Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
SG Berlin (BRB)
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
165
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 165 SF 5/09 E
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Anmerkung: Die Kammer hat ihre bisherige Rechtsprechung (S 165 SF 5/09 E vom 30.01.2009) zur Frage der Anwendbarkeit des verminderten Gebührenrahmens der Nr 3103 VV RVG auf Verfahren im einstweiligen Rechtsschutz nach § 86b SGG im Grundsatz geändert und nunmehr an die Rechtsprechung der 164. Kammer des Sozialgerichts Berlin anzugleichen (zu den Einzelheiten siehe Beschluss vomn 10.06.2009 -S 165 SF 601/09 E).
Die Erinnerung der Antragstellerin gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss der Urkundsbeamtin des Sozialgerichts Berlin vom 7. Oktober 2008 wird zurückgewiesen. Kosten des Erinnerungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe:
Zur Frage der Anwendbarkeit festgesetzten Verfahrensgebühr nach Nr. 3103 VV RVG und der Angemessenheit der hierfür festgesetzten Höhe verweist das Gericht in entsprechender Anwendung von § 153 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) nach eigener Prüfung auf die zutreffende Gründe der angefochtenen Entscheidung (vgl. Meyer-Ladewig, Sozialgerichtsgesetz, 8. Auflage 2005, § 142 Randziffern 5, 5 a, 5 b, 5d m. w. N.) und der dort zitierten Entscheidung des LSG Bayern vom 12. Februar 2007 –L 15 B 224/06 AS KO – (ebenso: LSG Schleswig.Holstein, Beschluss vom 28. Februar 2007 – L 1 B 467/06 SK; LSG Nordrheinwestfalen, Beschlüsse vom 26. April 2007 - L 9 B 14/06 AS -, vom 6. August 2007 – L 20 B 91/07 AS -, vom 26. April 2007 - L 7 B 36/07 und vom 3. Dezember 2007 – L 20 B 66/07 AY -).
Die Anwendung des niedrigeren Gebührenrahmens der Nr. 3103 VV RVG wird dadurch gerechtfertigt, dass die Tätigkeit des Rechtsanwaltes in einem Eilt-Verfahren regelmäßig dadurch erleichtert wird, wenn er in derselben Sache bereits im Verwaltungs- bzw. Widerspruchsverfahren tätig ist. Die Prüfung und der Vortrag des Rechtsanwaltes sind hinsichtlich des Anordnungsgrundes mit den materiell-rechtlichen Anforderungen der Widerspruchsbegründung deckungsgleich. Dass zusätzlich der Anordnungsgrund glaubhaft gemacht werden muss, steht nicht entgegen, da dieser Aufwand üblicherweise gegenüber dem Aufwand für die Begründung des Anordnungsanspruches erheblich zurücktritt.
Zur Frage der Angemessenheit der Höhe der festgesetzten Terminsgebühr ist die Kammer grundsätzlich folgender Auffassung:
In Verfahren im einstweiligen Rechtsschutz nach § 86b Abs. 1 und Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) kann eine Gebühr nach Nr. 3106 VV RVG in Gestalt der "fiktiven" Terminsgebühr, wenn ein Termin tatsächlich nicht stattgefunden hat, nicht anfallen, da für die Beschlussentscheidung nach § 86b SGG die Durchführung eines Termins zur mündlichen Verhandlung nicht vorgesehen ist (vgl. Beschluss des Bundesgerichtshofes vom 01.02.2007 zum Verfahren V ZB 110/06). Diese Auffassung teilt auch die 164. Kammer des Sozialgerichts Berlin, die nunmehr neben der 165. Kammer des Sozialgerichts Berlin für die Entscheidungen nach § 197 Satz 2 SGG eine Alleinzuständigkeit hat, vgl. Beschluss vom 21. Januar 2009 – S 164 SF 14/09 E -. Soweit der Vorsitzende der 164. Kammer als Vorsitzender der 87. Kammer des Sozialgerichts Berlin in der Entscheidung vom 15.04.2008 zum Verfahren S 87 AS 6754/06 ER unter Bezugnahme auf die Entscheidung des Landessozialgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 26.04.2007 zum Aktenzeichen L 7 B 36/07 AS die Auffassung vertreten hatte, dass auch im Verfahren nach § 86b SGG eine fiktive Terminsgebühr anfallen kann, so hat er diese Rechtsprechung ausdrücklich aufgegeben (Beschluss S 87 AS 3339/08 ER). Auch das Bundesverwaltungsgericht hat in seinem Beschluss vom 05.12.2007 zum Verfahren 4 KSt 1007.07 (4 A 1070.06) nachvollziehbar dargelegt, dass grundsätzlich in Beschlussverfahren, in denen eine mündliche Verhandlung oder eine Erörterung tatsächlich nicht stattfindet, eine Terminsgebühr nicht anfallen kann.
Es trifft zu, dass die Entstehung der Terminsgebühr weder eine über die Annahme des Anerkenntnisses hinausgehende Mitwirkung im Sinne einer vorhergehenden Kommunikation voraussetzt noch die von Gesetzes wegen obligatorische Durchführung einer mündlichen Verhandlung. Grundvoraussetzung für die Entstehung dieser Gebühr ist jedoch nach § 2 Abs. 2 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG), Teil 3 Vorbemerkung 3 Abs. 3 des Vergütungsverzeichnisses (VV-RVG) i.V.m. Abschnitt 1 Nr. 3106 Ziffer 3 VV-RVG, dass für das entsprechende Rechtsschutzverfahren überhaupt eine mündliche Verhandlung vorgeschrieben ist oder, wie etwa im einstweiligen Rechtsschutzverfahren, ausnahmsweise durchgeführt werden soll. Denn die Terminsgebühr wird gerade deshalb gewährt, um (regelmäßig vorgeschriebene) mündliche Verhandlungen im Sinne der Prozessökonomie entbehrlich zu machen, ohne dass hierdurch der Vergütungsanspruch des Prozessbevollmächtigten beeinträchtigt wird (vgl. auch KG Berlin, Beschluss vom 21. Februar 2007, Az. 5 W 24/06, zitiert nach Juris). Da für einstweilige Rechtsschutzverfahren gemäß § 124 Abs. 3 i.V.m. § 86b Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) die Durchführung einer mündlichen Verhandlung von der Verfahrensordnung nicht obligatorisch vorgesehen ist und vorliegend eine mündliche Verhandlung bzw. die Erörterung der Sache durch das Gericht weder angeordnet noch hierzu geladen wurde, ist auch keine Terminsgebühr entstanden (so auch Sächsisches LSG, Beschluss vom 7. Februar 2008, L 23 B 33/08 AS-KO; SG Halle, Beschluss vom 6. Juni 2008, S 11 SF 76/07 AS; SG Reutlingen, Beschluss vom 12. September 2007, Az. S 2 AS 3109/07 KE; SG Lüneburg, Beschluss vom 10. Mai 2007, Az. 25 SF 23/07, jeweils zitiert nach Juris).
Zwar lässt sich diese Rechtsfolge nicht unmittelbar dem Wortlaut des Satzes 2 zu Ziffer 3106 VV RVG (Nr. 3) entnehmen. Der Gebührentatbestand lautet vielmehr: "Die Gebühr entsteht auch, wenn (3.) das Verfahren nach angenommenem Anerkenntnis ohne mündliche Verhandlung endet." Dieser Wortlaut lässt jedoch durchaus auch die Auslegung zu, dass hier nur eine Regelung in Bezug auf Verfahren getroffen wurde, die regelmäßig aufgrund mündlicher Verhandlung entschieden werden. Diese Auslegung wird – anders als die entgegenstehende – durch den Sinn und Zweck der Norm gestützt, der im Zusammenhang mit den Ziffern 1 und 2 zu Nr. 3106 VV-RVG sowie der erwähnten Vorbemerkung 3 zu Teil 3 zu erkennen ist. Denn hieraus ergibt sich, dass der Gebührentatbestand der Nr. 3106 VV-RVG insgesamt darauf abzielt, kraft Gesetzes durchzuführende mündliche Verhandlungen im Einzelfall zu vermeiden, ohne insoweit den Verdienst des Rechtsanwalts zu schmälern. So ordnet Ziffer 1 die Entstehung der Gebühr an, wenn in einem Verfahren, für das mündliche Verhandlung vorgeschrieben ist, im Einverständnis mit den Parteien ohne mündliche Verhandlung entschieden wird. Ziffer 2 sieht die Terminsgebühr dann vor, wenn statt aufgrund mündlicher Verhandlung durch Gerichtsbescheid entschieden wird. Die sich unmittelbar daran anschließende Ziffer 3 wird sodann durch das Bindewort "oder" eingeleitet wird, welches semantisch den inhaltlichen Sinnzusammenhang zu den vorherigen Ziffern herstellt. Für den aus anwaltlicher Sicht bestehenden Anreiz des Verdienens einer Terminsgebühr unter Verzicht auf eine mündliche Verhandlung ist dagegen kein schützenswertes Bedürfnis erkennbar in Fällen, in denen durch das Gesetz eine solche von Vornherein nicht vorgeschrieben ist und, von Ausnahmen abgesehen, regelmäßig auch nicht durchgeführt wird. Schließlich würde anderenfalls der bevollmächtigte Rechtsanwalt in solchen Verfahren, wie im vorliegenden vorläufigen Rechtsschutzverfahren, im Falle der Verfahrensbeendigung durch die Annahme eines Anerkenntnisses gegenüber dem sonst regelmäßig im schriftlichen Verfahren ergehenden Beschluss gebührenrechtlich zu Lasten des Antragsgegners begünstigt werden, ohne dass hierfür ein eindeutiger Wille des Gesetzgebers erkennbar wäre. Ausnahmetatbestände, wie der in Ziffer 3106 Nr. 3 VV RVG geregelte, sind jedoch grundsätzlich eng auszulegen (SG Berlin, Beschluss vom 23.09.2008, S 88 SO 821/07 ER).
Angesichts des auch im Erinnerungsverfahrens geltenden Verböserungsverbotes (reformatio in peius) war es der Kammer im vorliegenden Fall allerdings verwehrt, bei der grundsätzlich erfolgenden vollumfänglichen Überprüfung des angefochtenen Beschlusses nach eigenem Ermessen (Meyer-Ladewig, Sozialgerichtsgesetz mit Erläuterungen, aaO., § 197 Rz. 10) die bereits dem Grunde nach festgesetzte (und von dem Erinnerungsgegner jedenfalls nicht im Wege einer dafür erforderlichen eigenen Erinnerung) angegriffenen Terminsgebühr nunmehr grundsätzlich "abzuerkennen" bzw. die den Gesamtkostenbetrag unter den bereits festgesetzten Betrag abzusenken. Soweit eine Terminsgebühr allerdings als Grundlage für den in diesem Rahmen geltend gemachten höheren (bzw. über den bereits festgesetzten hinausgehenden) Betrag erforderlich ist, sieht die Kammer aus den zuvor genannten Gründen keine (weitergehende) Rechtsgrundlage.
Das Gericht weist ergänzend darauf hin, dass aber auch unter grundsätzlicher Anerkennung einer Terminsgebühr in der vorliegenden Verfahrenskonstellation (durch den angefochtenen Beschluss) die hierfür im angegriffenen Beschluss festgesetzte Höhe aus den Gründen des Beschlusses zu halten wäre. Entgegen dem Erinnerungsvortrag hat die Urkundsbeamtin die Terminsgebühr nicht "allein wegen des Umstandes, dass ein Termin tatsächlich nicht wahrgenommen werden musste und lediglich die Annahme eines Anerkenntnisses erklärt worden ist" niedriger angesetzt, sondern weil es für den Bevollmächtigten der Erinnerungsführerin nach Stattgabe des Widerspruches vom 7. April 2008 ohne großen Zeitaufwand ersichtlich gewesen sei, dass dem Antragsbegehren entsprochen wurde. Auch hat sie entgegen dem Erinnerungsvortrag nicht den Gebührenrahmen eingeschränkt, sondern innerhalb des uneingeschränkt zugrunde gelegten Gebührenrahmens aus den von ihr genannten Gründen eine merklich unterdurchschnittliche Gebühr festgesetzt.
Die Kostenentscheidung für das Erinnerungsverfahren beruht auf § 193 SGG.
Die Kammer hält eine gesonderte Kostenentscheidung im Erinnerungsverfahren für erforderlich, da das Erinnerungsverfahren im Hinblick auf das Hauptsacheverfahren eine gesonderte Angelegenheit i.S.d § 18 Nr. 5 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) darstellt (ebenso: LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 15. September 2005 - L 2 B 40/04, AnwBl 2006, 146; LSG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 30. November 2006 - L 6 B 221/06 SB, jeweils für das Beschwerdeverfahren; vgl. zur Verfahrensgebühr für sozialgerichtliche Verfahren über die Beschwerde und die Erinnerung, wenn in dem Verfahren Betragsrahmengebühren nach § 3 RVG entstehen: Nr. 3501 des Vergütungsverzeichnisses zum RVG; überdies Rohwer-Kahlmann, SGG, 4. Auflage, 42. Lieferung 2004, § 197 RdNr. 18; Schneider, KostRsp., Nr. 1 § 18 Nr. 5 RVG, Lieferung 264, Februar 2007; Schneider/Wolf, RVG, 3. Auflage 2006, § 16 RdNr. 108 ff.).
Die Kammer folgt ausdrücklich nicht dem Beschluss des Verwaltungsgerichts Regensburg (VG Regensburg, 11. Kammer, Beschluss vom 01.07.2005, Az.: RN 11 S 03.2905), wonach nach dem ausdrücklichen Wortlaut des Gesetzes nur Verfahren über eine Erinnerung gegen eine Entscheidung des Rechtspflegers in Angelegenheiten, in denen sich die Gebühren nach Teil 3 des Vergütungsverzeichnisses richten, eine besondere Angelegenheit nach § 18 Nr. 5 RVG darstellen sollen. Das SGG kennt den Rechtspfleger nicht. Aus dem Gebührentatbestand Nr. 3501 VV RVG ergibt sich eindeutig, dass eine Verfahrensgebühr für Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit über die Beschwerde und die Erinnerung, in denen Betragsrahmengebühren entstehen, umfasst ist. Dass der Gesetzgeber in § 18 Nr. 5 RVG vom "Rechtspfleger" spricht, darf als glattes (redaktionelles) Versehen des Gesetzgebers gewertet werden.
Das Bundesverwaltungsgericht hat am 18.06.2007 (Az.: 4 KSt 1002/07) und am 21.06.2007 (Az.: 4 KSt 1001/07) entschieden, dass § 18 Nr. 5 RVG auch Erinnerungen gegen Kostenfestsetzungen des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle in der Verwaltungsgerichtsbarkeit umfasst (entgegen VG Regensburg, a. a. O.).
Dieser Beschluss ist, auch hinsichtlich der Kostengrundentscheidung, unanfechtbar (§ 197 Abs. 2 SGG).
Anmerkung: Die Kammer hat ihre bisherige Rechtsprechung (S 165 SF 5/09 E vom 30.01.2009) zur Frage der Anwendbarkeit des verminderten Gebührenrahmens der Nr 3103 VV RVG auf Verfahren im einstweiligen Rechtsschutz nach § 86b SGG im Grundsatz geändert und nunmehr an die Rechtsprechung der 164. Kammer des Sozialgerichts Berlin angeglichen (zu den Einzelheiten siehe Beschluss vom 10.06.2009 -S 165 SF 601/09 E-).
Gründe:
Zur Frage der Anwendbarkeit festgesetzten Verfahrensgebühr nach Nr. 3103 VV RVG und der Angemessenheit der hierfür festgesetzten Höhe verweist das Gericht in entsprechender Anwendung von § 153 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) nach eigener Prüfung auf die zutreffende Gründe der angefochtenen Entscheidung (vgl. Meyer-Ladewig, Sozialgerichtsgesetz, 8. Auflage 2005, § 142 Randziffern 5, 5 a, 5 b, 5d m. w. N.) und der dort zitierten Entscheidung des LSG Bayern vom 12. Februar 2007 –L 15 B 224/06 AS KO – (ebenso: LSG Schleswig.Holstein, Beschluss vom 28. Februar 2007 – L 1 B 467/06 SK; LSG Nordrheinwestfalen, Beschlüsse vom 26. April 2007 - L 9 B 14/06 AS -, vom 6. August 2007 – L 20 B 91/07 AS -, vom 26. April 2007 - L 7 B 36/07 und vom 3. Dezember 2007 – L 20 B 66/07 AY -).
Die Anwendung des niedrigeren Gebührenrahmens der Nr. 3103 VV RVG wird dadurch gerechtfertigt, dass die Tätigkeit des Rechtsanwaltes in einem Eilt-Verfahren regelmäßig dadurch erleichtert wird, wenn er in derselben Sache bereits im Verwaltungs- bzw. Widerspruchsverfahren tätig ist. Die Prüfung und der Vortrag des Rechtsanwaltes sind hinsichtlich des Anordnungsgrundes mit den materiell-rechtlichen Anforderungen der Widerspruchsbegründung deckungsgleich. Dass zusätzlich der Anordnungsgrund glaubhaft gemacht werden muss, steht nicht entgegen, da dieser Aufwand üblicherweise gegenüber dem Aufwand für die Begründung des Anordnungsanspruches erheblich zurücktritt.
Zur Frage der Angemessenheit der Höhe der festgesetzten Terminsgebühr ist die Kammer grundsätzlich folgender Auffassung:
In Verfahren im einstweiligen Rechtsschutz nach § 86b Abs. 1 und Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) kann eine Gebühr nach Nr. 3106 VV RVG in Gestalt der "fiktiven" Terminsgebühr, wenn ein Termin tatsächlich nicht stattgefunden hat, nicht anfallen, da für die Beschlussentscheidung nach § 86b SGG die Durchführung eines Termins zur mündlichen Verhandlung nicht vorgesehen ist (vgl. Beschluss des Bundesgerichtshofes vom 01.02.2007 zum Verfahren V ZB 110/06). Diese Auffassung teilt auch die 164. Kammer des Sozialgerichts Berlin, die nunmehr neben der 165. Kammer des Sozialgerichts Berlin für die Entscheidungen nach § 197 Satz 2 SGG eine Alleinzuständigkeit hat, vgl. Beschluss vom 21. Januar 2009 – S 164 SF 14/09 E -. Soweit der Vorsitzende der 164. Kammer als Vorsitzender der 87. Kammer des Sozialgerichts Berlin in der Entscheidung vom 15.04.2008 zum Verfahren S 87 AS 6754/06 ER unter Bezugnahme auf die Entscheidung des Landessozialgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 26.04.2007 zum Aktenzeichen L 7 B 36/07 AS die Auffassung vertreten hatte, dass auch im Verfahren nach § 86b SGG eine fiktive Terminsgebühr anfallen kann, so hat er diese Rechtsprechung ausdrücklich aufgegeben (Beschluss S 87 AS 3339/08 ER). Auch das Bundesverwaltungsgericht hat in seinem Beschluss vom 05.12.2007 zum Verfahren 4 KSt 1007.07 (4 A 1070.06) nachvollziehbar dargelegt, dass grundsätzlich in Beschlussverfahren, in denen eine mündliche Verhandlung oder eine Erörterung tatsächlich nicht stattfindet, eine Terminsgebühr nicht anfallen kann.
Es trifft zu, dass die Entstehung der Terminsgebühr weder eine über die Annahme des Anerkenntnisses hinausgehende Mitwirkung im Sinne einer vorhergehenden Kommunikation voraussetzt noch die von Gesetzes wegen obligatorische Durchführung einer mündlichen Verhandlung. Grundvoraussetzung für die Entstehung dieser Gebühr ist jedoch nach § 2 Abs. 2 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG), Teil 3 Vorbemerkung 3 Abs. 3 des Vergütungsverzeichnisses (VV-RVG) i.V.m. Abschnitt 1 Nr. 3106 Ziffer 3 VV-RVG, dass für das entsprechende Rechtsschutzverfahren überhaupt eine mündliche Verhandlung vorgeschrieben ist oder, wie etwa im einstweiligen Rechtsschutzverfahren, ausnahmsweise durchgeführt werden soll. Denn die Terminsgebühr wird gerade deshalb gewährt, um (regelmäßig vorgeschriebene) mündliche Verhandlungen im Sinne der Prozessökonomie entbehrlich zu machen, ohne dass hierdurch der Vergütungsanspruch des Prozessbevollmächtigten beeinträchtigt wird (vgl. auch KG Berlin, Beschluss vom 21. Februar 2007, Az. 5 W 24/06, zitiert nach Juris). Da für einstweilige Rechtsschutzverfahren gemäß § 124 Abs. 3 i.V.m. § 86b Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) die Durchführung einer mündlichen Verhandlung von der Verfahrensordnung nicht obligatorisch vorgesehen ist und vorliegend eine mündliche Verhandlung bzw. die Erörterung der Sache durch das Gericht weder angeordnet noch hierzu geladen wurde, ist auch keine Terminsgebühr entstanden (so auch Sächsisches LSG, Beschluss vom 7. Februar 2008, L 23 B 33/08 AS-KO; SG Halle, Beschluss vom 6. Juni 2008, S 11 SF 76/07 AS; SG Reutlingen, Beschluss vom 12. September 2007, Az. S 2 AS 3109/07 KE; SG Lüneburg, Beschluss vom 10. Mai 2007, Az. 25 SF 23/07, jeweils zitiert nach Juris).
Zwar lässt sich diese Rechtsfolge nicht unmittelbar dem Wortlaut des Satzes 2 zu Ziffer 3106 VV RVG (Nr. 3) entnehmen. Der Gebührentatbestand lautet vielmehr: "Die Gebühr entsteht auch, wenn (3.) das Verfahren nach angenommenem Anerkenntnis ohne mündliche Verhandlung endet." Dieser Wortlaut lässt jedoch durchaus auch die Auslegung zu, dass hier nur eine Regelung in Bezug auf Verfahren getroffen wurde, die regelmäßig aufgrund mündlicher Verhandlung entschieden werden. Diese Auslegung wird – anders als die entgegenstehende – durch den Sinn und Zweck der Norm gestützt, der im Zusammenhang mit den Ziffern 1 und 2 zu Nr. 3106 VV-RVG sowie der erwähnten Vorbemerkung 3 zu Teil 3 zu erkennen ist. Denn hieraus ergibt sich, dass der Gebührentatbestand der Nr. 3106 VV-RVG insgesamt darauf abzielt, kraft Gesetzes durchzuführende mündliche Verhandlungen im Einzelfall zu vermeiden, ohne insoweit den Verdienst des Rechtsanwalts zu schmälern. So ordnet Ziffer 1 die Entstehung der Gebühr an, wenn in einem Verfahren, für das mündliche Verhandlung vorgeschrieben ist, im Einverständnis mit den Parteien ohne mündliche Verhandlung entschieden wird. Ziffer 2 sieht die Terminsgebühr dann vor, wenn statt aufgrund mündlicher Verhandlung durch Gerichtsbescheid entschieden wird. Die sich unmittelbar daran anschließende Ziffer 3 wird sodann durch das Bindewort "oder" eingeleitet wird, welches semantisch den inhaltlichen Sinnzusammenhang zu den vorherigen Ziffern herstellt. Für den aus anwaltlicher Sicht bestehenden Anreiz des Verdienens einer Terminsgebühr unter Verzicht auf eine mündliche Verhandlung ist dagegen kein schützenswertes Bedürfnis erkennbar in Fällen, in denen durch das Gesetz eine solche von Vornherein nicht vorgeschrieben ist und, von Ausnahmen abgesehen, regelmäßig auch nicht durchgeführt wird. Schließlich würde anderenfalls der bevollmächtigte Rechtsanwalt in solchen Verfahren, wie im vorliegenden vorläufigen Rechtsschutzverfahren, im Falle der Verfahrensbeendigung durch die Annahme eines Anerkenntnisses gegenüber dem sonst regelmäßig im schriftlichen Verfahren ergehenden Beschluss gebührenrechtlich zu Lasten des Antragsgegners begünstigt werden, ohne dass hierfür ein eindeutiger Wille des Gesetzgebers erkennbar wäre. Ausnahmetatbestände, wie der in Ziffer 3106 Nr. 3 VV RVG geregelte, sind jedoch grundsätzlich eng auszulegen (SG Berlin, Beschluss vom 23.09.2008, S 88 SO 821/07 ER).
Angesichts des auch im Erinnerungsverfahrens geltenden Verböserungsverbotes (reformatio in peius) war es der Kammer im vorliegenden Fall allerdings verwehrt, bei der grundsätzlich erfolgenden vollumfänglichen Überprüfung des angefochtenen Beschlusses nach eigenem Ermessen (Meyer-Ladewig, Sozialgerichtsgesetz mit Erläuterungen, aaO., § 197 Rz. 10) die bereits dem Grunde nach festgesetzte (und von dem Erinnerungsgegner jedenfalls nicht im Wege einer dafür erforderlichen eigenen Erinnerung) angegriffenen Terminsgebühr nunmehr grundsätzlich "abzuerkennen" bzw. die den Gesamtkostenbetrag unter den bereits festgesetzten Betrag abzusenken. Soweit eine Terminsgebühr allerdings als Grundlage für den in diesem Rahmen geltend gemachten höheren (bzw. über den bereits festgesetzten hinausgehenden) Betrag erforderlich ist, sieht die Kammer aus den zuvor genannten Gründen keine (weitergehende) Rechtsgrundlage.
Das Gericht weist ergänzend darauf hin, dass aber auch unter grundsätzlicher Anerkennung einer Terminsgebühr in der vorliegenden Verfahrenskonstellation (durch den angefochtenen Beschluss) die hierfür im angegriffenen Beschluss festgesetzte Höhe aus den Gründen des Beschlusses zu halten wäre. Entgegen dem Erinnerungsvortrag hat die Urkundsbeamtin die Terminsgebühr nicht "allein wegen des Umstandes, dass ein Termin tatsächlich nicht wahrgenommen werden musste und lediglich die Annahme eines Anerkenntnisses erklärt worden ist" niedriger angesetzt, sondern weil es für den Bevollmächtigten der Erinnerungsführerin nach Stattgabe des Widerspruches vom 7. April 2008 ohne großen Zeitaufwand ersichtlich gewesen sei, dass dem Antragsbegehren entsprochen wurde. Auch hat sie entgegen dem Erinnerungsvortrag nicht den Gebührenrahmen eingeschränkt, sondern innerhalb des uneingeschränkt zugrunde gelegten Gebührenrahmens aus den von ihr genannten Gründen eine merklich unterdurchschnittliche Gebühr festgesetzt.
Die Kostenentscheidung für das Erinnerungsverfahren beruht auf § 193 SGG.
Die Kammer hält eine gesonderte Kostenentscheidung im Erinnerungsverfahren für erforderlich, da das Erinnerungsverfahren im Hinblick auf das Hauptsacheverfahren eine gesonderte Angelegenheit i.S.d § 18 Nr. 5 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) darstellt (ebenso: LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 15. September 2005 - L 2 B 40/04, AnwBl 2006, 146; LSG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 30. November 2006 - L 6 B 221/06 SB, jeweils für das Beschwerdeverfahren; vgl. zur Verfahrensgebühr für sozialgerichtliche Verfahren über die Beschwerde und die Erinnerung, wenn in dem Verfahren Betragsrahmengebühren nach § 3 RVG entstehen: Nr. 3501 des Vergütungsverzeichnisses zum RVG; überdies Rohwer-Kahlmann, SGG, 4. Auflage, 42. Lieferung 2004, § 197 RdNr. 18; Schneider, KostRsp., Nr. 1 § 18 Nr. 5 RVG, Lieferung 264, Februar 2007; Schneider/Wolf, RVG, 3. Auflage 2006, § 16 RdNr. 108 ff.).
Die Kammer folgt ausdrücklich nicht dem Beschluss des Verwaltungsgerichts Regensburg (VG Regensburg, 11. Kammer, Beschluss vom 01.07.2005, Az.: RN 11 S 03.2905), wonach nach dem ausdrücklichen Wortlaut des Gesetzes nur Verfahren über eine Erinnerung gegen eine Entscheidung des Rechtspflegers in Angelegenheiten, in denen sich die Gebühren nach Teil 3 des Vergütungsverzeichnisses richten, eine besondere Angelegenheit nach § 18 Nr. 5 RVG darstellen sollen. Das SGG kennt den Rechtspfleger nicht. Aus dem Gebührentatbestand Nr. 3501 VV RVG ergibt sich eindeutig, dass eine Verfahrensgebühr für Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit über die Beschwerde und die Erinnerung, in denen Betragsrahmengebühren entstehen, umfasst ist. Dass der Gesetzgeber in § 18 Nr. 5 RVG vom "Rechtspfleger" spricht, darf als glattes (redaktionelles) Versehen des Gesetzgebers gewertet werden.
Das Bundesverwaltungsgericht hat am 18.06.2007 (Az.: 4 KSt 1002/07) und am 21.06.2007 (Az.: 4 KSt 1001/07) entschieden, dass § 18 Nr. 5 RVG auch Erinnerungen gegen Kostenfestsetzungen des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle in der Verwaltungsgerichtsbarkeit umfasst (entgegen VG Regensburg, a. a. O.).
Dieser Beschluss ist, auch hinsichtlich der Kostengrundentscheidung, unanfechtbar (§ 197 Abs. 2 SGG).
Anmerkung: Die Kammer hat ihre bisherige Rechtsprechung (S 165 SF 5/09 E vom 30.01.2009) zur Frage der Anwendbarkeit des verminderten Gebührenrahmens der Nr 3103 VV RVG auf Verfahren im einstweiligen Rechtsschutz nach § 86b SGG im Grundsatz geändert und nunmehr an die Rechtsprechung der 164. Kammer des Sozialgerichts Berlin angeglichen (zu den Einzelheiten siehe Beschluss vom 10.06.2009 -S 165 SF 601/09 E-).
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