S 12 KA 115/08

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Marburg (HES)
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
12
1. Instanz
SG Marburg (HES)
Aktenzeichen
S 12 KA 115/08
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Weder in der Kooperation mit einem Endokrinologen noch in der Wegeverkürzung für die Patienten liegt keine Versorgungsverbesserung, die die Genehmigung einer Zweigpraxis eines MVZ Kinderwunschzentrums rechtfertigen würde, wenn im Ort der Zweigpraxis (hier: B Stadt bei Hauptsitz in A-Stadt) eine ausreichende Versorgung gewährleistet ist.
1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin hat notwendigen Verfahrenskosten zu tragen.

3. Die Sprungrevision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Genehmigung einer Zweigpraxis in B-Stadt bei einem Praxissitz in A-Stadt.

Die Klägerin ist eine Gemeinschaftspraxis mit Praxissitz in A-Stadt, die nunmehr als Medizinisches Versorgungszentrum betrieben wird. Das MVZ besteht aus einer Ärztin und drei Ärzten, die alle als Fachärzte für Gynäkologie zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen sind. Das MVZ hat ferner einen Anästhesiologen angestellt. Das MVZ führt im Rahmen eines sogenannten Kinderwunschzentrums Sterilitätsdiagnostik und -therapie durch und ist im Besitz der Genehmigung zur Durchführung von Maßnahmen zur Herbeiführung einer Schwangerschaft nach § 121a SGB V (IVF-Zentrum).

Die Klägerin beantragte unter Datum vom 25.05.2007 die Genehmigung einer Zweigpraxis zur Untersuchung gynäkologisch-endokrinologischer Fragestellungen in der S-Str. in B-Stadt. Sie trug vor, in den Jahren 2004 - 2006 hätte sie insgesamt 675 Paare aus B Stadt am Kinderwunschzentrum in A-Stadt behandelt. Eine Sterilitätsdiagnostik und therapie einschließlich der In-vitro-Behandlung umfasse mehrere Beratungsgespräche, und das Zyklusmonitoring bedürfe mehrere Untersuchungstermine, sodass für die Patientinnen aus dem Raum B-Stadt über die Zweigpraxis eine deutlichere Verbesserung der Versorgungssituation eintreten würde. Zusätzlich erlaube die direkte Kooperation mit dem ebenfalls in der S-Str. praktizierenden endokrinologischen Kollegen des Endokrinologikums eine fachübergreifende Abklärung verschiedener Fragestellungen. Geplant sei, dass Herr Dr. C 10 Wochenstunden und in Vertretung Frau Dr. D eine Sprechstunde für Sterilitätsdiagnostik und –therapie durchführe. Die ordnungsgemäße Versorgung der Versicherten an ihrem Vertragsartsitz werde nicht beeinträchtigt, da durch den Rückgang der Behandlungszahlen um ca. 30% als Folge des Gesundheitsmodernisierungsgesetzes Kapazitäten freigesetzt würden. Zusätzlich sei Frau Dr. D seit 15.04.2007 in A-Stadt tätig.

Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 14.11.2007 den Antrag ab, weil eine Verbesserung der Patientenversorgung nicht vorliege. Nach den Richtlinien zur künstlichen Befruchtung sei bereits in den Empfehlungen zur Qualitätssicherung eine enge Kooperation mit andrologisch qualifizierten Ärzten in Diagnostik und Therapie vorgesehen. Den Patienten sei auch zuzumuten, längere Anfahrtswege in Kauf zu nehmen. Es bestehe kein Anspruch, in unmittelbarer Nachbarschaft eine fachärztliche Versorgung zu erhalten. Im Bereich B-Stadt und C-Stadt bestehe ein umfassendes Beratungs- und Behandlungsangebot zu allen Fragen der künstlichen Befruchtung, so dass die Frage der Unterversorgung bei der Beurteilung des Antrags keine Bedeutung habe. Eine Zweigpraxis in B-Stadt-X. führe nicht zu einer Verbesserung der Patientenversorgung.

Hiergegen legte die Klägerin am 22.11.2007 Widerspruch ein. Sie trug weiter vor, es sei richtig, dass in den Richtlinien eine Kooperation mit Endokrinologen vorgesehen sei. Die danach erteilte IVF-Genehmigung bringe jedoch nicht automatisch die Genehmigung mit sich, außerhalb der Praxisräume in A-Stadt im Rahmen der Kooperation mit den Endokrinologen auch Leistungen außerhalb der Praxisräumlichkeiten in A-Stadt abrechnen zu dürfen. Ihr Konzept gehe über die geforderte Kooperation hinaus. Auf eine Unterversorgung komme es nicht an. Es bestehe eine entsprechende Ermächtigung zu Gunsten des Chefarztes der Frauenklinik am RB-Krankenhaus. Eine Ermächtigung könne nur bei einer entsprechenden Sicherstellungslücke erteilt werden. Die Tätigkeit von niedergelassenen Vertragsärzten - auch in Zweigpraxen - gehe der Ermächtigung vor.

Auf Anfrage der Beklagten teilte die Landesärztekammer Hessen unter Datum vom 12.03.2008 mit, die Versorgung der Patienten mit reproduktionsmedizinischen Maßnahmen sei in B-Stadt durch die bereits bestehenden und von ihr genehmigten IVF-Einrichtungen ausreichend gewährleistet. In B-Stadt gäbe es drei genehmigte IVF-Einrichtungen und eine weitere in unmittelbarer angrenzenden C-Stadt. Es seien ihr keine Fälle bekannt, in den Patienten für einen ersten Gesprächstermin übermäßig hätten lange warten müssen oder aufgrund organisatorischer Belastung gar abgelehnt worden seien. Angesichts der rückläufigen Patientenzahlen sei auch künftig nicht von einer Unterversorgung mit reproduktionsmedizinischen Maßnahmen in B-Stadt auszugehen. Auch sei seitens der Klägerin nicht hinreichend dargelegt worden, wie konkret die Zusammenarbeit mit den im Endokrinologikum tätigen Ärzten ausgestaltet sein solle. Im Übrigen gehe sie davon aus, dass auch die vorbereitenden beziehungsweise therapiebegleitenden Maßnahmen für IVF-Leistungen unter den Genehmigungsbereich der Richtlinie zur Durchführung der assistierten Reproduktion fielen und dann mit genehmigungspflichtig nach § 121a SGB V seien. Ein Antrag auf Genehmigung liege bei ihr nicht vor. Die Herrn Dr. C bereits im Jahre 1996 erteilte Genehmigung berechtige nach ihrer Auffassung nicht zur Erbringung von reproduktionsmedizinischen Maßnahmen an weiteren Standorten.

Die Beklagte wies mit Widerspruchsbescheid vom 12.03.2008 den Widerspruch als unbegründet zurück. Zur Begründung führte sie aus, die Voraussetzung für eine Verbesserung der Versorgung am Ort der Zweigpraxis sei nicht erfüllt. Die Patienten aus B-Stadt seien nicht darauf angewiesen, für die Sterilitätsdiagnostik und therapie unter großem Zeitaufwand nach A-Stadt zu fahren, da sich in B-Stadt und in C-Stadt insgesamt drei Zentren für Reproduktionsmedizin befänden (Kinderwunschzentrum RB Krankenhaus, zwei Vertragsärzte – davon einer mit Praxis in B-Stadt und einer mit Sitz in C-Stadt). Die beiden Vertragsärzte hätten angegeben, dass sie noch freie Kapazitäten hätten und die Wartezeiten gering seien. Diese Praxen lägen nur zwischen 7 und 9 Kilometer von der in der S-Str. geplanten Zweigpraxis entfernt und seien mit dem in B-Stadt und Umgebung sehr gut ausgebauten Personennahverkehr problemlos zu erreichen. Auch die Zusammenarbeit mit endokrinologisch tätigen Kollegen im gleichen Haus stelle keine Verbesserung der Versorgung dar. Eine Kooperation sei bereits nach der Richtlinie nach der künstlichen Befruchtung vorgesehen. Auch besitze Herr Dr. C die geforderte fakultative Weiterbildung "gynäkologische Endokrinologie und Fortpflanzungsmedizin". Auch müssten gegebenenfalls zusätzlich notwendige fachübergreifende konsularische Beratungen nicht "Tür an Tür" erfolgen. Auch bestehe bereits jetzt eine Kooperation mit dem Endokrinologikum. Eine Verbesserung der Versorgung trete nicht bereits dann ein, wenn Patientin zusätzliche Untersuchungs- und Behandlungsmöglichkeiten erhielten. Eine Ermächtigung könne auch bei qualitativ-speziellem Bedarf erteilt werden. Die Ermächtigung des Arztes beziehe sich auf Leistungen zur Diagnostiken und Therapie bei Sterilität. Dies seien hochspezielle Leistungen der Gynäkologie. Zu dem dürfe der ermächtigte Arzt diese Leistungen laut seiner Ermächtigung nur auf Überweisung durch Frauenärzte beziehungsweise Urologen erbringen. Zu einem Vorrang der Tätigkeit in einer Zweigpraxis gegenüber einer Ermächtigung könne man nur dann ausgehen, wenn in der Zweigpraxis dieselben speziellen Leistungen erbracht werden sollten, für die die Ermächtigung bestehe. Die Klägerin habe nicht vorgetragen, welche Leistungen in der Zweigpraxis angeboten werden sollten. Von einer Versorgungsverbesserung könne man auch nur dann sprechen, wenn den Patienten die gesamten Sterilitätsdiagnostik und –therapie in B Stadt zur Verfügung stünde. Auch nach einer Stellungnahme der Landesärztekammer sei die Versorgung gewährleistet.

Hiergegen hat die Klägerin am 07.04.2008 die Klage erhoben. Sie weist nochmals auf den Umfang der aus B-Stadt stammen Patienten hin sowie auf die räumliche Nähe zu den internistisch-endokrinologischen Kollegen. Die Kollegen am Endokrinologikum hätten festgestellt, dass sie sei Januar 2004 845 Kinderwunschpatientinnen untersucht hätten. Bei 45 von 100 Patientinnen seien Schilddrüsenfunktionsstörungen festgestellt worden. Eine besondere internistisch-endokrinologische Betreuung sei bei diesen Patientinnen erforderlich. Bei 35 von 100 Patientinnen habe eine Störung des Zuckerstoffwechsels im Sinne einer Insulinresistenz festgestellt werden müssen. Bei 23 von 100 Patientinnen liege ein Syndrom der polycystischen Ovarien (PCOS) vor. 5 von 100 Patientinnen hätten Störungen in der Steroidsynthese gehabt, bei 3 von 100 Patientinnen sei eine Hyperprolaktinãmie diagnostiziert worden. Die Praxis in C-Stadt liege außerhalb des Planungsbereichs.

Die Klägerin beantragt,
den Bescheid vom 14.11.2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.03.2008 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr die Zweigpraxisgenehmigung für den Standort S-Str. in B-Stadt zu erteilen.

Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

Unter Verweis auf ihre Ausführungen im angefochtenen Widerspruchsbescheid im Übrigen trägt sie ergänzend vor, Versicherten seien Entfernungen von mehreren Kilometern bis zur nächsten Praxis zumutbar. Hier handele es sich um Leistungen, die nicht üblicherweise ortsnah zu erbringen seien, weshalb Leistungsangebote in einem angrenzenden Planungsbereich einbezogen werden könnten.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den übrigen Inhalt der Gerichts- und beigezogenen Verwaltungsakte, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Kammer hat in der Besetzung mit einer ehrenamtlichen Richterin und einem ehrenamtlichen Richter aus den Kreisen der Vertragsärzte und Psychotherapeuten verhandelt und entschieden, weil es sich um eine Angelegenheit der Vertragsärzte und Psychotherapeuten handelt (§ 12 Abs. 3 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz – SGG).

Die Klage ist zulässig, denn sie sind insbesondere form- und fristgerecht bei dem zuständigen Sozialgericht erhoben worden.

Die Klage ist aber unbegründet. Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 14.11.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.03.2008 ist rechtmäßig und war daher nicht aufzuheben. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Genehmigung einer Zweigpraxis für den Standort S-Str. in B-Stadt.

Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 14.11.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.03.2008 ist rechtmäßig.

Die Zulassung erfolgt für den Ort der Niederlassung als Arzt (Vertragsarztsitz). Der Vertragsarzt muss am Vertragsarztsitz seine Sprechstunde halten. Er hat seine Wohnung so zu wählen, dass er für die zahnärztliche Versorgung der Versicherten an seinem Vertragsarztsitz zur Verfügung steht. Vertragsärztliche Tätigkeiten außerhalb des Vertragsarztsitzes an weiteren Orten sind zulässig, wenn und soweit 1. dies die Versorgung der Versicherten an den weiteren Orten verbessert und 2. die ordnungsgemäße Versorgung der Versicherten am Ort des Vertragsarztsitzes nicht beeinträchtigt wird. Sofern die weiteren Orte im Bezirk der Kassenärztlichen Vereinigung liegen, in der der Vertragsarzt Mitglied ist, hat er bei Vorliegen der Voraussetzungen nach Satz 1 Anspruch auf vorherige Genehmigung durch seine Kassenärztliche Vereinigung (§ 24 Abs. 1, 2 und 3 Satz 1 u. 2 Ärzte-ZV i.d.F. d. VÄndG).

Mit der Versorgungsverbesserung werden geringere Bedarfsanforderungen als nach § 15a BMV-Ä/§ 15a EKV-Ä a. F., nach dem die Genehmigung zur Sicherung einer ausreichenden vertragsärztlichen Versorgung erforderlich sein musste, gestellt. Statt einer "Erforderlichkeit" reicht nunmehr eine "Verbesserung" aus. Damit scheiden auch Sicherstellungsanforderungen i.S.d. § 116 SGB V aus. "Verbesserung" ist wenigstens in dem Sinne zu verstehen, dass eine "Bedarfslücke" besteht, die zwar nicht unbedingt ("Erforderlichkeit") geschlossen werden muss, die aber nachhaltig eine durch Angebot oder Erreichbarkeit veränderte und im Sinne der vertragsärztlichen Versorgung verbesserte Versorgungssituation am Ort der Zweigpraxis herbeiführt (vgl. SG Marburg v. 07.03.2007 - S 12 KA 701/06 – juris Rn. 55). Die Interessen anderer, bereits niedergelassener Vertragsärzte sind nicht zu berücksichtigen. Sie sind nur mittelbar über die Prüfung der "Bedarfslücke" von Bedeutung, da eine Versorgungsverbesserung nur eintreten kann, wenn die örtlichen Leistungserbringer das Leistungsangebot des Zweigpraxisbewerbers nicht oder nicht im erwünschten Umfang erbringen können.

Ob eine Versorgungsverbesserung vorliegt, hängt ähnlich der weiteren Bedarfsdeckung durch eine Ermächtigung oder Sonderbedarfszulassung von verschiedenen Faktoren ab (z. B. der Anzahl der Ärzte, dem Stand der Krankenhausversorgung, der Bevölkerungsdichte, von Art und Umfang der Nachfrage und von der räumlichen Zuordnung aufgrund der vorhandenen Verkehrsverbindungen), die für sich und in ihrer Abhängigkeit untereinander weitgehend unbestimmt sind. Das Bundessozialgericht (BSG) hat deshalb bereits der nach altem Recht allein zuständigen Kassenärztlichen Vereinigung (KV) einen gerichtlich nur eingeschränkt nachprüfbaren Beurteilungsspielraum eingeräumt (vgl. BSG v. 20.12.1995 - 6 RKa 55/94 - juris Rn. 17 f. - BSGE 77, 188 = SozR 3-2500 § 75 Nr. 7). Dies gilt auch für die nach § 24 Abs. 3 Satz 2 u. 3 Ärzte-ZV zuständigen Gremien. Im Fall einer Unterversorgung dürfte eine Zweigpraxis regelmäßig zur Versorgungsverbesserung beitragen, es sei denn, dass gerade am Sitz der Zweigpraxis eine ausreichende Versorgung besteht.

Es kann aber nicht darauf abgestellt werden, dass jede weitere Eröffnung einer Praxis bzw. Zweigpraxis das Versorgungsangebot unter dem Gesichtspunkt der Freiheit der Arztwahl "verbessert". Hätte der Gesetzgeber dies unterstellt bzw. gewollt, so hätte er von weiteren Bedarfsgesichtspunkten abgesehen. Der Gesetzgeber hat es ferner bei der Grundentscheidung für die Bedarfsplanung belassen, dass maßgebend die Versorgung im Planungsbereich ist. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass, soweit es auf Entfernungen ankommt, den Versicherten jedenfalls Wege von mehreren Kilometern zumutbar sind. In überversorgten großstädtischen Planungsbereichen ist von einer ausreichenden Versorgung auszugehen. Auch in den Randbezirken einer Großstadt besteht eine hinreichende Verdichtung und Verkehrsvernetzung, die das Aufsuchen eines Vertragsarztes in benachbarten Stadtteilen ermöglicht. Es kann nicht auf die Anhaltszahlen nach den BedarfsplRL-Ä, die z.B. von Verhältniszahlen unter 2.000 Bewohnern für einen Vertragsarztsitz im hausärztlichen Bereich ausgehen (vgl. Anlagen 4.1 bis 4.3 BedarfsplRL-Ä), abgestellt werden, da diese Anhaltszahlen lediglich für die Bedarfsdeckung eines gesamten Planungsbereiches heranzuziehen sind (vgl. SG Marburg v. 07.03.2007 - S 12 KA 701/06 – juris Rn. 55 f.).

Für die Beurteilung, welche Entfernungen für die Versicherten noch zumutbar sind, kann auf die Rechtsprechung zu Ermächtigungen – bei überversorgten Planungsbereichen insb. zu einem sog. qualitativ-speziellen Bedarf - und Sonderbedarfszulassungen zurückgegriffen werden. Je spezieller das Leistungsangebot ist, desto größere Entfernungen sind den Versicherten zumutbar; bei normalerweise ortsnaher Leistungserbringung ist von geringeren Entfernungen auszugehen. So begründen nach Auffassung des BSG für Leistungen, die üblicherweise ortsnah erbracht werden, wie dies bei MRT-Leistungen der Fall sei, seitdem diese zum Standard radiologischer Diagnostik gehörten, Entfernungen von im konkreten Fall mehr als 25 km zu anderen Standorten benachbarter Planungsbereiche einen Ermächtigungsbedarf (vgl. BSG v. BSG v. 19.07.2006 - B 6 KA 14/05 R – juris Rn. 19 - GesR 2007, 71 = MedR 2007, 127). Allerdings liegt gerade in der ortsnäheren Leistungserbringung spezieller Leistungen eine Verbesserung der Versorgung. Liegen die Voraussetzungen für eine Ermächtigung oder Sonderbedarfszulassung vor, so dient die Zweigpraxis immer einer Verbesserung der Versorgung. Im Umkehrschluss kann aber die Genehmigung nicht versagt werden, da die Anspruchsvoraussetzungen geringer sind.

Ausgehend von diesen Grundsätzen ist nicht von einer Versorgungsverbesserung in B Stadt durch die Zweigpraxis des Klägers auszugehen.

Die Beklagte hat im Einzelnen dargelegt, dass im Planungsbereich B-Stadt mehrere Behandler für die Leistungen, die in der Zweigpraxis erbracht werden sollen, zur Verfügung stehen. Der Kläger macht letztlich geltend, dass die Wege für die Patienten, die er aus dem Raum B-Stadt behandele, für diese Patienten verkürzt würden. Insoweit obliegt es den Patienten selbst, ob Sie die Ärzte in B-Stadt oder in A-Stadt aufsuchen. Hieraus kann sich keine Versorgungsverbesserung und ein Anspruch auf Genehmigung auf eine Zweigpraxis ableiten. Insoweit verweist die Kammer auf ihr Urteil vom 21.05.2008 – S 12 KA 466/07 – www.sozialgerichtsbarkeit.de = juris, wonach eine Versorgungsverbesserung nicht darin liegt, dass Patienten, die am Praxissitz ambulant operiert werden, die Wege zur Voruntersuchung und Nachsorge erleichtert werden durch eine Zweigpraxis. Auch liege eine Versorgungsverbesserung jedenfalls solange nicht vor, wie eine Ermächtigung auch für die Leistung bestehe, die in einer Zweigpraxis erbracht werden sollen.

Bezüglich der Ermächtigung hat die Beklagte auf den eingeschränkten Umfang der Ermächtigung hingewiesen, der sich offensichtlich nicht mit den Leistungen überschneidet, die die Klägerin am Ort der Zweigpraxis erbringen will. Zudem ist die Ermächtigung des betreffenden Arztes ausgelaufen und gilt die weitere, bis 30.09.2010 befristete Ermächtigung nicht mehr für Sterilitätsbehandlungen. Von daher bestehen keinerlei Überschneidungen des Leistungsumfangs der Ermächtigung mit den Leistungen, die in der Zweigpraxis erbracht werden sollen. Insofern hält die Kammer an ihrer weiteren Rechtsprechung fest, wonach ein Versicherter grundsätzlich keinen Anspruch auf mehrere Behandler hat. Die Freiheit der Arztwahl ist auf die zugelassenen Behandler beschränkt (§ 76 Abs. 1 Satz 1 SGB V). Wird ohne zwingenden Grund ein anderer als einer der nächsterreichbaren an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzte, Einrichtungen oder medizinische Versorgungszentren in Anspruch genommen, hat der Versicherte die Mehrkosten zu tragen (§ 76 Abs. 2 SGB V). Allein in der erhöhten Wahlfreiheit der Versicherten, ortsnah zwischen mehreren Behandlern auswählen zu wollen, besteht noch keine Verbesserung der Versorgung (vgl. Urteil v. 26.11.2008 - S 12 KA 13/08 -).

Die Beklagte hat ferner zutreffend auf die notwendige Kooperation mit Endokrinologen im Rahmen der Richtlinien zur künstlichen Befruchtung hingewiesen. Insbesondere handelte es sich insoweit um ein ärztliches Gebot der Kooperation beziehungsweise der eventuellen notwendigen Überweisung an einen entsprechenden Facharzt, was aufgrund ärztlichen Standards gilt und nicht durch Gründung einer Zweigpraxis erst ermöglicht werden kann. Der insoweit fachkundig mit zwei Ärzten besetzten Kammer konnte auch in der mündlichen Verhandlung nicht nachvollziehbar dargelegt werden, warum es gerade auf eine auch räumlich eng zusammenhängende Zusammenarbeit ankommen sollte. Klägerseits wurde in der mündlichen Verhandlung eingeräumt, dass der entsprechende Endokrinologe in A-Stadt etwa 400 m vom Hauptsitz der Praxis sitze, also ein unmittelbarer räumlicher Zusammenhang ebf. nicht gegeben sei.

Von daher war die Klage abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i. V. m. § 154 Abs. 1 VwGO. Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Sprungrevision war nach §§ 160 Abs. 2 Satz 1 i. V. m. 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG zuzulassen. Nach der Änderung der Genehmigungsvoraussetzungen durch das Vertragsarztrechtsänderungsgesetz werden die Voraussetzungen für die Genehmigung einer in der Instanzgerichtsbarkeit und Literatur z. T. recht unterschiedlich ausgelegt.
Rechtskraft
Aus
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