L 11 R 5567/08

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 19 R 6518/07
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 R 5567/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 28. Oktober 2008 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung streitig.

Die am 29. Juli 1950 geborene Klägerin, die keinen Beruf erlernt hat, kam 1972 aus Jugoslawien in die Bundesrepublik Deutschland. Nach ihrem Zuzug war sie zunächst bis 1975 als Fabrikarbeiterin und Küchenhilfe, anschließend seit 1975 als Verkäuferin tätig. Sie war zuletzt bis 31. Dezember 2005 versicherungspflichtig beschäftigt. Seitdem steht sie im nahtlosen Bezug von zunächst Kranken-, dann Arbeitslosengeld bis einschließlich 22. März 2008.

Ein erster Rentenantrag vom 29. Dezember 2000 wurde mit Bescheid vom 17. Mai 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. März 2002 abgelehnt. Die hiergegen beim Sozialgericht Stuttgart (SG) erhobene Klage (S 5 RA 1709/02) nahm die Klägerin nach orthopädischer Begutachtung durch Dr. H. (vollschichtiges Leistungsvermögen bei Knieschmerzen beidseits, beginnender medialer Gonarthrose links nach Knorpel-/Knochenverpflanzung bei Osteochondrosis dissecans, Hüftschmerzen beidseits bei leichtgradiger Hüftdysplasie ohne sekundäre Arthrosezeichen sowie funktionellen Schulter-/Nackenschmerzen beidseits bei multiplen Blockierungen der Hals (HWS)- und Brustwirbelsäule (BWS)) zurück.

Die Beklagte gewährte der Klägerin vom 8. bis 29. Dezember 2005 eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme im Reha-Zentrum B. D., aus dem die Klägerin - in Bezug auf eine Tätigkeit als Verkäuferin - als arbeitsunfähig entlassen wurde (Entlassungsdiagnosen: Pangonarthrose links, medial betonte Gonarthrose rechts mit Degeneration II-III des Innenmeniskus, lokales HWS- und LWS-Syndrom sowie initiale Coxarthrose beidseits). Die Klägerin könne auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt noch leichte bis mittelschwere Arbeiten zeitweise im Gehen oder Stehen sechs Stunden und mehr ausüben, wobei sie regelmäßig schweres Heben, Tragen und Bewegen von Lasten ohne geeignete Hilfsmittel vermeiden müsse.

Am 12. Oktober 2006 beantragte die Klägerin erneut die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Die Beklagte veranlasste eine Begutachtung auf orthopädischem Fachgebiet. Dr. S. erachtete die Klägerin nach einer Untersuchung am 8. November 2006 für vollschichtig leistungsfähig bei einem Reizzustand des linken Kniegelenks bei medial und retropatellar betonter Arthrose, retropatellaren Knorpelüberlastungsbeschwerden am rechten Knie, beginnender Hüftarthrose links sowie Adipositas per magna. Es bestehe eine Einschränkung auf leichte Tätigkeiten, wobei langzeitige Druckbeanspruchungen der großen Gelenke an den unteren Gliedmaßen durch eine ständig stehend und auch gehend ausgeübte Arbeitstätigkeit ebenso zu vermeiden seien wie wiederholtes Einnehmen der Kniehocke oder vielfaches Treppensteigen bzw. zusätzliche Hebe- und Tragebelastungen. Ein medizinisches Rehabilitationsverfahren insbesondere zur allmählichen Gewichtsreduktion sei angezeigt.

Nach den beigezogenen Akten der Agentur für Arbeit gab der ehemalige Arbeitgeber Dr. E. in seiner Arbeitsbescheinigung an, die Klägerin sei seit 1981 als Verkäuferin 4,6 Stunden an sechs Tagen in der Woche beschäftigt worden. Es bestehe kein Tarifvertrag. Mit Bescheid vom 23. Januar 2007 lehnte die Beklagte den Antrag mit der Begründung ab, die Klägerin sei weder voll noch teilweise erwerbsgemindert. Sie könne mit dem vorhandenen Leistungsvermögen noch Tätigkeiten im Umfang von mindestens sechs Stunden täglich im Rahmen einer Fünf-Tage-Woche regelmäßig ausüben. Ferner sei sie auch nicht berufsunfähig. Denn sie sei noch in der Lage, in der ihr zumutbaren Tätigkeit als Kassiererin in Bädern, Zoologischen Gärten und Theatern mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein.

Mit ihrem dagegen eingelegten Widerspruch machte die Klägerin geltend, mit so vielen Einschränkungen, wie diese vom Gutachter beschrieben würden, könne sie nicht mehr erwerbstätig sein. Ihre Krankheiten seien nicht ausreichend gewürdigt worden. Ohne Gehhilfe könne sie nicht laufen. Sie könne auch weder lange sitzen noch stehen. Im Hinblick auf ihre geschilderten internistischen Beschwerden veranlasste die Beklagte eine weitere Begutachtung auf internistischem und HNO-fachärztlichen Gebiet. Dr. B. beschrieb eine arterielle Hypertonie, eine linksventrikuläre Hypertrophie, eine chronisch spastische Bronchitis, einen Diabetes mellitus, ein metabolisches Syndrom bei Adipositas per magna sowie eine stumme Schrumpfniere links. Die von der Klägerin beklagten Beschwerden seien im Wesentlichen durch das extreme Übergewicht bedingt und bedürften einer konsequenten Gewichtsreduktion. Bis dahin könnten ihr leichte Arbeiten ohne körperliche Belastungen zugemutet werden. Die Hypertonie sei unzureichend eingestellt und bedürfe einer konsequenteren Therapie. Dies gelte auch hinsichtlich des Diabetes mellitus. In einem weiteren HNO-ärztlichen Gutachten von Dr. B. bestätigte dieser, dass seitens seines Fachgebiets keine Einschränkungen der allgemeinen und beruflichen Leistungsfähigkeit vorlägen. Die Klägerin leide an einer chronischen Mittelohrentzündung rechts, einem Cerumen obturans (Ohrenschmalzpfropf) links, einer mittelgradigen Schallempfindungsschwerhörigkeit beidseits sowie einem Tinnitus links. Die Hörminderung und auch das geringgradige, gut kompensierte Ohrgeräusch seien nicht ausgeprägt oder im sozialen Umfeld belastend. Mit Widerspruchsbescheid vom 30. Juli 2007 wies die Beklagte daraufhin den Widerspruch mit der Begründung zurück, die Klägerin könne noch mindestens sechs Stunden täglich unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes erwerbstätig sein und sei damit nicht erwerbsgemindert. Sie könne zwar ihren bisherigen Beruf nicht mehr verrichten, sei aber auf den allgemeinen Arbeitsmarkt als ungelernte Verkäuferin sozial zumutbar verweisbar. Auch die zusätzlich eingeholten Gutachten des Internisten Dr. B. und vom HNO-Arzt Dr. B. hätten keine weitere Einschränkung des festgestellten Leistungsvermögens ergeben.

Mit ihrer dagegen am 28. August 2007 beim SG erhobenen Klage hat die Klägerin geltend gemacht, sie könne keine sechs Stunden mehr arbeiten.

Zur weiteren Aufklärung des Sachverhaltes hat das SG die behandelnden Ärzte als sachverständige Zeugen gehört und die Klägerin anschließend orthopädisch begutachten lassen.

Der Orthopäde Dr. A., bei dem die Klägerin seit Juni 1998 in Behandlung steht, hat über ein Carpaltunnelsyndrom rechts mehr als links, eine PHS calcarea beidseits, einen Fersensporn beidseits, Heberden-, Bouchard- und Rhizarthrosen mit Befall beider Hände, eine Dysplasiecoxarthrose beidseits, eine Pangonarthrose beidseits, ein chronisches HWS-Syndrom mit Wurzelreizung C7 sowie eine BWS-Kyphose mit plurietageren Osteochondrosen berichtet. Weder eine Tätigkeit als Verkäuferin noch eine leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt könne die Klägerin noch über drei Stunden durchführen. Die Ärztin für Lungen- und Bronchialheilkunde R. hat die Klägerin bei einer chronisch spastischen Bronchitis für in der Lage erachtet, sechs Stunden leichte Tätigkeiten ohne schweres Heben und Tragen sowie Treppensteigen zu verrichten. Zuletzt habe eine mittelschwere zentrale obstruktive Ventilationsstörung vorgelegen.

Der Orthopäde Dr. H. hat in seinem Sachverständigengutachten seiner Einschätzung eines sechsstündig täglichen Leistungsvermögens chronisch schmerzhafte Funktionsstörungen des linken Kniegelenkes bei fortgeschrittenem Knorpelschaden innenseitig und Verlust des vorderen Kreuzbandes, chronisch belastungsabhängigen Schmerzen in beiden Schultern, beiden Hüftgelenken, der Hals- und Lendenwirbelsäule, der Sprunggelenke sowie in beiden Fersen ohne Nachweis einer gravierenden leistungsmindernden Erkrankung zugrunde gelegt. Die Klägerin müsse Arbeiten in der Hockstellung oder im Knien ebenso wie das Besteigen von Leitern und Gerüsten und häufiges Treppensteigen, Stehen und Gehen auf unebenem Gelände, Heben und Tragen von Lasten über 10 kg, lang anhaltende Zwangshaltungen, unter Zeitdruck sowie in Dämpfen vermeiden. Sie habe ausgeführt, dass sie den Zweipersonenhaushalt mit teils pflegebedürftigem Ehemann (erforderliche Beatmung) noch ohne fremde Hilfe versorgen könne. Ihre Töchter übernähmen lediglich mechanisch besonders belastende Hausarbeiten wie Fensterputzen oder die Einkäufe. Sie beschäftige sich mit Fernsehen (ca. zwei Stunden) und Lesen sowie sportlichen Aktivitäten (14:00 bis 15:00 Uhr auf dem Heimtrainer auf Stufe 3, Besuch einer Gymnastikgruppe, die von der AOK finanziert werde, und einmal wöchentlicher Besuch des Thermalbades in B. C.).

Die Klägerin hat hierauf ihren Schwerbehindertenausweis (GdB 60, Merkzeichen "G") sowie den Befund des MRT des linken Kniegelenkes vom 12. September und 14. Oktober 2008 (Grad 3 Chondropathie) sowie weitere Arztberichte (kardiologische Kontrolluntersuchung Dr. K.: leichte Atherosklerose der Carotiden; Verordnung einer Hörhilfe, Koloskopiebericht Dr. P. über drei bis zu 2 cm große Polypen) vorgelegt.

Mit Urteil vom 28. Oktober 2008, der Klägerin zugestellt am 6. November 2008, hat das SG die Klage mit der Begründung abgewiesen, die Klägerin könne nach den im Verwaltungs- und Gerichtsverfahren eingeholten Gutachten auf orthopädischem, hals-nase-ohren-ärztlichem und internistischem Fachgebiet noch unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein und sei deswegen nicht erwerbsgemindert. Der Befund auf HNO-fachärztlichem Gebiet werde durch das Tonschwellenaudiogramm und das Sprachaudiogramm bestätigt. Dabei habe die Klägerin eine leichtgradige Schwerhörigkeit, die vor allem in den tiefen und mittleren Frequenzen zu einem Nachlassen im Sprachverständnis führe, gezeigt. Bei einer entsprechenden Hörgeräteversorgung sei eine Einsilbenverständlichkeit von beidseits 100 % zu erzielen. Auch wenn dies nicht der Fall sei, sei eine Verständigung mit der Klägerin gut möglich. Hiervon habe sich das SG auch in der mündlichen Verhandlung überzeugen können. Daneben leide sie an einem leichten Ohrgeräusch seit ca. zwei Jahren. Die chronische Mittelohrentzündung des rechten Ohres komme in feuchten Granulationen der Trommelfelloberfellfläche zum Ausdruck. Auch beim linken Trommelfell hätten sich Hinweise auf eine in früherer Zeit abgelaufenen Mittelohrentzündung erkennen lassen. Die Einschätzung des Gutachters, dass hierdurch eine Minderung des Leistungsvermögens nicht begründet werde, sei daher überzeugend. Dies gelte auch hinsichtlich der Beurteilung der internistischen Beschwerden. Die Klägerin leide im Wesentlichen an einem metabolischen Syndrom bei extremer Adipositas sowie einer chronisch spastischen Bronchitis. Ferner bestehe eine unzureichend eingestellte Hypertonie sowie ein nicht ganz ausreichend eingestellter Diabetes mellitus. Für leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt bestünden deswegen keine Einschränkungen. Dies sei aufgrund der Befunde nachvollziehbar. Diese Einschätzung werde auch durch die behandelnde Ärztin für Lungen- und Bronchialheilkunde R. bestätigt. Im Vordergrund stünden somit die Gesundheitsstörungen auf orthopädischem Fachgebiet. Hierzu habe der gerichtliche Sachverständige Dr. H. unter Berücksichtigung der Bewegungsmaße ausführlich begründet dargelegt, dass sich kein Hinweis auf eine relevante Erkrankung fände, die das Leistungsvermögen wesentlich über das hinaus einschränken würde, was durch die Knieerkrankung links ohnehin vorgegeben sei. Sie könne deswegen noch leichte Tätigkeiten mit qualitativen Einschränkungen verrichten. Die kardiologische Untersuchung im Januar 2007 habe keine Anzeichen einer schwerwiegenden Herzerkrankung ergeben. Demgegenüber könne die abweichende Einschätzung des behandelnden Orthopäden Dr. A. nicht überzeugen. Dieser habe seine Einschätzung mit Diagnosen begründet, die zum größten Teil keinen Krankheitswert hätten. Die Klägerin sei auch nicht berufsunfähig, sondern könne auf alle leichten Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes verwiesen werden. Sie sei zuletzt als Verkäuferin tätig gewesen. Diese Tätigkeit habe sie nicht erlernt und sei somit als untere Angelernte einzustufen. Die Benennung einer konkreten Verweisungstätigkeit sei somit nicht erforderlich.

Zur Begründung ihrer dagegen am 1. Dezember 2008 eingelegten Berufung hat die Klägerin unter Vorlage von 22 Befundberichten sowie zwei Antworten auf Bewerbungsschreiben geltend gemacht, sämtliche Bewerbungen von ihr seien erfolglos. Weder ihr Herz noch ihre Augen noch die Lunge seien gesund. Dies gelte auch für die Wirbelsäule. Sie habe einen kleinen Hirninfarkt erlitten und sei seitdem vergesslich. Ihre rechte Hand verdrehe sich immer. Sie habe nur noch eine Niere. Wegen ihres Blutdrucks müsse sie ebenso wie wegen ihres Zuckers Medikamente einnehmen. Insbesondere die Knie verursachten weitere Beschwerden. Im Darm seien mehrere Polypen festgestellt worden. Nunmehr leide sie auch an Rheuma sowie Angst. Seit März 2008 erhalte sie kein Arbeitslosengeld II mehr im Hinblick auf ihre Lebensversicherungen. Sie müsse daher von der Rente ihres Ehemannes leben, der 18 Stunden täglich beatmet werden müsse.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 28. Oktober 2008 sowie den Bescheid vom 23. Januar 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. Juli 2007 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr Rente wegen voller Erwerbsminderung ab Antragstellung zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hat die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend erachtet und einen neuen Versicherungsverlauf vorgelegt.

Die Berichterstatterin hat am 4. Februar 2009 einen Erörterungstermin durchgeführt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie die von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die nach den §§ 143, 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist statthaft im Sinne des § 144 Abs. 1 Satz 2 SGG, da die Berufung einen Zeitraum von mehr als einem Jahr umfasst. Die damit insgesamt zulässige Berufung ist indessen unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Denn die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten. Sie hat keinen Anspruch auf die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung.

Der Sachverhalt ist entscheidungsreif. Aus den von der Klägerin vorgelegten Befundberichten ergibt sich kein neuer medizinischer Sachverhalt. Sie hat auch keine substantiierte Verschlechterung ihrer gesundheitlichen Situation vorgetragen.

Der geltend gemachte Anspruch richtet sich für die Zeit bis 31. Dezember 2007 nach § 43 SGB VI in der ab 1. Januar 2001 geltenden Fassung und für die anschließende Zeit nach § 43 SGB VI in der ab 1. Januar 2008 geltenden Fassung des Art. 1 Nr. 12 RV-Altersgrenzenanpassungsgesetz vom 20. April 2007 (BGBl I S. 554). Dies folgt aus § 300 Abs. 1 SGB VI. Danach sind die Vorschriften des SGB VI von dem Zeitpunkt ihres Inkrafttretens an auf einen Sachverhalt oder Anspruch auch dann anzuwenden, wenn bereits vor diesem Zeitpunkt der Sachverhalt oder Anspruch bestanden hat. Die (aufgehobenen) Bestimmungen der §§ 43, 44 SGB VI in der bis zum 31. Dezember 2000 geltenden Fassung finden keine Anwendung, da im vorliegenden Fall ein Rentenbeginn vor dem 1. Januar 2001 nicht in Betracht kommt (§ 302b Abs. 1 SGB VI).

Nach § 43 Abs. 2 SGB VI haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, wenn sie voll erwerbsgemindert sind, in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben. Voll erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Erwerbsgemindert ist nach § 43 Abs. 3 SGB VI nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.

Nach § 240 Abs. 1 SGB VI in der ab 1. Januar 2008 geltenden Fassung des Art. 1 Nr. 61 RV-Altersgrenzenanpassungsgesetz vom 20. April 2007 (BGBl I S. 554) haben darüber hinaus Versicherte, die vor dem 2. Januar 1961 geboren und berufsunfähig sind, bis zum Erreichen der Regelaltersrente Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie die sonstigen Voraussetzungen erfüllen. Berufsunfähig sind Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung im Vergleich zur Erwerbsfähigkeit von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten auf weniger als sechs Stunden gesunken ist (§ 240 Abs. 2 Satz 1 SGB VI). Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfasst alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufes und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können. Berufsunfähig ist nicht, wer eine zumutbare Tätigkeit mindestens sechs Stunden täglich ausüben kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 240 Abs. 2 Sätze 2 und 4 SGB VI).

Die Voraussetzungen der genannten Vorschriften sind nicht erfüllt. Dies hat das SG zutreffend festgestellt. Der Senat schließt sich diesen Ausführungen voll umfänglich an, weist die Berufung deshalb aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zurück und sieht insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 153 Abs. 2 SGG).

Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass die Klägerin zwar die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen zum Zeitpunkt der Rentenantragstellung erfüllt, wie sich aus dem Versicherungsverlauf der Beklagten vom 13. Februar 2009 ergibt. Der Senat ist aber in Auswertung des Beweisergebnisses der vom SG durchgeführten Beweisaufnahme wie auch der im Wege des Urkundsbeweises verwertbaren Verwaltungsgutachten der Beklagten davon überzeugt, dass sie noch auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt leichte Tätigkeiten in Wechselhaltung unter Vermeidung von häufigem Treppensteigen, anhaltendem Bücken, Knien, Heben und Tragen schwerer Lasten über 10 kg, , Wechsel- und Nachtschicht, besonderem Zeitdruck und Akkord- und Fließband sechs Stunden und mehr verrichten kann und damit weder voll noch teilweise erwerbsgemindert ist.

Auch das Vorbringen im Berufungsverfahren führt nicht zu einem anderen Ergebnis.

Zunächst ergibt sich aus den Befundberichten von Dr. M. (HNO-Arzt) vom 24. Oktober 2008 (mittelgradige Schwerhörigkeit), Dr. S. (Orthopäde) vom 21. April 1988 (Beschwerden im gesamten Wirbelsäulenbereich), Dr. K. (Orthopäde) vom 9. Dezember 2005 (deutliche Arthrose der Klavikula), Dr. L. vom 16. Juni 2005 über eine stattgehabte Arthroskopie, Dr. G. (Radiologe) vom 25. September 2000 über einen Kernspin des rechten Kniegelenks (Knorpeldefekt), Dr. L. (Radiologe) vom 14. Oktober 2008 über ein MRT des rechten Kniegelenks (Grad 3 Chrondropathie), Dr. K. (Internist) vom 23.11.2005 (bekannte Mikrohaematurie), Dr. G. (Neurologe) vom 23.05.2006 (manifestes CTS rechts), Dr. M. vom 12. September 2008 (MRT des linken Kniegelenks), Dr. L. vom 26. Mai 2006 (kein NPP), Dr. K. (Kardiologe) vom 29. November 2005 und 9. Januar 2007 (arterielle Hypertonie), Dr. A. vom 12. Februar 2008 (neurologisch keine Ausfälle), die sämtliche abgelaufene Zeiträume betreffen, kein neuer, nicht bereits bekannter medizinischer Sachverhalt. Die internistischen, orthopädischen und HNO-Fachärztlichen Leiden der Klägerin sind sämtlich begutachtet und ausführlich gewürdigt worden, haben aber in ihrer Summe zwar eine leistungslimitierende Wirkung, jedoch nicht in rentenberechtigendem Ausmaß. Dies gilt auch für das im MRT-Befund vom 13. Februar 2009 (Dr. H.) beschriebene Bild einer chronischen Arthritis und Synovitalitis mit medial betonter Arthrose im rechten Kniegelenk. Diesem Befund wird ebenfalls durch die Entscheidung - kein häufiges Treppensteigen, kein anhaltendes Knien - Rechnung getragen.

Die Koloskopie bei Dr. P. vom 21. Oktober 2008 hat eine morphologisch unauffällige entzündungsfreie Dickdarmschleimhaut und mehrere unterschiedlich große Anteile aus Adenomen ohne schwere Dysplasie ergeben, mithin keinen weiterführenden Befund. Dies gilt auch für das MRT vom 27. Januar 2009, welches zur Beurteilung von Protrusionen C5/6, C7/Th1 sowie Th6/7 mit relativer Spinalstenose bei deutlicher Fehlhaltung ohne Bandscheibensequester bei erosiver Veränderung der unteren BWS geführt hat. Das CT des Schädels hat kleine alte Durchblutungsstörungen ergeben bei mäßiggradigen Seitenventrikelerweiterung ohne sichere Atrophie oder Hirndruck, der von der Klägerin geäußerte Hinweis auf einen Hirninfarkt hat sich somit nicht bestätigen lassen (Befundberichte von Dr. H.). Die von der Klägerin beklagten Brachialgien des rechten Unterarmes sowie Gedächtnisstörungen haben nach der Untersuchung des Urologen Dr. G. keine pathologischen Auffälligkeiten ergeben. Auch hinsichtlich der chronisch-spastischen Bronchitis liegt nach der Beurteilung der Ärztin für Lungen- und Bronchialheilkunde R. nach wie vor lediglich eine geringgradige zentrale obstruktive Ventilationsstörung vor.

Im Hinblick auf die qualitativen Leistungseinschränkungen braucht der Klägerin keine konkrete Berufstätigkeit genannt zu werden, weil sie ihrer Anzahl, Art und Schwere nach keine besondere Begründung zur Verneinung einer "Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen" oder einer "schweren spezifischen Leistungsminderung" erfordern (vgl. hierzu BSG SozR 2200 § 1246 Nr. 136). Sie erscheinen nämlich nicht geeignet, das Feld körperlich leichter Arbeiten zusätzlich wesentlich einzuengen. Das Restleistungsvermögen der Klägerin erlaubt ihr weiterhin noch körperliche Verrichtungen, die in leichten einfachen Tätigkeiten gefordert zu werden pflegen, wie z. B. Zureichen, Abnehmen, Bedienen von Maschinen, Montieren, Kleben, Sortieren, Verpacken oder Zusammensetzen von kleinen Teilen. Mit diesem Leistungsvermögen ist die Klägerin daher insgesamt nicht erwerbsgemindert.

Die Klägerin ist auch nicht teilweise erwerbsgemindert bei Berufsunfähigkeit. Eine Berufsausbildung hat sie nicht absolviert und während ihres Versicherungslebens allenfalls angelernte Tätigkeiten verrichtet. Sie ist deswegen auch zur Überzeugung des Senats auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verweisbar, auf dem noch ein vollschichtiges Leistungsvermögen besteht.

Die Berufung der Klägerin konnte demnach keinen Erfolg haben, wobei die Kostenentscheidung auf § 193 SGG beruht.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Saved