenen Berufsangehörigen die Verpflichtung nehmen, Beiträge zu zwei weitgehend funktionsgleichen Sicherungssystemen zahlen zu müssen. Die Befreiung ist nicht personen-, sondern tätigkeitsbezogen. Die Befreiung erfolgt nur wegen der jeweiligen Beschäftigung, aufgrund derer eine Pflichtmitgliedschaft in der berufsständischen Versorgungseinrichtung besteht (BSG, Urteil vom 22. Oktober 1998, B 5/4 RA 80/97 R, SozR 3 - 2600 § 56 Nr. 12; LSG Hamburg, Urteil vom 20. Januar 2004, L 3 RA 45/02, zitiert nach juris). Die Befreiung setzt einen inneren Zusammenhang zwischen der Tätigkeit des Berufsangehörigen, für die die Versicherungsbefreiung in Anspruch genommen wird und dem Versorgungsschutz durch die berufsständische Versorgungseinrichtung voraus. Versicherungsbefreiung kann nur dann in Anspruch genommen werden, wenn sich die Tätigkeit des Mitglieds der Versorgungseinrichtung, die von der Versicherungspflicht befreit werden soll, als berufsspezifisch darstellt (Klattenhoff in: Hauck/Haines, Kommentar zum SGB VI, § 6 Rdnr. 41).

Die Voraussetzungen der Befreiung von der Versicherungspflicht sind demnach getrennt nach den einzelnen zu begründenden Beschäftigungen oder selbständigen Tätigkeit zu ermitteln. Sie erfasst in derselben Person nicht weitere Beschäftigungen oder Tätigkeiten, für die nicht die Befreiung von der Versicherungspflicht ausgesprochen ist oder auf die sich die ausgesprochene Befreiung nicht nach § 6 Abs. 5 Satz 2 SGB VI erstreckt (BSG aaO; Gürtner, in: Kasseler Kommentar, Sozialversicherungsrecht, § 6 SGB VI Rdnr. 3; Klattenhoff in aaO, § 6 Rdnr. 41, § 5 Rdnr. 70 f.). Entscheidend für die Abgrenzung der Beschäftigungsverhältnisse ist, ob die Tätigkeiten zeitlich, inhaltlich und funktional abgrenzbar sind und voneinander unabhängig ausgeübt werden (BSG, Urteil vom 10. September 1975, 3/12 RK 6/74, BSGE, 40, 208; Klattenhoff aaO § 5 Rdnr. 71).

Diese Voraussetzungen sind bei der Klägerin nicht gegeben. Denn mit der Aufnahme der Tätigkeit als Rechtsanwältin ist ihre Tätigkeit als angestellte Dozentin/Rechtsanwältin für Rechtskundeunterricht nicht als "anwaltliche" Tätigkeit und damit auch nicht als einen den Anspruch auf Befreiung nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI begründende Tätigkeit zu werten. Wie das SG zutreffend ausgeführt hat, übt die Klägerin bei der Berufsfachschule insgesamt keine anwaltliche Tätigkeit aus. Bei der Tätigkeit eines Rechtsanwaltes handelt es sich auch nach Auffassung des Senats um Dienstleistungen höherer Art mit einer aus dem Status eines Organs der Rechtspflege fließenden und von der Form der Ausübung nicht berührten sachlichen Weisungsfreiheit und einem durch Sachzwänge bestimmten zeitlichen und örtlichen Arbeitsablauf. Der Rechtsanwalt ist der berufene unabhängige Berater und Vertreter in allen Rechtsangelegenheiten. Dies umfasst neben der Prozessvertretung die gesamte außergerichtliche rechtsvermittelnde, schlichtende und gestaltende Tätigkeit. Dies erfordert einen rechtlichen und tatsächlichen Handlungsspielraum, der ein Mindestmaß an Unabhängigkeit und Professionalität des Rechtsanwalts sichern soll.

Das ist bei der Tätigkeit der Klägerin für die Berufsfachschule nicht der Fall. Die Klägerin ist, wie sich aus dem vorgelegten Anstellungsvertrag wie ihren eigenen Angaben wie der der Zeugen ergibt, im Unterrichtsbetrieb angestellt mit dem Zweck der Erteilung von Rechtskundeunterricht. Dass der Vertrag auch tatsächlich so gelebt worden ist, haben sowohl die Klägerin wie auch die Zeugin M. bestätigt. Sie ist damit überwiegend als Dozentin für Rechtskunde in einer Berufsfachschule lehrend tätig. Auch die rechtsberatende Tätigkeit übt sie gemäß dem Direktionsrecht des Arbeitgebers nach § 1 des Arbeitsvertrages aus. Dieser Teil der Tätigkeit umfasst, wie das SG zutreffend herausgearbeitet hat, die Beratung in arbeitsrechtlichen Angelegenheiten und allen Rechtsfragen, die sich beim Betrieb der Berufsfachschule ergebe, ferner die Beratung der Kursteilnehmer sowie deren Klienten im Rahmen des Ausbildungsverhältnisses. Hierbei handelt es sich um eine Nebenverpflichtung der Dozententätigkeit, da die Dozenten in jeweiligen Fachgebieten neben der Erteilung von Unterricht beratend dem Arbeitgeber zur Seite stehen müssen. Somit übt sie keine anwaltliche Tätigkeit aus, und sie hat auch keinen rechtlichen und tatsächlichen Handlungsspielraum, der ein Mindestmaß an Unabhängigkeit begründet, eingeräumt bekommen.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht, wenn die Klägerin, soweit sie für ihre Arbeitgeberin rechtsberatend tätig wird, als Syndikusanwältin (§ 46 BRAO) zu betrachten wäre. Der Senat ist wie auch das SG der Auffassung, dass die Tätigkeit eines Syndikusanwalts für seinen Dienstherren nicht dem anwaltlichen Berufsbild entspricht, wie es in der Vorstellung der Allgemeinheit besteht, nämlich dem des unabhängigen freiberuflich tätigen Rechtsanwaltes, sondern hier ebenfalls dem Prinzip der Über- und Unterordnung unterliegt. Ein Syndicusanwalt wird innerhalb seines festen Beschäftigungsverhältnisses nicht anwaltlich tätig (LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 19. März 2004, L 4 RA 12/03, zitiert nach juris, unter Berufung auf BGH vom 25. Februar 1999 - IX ZR 384/97, BGHZ 141, 69).

Darüber hinaus ändert die Entscheidung einer als Angestellte beschäftigten Versicherten, nebenberuflich eine Tätigkeit als freie Rechtsanwältin auszuüben, nicht den Charakter der dienstvertraglich ausgeübten Beschäftigung. Denn die Zulassung als Syndikusanwalt erfordert nicht, dass die Tätigkeit als freier Anwalt in gewissem Umfang tatsächlich ausgeübt wird. Es muss nur durch Zustimmung des Arbeitgebers gesichert sein, dass die Ausübung der anwaltlichen Tätigkeit neben der Angestelltentätigkeit möglich ist. Würde man für eine Befreiung von der Versicherungspflicht darauf abstellen, ob eine überwiegende Ausübung von rechtsbesorgenden Tätigkeiten im Dienstverhältnis vorliegt (was nach Ansicht des Senats im vorliegenden Fall gar nicht der Fall ist), würde durch die Ausübung einer zeitlich unbedeutenden Nebenbeschäftigung die Möglichkeit eröffnet, die Solidargemeinschaft in der gesetzlichen Rentenversicherung zu verlassen und sich stattdessen in einer eigenen Gruppe mit günstigerer Risikostruktur abzusichern. Dies widerspricht jedoch dem mit der Regelung § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB VI verfolgten Zweck, eine fortschreitende Auszehrung des beitragspflichtigen Personenkreises durch eine Ausweitung berufsständischer Versorgungswerke und damit eine Gefährdung der finanziellen Stabilität der Rentenversicherung zu verhindern (BT-Drucks. 13/2590, 18; LSG Nordrhein-Westfalen, a.a.O.)

Bei der Klägerin ist ferner zu beachten, dass sie in einem einheitlichen Arbeitsverhältnis überwiegend als Dozentin für Rechtskunde und nur in untergeordnetem Rahmen rechtsberatend tätig ist, wie sich dies bereits aus ihrer Tätigkeitsbeschreibung ergibt. Beide Tätigkeitsbereiche sind auch untrennbar miteinander vermischt. Es liegt deswegen insgesamt ein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis vor. Der Senat schließt sich auch insoweit der erstinstanzlichen Entscheidung an.

Nach alledem ist deshalb die Berufung als unbegründet zurückzuweisen, wobei die Kostenentscheidung auf § 193 SGG beruht.

Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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