L 5 AL 47/05

Land
Hamburg
Sozialgericht
LSG Hamburg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 2 AL 998/00
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
L 5 AL 47/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 2. Mai 2005 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger wendet sich gegen einen Aufhebungs- und Erstattungsbescheid der Beklagten, der Arbeitslosengeld und Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung für die Zeit vom 18. November 1996 bis 31. Oktober 1997 betrifft. Darüber hinaus begehrt der Kläger die Zahlung von Arbeitslosengeld für die Zeit vom 1. August 1997 bis 15. September 1997.

Der 1955 geborene Kläger meldete sich nach einer Haftentlassung am 12. November 1996, bei der als Entlassungsanschrift Straße a, Hamburg, angegeben war, am 18. November 1996 bei der Beklagten arbeitslos und beantragte Arbeitslosengeld. Er gab im Leistungsantrag als Wohnanschrift Straße b, Hamburg, an. Durch Bescheid vom 10. Januar 1997 bewilligte die Beklagte dem Kläger Arbeitslosengeld ab 18. November 1996 für die Dauer von 312 Tagen nach einem Bemessungsentgelt in Höhe von 1.060 DM; der wöchentliche Leistungssatz betrug im Jahr 1996 366,60 DM, im Jahr 1997 360,00 DM.

Vom 22. November 1996 bis zum 10. Dezember 1996 befand sich der Kläger erneut in Haft, teilte dies der Beklagten jedoch nicht mit.

In der Folgezeit informierte der Kläger die Beklagte mehrfach über Änderungen seiner Wohnanschrift in Hamburg: Am 12. Dezember 1996 gab er als seine Wohnanschrift Straße a, Hamburg an, am 16. Februar 1997 Straße c, Hamburg (c/o Z.), am 8. März 1997 Straße d, Hamburg, am 28. Mai 1997 Straße e, Hamburg und am 14. August 1997 Straße f, Hamburg.

Mit Schreiben vom 20. März 1997 bat der Kläger die Beklagte darum, die Arbeitslosengeldzahlungen künftig auf sein Konto bei der "KSK-Kreissparkasse" überwiesen zu bekommen. Hierbei handelte es sich – was dem Schreiben nicht zu entnehmen war – um die Kreissparkasse in B ... Mit Schreiben vom 19. Juli 1997 bat der Kläger um postbare Anweisung der Arbeitslosengeldzahlungen nach B. zum Postfach XXXXX.

Die Beklagte stellte daraufhin ab dem 1. August 1997 vorläufig die weitere Zahlung von Arbeitslosengeld ein.

Am Abend des 15. September 1997 wurde der Kläger vor seiner – entgegen eigenen Angaben gegenüber der Beklagten – weiterhin von ihm bewohnten Wohnung in der Straße d in Hamburg verhaftet und in Untersuchungshaft genommen. Er befindet sich seitdem in Haft und ist durch rechtskräftiges Urteil des Landgerichts Hannover vom 23. Juni 1999 zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 11 Jahren und Sicherungsverwahrung verurteilt worden.

In Unkenntnis von der Festnahme des Klägers bewilligte ihm die Beklagte durch Bescheid vom 19. September 1997 für die Zeit ab dem 1. August 1997 erneut Arbeitslosengeld. Von der Festnahme des Klägers erfuhr die Beklagte erst durch eine Mitteilung der Staatsanwaltschaft Hannover vom 6. Oktober 1997. Sie stellte daraufhin ab November 1997 weitere Leistungen an den Kläger ein.

Nach der der Beklagten am 29. Mai 1998 zugegangenen Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Hannover vom 6. Oktober 1997 (Az.: 124 Js 18651/97) wurde der Kläger unter anderem angeklagt, einen Betrug zu Lasten der Beklagten begangen zu haben, indem er am 18. November 1996 Arbeitslosengeld beantragte und seitdem bezog, obwohl er nicht arbeitslos, sondern selbständig tätig war. Gestützt wurde der Vorwurf unter anderem darauf, dass der Kläger aus seiner Tätigkeit als Vertriebspartner der Firma L. im Jahr 1996 Provisionseinnahmen in Höhe von 198.147 DM erzielt habe.

Die Beklagte hob daraufhin unter Übernahme der Angaben in der Anklageschrift durch Bescheid vom 27. Januar 1999 die Bewilligung von Arbeitslosengeld ab dem 18. November 1996 ganz auf und verlangte die Erstattung überzahlter Leistungen im von der Aufhebung betroffenen Zeitraum (18. November 1996 bis 31. Oktober 1997) in Höhe von 17.981,80 DM zuzüglich der Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung in Höhe 6.676,87 DM, insgesamt 24.658,67 DM. Zur Begründung hieß es, der Kläger sei seit dem 25. Januar 1990 selbständig tätig und somit nicht arbeitslos. Der Kläger bestritt dies in seinem Widerspruch vom 8. Februar 1999; er habe im streitbefangenen Bezugszeitraum weder einen Gewerbebetrieb unterhalten, noch eine selbständige Tätigkeit ausgeübt.

Durch Widerspruchsbescheid vom 21. Juli 2000 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers als unbegründet zurück. Der Kläger habe in der von der Aufhebung betroffenen Zeit nach den vorliegenden Beweismitteln eine Firma mit Sitz in B. betrieben und Provisionseinnahmen in Höhe von 198.000 DM erzielt. Er sei danach in mehr als kurzzeitigem Umfang selbständig tätig und somit nicht arbeitslos gewesen und habe keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld gehabt.

Der Kläger hat am 31. Juli 2000 vor dem Sozialgericht Hamburg (SG) Klage erhoben. Zur Begründung hat er auf die Einstellung des Strafverfahrens hinsichtlich des Betrugsvorwurfes zum Nachteil der Beklagten durch Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 24. November 2000 verwiesen und ergänzend ausgeführt, er habe die von ihm geführte Firma bereits vor dem Bezugszeitraum liquidiert bzw. auf den Firmennachfolger übertragen. Im Bezugszeitraum habe er keine Firma in B. geführt und sich während dieses Zeitraumes in Hamburg aufgehalten. In B. habe er allenfalls fünf oder sechs Mal übernachtet, wenn er bis in den Abend hinein habe arbeiten müssen. Er habe bei seiner Arbeitslosmeldung bereits in der Wohnung Straße a in Hamburg gewohnt, sich jedoch erst zum 12. Dezember 1996 beim Einwohnermeldeamt dort angemeldet. Ab dem 1. März 1997 sei er als Untermieter in die Wohnung der M. A. in der Straße d in Hamburg gezogen, wo er ab dem 6. März 1997 amtlich gemeldet gewesen sei und bis zu seiner Festnahme am 15. September 1997 seinen Hauptwohnsitz gehabt habe. Unter der Anschrift Straße e, Hamburg sei er ab dem 28. Mai 1997 nur zur Untermiete gemeldet gewesen, tatsächlich habe er sich selten in der Wohnung aufgehalten. Er habe jedoch täglich seine Post dort abgeholt. Unter der Anschrift Straße f in Hamburg sei er ab dem 14. August 1997 ebenfalls nur zur Untermiete gemeldet, tatsächlich jedoch selten aufhältig gewesen. Auch dort habe er dennoch täglich seine Post abgeholt. Der Kläger gab weiter an, Arbeitslosengeldzahlungen nur bis zum 31. Juli 1997 erhalten zu haben. Die für den Zeitraum ab dem 1. August 1997 postbar übersandten Zahlungsanweisungen habe er nicht erhalten, da er sich bereits in Haft befunden habe. Er habe daher noch einen Zahlungsanspruch gegen die Beklagte für die Zeit vom 1. August 1997 bis 15. September 1997.

Das SG hat – im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung – durch Urteil vom 2. Mai 2005 den Bescheid der Beklagten vom 27. Januar 1999 in der Gestalt des Widerspruchbescheides vom 21. Juli 2000 dahingehend abgeändert, dass sich die Erstattungsforderung auf insgesamt 20.751,52 DM reduziert. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Die Beklagte habe die Bewilligung von Arbeitslosengeld zu Recht ab dem 18. November 1996 ganz aufgehoben und die Erstattung überzahlter Leistungen verlangt. Lediglich hinsichtlich der Höhe des geforderten Erstattungsbetrages sei die Klage zum Teil begründet. Rechtsgrundlage für die Aufhebung der Bewilligungsentscheidungen sei § 45 Abs. 1 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X). Die Bewilligungsbescheide seien von Anfang an rechtswidrig gewesen. Zwar sei zweifelhaft, ob der Kläger während des gesamten Bezugszeitraumes eine mehr als kurzzeitige selbständige Tätigkeit ausgeübt habe und die Bewilligung von Arbeitslosengeld bereits aus diesem Grund rechtswidrig gewesen sei. Doch könne dies dahinstehen, denn die Bewilligungsentscheidungen seien bereits deshalb von Anfang an rechtswidrig, weil der Kläger aufgrund seiner von Anfang an nicht gegebenen Verfügbarkeit nicht arbeitslos im Sinne des Gesetzes gewesen sei. Denn dies würde nach der aufgrund der gesetzlichen Ermächtigung in § 103 Abs. 5 des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG) in § 1 Satz 1 der Aufenthaltsanordnung (AAO) vom 3. Oktober 1979 getroffenen Regelung vorausgesetzt haben, dass die Beklagte den Kläger während der üblichen Zeit des Eingangs der Briefpost unter der von ihm genannten, für die Zuständigkeit der Beklagten maßgeblichen Anschrift hätte erreichen können. Aus dieser Regelung habe das Bundessozialgericht (BSG) bis zum Inkrafttreten der ab 1. Januar 1998 geltenden Erreichbarkeitsanordnung (EAO) vom 23. Oktober 1997 in ständiger Rechtsprechung gefolgert, dass für den Arbeitslosen eine "Residenzpflicht" in der Weise bestanden habe, dass er unter der im Leistungsantrag angegebenen Wohnanschrift täglich zumindest während der üblichen Zeit des Eingangs der Briefpost auch tatsächlich in der Wohnung angetroffen werden konnte. Diese Voraussetzung habe der Kläger schon während des ersten Zeitraums seiner Arbeitslosigkeit ab dem 18. November 1996 bis zum Haftantritt am 22. November 1996 nicht erfüllt. Er habe sich in diesem Zeitraum nicht unter der von ihm bei seiner Arbeitslosmeldung gegenüber der Beklagten genannten Anschrift, Straße b in Hamburg, aufgehalten, sondern nach eigenen Angaben bereits seit der Arbeitslosmeldung in Straße a in Hamburg gewohnt. Diese Anschrift habe der Kläger der Beklagten erst am 12. Dezember 1996 mitgeteilt. Da er sich damit ab dem 18. November 1996 nicht unter der von ihm angegebenen Anschrift aufgehalten habe, sei der Kläger vom 18. bis 21. November 1996 nicht erreichbar im Sinne des § 1 Satz 1 AAO gewesen. Auch im Zeitraum des nicht mitgeteilten Haftaufenthaltes vom 22. November 1996 bis zum 10. Dezember 1996 sei der Kläger für die Beklagte nicht unter der von ihm benannten Anschrift erreichbar gewesen. Darüber hinaus sei er in diesem Zeitraum nicht verfügbar im Sinne des § 103 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AFG gewesen, da er das Arbeitsamt nicht täglich habe aufsuchen können; bereits dies lasse den Arbeitslosengeldanspruch des Klägers für diesen Zeitraum entfallen. Für den Zeitraum ab seiner Entlassung aus der Haft ergebe sich die durchgehende Nichterreichbarkeit des Klägers aus seinen selbst verschiedentlich eingeräumten unregelmäßigen Aufenthalten in B ... Da der Kläger seine Aufenthalte außerhalb Hamburgs der Beklagten nicht mitgeteilt habe, sei er in diesem Zeitraum als durchgehend nicht erreichbar anzusehen. Er habe hierdurch die Vermittlungstätigkeit der Beklagten insgesamt beeinträchtigt. Denn nach der Rechtsprechung des BSG sei der Arbeitslose, wenn er mehrtägig und zeitlich völlig unregelmäßig nicht erreichbar sei, ohne dass für das zuständige Arbeitsamt erkennbar sei, an welchen Wochentagen der Arbeitslose überhaupt erreichbar sei, so zu behandeln, als habe er durchgehend der Arbeitsvermittlung nicht zur Verfügung gestanden. Der Kläger aber sei über den gesamten streitbefangenen Zeitraum hinweg mehrmals unregelmäßig und nicht vorausschauend berechenbar und deshalb für das zuständige Arbeitsamt nicht für mögliche Vermittlungsbemühungen einplanbar ortsabwesend gewesen. Er habe bereits nach seiner eigenen Angabe in dem streitbefangenen Zeitraum mindestens fünf bis sechs Mal in B. übernachtet. Dass es entgegen dieser Angabe zu mehreren mehrtätigen Aufenthalten in B. gekommen sei, ergebe sich aus den in den Akten der Staatsanwaltschaft Hannover enthaltenen Angaben des Klägers. Sie und die dort auch enthaltenen Angaben der M. A. und der Kreissparkasse B. sowie die schriftliche Zeugenaussage des M. L. im sozialgerichtlichen Verfahren deuteten darauf hin, dass es sich bei der zuletzt gemachten Angabe des Klägers um eine bloße Schutzbehauptung handele. Zudem habe sich der Kläger seit März 1997 in unregelmäßigen Abständen zu Hauptverhandlungsterminen in Hannover einfinden müssen, zu denen er nach eigenen Angaben von B. aus angereist sei. In einem während der Hauptverhandlung vor dem Landgericht Hannover gestellten Beweisantrag habe der Kläger darüber hinaus angegeben, sich vom 8. Februar 1997 bis 1. März 1997 durchgängig außerhalb Hamburgs im Winterurlaub in Österreich aufgehalten zu haben. Nachweislich habe sich der Kläger außerdem zumindest am 7. und 8. September 1997 in A1 aufgehalten. Eine Ortsabwesenheit aber habe der Kläger der Beklagten zu keinem Zeitpunkt mitgeteilt. Unabhängig von diesen unregelmäßigen Aufenthalten außerhalb Hamburgs sei der Kläger ab dem 28. Mai 1997 aber auch schon deshalb für die Beklagte nicht erreichbar im Sinne der AAO gewesen, weil er sich ab diesem Zeitpunkt nicht mehr unter der von ihm gegenüber der Beklagten angegebenen Anschrift aufgehalten habe. Ab dem 15. September 1997 sei der Kläger aufgrund seiner Verbringung in die Untersuchungshaft außerstande gewesen, das Arbeitsamt täglich aufzusuchen und demzufolge abermals bereits aus diesem Grund nicht verfügbar im Sinne des § 103 AFG. Da mithin eine tägliche Erreichbarkeit bzw. Verfügbarkeit des Klägers für den streitbefangenen Zeitraum vom 18. November 1996 bis 31. Oktober 1997 durchgehend nicht gegeben sei, habe er für diesen Zeitraum keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld gehabt. Die Beklagte sei auch berechtigt gewesen, die Bewilligung von Arbeitslosengeld mit Wirkung für die Vergangenheit aufzuheben, weil die Bewilligung auf Angaben beruht habe, die der Kläger zumindest grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unvollständig oder unrichtig gemacht hätte (§ 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X). Der Kläger hätte aufgrund einfachster und naheliegendster Überlegungen erkennen müssen, dass er der Beklagten seinen tatsächlichen Aufenthaltsort hätte mitteilen müssen. Auf diese Mitteilungspflicht sei der Kläger ausdrücklich in dem Merkblatt 1 für Arbeitslose hingewiesen worden, dessen Erhalt und Kenntnisnahme er bei Stellung seines Arbeitslosengeldantrages unterschriftlich bestätigt habe. Die von der Beklagten geltend gemachte Erstattungsforderung sei der Höhe nach allerdings unzutreffend und die Klage aus diesem Grund zum Teil begründet. Rechtsgrundlage für die Erstattungsforderung hinsichtlich des Arbeitslosengeldes sei § 50 Abs. 1 SGB X. Danach seien, soweit ein Verwaltungsakt aufgehoben worden sei, bereits erbrachte Leistungen zu erstatten. Der Kläger habe angegeben, Leistungen nur bis einschließlich 31. Juli 1997 erhalten zu haben. Diese Angabe decke sich mit dem Umstand, dass für die Zeit ab dem 1. August 1997 Zahlungen in Form von Postschecks erfolgt und diese dem Kläger erstmals am 19. September 1997 – vier Tage nach seiner Festnahme – zugesandt worden seien. Eine Auszahlung bzw. Einlösung der Postschecks durch den Kläger habe die Beklagte auch nicht nachweisen können. Die an den Kläger erbrachten Leistungen umfassten daher nur den Zeitraum vom 18. November 1996 bis 31. Juli 1997. Die Erstattungsforderung hinsichtlich des Arbeitslosengeldes reduziere sich damit um den Betrag von 3.907,15 DM auf 14.074,65 DM. Die Berechtigung der Beklagten, für den Zeitraum vom 18. November 1996 bis 31. Oktober 1997 von dem Kläger die Erstattung der Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge in Höhe von 6.676,87 DM zu fordern, bleibe hiervon unberührt, denn die Beklagte habe im gesamten Aufhebungszeitraum die Beiträge geleistet. Die Unzustellbarkeit der Postschecks an den Kläger ändere hieran nichts. Der Kläger habe damit insgesamt 20.751,52 DM zu erstatten.

Gegen das am 4. Mai 2005 zugestellte Urteil hat – nur – der Kläger am 2. Juni 2005 Berufung eingelegt. Mit dieser trägt er unter anderem vor, das SG gehe von einer falschen Annahme aus, wenn es darauf abstelle, er sei wegen mehrtätiger, der Beklagten nicht mitgeteilter Abwesenheit vom Wohnort nicht erreichbar gewesen. Das BSG habe im vom SG zitierten Urteil die Nichtverfügbarkeit bei einer "mehrtägigen Abwesenheit an Wochentagen" vom Wohnort angenommen. In dem angegriffenen Urteil fehle aber die Feststellung, dass der Kläger an Werktagen (mehrtägig über Nacht, d. h. ununterbrochen) abwesend gewesen sei. Vielmehr habe er sich wochentags durchgehend nicht in B. aufgehalten. Seine nur stundenweisen Abwesenheiten an Werktagen hätten ihn nicht gehindert, täglich seine Post in Hamburg zu sichten; dies habe er auch getan. Abwesenheiten an Wochenenden habe es gegeben, diese aber seien nicht anzeigepflichtig gewesen und schadeten nicht. Es sei nun nicht am Kläger, zu beweisen, es habe keine meldepflichtige mehrtägige Abwesenheit unter der Woche gegeben. Vielmehr sei es an der Beklagten, diesen Beweis zu führen, etwa durch belegtes Nichtantreffen. Dies aber könne sie nicht. Eine Beweislastumkehr zulasten des Klägers greife hier nicht, denn seine Nichterreichbarkeit für Kontakte durch die Beklagte sei nicht erwiesen. Das insoweit auf fragwürdige Plausibilitätserwägungen gestützte Urteil könne daher keinen Bestand haben.

Der Kläger beantragt sinngemäß, das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 2. Mai 2005 abzuändern, den Bescheid der Beklagten vom 27. Januar 1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. Juli 2000 auch im Übrigen aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger für die Zeit vom 1. August 1997 bis 15. September 1997 Arbeitslosengeld nachzuzahlen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die Auffassung des SG zur durchgehenden Nichterreichbarkeit des Klägers für zutreffend.

Im Termin zur mündlichen Verhandlung hat die Beklagte die nach dem insoweit rechtskräftigen Urteil des SG noch bestehende Erstattungsforderung von 20.751,52 DM um 271,09 DM auf 20.480,43 DM vermindert und ihre angefochtenen Bescheide insoweit abgeändert.

Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Prozessakte, des Auszugs aus der Prozessakte S 8 AL 179/99 des SG Hannover, der Leistungsakte der Beklagten (Band I und II) sowie der beigezogenen Akten der Staatsanwaltschaft Hannover (Az.: 170 Js 18651/97) Bezug genommen. Diese Unterlagen haben vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Beratung des Senats gewesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung, über die der Senat trotz Ausbleibens des Prozessbevollmächtigten des Klägers im Termin zur mündlichen Verhandlung verhandeln und entscheiden konnte, weil er zu diesem Zeitpunkt noch vom Kläger bevollmächtigt war und ordnungsgemäß geladen sowie in der Ladung auf diese Möglichkeit hingewiesen worden ist (§ 110 Abs. 1 Satz 2 des Sozialgerichtsgesetzes – SGG), ist statthaft (§§ 143, 144 SGG) und auch im Übrigen zulässig, insbesondere form- und fristgerecht (§ 151 SGG) erhoben.

Die Berufung ist jedoch unbegründet. Die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind nach ihrer rechtskräftigen Abänderung durch das angefochtene Urteil des SG und die Erklärung der Beklagten im Termin vor dem Senat, die jeweils die Höhe der Erstattungsforderung betrafen, rechtmäßig.

Rechtsgrundlage für die Aufhebung der Bewilligungsentscheidungen ist § 45 Abs. 1 SGB X, der unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 die Rücknahme von Anfang an rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakte mit Wirkung für die Vergangenheit ermöglicht. Ein solcher Verwaltungsakt darf nach § 45 Abs. 2 Satz 1 SGB X nicht zurück genommen werden, wenn der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an der Rücknahme schutzwürdig ist. Auf den Schutz des Vertrauens kann sich der Begünstigte nach § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X nicht berufen, soweit der Verwaltungsakt auf Angaben beruhte, die der Begünstigte vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat.

Hiernach konnte die Beklagte die Bewilligungsbescheide vom 10. Januar 1997 und 19. September 1997 mit Wirkung für die Vergangenheit zurücknehmen, denn diese waren von Anfang an rechtswidrig, weil der Kläger in der Zeit vom 18. November 1996 bis 31. Oktober 1997 nicht für das Arbeitsamt erreichbar im Sinne des Gesetzes war, und er seine Nichterreichbarkeit der Beklagten zumindest grob fahrlässig nicht mitgeteilt hatte.

Nach § 100 AFG setzt der Anspruch auf Arbeitslosengeld unter anderem voraus, dass der Arbeitslose der Arbeitsvermittlung zur Verfügung steht. Nach § 103 Abs. 1 Satz 1 AFG steht der Arbeitsvermittlung zur Verfügung, wer eine zumutbare Beschäftigung unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes ausüben kann und darf (Nr. 1), zur Aufnahme solcher Beschäftigungen und zur Teilnahme an Maßnahmen beruflicher Bildung bereit ist (Nr. 2) und das Arbeitsamt täglich aufsuchen kann und für das Arbeitsamt erreichbar ist (Nr. 3). Hinsichtlich der zuletzt genannten Voraussetzung hat der Verwaltungsrat der Beklagten aufgrund der gesetzlichen Ermächtigung in § 103 Abs. 5 AFG in § 1 Satz 1 AAO vom 3. Oktober 1979 bestimmt, dass das Arbeitsamt den Arbeitslosen während der üblichen Zeit des Eingangs der Briefpost unter der von ihm genannten, für die Zuständigkeit des Arbeitsamtes maßgeblichen Anschrift erreichen können muss.

Zu Recht hat das SG festgestellt, dass der Kläger vom 18. November 1996 bis 31. Oktober 1997 nicht in Übereinstimmung hiermit erreichbar, deshalb nicht verfügbar und ohne Anspruch auf Arbeitslosengeld war. Auch unter Würdigung des Vortrags des Klägers im Berufungsverfahren ist die das Urteil des SG tragende Annahme, dass die Bewilligungsbescheide der Beklagten wegen durchgängig fehlender Erreichbarkeit des Klägers im streitbefangenen Zeitraum vom 18. November 1996 bis 31. Oktober 1997 ganz aufzuheben gewesen seien, weder in tatsächlicher noch in rechtlicher Hinsicht zu beanstanden. Auf die überzeugenden Entscheidungsgründe wird daher entsprechend § 153 Abs. 2 SGG Bezug genommen.

Nur ergänzend betont der Senat, dass die fehlende Erreichbarkeit des Klägers entgegen seinem Berufungsvorbringen feststeht, soweit es um die folgenden Zeiträume geht: - vier Werktage in der Zeit vom 18. November 1996 bis 21. November 1996 (Aufenthalt des Klägers unter einer anderen als der der Beklagten benannten Anschrift –Straße a, statt Straße b, in Hamburg), - 16 Werktage in der Zeit vom 22. November 1996 bis 10. Dezember 1996 (mehrtägige, durchgehende Abwesenheit des Klägers aufgrund einer der Beklagten nicht mitgeteilten Haft in der Justizvollzugsanstalt Hannover), - ein Werktag am 11. Dezember 1996 (Aufenthalt des Klägers unter einer anderen als der der Beklagten benannten Anschrift –Straße a, statt Straße b, in Hamburg), - 19 Werktage vom 8. Februar 1997 bis 1. März 1997 (mehrtägige, durchgehende Abwesenheit des Klägers aufgrund eines der Beklagten nicht mitgeteilten Winterurlaubs in Österreich), - 95 Arbeitstage vom 28. Mai 1997 bis 15. September 1997 (Aufenthalt des Klägers unter einer anderen als der der Beklagten benannten Anschrift –Straße d, statt Straße e, in Hamburg vom 28. Mai 1997 bis 13. August 1997 und statt Straße f, in Hamburg vom 14. August 1997 bis 15. September 1997) und - 40 Arbeitstage vom 16. September 1997 bis 31. Oktober 1997 (mehrtägige, durchgehende Abwesenheit des Klägers aufgrund der der Beklagten nicht mitgeteilten Untersuchungshaft ab 15. September 1997). Für diese insgesamt 175 Werktage steht die Nichterreichbarkeit des Klägers unter der von ihm jeweils der Beklagten benannten Anschrift schon aufgrund seiner eigenen Angaben in diesem Verfahren und im Strafverfahren sowie der aus den Akten ersichtlichen tatsächlichen Umstände fest. Mit der Berufung wird insoweit in tatsächlicher Hinsicht auch nichts Gegenteiliges vorgebracht.

Zu Recht hat das SG insoweit darauf abgestellt, dass Erreichbarkeit als Voraussetzung für die Verfügbarkeit und damit der Arbeitslosigkeit nach dem im streitbefangenen Zeitraum geltenden Recht (§ 103 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AFG in Verbindung mit § 1 Satz 1 AAO) erforderte, dass das Arbeitsamt den Arbeitslosen während der üblichen Zeit des Eingangs der Briefpost unter der von ihm benannten Anschrift erreichen können muss. Dies bedeutete nach der ständigen Rechtsprechung des BSG zur AAO, welcher der erkennende Senat folgt, dass der Arbeitslose unter der von ihm im Leistungsantrag angegebenen Wohnanschrift täglich zumindest während der üblichen Zeiten des Eingangs der Briefpost auch tatsächlich in der Wohnung angetroffen werden kann, weil nur dann die Fähigkeit gewährleistet ist, etwaigen Vermittlungsbemühungen des Arbeitsamts zeitlich und örtlich sachgerecht zu entsprechen ("Residenzpflicht", siehe nur BSG 29.11.1989 – 7 RAr 138/88, SozR 4100 § 103 Nr. 47; 25.4.1990 – 7 RAr 20/89, DBlR 3674a, SGB X/§ 48; 3.3.1993 – 11 RAr 43/91, SozR 3-4100 § 103 Nr. 9 mit weiteren Nachweisen). Erst unter der Geltung der EAO vom 23. Oktober 1997 ab 1. Januar 1998, auf die es vorliegend jedoch nicht ankommt, hat es das BSG ausreichen lassen, wenn der Arbeitslose sich zumindest einmal werktäglich in der von ihm benannten Wohnung aufhält, um Briefpost in Empfang und zur Kenntnis zu nehmen (BSG 3.5.2001 – B 11 AL 71/00 R, SozR 3-4300 § 119 Nr. 2).

Zu folgen ist dem Sozialgericht auch in der Feststellung, dass der Kläger darüber hinaus zumindest tageweise nicht in Hamburg im eben beschriebenen Sinne erreichbar war. Dies trifft ohne Weiteres für die der Beklagten nicht mitgeteilte Teilnahme des Klägers an den Sitzungstagen der Hauptverhandlung im Strafverfahren vor dem Landgericht Hannover zu (46 a 47/96), von denen 13 Werktage (11., 18. und 24. März, 1., 8., 15., 17., 28., 29. und 30. April, 7., 14. und 16. Mai 1997) nicht bereits durch die oben genannten feststehenden Zeiträume der Nichterreichbarkeit erfasst sind. An diesen Tagen hätte der Kläger nicht zugleich während der üblichen Zeiten des Eingangs der Briefpost auch tatsächlich in der Wohnung in Hamburg angetroffen werden können. Dies hat der Kläger in seiner Berufungsbegründung letztlich selbst bestätigt, indem dort ausgeführt ist, er sei an den Verhandlungstagen, die um 9:30 Uhr begonnen hätten und gegen 14:00 bis 15:00 Uhr beendet gewesen seien, mit der Bahn morgens von Hamburg angereist und dann wieder zurückgefahren. Später hat er vorgetragen, bei Terminen unter der Woche sei er am Abend zuvor nach B. gereist, dann morgens nach Hannover und nach dem Termin zurück nach Hamburg. Seiner Residenzpflicht in Hamburg im oben beschriebenen Sinne konnte er so an den Tagen der Hauptverhandlung nicht genügen.

Nichterreichbarkeit an einer unbestimmten Vielzahl von Tagen liegt aber auch vor für Aufenthalte des Klägers in B. unter der Woche, teilte doch der Kläger selbst mit Schreiben vom 2. Februar 1997 dem Landgericht Hannover mit, dem Gericht sei seit längerem bekannt, dass er unter der Woche sich in B. aufhalte, da er hier näher an seinem Ort der Arbeitsstelle sich befinde, als von seinem Wohnsitz aus. Da die Terminstage vor dem Landgericht ausschließlich an Werktagen stattfänden, müsse er von B. aus nach Hannover reisen. Bestätigt hat diese Aufenthalte in B. der Kläger im vorliegenden Verfahren insoweit, als er mit Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 22. April 2005 vortrug, tatsächlich sei er ab 1. Februar 1997 zwei bis drei Tage wöchentlich in B. gewesen, sei morgens von Hamburg zu seiner dortigen Arbeitsstätte und abends wieder heimgefahren. Auch wie sich diese, an einer unbestimmten Vielzahl von Tagen aus den beiden Schreiben ablesbare Abwesenheit des Klägers aus Hamburg mit seiner Residenzpflicht, also der Pflicht, während der üblichen Zeiten des Eingangs der Briefpost auch tatsächlich in der der Beklagten benannten Wohnung in Hamburg angetroffen werden zu können, vereinbaren lassen soll, ist weder der Berufung zu entnehmen noch sonst ersichtlich. Entgegen seiner Auffassung kommt es für die Erreichbarkeit eben nicht nur darauf an, ob Briefpost den Kläger erreichte oder er sie von den der Beklagten gemeldeten Anschriften täglich abgeholt hat; er hatte vielmehr zum üblichen Zeitpunkt des Eingangs der Briefpost persönlich in der Wohnung erreichbar sein müssen.

Auch unter Würdigung des Vortrags des Klägers im Berufungsverfahren sieht der Senat keinen Anlass, die Schlussfolgerung des SG zu beanstanden, dass der Kläger für den Zeitraum ab seiner Entlassung aus der Haft am 10. Dezember 1996 als durchgehend nicht erreichbar anzusehen sei, weil er seine Aufenthalte außerhalb Hamburgs der Beklagten nicht mitgeteilt habe. Das angefochtene Urteil stützt sich hierfür vielmehr zu Recht auf die Rechtsprechung des BSG, der der Senat auch insoweit folgt. Nach dieser Rechtsprechung wird die Vermittlungstätigkeit der Arbeitsämter auch beeinträchtigt, wenn Tage der Anwesenheit mit solchen der Abwesenheit wechseln und vorausschauend nicht feststeht, an welchen Tagen der Arbeitslose erreichbar ist und an welchen nicht. Stehe fest, dass der Arbeitslose wiederkehrend mehrtägig ortsabwesend sei, ohne dass die Tage künftiger Abwesenheit vorausschauend und berechenbar feststünden, werde das Vermittlungsgeschäft des Arbeitsamtes bezüglich dieses Arbeitslosen in ganz erheblichem Umfang beeinträchtigt und praktisch vereitelt, so dass der mit § 103 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AFG verfolgte Zweck sich nicht erreichen lasse (vgl. BSG 3.3.1993 – 11 RAr 43/91, SozR 3-4100 § 103 Nr. 9; 9.12.2003 – B 7 AL 56/02 R, SozR 4-4300 § 119 Nr. 1).

So aber liegt es hier. Entgegen dem Berufungsvorbringen steht fest, dass der Kläger im Sinne der Rechtsprechung des BSG in dem 299 Werktage umfassenden Zeitraum vom 18. November 1996 bis 31. Oktober 1997 an insgesamt 188 Werktagen wiederkehrend mehrtägig ortsabwesend und/oder nicht im Sinne der Residenzpflicht in Hamburg erreichbar war. Besondere Umstände kommen hinzu: Es stehen jeweils mehrtägige und zeitlich völlig unregelmäßige Zeiten der Nichterreichbarkeit des Klägers fest (Aufenthalt an anderen als den gegenüber der Beklagten angegebenen Adressen, Haftzeiten, Winterurlaub), daneben stehen Tage der Nichterreichbarkeit im Sinne der Residenzpflicht der AAO fest (Hauptverhandlungstage in Hannover, Aufenthalte unter der Woche in B.) und diese Zeiten waren aufgrund des Unterlassens auch nur irgendeiner Meldung seiner Ortsabwesenheit oder Nichterreichbarkeit durch den Kläger für die Beklagte nicht erkennbar und nicht vorhersehbar. Im Sinne der zitierten Rechtsprechung des BSG war durchgehend unsicher, ob der Kläger überhaupt und wenn ja, unverzüglich wie es seine Pflicht gewesen wäre, auf eventuell eingeleitete Vermittlungsbemühungen hätte reagieren können. Es ist in diesem Fall daher der vom SG gezogene Schluss von einer feststehenden partiellen auf eine durchgehende Nichterreichbarkeit des Klägers zulässig, also darauf, dass das Erfordernis der Erreichbarkeit durchgehend für den ganzen streitbefangenen Aufhebungszeitraum nicht erfüllt ist. Dabei kommt es nicht darauf an, dass die Beklagte von Abwesenheiten des Klägers ohnehin nichts wusste und konkrete Vermittlungsversuche nicht scheiterten. Entscheidend ist nach der zitierten Rechtsprechung nicht, ob der Arbeitslose vom Arbeitsamt erreicht wird, wenn etwas zu besorgen ist, sondern dass der Arbeitslose während der ganzen Zeit, für die er Arbeitslosengeld beansprucht, erreichbar sein muss.

Auf weitere Ermittlungen kann bei dieser Sachlage nach der zitierten Rechtsprechung des BSG verzichtet werden, ohne dass es auf die Frage einer Beweislastumkehr ankommt (siehe dazu BSG 9.12.2003 – B 7 AL 56/02 R, SozR 4-4300 § 119 Nr. 1).

Auch im Übrigen begegnet die angefochtene Aufhebungsentscheidung der Beklagten keinen rechtlichen Bedenken. Nur ergänzend zu den in Bezug genommenen Entscheidungsgründen des SG ist anzuführen, dass es vorliegend der Ausübung von Ermessen durch die Beklagte nicht bedurfte. Die Aufhebungsentscheidung war wegen des Vorliegens der Voraussetzungen des § 45 Abs. 2 Satz 3 SGB X nach § 330 Abs. 2 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch eine gebundene Entscheidung. Der Rechtmäßigkeit der Aufhebungsentscheidung steht auch nicht die Jahresfrist des § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X entgegen. Denn diese begann nicht vor Erhalt der Anklageschrift gegen den Kläger durch die Beklagte am 29. Mai 1998 und der streitbefangene Aufhebungsbescheid datiert vom 27. Januar 1999.

Die bereits vom SG insoweit rechtskräftig verminderte Höhe der Erstattungsforderung ist von der Beklagten im Termin zur mündlichen Verhandlung noch einmal auf Hinweis des Senats vermindert und sind die angefochtenen Bescheide insoweit von ihr abgeändert worden. Anlass zu einer weitergehenden Korrektur der Erstattungsforderung hinsichtlich des Arbeitslosengeldes nach § 50 Abs. 1 SGB X und der Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung nach § 157 Abs. 3a AFG sieht der Senat nicht. Erbrachte Leistungen sind danach durch den Kläger in Höhe von 20.480,43 DM zu erstatten.

Da der Kläger vom 18. November 1996 an durchgehend nicht erreichbar und deshalb nicht arbeitslos war, die Aufhebungsentscheidung der Beklagten für den streitbefangenen Zeitraum vom 18. November 1996 bis 31. Oktober 1997 also zu Recht erging, hat der Kläger auch keinen Nachzahlungsanspruch mehr gegen die Beklagte für die Zeit vom 1. August 1997 bis 15. September 1997.

Nach allem war die Berufung mit der Kostenfolge aus § 193 SGG zurückzuweisen.

Der Senat hat die Revision gegen das Urteil nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht erfüllt sind.
Rechtskraft
Aus
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