Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Düsseldorf (NRW)
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
35
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 35 SB 86/06
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen. Kosten haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten in einem Verfahren nach dem Neunten Buch Sozialgesetzbuch - SGB IX - um das Merkzeichen "Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht" - RF -.
Mit Bescheid vom 18.09.2000 hatte das Versorgungsamt Düsseldorf bei dem Kläger einen GdB von 100 und die Merkzeichen "G", "aG", "B" und "H" festgestellt.
Im März 2006 stellte der Kläger einen Antrag auf Zuerkennung des Merkzeichens "RF".
Das Versorgungsamt Düsseldorf holte daraufhin Befundberichte von den Ärzten des Klägers ein und erteilte unter dem 26.06.2006 einen Bescheid, wonach die Behinderungen
1.Querschnittssydrom nach Bruch des 4. Lendenwirbelkörpers (Einzel-GdB 100) 2.Polyneuropathie (Einzel-GdB 10) 3.Sehschwäche links (Einzel-GdB 20)
weiterhin einen Gesamt- GdB von 100 bedingen. Der Antrag auf Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen "RF" wurde mit dem Bescheid abgelehnt.
Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein, mit dem er vortrug, er könne an öffentlichen Veranstaltungen nicht teilnehmen.
Mit Bescheid vom 06.09.2006 wies die Bezirksregierung Münster den Widerspruch als sachlich unbegründet zurück.
Hiergegen richtet sich die am 13. September 2006 bei Gericht eingegangene Klage, mit der der Kläger seinen Vortrag aus dem Verwaltungsverfahren wiederholt und vertieft.
Der Kläger ist zur mündlichen Verhandlung nicht erschienen.
Er beantragt sinngemäß,
die Beklagte unter entsprechender Abänderung des Bescheides vom 06.09.2006 und des Bescheides vom 26.06.2006 zu verurteilen, beim Kläger das Merkzeichen "RF" festzustellen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das Gericht hat zur Sachverhaltsermittlung ein Gutachten von dem Internisten T eingeholt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zu den Gerichtsakten gereichten Schriftsätze der Beteiligten Bezug genommen. Ihre Inhalte waren Gegenstand der einseitigen mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht erhobene und daher zulässige Klage ist nicht begründet. Der Kläger ist durch die angefochtenen Bescheide nicht beschwert im Sinne des § 54 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -, denn die Bescheide erweisen sich als rechtmäßig.
Das Gericht verweist hinsichtlich der Rechtsgrundlagen, nach denen das hier streitige Merkzeichen "RF" zu vergeben ist, auf die zutreffenden Ausführungen im angefochtenen Widerspruchsbescheid vom 06.09.2006.
Der Kläger erfüllt diese Voraussetzungen für die Erlangung des Merkzeichens "RF" nicht. Die Kammer folgert dies aus dem schlüssigen und nachvollziehbar begründeten Gutachten des gerichtlichen Sachverständigen T. Der Sachverständige hat in seinem Gutachten dargelegt, dass der Kläger im Wesentlichen an einer Querschnittlähmung leidet, die ihn dauerhaft an einen Rollstuhl bindet. Nach Auffassung der Kammer und des gerichtlichen Sachverständigen T hindert dies den Kläger jedoch nicht, öffentliche Veranstaltungen zu besuchen. Öffentliche Veranstaltungen sind allgemein zugängliche Ereignisse in geschlossenen Räumen und im Freien. Hierzu zählen unter anderem z.B. Kino, Theater, Kirchenbesuche, Sportveranstaltungen, Ausstellungen und Feste. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts muss der behinderte Mensch allgemein von öffentlichen Veranstaltungen ausgeschlossen sein. Es reicht deshalb nicht aus, wenn nur ein Ausschluss von einzelnen öffentlichen Veranstaltungen vorliegt (vgl. z.B. BSG, Urteil vom 23. Februar 1987 - Az.: 9a RVs 72/85). Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts kommt es auch auf die individuelle Situation des Behinderten nicht an, sondern nur darauf, ob er objektiv gehindert ist an öffentlichen Veranstaltungen teilzunehmen (BSG, Urteil vom 03.06.1987 - Az.: 9a RVs 27/85). Bei einem Rollstuhlfahrer ist es deswegen ausreichend, wenn die Möglichkeit besteht, dass der behinderte Mensch unter Zuhilfenahme des Rollstuhls und mit Hilfe Dritter, die den Rollstuhl bewegen, an öffentlichen Veranstaltungen teilnehmen kann. Nach Auffassung des gerichtlichen Sachverständigen T, dem die Kammer folgt, ist dem Kläger derartiges möglich. So ist der Kläger mit dem Rollstuhl auch bei der T erschienen. In gleicher Weise dürfte der Kläger - notfalls unter Zuhilfenahme Dritter - in der Lage sein, an einem Gottesdienst, an einer Theaterveranstaltung oder an einer Sportveranstaltung als Zuschauer teilzunehmen. Soweit der Kläger mit Schriftsatz vom 25. 02.2008 vorträgt, er leide an einer ausgeprägten Blasenschwäche, vermag dies ebenfalls nicht zur Zuerkennung des Merkzeichens "RF" zu führen. Das Bundessozialgericht hat nämlich diesbezüglich entschieden, dass es zumutbar sei, vor einer öffentlichen Veranstaltung gezielt weniger Flüssigkeit zu sich zu nehmen oder auf entsprechende Windeln zurückzugreifen (vgl. z.B. BSG, Urteil vom 11. September 1991 - Az.: 9a RVs 1/90).
Die restriktive Auslegung des Gesetzes durch das Bundessozialgericht beruht darauf, dass das Bundessozialgericht die Zuerkennung des Merkzeichens "RF" für verfassungswidrig hält. Es ist der Auffassung, dass angesichts der Tatsache, dass praktisch jeder Haushalt in Deutschland über ein Rundfunk und Fernsehgerät verfügt der Nachteilsausgleich nicht mehr zum Ausgleich behinderungsbedingter Nachteile oder Mehraufwendungen geeignet sei (BSG, Urteil vom 28.06.2000 (Az.: B 9 SB 2/00). Dieser Auffassung des Bundessozialgerichts schließt sich die Kammer ausdrücklich an. In diesem Zusammenhang kritisiert die Kammer die Tatsache, dass der Gesetzgeber sich bis heute nicht veranlasst sieht, das Merkzeichen "RF" abzuschaffen. Die Kammer hat großes Verständnis dafür, dass schwerstbehinderte Menschen, wie der Kläger des vorliegenden Verfahrens, verärgert darauf reagieren, dass der Gesetzgeber auf der einen Seite ein zum Ausgleich behinderungsbedingter Nachteile unsinniges Merkzeichen weiterhin vorhält, die Voraussetzungen für seine Bewilligung aber andererseits so hoch sind, dass eine Zuerkennung nur ausnahmsweise in Betracht kommt.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 183, 193 SGG.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten in einem Verfahren nach dem Neunten Buch Sozialgesetzbuch - SGB IX - um das Merkzeichen "Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht" - RF -.
Mit Bescheid vom 18.09.2000 hatte das Versorgungsamt Düsseldorf bei dem Kläger einen GdB von 100 und die Merkzeichen "G", "aG", "B" und "H" festgestellt.
Im März 2006 stellte der Kläger einen Antrag auf Zuerkennung des Merkzeichens "RF".
Das Versorgungsamt Düsseldorf holte daraufhin Befundberichte von den Ärzten des Klägers ein und erteilte unter dem 26.06.2006 einen Bescheid, wonach die Behinderungen
1.Querschnittssydrom nach Bruch des 4. Lendenwirbelkörpers (Einzel-GdB 100) 2.Polyneuropathie (Einzel-GdB 10) 3.Sehschwäche links (Einzel-GdB 20)
weiterhin einen Gesamt- GdB von 100 bedingen. Der Antrag auf Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen "RF" wurde mit dem Bescheid abgelehnt.
Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein, mit dem er vortrug, er könne an öffentlichen Veranstaltungen nicht teilnehmen.
Mit Bescheid vom 06.09.2006 wies die Bezirksregierung Münster den Widerspruch als sachlich unbegründet zurück.
Hiergegen richtet sich die am 13. September 2006 bei Gericht eingegangene Klage, mit der der Kläger seinen Vortrag aus dem Verwaltungsverfahren wiederholt und vertieft.
Der Kläger ist zur mündlichen Verhandlung nicht erschienen.
Er beantragt sinngemäß,
die Beklagte unter entsprechender Abänderung des Bescheides vom 06.09.2006 und des Bescheides vom 26.06.2006 zu verurteilen, beim Kläger das Merkzeichen "RF" festzustellen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das Gericht hat zur Sachverhaltsermittlung ein Gutachten von dem Internisten T eingeholt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zu den Gerichtsakten gereichten Schriftsätze der Beteiligten Bezug genommen. Ihre Inhalte waren Gegenstand der einseitigen mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht erhobene und daher zulässige Klage ist nicht begründet. Der Kläger ist durch die angefochtenen Bescheide nicht beschwert im Sinne des § 54 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -, denn die Bescheide erweisen sich als rechtmäßig.
Das Gericht verweist hinsichtlich der Rechtsgrundlagen, nach denen das hier streitige Merkzeichen "RF" zu vergeben ist, auf die zutreffenden Ausführungen im angefochtenen Widerspruchsbescheid vom 06.09.2006.
Der Kläger erfüllt diese Voraussetzungen für die Erlangung des Merkzeichens "RF" nicht. Die Kammer folgert dies aus dem schlüssigen und nachvollziehbar begründeten Gutachten des gerichtlichen Sachverständigen T. Der Sachverständige hat in seinem Gutachten dargelegt, dass der Kläger im Wesentlichen an einer Querschnittlähmung leidet, die ihn dauerhaft an einen Rollstuhl bindet. Nach Auffassung der Kammer und des gerichtlichen Sachverständigen T hindert dies den Kläger jedoch nicht, öffentliche Veranstaltungen zu besuchen. Öffentliche Veranstaltungen sind allgemein zugängliche Ereignisse in geschlossenen Räumen und im Freien. Hierzu zählen unter anderem z.B. Kino, Theater, Kirchenbesuche, Sportveranstaltungen, Ausstellungen und Feste. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts muss der behinderte Mensch allgemein von öffentlichen Veranstaltungen ausgeschlossen sein. Es reicht deshalb nicht aus, wenn nur ein Ausschluss von einzelnen öffentlichen Veranstaltungen vorliegt (vgl. z.B. BSG, Urteil vom 23. Februar 1987 - Az.: 9a RVs 72/85). Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts kommt es auch auf die individuelle Situation des Behinderten nicht an, sondern nur darauf, ob er objektiv gehindert ist an öffentlichen Veranstaltungen teilzunehmen (BSG, Urteil vom 03.06.1987 - Az.: 9a RVs 27/85). Bei einem Rollstuhlfahrer ist es deswegen ausreichend, wenn die Möglichkeit besteht, dass der behinderte Mensch unter Zuhilfenahme des Rollstuhls und mit Hilfe Dritter, die den Rollstuhl bewegen, an öffentlichen Veranstaltungen teilnehmen kann. Nach Auffassung des gerichtlichen Sachverständigen T, dem die Kammer folgt, ist dem Kläger derartiges möglich. So ist der Kläger mit dem Rollstuhl auch bei der T erschienen. In gleicher Weise dürfte der Kläger - notfalls unter Zuhilfenahme Dritter - in der Lage sein, an einem Gottesdienst, an einer Theaterveranstaltung oder an einer Sportveranstaltung als Zuschauer teilzunehmen. Soweit der Kläger mit Schriftsatz vom 25. 02.2008 vorträgt, er leide an einer ausgeprägten Blasenschwäche, vermag dies ebenfalls nicht zur Zuerkennung des Merkzeichens "RF" zu führen. Das Bundessozialgericht hat nämlich diesbezüglich entschieden, dass es zumutbar sei, vor einer öffentlichen Veranstaltung gezielt weniger Flüssigkeit zu sich zu nehmen oder auf entsprechende Windeln zurückzugreifen (vgl. z.B. BSG, Urteil vom 11. September 1991 - Az.: 9a RVs 1/90).
Die restriktive Auslegung des Gesetzes durch das Bundessozialgericht beruht darauf, dass das Bundessozialgericht die Zuerkennung des Merkzeichens "RF" für verfassungswidrig hält. Es ist der Auffassung, dass angesichts der Tatsache, dass praktisch jeder Haushalt in Deutschland über ein Rundfunk und Fernsehgerät verfügt der Nachteilsausgleich nicht mehr zum Ausgleich behinderungsbedingter Nachteile oder Mehraufwendungen geeignet sei (BSG, Urteil vom 28.06.2000 (Az.: B 9 SB 2/00). Dieser Auffassung des Bundessozialgerichts schließt sich die Kammer ausdrücklich an. In diesem Zusammenhang kritisiert die Kammer die Tatsache, dass der Gesetzgeber sich bis heute nicht veranlasst sieht, das Merkzeichen "RF" abzuschaffen. Die Kammer hat großes Verständnis dafür, dass schwerstbehinderte Menschen, wie der Kläger des vorliegenden Verfahrens, verärgert darauf reagieren, dass der Gesetzgeber auf der einen Seite ein zum Ausgleich behinderungsbedingter Nachteile unsinniges Merkzeichen weiterhin vorhält, die Voraussetzungen für seine Bewilligung aber andererseits so hoch sind, dass eine Zuerkennung nur ausnahmsweise in Betracht kommt.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 183, 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
Login
NRW
Saved