Land
Freistaat Thüringen
Sozialgericht
Thüringer LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Altenburg (FST)
Aktenzeichen
S 30 KR 2437/05
Datum
2. Instanz
Thüringer LSG
Aktenzeichen
L 6 KR 158/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Altenburg vom 7. Dezember 2007 wird zurückgewiesen.
Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten streitig, ob die Beklagte dem Kläger die ihm für die Beschaffung des Arzneimittels Viridal® seit dem Jahr 2005 entstandenen Kosten zu erstatten sowie ihn von künftig anfallenden Kosten freizustellen hat.
Der 1944 geborene, bei der Beklagten versicherte Kläger, leidet an einer erektilen Dysfunktion, die nach einer totalen Prostatektomie aufgrund eines Prostatakarzinoms im Jahre 2003 aufgetreten ist.
Die Gemeinschaftspraxis Dr. J. und Dipl.-Med. F. beantragte mit Kurzbrief vom 8. September 2003 die Übernahme der Kosten für eine Schwellkörper-Autoinjektions-Therapie (SKAT) mit Viridal® 10 µg. Die Therapien mit Viagra und anderen Medikamenten seien ohne Erfolg geblieben. Mit Schreiben vom 17. September 2003 teilte die Beklagte dem Kläger mit, nach den Arzneimittelrichtlinien, Ziffer 17.1 Buchst. f könnten Mittel zur Behandlung der erektilen Dysfunktion nicht zu Lasten der Krankenkasse verordnet werden. Ungeachtet dessen habe das Bundessozialgericht (BSG) mit Urteil vom 30. September 1999 (Az.: B 8 KN 9/98 KR R) entschieden, dass die Kosten für die zur SKAT zugelassenen Arzneimittel von den gesetzlichen Krankenkassen übernommen werden müssen. Die Ärzte könnten unter Hinweis auf die derzeit geltenden Arzneimittelrichtlinien eine vertragsärztliche Verordnung ausstellen.
Mit Bescheid vom 3. Mai 2005 informierte sie den Kläger darüber, dass mit der Einführung des Gesundheitmodernisierungsgesetzes (GMG), insbesondere der Neufassung des § 34 Abs. 1 Sätze 7 bis 9 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V) der Gesetzgeber sogenannte Lifestyle-Arzneimittel seit dem 1. Januar 2004 von der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenkassen ausgeschlossen habe. Dies seien Präparate, bei deren Anwendung eine Erhöhung der Lebensqualität im Vordergrund stehe. Ausgeschlossen seien Arzneimittel z. B. Viridal®, die überwiegend zur Behandlung der erektilen Dysfunktion, der Anreizung sowie Steigerung der sexuellen Potenz dienten. Den Widerspruch wies sie mit Widerspruchsbescheid vom 10. August 2005 zurück. Mit Urteil vom 10. Mai 2005 - Az.: B 1 KR 25/03 R (Viagra) habe das BSG bestätigt, dass Arzneimittel von der Versorgung ausgeschlossen seien, bei deren Anwendung eine Erhöhung der Lebensqualität im Vordergrund stehe.
Im Klageverfahren hat der Kläger vorgetragen, die Beklagte und sein behandelnder Arzt hätten versichert, dass bei Auftreten einer erektilen Dysfunktion nach der Operation die Verordnung von Arzneimitteln zur Behandlung gewährleistet sei. Das Medikament diene allein dem Ausgleich von Operationsfolgen. Ohne die Zusage medikamentöser Behandlung in der Folgezeit hätte er die Prostataoperation nicht durchführen lassen. Cirka zwei Monate vor der Operation habe er bei der Beklagten vorgesprochen. Er habe auf die damalige Gesetzeslage vertraut. Zudem liege ein Verstoß gegen Art. 3 des Grundgesetzes (GG) vor. Erkranke eine Frau beispielsweise an Brustkrebs, so sei der Wiederaufbau der Brust heute fester Therapiebestandteil.
Mit Gerichtsbescheid vom 7. Dezember 2007 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen.
Im Berufungsverfahren vertritt der Kläger die Ansicht, die Regelungen in § 34 Abs. 1 Satz 7 und 8 SGB V entsprächen nicht dem Kontext des Leistungsrechts der gesetzlichen Krankenversicherung. Letztendlich diene jedes Arzneimittel der Erhöhung der Lebensqualität. Nach § 27 Abs. 1 SGB V schulde die gesetzliche Krankenversicherung ihren Versicherten schon dann eine Krankenbehandlung, wenn diese die Krankheitsbeschwerden lediglich mindere.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Altenburg vom 17. Dezember 2007 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 3. Mai 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. August 2005 zu verurteilen, ihm die entstandenen Kosten für die SKAT-Therapie mit Viridal ® in Höhe von 232,36 EUR zu erstatten sowie ihn zukünftig von diesen Kosten freizustellen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Zur Begründung verweist sie auf die Gründe des in erster Instanz ergangenen Urteils.
Die Beteiligten hatten im Erörterungstermin am 12. November 2008 Gelegenheit sich zur Sache zu äußern. Sie haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Prozess- und der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen, der Gegenstand der Entscheidung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte im Einverständnis mit den Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden (§ 124 Abs. 2 SGG).
Die zulässige Berufung des Klägers ist nicht begründet; er hat keinen Anspruch auf Erstattung der ihm durch die Beschaffung des Medikamentes Viridal® bisher entstandenen Kosten beziehungsweise auf Freistellung von zukünftig entstehenden Kosten. Der Bescheid der Beklagten vom 3. Mai 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. August 2005 ist rechtmäßig und verletzt ihn nicht in seinen Rechten.
Nach § 13 Abs. 3 SGB V sind dem Versicherten Kosten zu erstatten, die dadurch entstehen, dass die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen kann (Alternative 1) oder eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat (Alternative 2) und sich der Versicherte deshalb die Leistung selbst beschafft.
Wie sich aus § 13 Abs. 1 SGB V ergibt, tritt der Kostenerstattungsanspruch an die Stelle des Anspruchs auf eine Sach- oder Dienstleistung; er besteht deshalb nur, soweit die selbst beschaffte Leistung ihrer Art nach zu den Leistungen gehört, die von den gesetzlichen Krankenkassen als Sachleistung zu erbringen sind. Mit der Durchbrechung des Sachleistungsgrundsatzes (§ 2 Abs. 2 SGB V) trägt § 13 Abs. 3 SGB V dem Umstand Rechnung, dass die gesetzlichen Krankenkassen eine umfassende medizinische Versorgung ihrer Mitglieder sicherstellen müssen (vgl. § 1 Abs. 1 Satz 1, § 27 Abs. 1 Satz 1, § 70 Abs. 1 Satz 1 SGB V) und infolgedessen für ein Versagen des Beschaffungssystems - sei es im medizinischen Notfall (vgl. § 76 Abs. 1 Satz 2 SGB V) oder infolge eines anderen unvorhergesehenen Mangels - einzustehen haben. Wortlaut und Zweck der Vorschrift lassen die Abweichung vom Sachleistungsprinzip nur in dem Umfang zu, in dem sie durch das Systemversagen verursacht ist (vgl. BSG in SozR 3-2500 § 135 Nr. 4 S. 10, 11 m.w.N).
Als Anspruchsgrundlage kommt hier lediglich § 13 Abs. 3 Alternative 2 in Betracht.
Nach § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die Krankenbehandlung umfasst u.a. die Versorgung mit Arzneimitteln (§ 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 1. Fall SGB V). Versicherte haben Anspruch auf Versorgung mit apothekenpflichtigen Arzneimitteln, soweit die Arzneimittel nicht nach § 34 SGB V oder durch Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 SGB V ausgeschlossen sind (§ 31 Abs. 1 Satz 1 SGB V). Nach § 34 Abs. 1 Satz 7 SGB V sind von der Versorgung Arzneimittel ausgeschlossen, bei deren Anwendung eine Erhöhung der Lebensqualität im Vordergrund steht. Ausgeschlossen sind insbesondere Arzneimittel, die überwiegend zur Behandlung der erektilen Dysfunktion, der Anreizung oder zur Zügelung des Appetits, zur Regulierung des Körpergewichts oder zur Verbesserung des Haarwuchses dienen (§ 34 Abs. 1 Satz 9 SGB V). Die Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses (im Folgenden: GBA) über die Verordnung von Arzneimitteln in der vertragsärztlichen Versorgung (AMRL) wiederholen unter Buchst. F 18.2 den Text des § 34 Abs. 1 Satz 8 SGB V (AMRL i. d. F. vom 16. März 2004, BAnZ Nr. 77 vom 13. April 2004). Nach Buchst. F 18.3 AMRL sind die nach Nr. 18.2 ausgeschlossenen Fertigarzneimittel in einer Übersicht als Anlage 8 der AMRL zusammengestellt. In dieser Übersicht ist das Fertigarzneimittel Viridal® genannt.
Bei dem Kläger liegt eine erektile Dysfunktion vor. Es liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass das ihm auf Privatrezept verordnete Viridal® außerhalb seines vorgesehenen Anwendungsbereiches eingesetzt wird.
Das BSG führt in seiner Entscheidung vom 18. Juli 2006 - Az.: B 1 KR 10/05 R aus, es unterliege nach Wortlaut, Entstehungsgeschichte, Regelungssystem und -zweck keinem Zweifel, dass Caverject® als Arzneimittel, das überwiegend zur Behandlung der erektilen Dysfunktion diene, von der Versorgung in der gesetzlichen Krankenversicherung ausgeschlossen sei. Auch das hier verordnete Arzneimittel Viridal® dient der Behandlung der erektilen Dysfunktion. Das Gesetz schließt dabei unabhängig von den Gründen für die erektile Dysfunktion ausdrücklich alle Mittel zur Behandlung dieser Gesundheitsstörung von der Leistungspflicht aus (vgl. LSG für das Land Nordrhein-Westfalen vom 9. März 2007 - Az.: L 11 KR 93/07, nach juris). Der Senat schließt sich dieser Auffassung an.
Der Kläger kann einen Kostenerstattungsanspruch beziehungsweise einen Anspruch auf Versorgung mit dem Arzneimittel Viridal® auch nicht aus einer Zusicherung der Beklagten nach § 34 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) oder nach den Grundsätzen des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs herleiten.
Nach § 34 Abs. 1 SGB X bedarf eine von der zuständigen Behörde erteilte Zusage, einen bestimmten Verwaltungsakt später zu erlassen oder zu unterlassen (Zusicherung), zu ihrer Wirksamkeit der schriftlichen Form. Ändert sich nach Abgabe der Zusicherung die Sach- oder Rechtslage derart, dass die Behörde bei Kenntnis der nachträglich eingetretenen Änderung die Zusicherung nicht gegeben hätte oder aus rechtlichen Gründen nicht hätte geben dürfen, ist die Behörde an die Zusicherung nicht mehr gebunden (Abs. 3). Selbst wenn das Schreiben vom 17. September 2003 als Zusicherung der Beklagten, die Kosten für das Medikament Viridal® zu tragen, ausgelegt werden könnte, wäre sie auf Grund der Änderung der Gesetzeslage daran nicht mehr gebunden (§ 34 Abs. 3 SGB X). § 34 Abs. 3 SGB X entspricht dem allgemeinen Rechtsgrundsatz, dass bei Wegfall der Geschäftsgrundlage die Bindung an eine Verpflichtung ganz oder teilweise entfällt (vgl. BSG, Urteil vom 8. Dezember 1993 - 10 RKg 19/92 m.w.N., nach juris). Der Wegfall der Bindungswirkung scheitert auch nicht daran, dass die Beklagte die vertragsärztliche Versorgung des Klägers mit Viridal® über den 31. Dezember 2003 hinaus nicht beanstandet hat.
Voraussetzung des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs ist eine Pflichtverletzung der Beklagten, die zu einem (rechtlichen) Schaden in Form des Ausbleibens von Vorteilen geführt hat, die an sich im Sozialrecht vorgesehen sind und insbesondere dem betroffenen Bürger zugute kommen sollen. Der Anspruch geht auf Herstellung des Zustandes, der eingetreten wäre, wenn die Verwaltung sich nicht rechtswidrig verhalten hätte. Ein rechtswidriges Verhalten der Beklagten ist nicht ersichtlich. Selbst wenn sie dem Kläger bereits vor der Prostatektomie im März 2003 die Auskunft erteilt hätte, dass bei Eintreten einer erektilen Dysfunktion, eine Versorgung mit Medikamenten - auf Grund vertragsärztlicher Verordnung - erfolge, wäre diese zum damaligen Zeitpunkt nicht rechtswidrig gewesen. Die Versorgung ist jedoch aus den bereits genannten Gründen, seit dem 1. Januar 2004 gesetzlich ausgeschlossen.
Nach der Rechtsprechung des BSG verstößt der Leistungsausschluss nach § 34 Abs. 1 Satz 7 bis 9 SGB V nicht gegen Art. 2 Abs. 1 und 2 GG (vgl. Urteile vom 18. Juli 2006, a.a.O., und vom 10. Mai 2005, a.a.O.). Aus den genannten Bestimmungen des Grundgesetzes folgt zwar eine objektiv-rechtliche Pflicht des Staates, das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit zu schützen, darüber hinaus ist es verfassungsrechtlich grundsätzlich jedoch nur geboten, eine medizinische Versorgung für alle Bürger bereit zu halten. Dabei hat der Gesetzgeber aber einen so weiten Gestaltungsspielraum, dass sich originäre Leistungsansprüche aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG regelmäßig nicht ableiten lassen. Aus dem Selbstbestimmungsrecht des Patienten folgt jedenfalls kein grundrechtlicher Anspruch gegen seine Krankenkasse auf Bereitstellung oder Finanzierung bestimmter Gesundheitsleistungen. Der Gesetzgeber verletzt seinen Gestaltungsspielraum auch im Hinblick auf das Sozialstaatsgebot nicht, wenn er angesichts der beschränkten finanziellen Leistungsfähigkeit der gesetzlichen Krankenversicherung Leistungen aus dem Leistungskatalog herausnimmt, die - wie hier - in erster Linie einer Steigerung der Lebensqualität jenseits lebensbedrohlicher Zustände dienen. Daran hat sich auch durch den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 6. Dezember 2005 (Az.: 1 BvR 347/98 in NZS 2006, 84) nichts Grundsätzliches geändert. Dort wurde lediglich der Leistungsausschluss neuer Behandlungsmethoden im Fall regelmäßig tödlicher oder lebensbedrohlicher Krankheiten beim Fehlen anerkannter Therapien in der gesetzlichen Krankenversicherung verfassungsrechtlich beanstandet. Nach der Rechtsprechung des BSG führen selbst schwere Erkrankungen nicht zur Leistungsausweitung durch grundrechtsorientierte Auslegung, wenn keine notstandsähnliche Extremsituation zugrunde liegt, die mit einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen Erkrankung auf eine Stufe gestellt werden kann. Einen solchen Grad der Betroffenheit erreicht der Kläger mit der streitbefangenen Behandlung der erektilen Dysfunktion offensichtlich nicht. Ein Verstoß gegen Artikel 3 GG ist durch den Ausschluss dieser Arzneimittel von der vertragsärztlichen Versorgung aus den genannten Gründen nicht ersichtlich. Soweit der Kläger Rechte für sich daraus herleiten möchte, dass bei erkrankten Frauen nach einer Brustamputation die Kosten für einen Wiederaufbau der Brust von der gesetzlichen Krankenversicherung getragen werden, kann der Senat diese Ansicht nicht nachvollziehen. Offensichtlich war hier keine Amputation eines Körperteils notwendig und ist auch nicht erfolgt. Tatsächlich begehrt der Kläger nicht die Wiederherstellung eines Körperteils, sondern die Wiederherstellung der Funktionsfähigkeit. Deshalb sind diese Sachverhalte nicht vergleichbar.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten streitig, ob die Beklagte dem Kläger die ihm für die Beschaffung des Arzneimittels Viridal® seit dem Jahr 2005 entstandenen Kosten zu erstatten sowie ihn von künftig anfallenden Kosten freizustellen hat.
Der 1944 geborene, bei der Beklagten versicherte Kläger, leidet an einer erektilen Dysfunktion, die nach einer totalen Prostatektomie aufgrund eines Prostatakarzinoms im Jahre 2003 aufgetreten ist.
Die Gemeinschaftspraxis Dr. J. und Dipl.-Med. F. beantragte mit Kurzbrief vom 8. September 2003 die Übernahme der Kosten für eine Schwellkörper-Autoinjektions-Therapie (SKAT) mit Viridal® 10 µg. Die Therapien mit Viagra und anderen Medikamenten seien ohne Erfolg geblieben. Mit Schreiben vom 17. September 2003 teilte die Beklagte dem Kläger mit, nach den Arzneimittelrichtlinien, Ziffer 17.1 Buchst. f könnten Mittel zur Behandlung der erektilen Dysfunktion nicht zu Lasten der Krankenkasse verordnet werden. Ungeachtet dessen habe das Bundessozialgericht (BSG) mit Urteil vom 30. September 1999 (Az.: B 8 KN 9/98 KR R) entschieden, dass die Kosten für die zur SKAT zugelassenen Arzneimittel von den gesetzlichen Krankenkassen übernommen werden müssen. Die Ärzte könnten unter Hinweis auf die derzeit geltenden Arzneimittelrichtlinien eine vertragsärztliche Verordnung ausstellen.
Mit Bescheid vom 3. Mai 2005 informierte sie den Kläger darüber, dass mit der Einführung des Gesundheitmodernisierungsgesetzes (GMG), insbesondere der Neufassung des § 34 Abs. 1 Sätze 7 bis 9 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V) der Gesetzgeber sogenannte Lifestyle-Arzneimittel seit dem 1. Januar 2004 von der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenkassen ausgeschlossen habe. Dies seien Präparate, bei deren Anwendung eine Erhöhung der Lebensqualität im Vordergrund stehe. Ausgeschlossen seien Arzneimittel z. B. Viridal®, die überwiegend zur Behandlung der erektilen Dysfunktion, der Anreizung sowie Steigerung der sexuellen Potenz dienten. Den Widerspruch wies sie mit Widerspruchsbescheid vom 10. August 2005 zurück. Mit Urteil vom 10. Mai 2005 - Az.: B 1 KR 25/03 R (Viagra) habe das BSG bestätigt, dass Arzneimittel von der Versorgung ausgeschlossen seien, bei deren Anwendung eine Erhöhung der Lebensqualität im Vordergrund stehe.
Im Klageverfahren hat der Kläger vorgetragen, die Beklagte und sein behandelnder Arzt hätten versichert, dass bei Auftreten einer erektilen Dysfunktion nach der Operation die Verordnung von Arzneimitteln zur Behandlung gewährleistet sei. Das Medikament diene allein dem Ausgleich von Operationsfolgen. Ohne die Zusage medikamentöser Behandlung in der Folgezeit hätte er die Prostataoperation nicht durchführen lassen. Cirka zwei Monate vor der Operation habe er bei der Beklagten vorgesprochen. Er habe auf die damalige Gesetzeslage vertraut. Zudem liege ein Verstoß gegen Art. 3 des Grundgesetzes (GG) vor. Erkranke eine Frau beispielsweise an Brustkrebs, so sei der Wiederaufbau der Brust heute fester Therapiebestandteil.
Mit Gerichtsbescheid vom 7. Dezember 2007 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen.
Im Berufungsverfahren vertritt der Kläger die Ansicht, die Regelungen in § 34 Abs. 1 Satz 7 und 8 SGB V entsprächen nicht dem Kontext des Leistungsrechts der gesetzlichen Krankenversicherung. Letztendlich diene jedes Arzneimittel der Erhöhung der Lebensqualität. Nach § 27 Abs. 1 SGB V schulde die gesetzliche Krankenversicherung ihren Versicherten schon dann eine Krankenbehandlung, wenn diese die Krankheitsbeschwerden lediglich mindere.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Altenburg vom 17. Dezember 2007 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 3. Mai 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. August 2005 zu verurteilen, ihm die entstandenen Kosten für die SKAT-Therapie mit Viridal ® in Höhe von 232,36 EUR zu erstatten sowie ihn zukünftig von diesen Kosten freizustellen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Zur Begründung verweist sie auf die Gründe des in erster Instanz ergangenen Urteils.
Die Beteiligten hatten im Erörterungstermin am 12. November 2008 Gelegenheit sich zur Sache zu äußern. Sie haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Prozess- und der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen, der Gegenstand der Entscheidung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte im Einverständnis mit den Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden (§ 124 Abs. 2 SGG).
Die zulässige Berufung des Klägers ist nicht begründet; er hat keinen Anspruch auf Erstattung der ihm durch die Beschaffung des Medikamentes Viridal® bisher entstandenen Kosten beziehungsweise auf Freistellung von zukünftig entstehenden Kosten. Der Bescheid der Beklagten vom 3. Mai 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. August 2005 ist rechtmäßig und verletzt ihn nicht in seinen Rechten.
Nach § 13 Abs. 3 SGB V sind dem Versicherten Kosten zu erstatten, die dadurch entstehen, dass die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen kann (Alternative 1) oder eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat (Alternative 2) und sich der Versicherte deshalb die Leistung selbst beschafft.
Wie sich aus § 13 Abs. 1 SGB V ergibt, tritt der Kostenerstattungsanspruch an die Stelle des Anspruchs auf eine Sach- oder Dienstleistung; er besteht deshalb nur, soweit die selbst beschaffte Leistung ihrer Art nach zu den Leistungen gehört, die von den gesetzlichen Krankenkassen als Sachleistung zu erbringen sind. Mit der Durchbrechung des Sachleistungsgrundsatzes (§ 2 Abs. 2 SGB V) trägt § 13 Abs. 3 SGB V dem Umstand Rechnung, dass die gesetzlichen Krankenkassen eine umfassende medizinische Versorgung ihrer Mitglieder sicherstellen müssen (vgl. § 1 Abs. 1 Satz 1, § 27 Abs. 1 Satz 1, § 70 Abs. 1 Satz 1 SGB V) und infolgedessen für ein Versagen des Beschaffungssystems - sei es im medizinischen Notfall (vgl. § 76 Abs. 1 Satz 2 SGB V) oder infolge eines anderen unvorhergesehenen Mangels - einzustehen haben. Wortlaut und Zweck der Vorschrift lassen die Abweichung vom Sachleistungsprinzip nur in dem Umfang zu, in dem sie durch das Systemversagen verursacht ist (vgl. BSG in SozR 3-2500 § 135 Nr. 4 S. 10, 11 m.w.N).
Als Anspruchsgrundlage kommt hier lediglich § 13 Abs. 3 Alternative 2 in Betracht.
Nach § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die Krankenbehandlung umfasst u.a. die Versorgung mit Arzneimitteln (§ 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 1. Fall SGB V). Versicherte haben Anspruch auf Versorgung mit apothekenpflichtigen Arzneimitteln, soweit die Arzneimittel nicht nach § 34 SGB V oder durch Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 SGB V ausgeschlossen sind (§ 31 Abs. 1 Satz 1 SGB V). Nach § 34 Abs. 1 Satz 7 SGB V sind von der Versorgung Arzneimittel ausgeschlossen, bei deren Anwendung eine Erhöhung der Lebensqualität im Vordergrund steht. Ausgeschlossen sind insbesondere Arzneimittel, die überwiegend zur Behandlung der erektilen Dysfunktion, der Anreizung oder zur Zügelung des Appetits, zur Regulierung des Körpergewichts oder zur Verbesserung des Haarwuchses dienen (§ 34 Abs. 1 Satz 9 SGB V). Die Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses (im Folgenden: GBA) über die Verordnung von Arzneimitteln in der vertragsärztlichen Versorgung (AMRL) wiederholen unter Buchst. F 18.2 den Text des § 34 Abs. 1 Satz 8 SGB V (AMRL i. d. F. vom 16. März 2004, BAnZ Nr. 77 vom 13. April 2004). Nach Buchst. F 18.3 AMRL sind die nach Nr. 18.2 ausgeschlossenen Fertigarzneimittel in einer Übersicht als Anlage 8 der AMRL zusammengestellt. In dieser Übersicht ist das Fertigarzneimittel Viridal® genannt.
Bei dem Kläger liegt eine erektile Dysfunktion vor. Es liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass das ihm auf Privatrezept verordnete Viridal® außerhalb seines vorgesehenen Anwendungsbereiches eingesetzt wird.
Das BSG führt in seiner Entscheidung vom 18. Juli 2006 - Az.: B 1 KR 10/05 R aus, es unterliege nach Wortlaut, Entstehungsgeschichte, Regelungssystem und -zweck keinem Zweifel, dass Caverject® als Arzneimittel, das überwiegend zur Behandlung der erektilen Dysfunktion diene, von der Versorgung in der gesetzlichen Krankenversicherung ausgeschlossen sei. Auch das hier verordnete Arzneimittel Viridal® dient der Behandlung der erektilen Dysfunktion. Das Gesetz schließt dabei unabhängig von den Gründen für die erektile Dysfunktion ausdrücklich alle Mittel zur Behandlung dieser Gesundheitsstörung von der Leistungspflicht aus (vgl. LSG für das Land Nordrhein-Westfalen vom 9. März 2007 - Az.: L 11 KR 93/07, nach juris). Der Senat schließt sich dieser Auffassung an.
Der Kläger kann einen Kostenerstattungsanspruch beziehungsweise einen Anspruch auf Versorgung mit dem Arzneimittel Viridal® auch nicht aus einer Zusicherung der Beklagten nach § 34 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) oder nach den Grundsätzen des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs herleiten.
Nach § 34 Abs. 1 SGB X bedarf eine von der zuständigen Behörde erteilte Zusage, einen bestimmten Verwaltungsakt später zu erlassen oder zu unterlassen (Zusicherung), zu ihrer Wirksamkeit der schriftlichen Form. Ändert sich nach Abgabe der Zusicherung die Sach- oder Rechtslage derart, dass die Behörde bei Kenntnis der nachträglich eingetretenen Änderung die Zusicherung nicht gegeben hätte oder aus rechtlichen Gründen nicht hätte geben dürfen, ist die Behörde an die Zusicherung nicht mehr gebunden (Abs. 3). Selbst wenn das Schreiben vom 17. September 2003 als Zusicherung der Beklagten, die Kosten für das Medikament Viridal® zu tragen, ausgelegt werden könnte, wäre sie auf Grund der Änderung der Gesetzeslage daran nicht mehr gebunden (§ 34 Abs. 3 SGB X). § 34 Abs. 3 SGB X entspricht dem allgemeinen Rechtsgrundsatz, dass bei Wegfall der Geschäftsgrundlage die Bindung an eine Verpflichtung ganz oder teilweise entfällt (vgl. BSG, Urteil vom 8. Dezember 1993 - 10 RKg 19/92 m.w.N., nach juris). Der Wegfall der Bindungswirkung scheitert auch nicht daran, dass die Beklagte die vertragsärztliche Versorgung des Klägers mit Viridal® über den 31. Dezember 2003 hinaus nicht beanstandet hat.
Voraussetzung des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs ist eine Pflichtverletzung der Beklagten, die zu einem (rechtlichen) Schaden in Form des Ausbleibens von Vorteilen geführt hat, die an sich im Sozialrecht vorgesehen sind und insbesondere dem betroffenen Bürger zugute kommen sollen. Der Anspruch geht auf Herstellung des Zustandes, der eingetreten wäre, wenn die Verwaltung sich nicht rechtswidrig verhalten hätte. Ein rechtswidriges Verhalten der Beklagten ist nicht ersichtlich. Selbst wenn sie dem Kläger bereits vor der Prostatektomie im März 2003 die Auskunft erteilt hätte, dass bei Eintreten einer erektilen Dysfunktion, eine Versorgung mit Medikamenten - auf Grund vertragsärztlicher Verordnung - erfolge, wäre diese zum damaligen Zeitpunkt nicht rechtswidrig gewesen. Die Versorgung ist jedoch aus den bereits genannten Gründen, seit dem 1. Januar 2004 gesetzlich ausgeschlossen.
Nach der Rechtsprechung des BSG verstößt der Leistungsausschluss nach § 34 Abs. 1 Satz 7 bis 9 SGB V nicht gegen Art. 2 Abs. 1 und 2 GG (vgl. Urteile vom 18. Juli 2006, a.a.O., und vom 10. Mai 2005, a.a.O.). Aus den genannten Bestimmungen des Grundgesetzes folgt zwar eine objektiv-rechtliche Pflicht des Staates, das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit zu schützen, darüber hinaus ist es verfassungsrechtlich grundsätzlich jedoch nur geboten, eine medizinische Versorgung für alle Bürger bereit zu halten. Dabei hat der Gesetzgeber aber einen so weiten Gestaltungsspielraum, dass sich originäre Leistungsansprüche aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG regelmäßig nicht ableiten lassen. Aus dem Selbstbestimmungsrecht des Patienten folgt jedenfalls kein grundrechtlicher Anspruch gegen seine Krankenkasse auf Bereitstellung oder Finanzierung bestimmter Gesundheitsleistungen. Der Gesetzgeber verletzt seinen Gestaltungsspielraum auch im Hinblick auf das Sozialstaatsgebot nicht, wenn er angesichts der beschränkten finanziellen Leistungsfähigkeit der gesetzlichen Krankenversicherung Leistungen aus dem Leistungskatalog herausnimmt, die - wie hier - in erster Linie einer Steigerung der Lebensqualität jenseits lebensbedrohlicher Zustände dienen. Daran hat sich auch durch den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 6. Dezember 2005 (Az.: 1 BvR 347/98 in NZS 2006, 84) nichts Grundsätzliches geändert. Dort wurde lediglich der Leistungsausschluss neuer Behandlungsmethoden im Fall regelmäßig tödlicher oder lebensbedrohlicher Krankheiten beim Fehlen anerkannter Therapien in der gesetzlichen Krankenversicherung verfassungsrechtlich beanstandet. Nach der Rechtsprechung des BSG führen selbst schwere Erkrankungen nicht zur Leistungsausweitung durch grundrechtsorientierte Auslegung, wenn keine notstandsähnliche Extremsituation zugrunde liegt, die mit einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen Erkrankung auf eine Stufe gestellt werden kann. Einen solchen Grad der Betroffenheit erreicht der Kläger mit der streitbefangenen Behandlung der erektilen Dysfunktion offensichtlich nicht. Ein Verstoß gegen Artikel 3 GG ist durch den Ausschluss dieser Arzneimittel von der vertragsärztlichen Versorgung aus den genannten Gründen nicht ersichtlich. Soweit der Kläger Rechte für sich daraus herleiten möchte, dass bei erkrankten Frauen nach einer Brustamputation die Kosten für einen Wiederaufbau der Brust von der gesetzlichen Krankenversicherung getragen werden, kann der Senat diese Ansicht nicht nachvollziehen. Offensichtlich war hier keine Amputation eines Körperteils notwendig und ist auch nicht erfolgt. Tatsächlich begehrt der Kläger nicht die Wiederherstellung eines Körperteils, sondern die Wiederherstellung der Funktionsfähigkeit. Deshalb sind diese Sachverhalte nicht vergleichbar.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
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