Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Detmold (NRW)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
10
1. Instanz
SG Detmold (NRW)
Aktenzeichen
S 10 (12) AS 84/07
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen. Außergerichtliche Kosten haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten. Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten noch über einen Anspruch des Klägers auf Gewährung eines Mehrbedarfs wegen Schwerbehinderung nach dem SGB II.
Bei dem am 00.00.1975 geborenen Kläger wurde unter dem 01.10.2005 eine Unterschenkelamputation rechts durchgeführt und eine computergesteuerte Beinprothese "C-leg-Prothese" angepasst. In Folge dieser körperlichen und in Folge psychischer Beeinträchtigungen setzte das Versorgungsamt C mit Bescheid vom 23.11.2005 einen Grad der Behinderung (GdB) von 60 und das Merkzeichen G fest.
Mit Bescheid vom 18.09.2006 bewilligte der Landschaftsverband Westfalen-Lippe dem Kläger für die Zeit vom 21.02.2006 bis zum 28.02.2007 eine Eingliederungshilfe gemäß § 54 Absatz 1 Satz 1 SGB XII in Verbindung mit § 55 Absatz 2 Nr. 6 SGB IX für ambulantes Wohnen. Auf einen Weiterbewilligungsantrag des Klägers wurde die Eingliederungshilfe für ambulantes Wohnen bis zum Monat August 2009 fort bewilligt.
Am 11.12.2006 beantragte der Kläger Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbuches (SGB II) einschließlich eines Mehrbedarfs für behinderte Hilfebedürftige. Mit Bescheid vom 22.12.2006 bewilligte die Beklagte dem Kläger Leistungen nach dem SGB II für die Zeit vom 11.12.2006 bis zum 30.06.2007, wobei sie für den Zeitraum vom 11.12.2006 bis zum 28.02.2007 einen Mehrbedarf zum Lebensunterhalt für behinderte Hilfebedürftige in Höhe von 35 vom Hundert der maßgebenden Regelleistung bewilligte.
Mit Bescheid vom 08.01.2007 hob die Beklagte den Bewilligungsbescheid vom 22.11.2006 aufgrund eines Krankengeldbezuges des Klägers mit Wirkung zum 01.02.2007 vollständig auf.
Unter dem 23.03.2007 stellte der Kläger einen Antrag auf Fortzahlung der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Die Beklagte bewilligte dem Kläger mit angefochtenem Bescheid vom 12.04.2007 die Fortzahlung der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II für die Zeit vom 01.04.2007 bis zum 31.05.2007 in Höhe von monatlich 507,13 EUR und für die Zeit vom 01.06.2007 bis zum 30.09.2007 in Höhe von monatlich 546,65 EUR, errechnet aus 345 EUR Regelleistung und 201,65 EUR anteiligen Kosten für Unterkunft und Heizung. Die Bewilligung eines Mehrbedarfs wegen der bei dem Kläger vorliegenden Behinderung lehnte die Beklagte ab.
Mit Schreiben vom 18. und 19.04.2007 erhob der Kläger gegen den Bescheid der Beklagten vom 12.04.2007 Widerspruch, mit dem er einen behindertenbedingten Mehrbedarf, einen befristeten Zuschlag nach § 24 SGB II sowie anteilige Kosten für Unterkunft und Heizung für den Zeitraum vom 1.6.2007 bis zum 30.9.2007 in Höhe von insgesamt 204,50 EUR geltend machte.
Mit Widerspruchsbescheid vom 09.05.2007 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück und führte hierzu aus, dass das SGB II für den von dem Kläger geltend gemachten behindertenbedingten Mehrbedarf keine Anspruchsgrundlage enthalte. Ferner sei die Differenz der anteiligen Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von 2,85 EUR auf einen berechtigten Abzug von 10 % von den anfallenden Heizkosten für die Kosten des Warmwassers zurückzuführen. Ein Anspruch auf einen befristeten Zuschlag gemäß § 24 SGB II scheide zudem ebenfalls aus, da der Kläger noch einen Anspruch auf Arbeitslosengeld I für einen Zeitraum von 30 Tagen habe.
Hiergegen richtet sich die unter dem 24.05.2007 erhobene Klage, mit der der Kläger weiterhin die Anerkennung eines pauschalen behindertenbedingten Mehrbedarfs als Zuschuss, sowie ursprünglich den Zuschlag gemäß § 24 SGB II und für die Zeit vom 01.06.2007 bis 30.09.2007 anteilige monatliche Unterkunfts- und Heizkosten in Höhe von insgesamt 204,50 EUR begehrt. Bedingt durch die "C-Leg-Prothese" und die dadurch vorliegende Materialbelastung entstehe ein erhöhter Verschleiß an Hosen, Socken und Schuhen. Weiterhin müsse er sich zwei- bis viermal im Monat einer ärztlichen Behandlung wegen Phantomschmerzen unterziehen. Es würden Akkupunkturmaßnahmen, Massagen sowie Lichttherapie angewandt, deren Kosten er selber tragen müsse. Die Behandlungskosten würden sich auf 10 bis 15 EUR pro Anwendung belaufen. Weiterhin werde die "C-Leg-Prothese" durch einen Akku versorgt, der täglich über Nacht geladen werden müsse. Hierdurch würden erhebliche zusätzliche Stromkosten entstehen. Auch müsse er über der Prothese einen so genannten Stumpfsocken tragen, der, um Infektionen zu vermeiden, alle zwei Tage bei Kochwäsche gewaschen werden müsse. Hierdurch würden ebenfalls zusätzliche Aufwendungen für Wäsche entstehen, die bei Nichtschwerbehinderten nicht anfallen würden. Zwar sei es zutreffend, dass das SGB II für den vorbezeichneten Mehrbedarf keine Rechtsgrundlage enthalte. Allerdings sei zu berücksichtigen, dass nach § 28 Absatz 1 Nr. 4 SGB II für Sozialgeldempfänger sowie in § 30 SGB XII für den dort benannten Personenkreis ein behinderungsbedingter Mehrbedarf von 17 vom Hundert der Regelleistung im Falle des Merkzeichens G vorgesehen sei und demzufolge die Nichtbewilligung von Mehrbedarf gegen den Gleichheitsgrundsatz und das Sozialstaatsprinzip verstoße. Die Beklagte habe darüber hinaus auch in ihrem Bescheid vom 22.12.2006 einen Mehrbedarf in Höhe von 35 vom Hundert bewilligt.
Nachdem der Kläger mit Schreiben vom 10.07.2007 seine Klage sowohl hinsichtlich der Gewährung des Zuschlages gemäß § 24 SGB II als auch hinsichtlich der anteiligen monatlichen Unterkunftskosten und Heizkosten in Höhe von 204,50 EUR zurückgenommen hat,
beantragt er nunmehr noch,
die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 12.04.2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.05.2007 zu verurteilen, ihm für die Zeit vom 1.4.2007 bis zum 30.9.2007 zusätzlich zu den bewilligten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II einen monatlichen behinderungsbedingten Mehrbedarf in Höhe von 17 vom Hundert der Regelleistung zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beigeladene beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte verweist zur Begründung auf die Ausführungen im Widerspruchsbescheid. Sie ist der Auffassung, dass weder ein Anspruch nach § 21 Absatz 4 und 5 SGB II noch nach § 28 Absatz 1 Satz 3 Nr. 4 SGB II bestehe. Der Kläger sei erwerbsfähig, so dass ein Anspruch gemäß § 28 Absatz 1 Satz 3 Nr. 4 SGB II ausscheide. Ferner würden dem Kläger auch keine Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nach § 33 SGB IX sowie sonstige Hilfen zur Erlangung eines geeigneten Arbeitsplatzes im Arbeitsleben oder Eingliederungshilfen nach § 54 I Satz 1 Nr. 1 bis 3 SGB XII gewährt, so dass auch ein Anspruch gemäß § 21 Absatz 4 Satz 1 SGB II ausscheide. Eine kostenaufwändige Ernährung im Sinne von § 21 Absatz 5 SGB II liege ebenfalls nicht vor.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung war.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist unbegründet.
Der Bescheid der Beklagten vom 12.04.2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.05.2007 ist rechtmäßig und beschwert den Kläger nicht in seinen Rechten gemäß § 54 Absatz 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Die Beklagte hat den Antrag des Klägers auf Gewährung eines behindertenbedingten Mehrbedarfs im Rahmen der Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II zu Recht abgelehnt. Dem Kläger steht ein Anspruch auf den geltend gemachten Mehrbedarf nicht zu.
I. Dem Kläger steht kein Anspruch gemäß § 21 Absatz 5 SGB II zu, da seine Schwerbehinderung nicht mit einer aus medizinischen Gründen kostenaufwändigen Ernährung verbunden ist.
II. Auch ein Anspruch gemäß § 21 Absatz 4 SGB II kommt nicht in Betracht, da der Kläger keine Leistungen im Sinne von § 21 Absatz 4 SGB II erhalten hat. Nach § 21 Absatz 4 SGB II erhalten erwerbsfähige behinderte Hilfebedürftige, denen Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nach § 33 SGB IX sowie sonstige Hilfen zur Erlangung eines geeigneten Platzes im Arbeitsleben oder Eingliederungshilfen nach § 54 Absatz 1 Satz 1 Nr.1 bis 3 SGB XII erbracht werden, einen Mehrbedarf von 35 vom Hundert der nach § 20 SGB II maßgebenden Regelleistung. Dem Kläger wurde mit Bescheid vom 18.09.2006 zunächst für die Zeit vom 21.02.2006 bis zum 28.02.2007 eine Eingliederungshilfe nach § 54 Absatz 1 Satz 1 SGB XII in Verbindung mit § 55 Absatz 2 Nr. 6 SGB IX und sodann bis zum August 2009 bewilligt. Eine Eingliederungshilfe im vorbezeichneten Sinne für ambulantes betreutes Wohnen vermag einen Mehrbedarfsanspruch gemäß § 21 Absatz 4 SGB II jedoch nicht zu begründen. Es handelt sich hierbei weder um Eingliederungshilfen nach § 54 Absatz 1 Satz 1 Nr. 1 bis 3 SGB XII noch um Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben i.S.v. § 33 SGB IX. Ferner liegt auch eine sonstige Hilfe zur Erlangung eines geeigneten Arbeitsplatzes nicht vor. Die dem Kläger gewährte Eingliederungsmaßnahme zielte gerade nicht auf eine Hilfe zur Erlangung eines geeigneten Arbeitsplatzes, sondern darauf ab, dem Betroffenen die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu ermöglichen bzw. zu sichern. Ferner ist zu berücksichtigen, dass § 21 Absatz 4 SGB II im Hinblick auf Leistungen, die neben der Eingliederungshilfe gewährt werden können, nur auf § 33 SGB IX als Mehrbedarfsleistungen begründende Hilfe verweist. Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft gemäß § 55 SGB IX werden von § 21 Absatz 4 SGB II gerade nicht erfasst (vgl. Lang/Knickrehm in: Eicher/Spellbrink SGB II § 21 Randnummer 45).
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Umstand, dass die Beklagte dem Kläger für den Zeitraum vom 11.12.2006 bis zum 28.2.2007 irrtümlich einen Mehrbedarf nach § 21 SGB II bewilligt hat. Aus einer Bewilligung einer nicht geschuldeten Leistung in der Vergangenheit ergibt sich kein Anspruch auf die Leistung für die Zukunft.
III. Der Kläger kann den geltend gemachten Anspruch auf Gewährung eines Mehrbedarfs auch nicht aus § 28 Absatz 1 Satz 3 Nr. 4 SGB II herleiten, da er nicht erwerbsunfähig ist. Gem. § 28 Absatz 1 Satz 3 Nr. 4 SGB II erhalten nichterwerbsfähige Personen einen Mehrbedarf von 17 vom Hundert, wenn sie Inhaber eines Ausweises nach § 69 Absatz 5 SGB IX mit dem Merkzeichen G sind. Der Kläger ist zwar Inhaber eines Ausweises nach § 69 Absatz 5 SGB IX mit dem Merkzeichen G, er ist allerdings erwerbsfähig.
IV. Dem Kläger steht ferner kein Anspruch aus einer analogen Anwendung des § 28 Absatz 1 Satz 3 Nr. 4 SGB II zu. Insoweit fehlt es bereits an der für eine analoge Anwendung notwendigen planwidrigen Regelungslücke. Wie sich aus der nachträglichen Einfügung der Nr. 4 in § 28 SGB II ergibt, war sich der Gesetzgeber der Problematik des Mehrbedarfs bei Personen, die Inhaber eines Ausweises nach § 69 Absatz 5 SGB IX mit dem Merkzeichen G sind, bewusst. Der Gesetzgeber hat sich allerdings bewusst lediglich für eine Einführung einer Mehrbedarfsregelung in § 28 SGB II entschieden. Einer analogen Anwendung des § 28 Absatz 1 Satz 3 Nr.4 SGB II steht ferner § 3 Absatz 3 Satz 2 SGB II entgegen. Nach § 3 Absatz 3 Satz 2 SGB II ist eine Festlegung der Bedarfe, die von den im Zweiten Soziagesetzbuch (SGB II) vorgesehenen Leistungen abweicht, ausgeschlossen. Der Gesetzgeber hat mit der Einführung der Vorschrift durch das Gesetz zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 20. 7. 2006 (BGBl I 2006, 1706) deutlich gemacht, dass das im SGB II enthaltene Leistungssystem die Bedarfe des Hilfebedürftigen abschließend deckt und für eine abweichende Leistungsbewilligung kein Raum bleibt.
V. Ein Anspruch auf den geltend gemachten Mehrbedarf folgt auch nicht aus Artikel 1 Absatz 1 Grundgesetz (GG) in Verbindung mit dem insbesondere auf Artikel 20 Absatz 1 GG beruhenden Sozialstaatsprinzip. Weder liegt ein Verstoß gegen das Sozialstaatsprinzip vor noch könnte aus einem solchen Verstoß ein Rechtsanspruch auf bestimmte Geldbeträge hergeleitet werde.
1) Die vorbezeichneten Verfassungsnormen begründen für den Gesetzgeber lediglich einen Gestaltungsauftrag. Dieser ist jedoch nicht geeignet, eine Verpflichtung des Staates zur Gewährung sozialer Leistungen in einem bestimmten Umfang zu begründen (vgl. BSG Urt. v. 23.11.2006 Az.: B 11b AS 1/06 R).
2) Schließlich verstösst die Nichtgewährung eines pauschalen Mehrbedarfs für erwerbsfähige Schwerbehinderte, bei denen das Merkzeichen G vorliegt, auch nicht gegen dass Sozialstaatsprinzip. Zwar ergibt sich aus Artikel 1 GG in Verbindung mit Artikel 20 GG eine objektiv-rechtliche staatliche Pflicht, den Bürger vor materieller Not zu schützen. Dem Gesetzgeber bleibt allerdings ein erheblicher Wertungs- und Gestaltungsspielraum bei der Erfüllung dieser Pflicht. Es ist in einem durch die Gewaltenteilung geprägten System nicht Aufgabe der Rechtsprechung, Leistungsansprüche selbst auszubuchstabieren. Vielmehr ist lediglich zu entscheiden, ob der Gesetzgeber den Rahmen des verfassungsrechtlich Gebotenen unterschritten hat (vgl. Spellbrink in: Eicher/Spellbrink § 20 SGB II Rdnr. 47). Eine Unterschreitung des verfassungsrechtlich Gebotenen liegt zur Überzeugung der Kammer nicht vor. Der hilfsbedürftige erwerbsfähige Schwerbehinderte, der Leistungen nach dem SGB II erhält, ist vor einer materiellen Notlage ausreichend geschützt. Selbst nämlich für den Fall, dass der Hilfsbedürftige aufgrund seiner Schwerbehinderung einen Mehrbedarf hat, den er im Einzelfall nicht aus der Regelleistung erbringen kann, ist er über die Regelungen des § 23 SGB II und des § 73 SGB XII hinreichend vor materiellen Notlagen abgesichert.
VI. Dem Kläger steht ein Mehrbedarfsanspruch auch nicht aus Artikel 3 GG in Verbindung mit § 28 Absatz 1 Satz 3 Nr. 4 SGB II und § 30 Absatz 1 SGB XII zu. Es kann insoweit dahinstehen, ob bei der vorliegenden Sachlage überhaupt eine Ungleichbehandlung vorliegt. Diese wäre jedenfalls sachlich gerechtfertigt. Der von dem Kläger geltend gemachte Mehrbedarf im Falle der Inhaberschaft eines Ausweises nach § 69 Absatz 5 SGB IX mit dem Merkzeichen G setzt sowohl nach § 28 SGB II als auch nach § 30 SGB XII voraus, dass der Anspruchsteller nicht erwerbsfähig bzw. voll erwerbsgemindert ist oder aber die Altersgrenze nach § 41 Absatz 2 SGB XII erreicht hat. Leistungen sind mithin für Personen vorgesehen, die am Arbeitsleben nicht mehr teilnehmen. Zwar ist nicht auszuschließen, dass auch ein erwerbsfähiger Hilfebedürftiger mit dem Merkzeichen G einen Mehrbedarf durch seine Gehbehinderung hat. Allerdings liegt gerade in der Erwerbsfähigkeit des Hilfebedürftigen ein sachlicher Grund für die Schlechterstellung. Der Leistungsempfänger nach dem SGB II ist erwerbsfähig, derjenige nach dem SGB XII bzw. der Empfänger von Sozialgeld nicht. Von dem erwerbsfähigen Hilfebedürftigen wird erwartet, dass er sich durch eigene Aktivitäten wieder voll in den Arbeitsmarkt integriert, er also seinen Lebensunterhalt durch eigene Arbeit sicherstellen kann. Unter diesem Gesichtspunkt ist es gerechtfertigt, den insofern aus dem Erwerbsleben ausgeschiedenen Sozialhilfe- bzw. Sozialgeldempfänger stärker und damit letztlich individueller, abzusichern.
VII. Der Kläger kann sich auch nicht auf einen Anspruch nach § 23 Absatz 1 SGB II berufen. Eine darlehnsweise Bewilligung von Leistungen ist vom Klageantrag nicht umfasst. Nach § 23 Absatz 1 Satz 1 SGB II gewährt die Agentur für Arbeit bei entsprechendem Nachweis für einen im Einzelfall von der Regelleistung umfassten und nach den Umständen unabweisbaren Bedarf zur Sicherung des Lebensunterhalts, der weder durch das Vermögen nach § 12 Absatz 2 Nr. 4 noch auf andere Weise gedeckt ist, ein entsprechendes Darlehen. Der Kläger begehrt ausdrücklich die pauschale Gewährung eines Mehrbedarfes i.H.v. 17 vom Hundert der Regelleistung, ohne zur Rückzahlung verpflichtet zu sein. § 23 Absatz 1 Satz 1 SGB II sieht eine Bewilligung von Leistungen als Zuschuss nicht vor.
IIX. Schließlich steht dem Kläger auch kein Anspruch nach § 73 SGB XII gegenüber der Beigeladenen zu. So ist das Begehren des Klägers auf Bewilligung eines pauschalen Mehrbedarfs weder von der Rechtsfolge des § 73 SGB XII umfasst noch liegt eine atypische Bedarfslage i.S.v. § 73 SGB XII noch eine im Rahmen einer Ermessensvorschrift für einen Anspruch notwendige Ermessensreduzierung auf Null vor.
Nach § 73 SGB XII können Geldleistungen als Beihilfe oder Darlehen auch in sonstigen Lebenslagen erbracht werden, wenn sie den Einsatz öffentlicher Mittel rechtfertigen.
1) § 73 SGB XII eröffnet dem Anspruchsberechtigten allerdings lediglich die Möglichkeit, einen erhöhten Bedarf, in seiner konkret ermittelten Höhe geltend zu machen. Die Gewährung eines pauschalen Mehrbedarfs - wie vom Kläger ausdrücklich verlangt -, kann im Rahmen des § 73 SGB XII nicht erreicht werden.
2) Ferner liegt auch keine nach § 73 SGB XII erforderlich atypische Bedarfslage vor. Zwar sind nach Auffassung der Kammer Leistungen nach § 73 SGB XII aufgrund der Regelung des § 5 Absatz 2 SGB II für Bezieher von SGB II-Leistungen nicht generell ausgeschlossen. Allerdings kann eine "sonstige Lebenslage" i.S.v. § 73 SGB XII nur dann angenommen werden, wenn die bedarfsauslösende Lebenslage weder innerhalb des SGB XII in den Kapiteln 3 - 9 (§§ 27 - 69) bzw. den sonstigen Hilfen in anderen Lebenslagen (§§ 70 - 72, 74) noch in anderen Bereichen des Sozialrechts geregelt und bewältigt wird (vgl. LSG NRW, Beschluss vom 22.6.2007 Az.: L 1 B 7/07 AS ER; Grube/Wahrendorf, SGB XII, 2. Aufl. 2008, zu § 73 SGB XII, Rdnr. 3) und die Situation eine gewisse Nähe zu den speziell in den §§ 47-74 SGB XII geregelten Bedarfslagen aufweist (vgl. BSG, Urteil vom 25.6.2008, Az.: B 11b AS 19/07 R). Hierbei ist zu beachten, dass es dem in §§ 3 Absatz 3 Satz 2, 23 Absatz 1 Satz 4 SGB II zum Ausdruck kommenden Willen des Gesetzgebers widerspräche, wenn § 73 SGB XII in eine allgemeine Auffangnorm umgedeutet würde, die in all den Fällen einen Anspruch gegen den Sozialhilfeträger begründen würde, in denen die eigentlich einschlägigen Normen den betreffenden Anspruch gerade ausschließen (vgl. Grube/Wahrendorf, SGB XII 2. Aufl. 2008 zu § 73 SGB XII, Rdnr. 3). Die vom Kläger geltend gemachten Bedarfe wegen Verschleißes von Bekleidung, erhöhter Stromkosten und medizinischer Behandlungen sind bereits von der Regelleistung nach § 20 SGB II bzw. von den in § 31 SGB VII geregelten Hilfsmitteln umfasst und damit abschließend geregelt. Nach § 2 der Regelsatzverordnung (RSV) ist im Regelsatz ein Anteil für Bekleidung, Haushaltsenergie und Gesundheitspflege vorgesehen. Die Kammer hat insoweit zwar berücksichtigt, dass der Kläger einen gegenüber einem normalen Hilfebedürftigen erhöhten Bedarf hat. Allerdings vermochte auch dies kein anderes Ergebnis zu rechtfertigen. Zunächst ist nicht ersichtlich, dass der in der Regelleistung enthaltene Anteil für Kleidung und Haushaltsenergie zur Deckung des Bedarfs des Klägers nicht ausreicht. Auch ist der geltend gemachte Mehrbedarf wegen erhöhter Stromkosten für ein Ladegerät bereits in § 31 SGB VII berücksichtigt. Nach § 31 Absatz 1 SGB VII ist der Leistungsträger auch zur Übernahme der Kosten für die Versorgung eines Körperersatzstückes mit Ladestrom verpflichtet (vgl. BSG Urteil vom 22.6.2004, Az.: B 2 U 11/03 R). Eine Übernahme der Stromkosten würde der Subsidiarität des § 73 SGB XII zuwider laufen. Hinsichtlich des geltend gemachten Mehrbedarfs für Heilbehandlungen hat der Kläger zwar dargelegt, dass der in der Regelleistung enthaltene Anteil für Gesundheitspflege von 13,19 EUR nicht ausreicht. Allerdings hat der Kläger weder die Notwendigkeit der Behandlungen dargelegt, noch rechtfertigt die vom Kläger dargelegte Differenz zwischen dem dargelegten Mehrbedarf und dem in der Regelleistung enthaltenen Anteil für Gesundheitspflege in Höhe von monatlich etwa 30 EUR die Annahme einer atypischen Bedarfslage i.S.v. § 73 SGB XII.
3) Schließlich steht einem Anspruch nach § 73 SGB XII auch der Charakter der Vorschrift als Ermessensvorschrift entgegen. § 73 SGB XII räumt dem Sozialhilfeträger sowohl hinsichtlich der Frage, "ob" geleistet wird als auch in welcher Art und Weise ("wie") geleistet wird, Ermessen ein (vgl. Hauck/Noftz/Schlette SGB XII § 73 Rn 9). Selbst, wenn die übrigen Voraussetzungen des § 73 SGB XII zu bejahen gewesen wären, wäre nach Auffassung der Kammer zumindest das Ermessen hinsichtlich des "Wie" der Leistungen nicht auf Null reduziert gewesen. Besondere Umstände, die lediglich die Gewährung der vom Kläger begehrten Beihilfe gerechtfertigt hätten, bestehen nicht.
IX. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Die Kammer hat die gemäß § 144 Absatz 1 Nr. 1 SGG zulassungsbedürftige Berufung zugelassen, weil die Rechtssache im Sinne des § 144 Absatz 2 Nr. 1 SGG grundsätzliche Bedeutung hat.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten noch über einen Anspruch des Klägers auf Gewährung eines Mehrbedarfs wegen Schwerbehinderung nach dem SGB II.
Bei dem am 00.00.1975 geborenen Kläger wurde unter dem 01.10.2005 eine Unterschenkelamputation rechts durchgeführt und eine computergesteuerte Beinprothese "C-leg-Prothese" angepasst. In Folge dieser körperlichen und in Folge psychischer Beeinträchtigungen setzte das Versorgungsamt C mit Bescheid vom 23.11.2005 einen Grad der Behinderung (GdB) von 60 und das Merkzeichen G fest.
Mit Bescheid vom 18.09.2006 bewilligte der Landschaftsverband Westfalen-Lippe dem Kläger für die Zeit vom 21.02.2006 bis zum 28.02.2007 eine Eingliederungshilfe gemäß § 54 Absatz 1 Satz 1 SGB XII in Verbindung mit § 55 Absatz 2 Nr. 6 SGB IX für ambulantes Wohnen. Auf einen Weiterbewilligungsantrag des Klägers wurde die Eingliederungshilfe für ambulantes Wohnen bis zum Monat August 2009 fort bewilligt.
Am 11.12.2006 beantragte der Kläger Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbuches (SGB II) einschließlich eines Mehrbedarfs für behinderte Hilfebedürftige. Mit Bescheid vom 22.12.2006 bewilligte die Beklagte dem Kläger Leistungen nach dem SGB II für die Zeit vom 11.12.2006 bis zum 30.06.2007, wobei sie für den Zeitraum vom 11.12.2006 bis zum 28.02.2007 einen Mehrbedarf zum Lebensunterhalt für behinderte Hilfebedürftige in Höhe von 35 vom Hundert der maßgebenden Regelleistung bewilligte.
Mit Bescheid vom 08.01.2007 hob die Beklagte den Bewilligungsbescheid vom 22.11.2006 aufgrund eines Krankengeldbezuges des Klägers mit Wirkung zum 01.02.2007 vollständig auf.
Unter dem 23.03.2007 stellte der Kläger einen Antrag auf Fortzahlung der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Die Beklagte bewilligte dem Kläger mit angefochtenem Bescheid vom 12.04.2007 die Fortzahlung der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II für die Zeit vom 01.04.2007 bis zum 31.05.2007 in Höhe von monatlich 507,13 EUR und für die Zeit vom 01.06.2007 bis zum 30.09.2007 in Höhe von monatlich 546,65 EUR, errechnet aus 345 EUR Regelleistung und 201,65 EUR anteiligen Kosten für Unterkunft und Heizung. Die Bewilligung eines Mehrbedarfs wegen der bei dem Kläger vorliegenden Behinderung lehnte die Beklagte ab.
Mit Schreiben vom 18. und 19.04.2007 erhob der Kläger gegen den Bescheid der Beklagten vom 12.04.2007 Widerspruch, mit dem er einen behindertenbedingten Mehrbedarf, einen befristeten Zuschlag nach § 24 SGB II sowie anteilige Kosten für Unterkunft und Heizung für den Zeitraum vom 1.6.2007 bis zum 30.9.2007 in Höhe von insgesamt 204,50 EUR geltend machte.
Mit Widerspruchsbescheid vom 09.05.2007 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück und führte hierzu aus, dass das SGB II für den von dem Kläger geltend gemachten behindertenbedingten Mehrbedarf keine Anspruchsgrundlage enthalte. Ferner sei die Differenz der anteiligen Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von 2,85 EUR auf einen berechtigten Abzug von 10 % von den anfallenden Heizkosten für die Kosten des Warmwassers zurückzuführen. Ein Anspruch auf einen befristeten Zuschlag gemäß § 24 SGB II scheide zudem ebenfalls aus, da der Kläger noch einen Anspruch auf Arbeitslosengeld I für einen Zeitraum von 30 Tagen habe.
Hiergegen richtet sich die unter dem 24.05.2007 erhobene Klage, mit der der Kläger weiterhin die Anerkennung eines pauschalen behindertenbedingten Mehrbedarfs als Zuschuss, sowie ursprünglich den Zuschlag gemäß § 24 SGB II und für die Zeit vom 01.06.2007 bis 30.09.2007 anteilige monatliche Unterkunfts- und Heizkosten in Höhe von insgesamt 204,50 EUR begehrt. Bedingt durch die "C-Leg-Prothese" und die dadurch vorliegende Materialbelastung entstehe ein erhöhter Verschleiß an Hosen, Socken und Schuhen. Weiterhin müsse er sich zwei- bis viermal im Monat einer ärztlichen Behandlung wegen Phantomschmerzen unterziehen. Es würden Akkupunkturmaßnahmen, Massagen sowie Lichttherapie angewandt, deren Kosten er selber tragen müsse. Die Behandlungskosten würden sich auf 10 bis 15 EUR pro Anwendung belaufen. Weiterhin werde die "C-Leg-Prothese" durch einen Akku versorgt, der täglich über Nacht geladen werden müsse. Hierdurch würden erhebliche zusätzliche Stromkosten entstehen. Auch müsse er über der Prothese einen so genannten Stumpfsocken tragen, der, um Infektionen zu vermeiden, alle zwei Tage bei Kochwäsche gewaschen werden müsse. Hierdurch würden ebenfalls zusätzliche Aufwendungen für Wäsche entstehen, die bei Nichtschwerbehinderten nicht anfallen würden. Zwar sei es zutreffend, dass das SGB II für den vorbezeichneten Mehrbedarf keine Rechtsgrundlage enthalte. Allerdings sei zu berücksichtigen, dass nach § 28 Absatz 1 Nr. 4 SGB II für Sozialgeldempfänger sowie in § 30 SGB XII für den dort benannten Personenkreis ein behinderungsbedingter Mehrbedarf von 17 vom Hundert der Regelleistung im Falle des Merkzeichens G vorgesehen sei und demzufolge die Nichtbewilligung von Mehrbedarf gegen den Gleichheitsgrundsatz und das Sozialstaatsprinzip verstoße. Die Beklagte habe darüber hinaus auch in ihrem Bescheid vom 22.12.2006 einen Mehrbedarf in Höhe von 35 vom Hundert bewilligt.
Nachdem der Kläger mit Schreiben vom 10.07.2007 seine Klage sowohl hinsichtlich der Gewährung des Zuschlages gemäß § 24 SGB II als auch hinsichtlich der anteiligen monatlichen Unterkunftskosten und Heizkosten in Höhe von 204,50 EUR zurückgenommen hat,
beantragt er nunmehr noch,
die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 12.04.2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.05.2007 zu verurteilen, ihm für die Zeit vom 1.4.2007 bis zum 30.9.2007 zusätzlich zu den bewilligten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II einen monatlichen behinderungsbedingten Mehrbedarf in Höhe von 17 vom Hundert der Regelleistung zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beigeladene beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte verweist zur Begründung auf die Ausführungen im Widerspruchsbescheid. Sie ist der Auffassung, dass weder ein Anspruch nach § 21 Absatz 4 und 5 SGB II noch nach § 28 Absatz 1 Satz 3 Nr. 4 SGB II bestehe. Der Kläger sei erwerbsfähig, so dass ein Anspruch gemäß § 28 Absatz 1 Satz 3 Nr. 4 SGB II ausscheide. Ferner würden dem Kläger auch keine Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nach § 33 SGB IX sowie sonstige Hilfen zur Erlangung eines geeigneten Arbeitsplatzes im Arbeitsleben oder Eingliederungshilfen nach § 54 I Satz 1 Nr. 1 bis 3 SGB XII gewährt, so dass auch ein Anspruch gemäß § 21 Absatz 4 Satz 1 SGB II ausscheide. Eine kostenaufwändige Ernährung im Sinne von § 21 Absatz 5 SGB II liege ebenfalls nicht vor.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung war.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist unbegründet.
Der Bescheid der Beklagten vom 12.04.2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.05.2007 ist rechtmäßig und beschwert den Kläger nicht in seinen Rechten gemäß § 54 Absatz 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Die Beklagte hat den Antrag des Klägers auf Gewährung eines behindertenbedingten Mehrbedarfs im Rahmen der Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II zu Recht abgelehnt. Dem Kläger steht ein Anspruch auf den geltend gemachten Mehrbedarf nicht zu.
I. Dem Kläger steht kein Anspruch gemäß § 21 Absatz 5 SGB II zu, da seine Schwerbehinderung nicht mit einer aus medizinischen Gründen kostenaufwändigen Ernährung verbunden ist.
II. Auch ein Anspruch gemäß § 21 Absatz 4 SGB II kommt nicht in Betracht, da der Kläger keine Leistungen im Sinne von § 21 Absatz 4 SGB II erhalten hat. Nach § 21 Absatz 4 SGB II erhalten erwerbsfähige behinderte Hilfebedürftige, denen Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nach § 33 SGB IX sowie sonstige Hilfen zur Erlangung eines geeigneten Platzes im Arbeitsleben oder Eingliederungshilfen nach § 54 Absatz 1 Satz 1 Nr.1 bis 3 SGB XII erbracht werden, einen Mehrbedarf von 35 vom Hundert der nach § 20 SGB II maßgebenden Regelleistung. Dem Kläger wurde mit Bescheid vom 18.09.2006 zunächst für die Zeit vom 21.02.2006 bis zum 28.02.2007 eine Eingliederungshilfe nach § 54 Absatz 1 Satz 1 SGB XII in Verbindung mit § 55 Absatz 2 Nr. 6 SGB IX und sodann bis zum August 2009 bewilligt. Eine Eingliederungshilfe im vorbezeichneten Sinne für ambulantes betreutes Wohnen vermag einen Mehrbedarfsanspruch gemäß § 21 Absatz 4 SGB II jedoch nicht zu begründen. Es handelt sich hierbei weder um Eingliederungshilfen nach § 54 Absatz 1 Satz 1 Nr. 1 bis 3 SGB XII noch um Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben i.S.v. § 33 SGB IX. Ferner liegt auch eine sonstige Hilfe zur Erlangung eines geeigneten Arbeitsplatzes nicht vor. Die dem Kläger gewährte Eingliederungsmaßnahme zielte gerade nicht auf eine Hilfe zur Erlangung eines geeigneten Arbeitsplatzes, sondern darauf ab, dem Betroffenen die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu ermöglichen bzw. zu sichern. Ferner ist zu berücksichtigen, dass § 21 Absatz 4 SGB II im Hinblick auf Leistungen, die neben der Eingliederungshilfe gewährt werden können, nur auf § 33 SGB IX als Mehrbedarfsleistungen begründende Hilfe verweist. Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft gemäß § 55 SGB IX werden von § 21 Absatz 4 SGB II gerade nicht erfasst (vgl. Lang/Knickrehm in: Eicher/Spellbrink SGB II § 21 Randnummer 45).
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Umstand, dass die Beklagte dem Kläger für den Zeitraum vom 11.12.2006 bis zum 28.2.2007 irrtümlich einen Mehrbedarf nach § 21 SGB II bewilligt hat. Aus einer Bewilligung einer nicht geschuldeten Leistung in der Vergangenheit ergibt sich kein Anspruch auf die Leistung für die Zukunft.
III. Der Kläger kann den geltend gemachten Anspruch auf Gewährung eines Mehrbedarfs auch nicht aus § 28 Absatz 1 Satz 3 Nr. 4 SGB II herleiten, da er nicht erwerbsunfähig ist. Gem. § 28 Absatz 1 Satz 3 Nr. 4 SGB II erhalten nichterwerbsfähige Personen einen Mehrbedarf von 17 vom Hundert, wenn sie Inhaber eines Ausweises nach § 69 Absatz 5 SGB IX mit dem Merkzeichen G sind. Der Kläger ist zwar Inhaber eines Ausweises nach § 69 Absatz 5 SGB IX mit dem Merkzeichen G, er ist allerdings erwerbsfähig.
IV. Dem Kläger steht ferner kein Anspruch aus einer analogen Anwendung des § 28 Absatz 1 Satz 3 Nr. 4 SGB II zu. Insoweit fehlt es bereits an der für eine analoge Anwendung notwendigen planwidrigen Regelungslücke. Wie sich aus der nachträglichen Einfügung der Nr. 4 in § 28 SGB II ergibt, war sich der Gesetzgeber der Problematik des Mehrbedarfs bei Personen, die Inhaber eines Ausweises nach § 69 Absatz 5 SGB IX mit dem Merkzeichen G sind, bewusst. Der Gesetzgeber hat sich allerdings bewusst lediglich für eine Einführung einer Mehrbedarfsregelung in § 28 SGB II entschieden. Einer analogen Anwendung des § 28 Absatz 1 Satz 3 Nr.4 SGB II steht ferner § 3 Absatz 3 Satz 2 SGB II entgegen. Nach § 3 Absatz 3 Satz 2 SGB II ist eine Festlegung der Bedarfe, die von den im Zweiten Soziagesetzbuch (SGB II) vorgesehenen Leistungen abweicht, ausgeschlossen. Der Gesetzgeber hat mit der Einführung der Vorschrift durch das Gesetz zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 20. 7. 2006 (BGBl I 2006, 1706) deutlich gemacht, dass das im SGB II enthaltene Leistungssystem die Bedarfe des Hilfebedürftigen abschließend deckt und für eine abweichende Leistungsbewilligung kein Raum bleibt.
V. Ein Anspruch auf den geltend gemachten Mehrbedarf folgt auch nicht aus Artikel 1 Absatz 1 Grundgesetz (GG) in Verbindung mit dem insbesondere auf Artikel 20 Absatz 1 GG beruhenden Sozialstaatsprinzip. Weder liegt ein Verstoß gegen das Sozialstaatsprinzip vor noch könnte aus einem solchen Verstoß ein Rechtsanspruch auf bestimmte Geldbeträge hergeleitet werde.
1) Die vorbezeichneten Verfassungsnormen begründen für den Gesetzgeber lediglich einen Gestaltungsauftrag. Dieser ist jedoch nicht geeignet, eine Verpflichtung des Staates zur Gewährung sozialer Leistungen in einem bestimmten Umfang zu begründen (vgl. BSG Urt. v. 23.11.2006 Az.: B 11b AS 1/06 R).
2) Schließlich verstösst die Nichtgewährung eines pauschalen Mehrbedarfs für erwerbsfähige Schwerbehinderte, bei denen das Merkzeichen G vorliegt, auch nicht gegen dass Sozialstaatsprinzip. Zwar ergibt sich aus Artikel 1 GG in Verbindung mit Artikel 20 GG eine objektiv-rechtliche staatliche Pflicht, den Bürger vor materieller Not zu schützen. Dem Gesetzgeber bleibt allerdings ein erheblicher Wertungs- und Gestaltungsspielraum bei der Erfüllung dieser Pflicht. Es ist in einem durch die Gewaltenteilung geprägten System nicht Aufgabe der Rechtsprechung, Leistungsansprüche selbst auszubuchstabieren. Vielmehr ist lediglich zu entscheiden, ob der Gesetzgeber den Rahmen des verfassungsrechtlich Gebotenen unterschritten hat (vgl. Spellbrink in: Eicher/Spellbrink § 20 SGB II Rdnr. 47). Eine Unterschreitung des verfassungsrechtlich Gebotenen liegt zur Überzeugung der Kammer nicht vor. Der hilfsbedürftige erwerbsfähige Schwerbehinderte, der Leistungen nach dem SGB II erhält, ist vor einer materiellen Notlage ausreichend geschützt. Selbst nämlich für den Fall, dass der Hilfsbedürftige aufgrund seiner Schwerbehinderung einen Mehrbedarf hat, den er im Einzelfall nicht aus der Regelleistung erbringen kann, ist er über die Regelungen des § 23 SGB II und des § 73 SGB XII hinreichend vor materiellen Notlagen abgesichert.
VI. Dem Kläger steht ein Mehrbedarfsanspruch auch nicht aus Artikel 3 GG in Verbindung mit § 28 Absatz 1 Satz 3 Nr. 4 SGB II und § 30 Absatz 1 SGB XII zu. Es kann insoweit dahinstehen, ob bei der vorliegenden Sachlage überhaupt eine Ungleichbehandlung vorliegt. Diese wäre jedenfalls sachlich gerechtfertigt. Der von dem Kläger geltend gemachte Mehrbedarf im Falle der Inhaberschaft eines Ausweises nach § 69 Absatz 5 SGB IX mit dem Merkzeichen G setzt sowohl nach § 28 SGB II als auch nach § 30 SGB XII voraus, dass der Anspruchsteller nicht erwerbsfähig bzw. voll erwerbsgemindert ist oder aber die Altersgrenze nach § 41 Absatz 2 SGB XII erreicht hat. Leistungen sind mithin für Personen vorgesehen, die am Arbeitsleben nicht mehr teilnehmen. Zwar ist nicht auszuschließen, dass auch ein erwerbsfähiger Hilfebedürftiger mit dem Merkzeichen G einen Mehrbedarf durch seine Gehbehinderung hat. Allerdings liegt gerade in der Erwerbsfähigkeit des Hilfebedürftigen ein sachlicher Grund für die Schlechterstellung. Der Leistungsempfänger nach dem SGB II ist erwerbsfähig, derjenige nach dem SGB XII bzw. der Empfänger von Sozialgeld nicht. Von dem erwerbsfähigen Hilfebedürftigen wird erwartet, dass er sich durch eigene Aktivitäten wieder voll in den Arbeitsmarkt integriert, er also seinen Lebensunterhalt durch eigene Arbeit sicherstellen kann. Unter diesem Gesichtspunkt ist es gerechtfertigt, den insofern aus dem Erwerbsleben ausgeschiedenen Sozialhilfe- bzw. Sozialgeldempfänger stärker und damit letztlich individueller, abzusichern.
VII. Der Kläger kann sich auch nicht auf einen Anspruch nach § 23 Absatz 1 SGB II berufen. Eine darlehnsweise Bewilligung von Leistungen ist vom Klageantrag nicht umfasst. Nach § 23 Absatz 1 Satz 1 SGB II gewährt die Agentur für Arbeit bei entsprechendem Nachweis für einen im Einzelfall von der Regelleistung umfassten und nach den Umständen unabweisbaren Bedarf zur Sicherung des Lebensunterhalts, der weder durch das Vermögen nach § 12 Absatz 2 Nr. 4 noch auf andere Weise gedeckt ist, ein entsprechendes Darlehen. Der Kläger begehrt ausdrücklich die pauschale Gewährung eines Mehrbedarfes i.H.v. 17 vom Hundert der Regelleistung, ohne zur Rückzahlung verpflichtet zu sein. § 23 Absatz 1 Satz 1 SGB II sieht eine Bewilligung von Leistungen als Zuschuss nicht vor.
IIX. Schließlich steht dem Kläger auch kein Anspruch nach § 73 SGB XII gegenüber der Beigeladenen zu. So ist das Begehren des Klägers auf Bewilligung eines pauschalen Mehrbedarfs weder von der Rechtsfolge des § 73 SGB XII umfasst noch liegt eine atypische Bedarfslage i.S.v. § 73 SGB XII noch eine im Rahmen einer Ermessensvorschrift für einen Anspruch notwendige Ermessensreduzierung auf Null vor.
Nach § 73 SGB XII können Geldleistungen als Beihilfe oder Darlehen auch in sonstigen Lebenslagen erbracht werden, wenn sie den Einsatz öffentlicher Mittel rechtfertigen.
1) § 73 SGB XII eröffnet dem Anspruchsberechtigten allerdings lediglich die Möglichkeit, einen erhöhten Bedarf, in seiner konkret ermittelten Höhe geltend zu machen. Die Gewährung eines pauschalen Mehrbedarfs - wie vom Kläger ausdrücklich verlangt -, kann im Rahmen des § 73 SGB XII nicht erreicht werden.
2) Ferner liegt auch keine nach § 73 SGB XII erforderlich atypische Bedarfslage vor. Zwar sind nach Auffassung der Kammer Leistungen nach § 73 SGB XII aufgrund der Regelung des § 5 Absatz 2 SGB II für Bezieher von SGB II-Leistungen nicht generell ausgeschlossen. Allerdings kann eine "sonstige Lebenslage" i.S.v. § 73 SGB XII nur dann angenommen werden, wenn die bedarfsauslösende Lebenslage weder innerhalb des SGB XII in den Kapiteln 3 - 9 (§§ 27 - 69) bzw. den sonstigen Hilfen in anderen Lebenslagen (§§ 70 - 72, 74) noch in anderen Bereichen des Sozialrechts geregelt und bewältigt wird (vgl. LSG NRW, Beschluss vom 22.6.2007 Az.: L 1 B 7/07 AS ER; Grube/Wahrendorf, SGB XII, 2. Aufl. 2008, zu § 73 SGB XII, Rdnr. 3) und die Situation eine gewisse Nähe zu den speziell in den §§ 47-74 SGB XII geregelten Bedarfslagen aufweist (vgl. BSG, Urteil vom 25.6.2008, Az.: B 11b AS 19/07 R). Hierbei ist zu beachten, dass es dem in §§ 3 Absatz 3 Satz 2, 23 Absatz 1 Satz 4 SGB II zum Ausdruck kommenden Willen des Gesetzgebers widerspräche, wenn § 73 SGB XII in eine allgemeine Auffangnorm umgedeutet würde, die in all den Fällen einen Anspruch gegen den Sozialhilfeträger begründen würde, in denen die eigentlich einschlägigen Normen den betreffenden Anspruch gerade ausschließen (vgl. Grube/Wahrendorf, SGB XII 2. Aufl. 2008 zu § 73 SGB XII, Rdnr. 3). Die vom Kläger geltend gemachten Bedarfe wegen Verschleißes von Bekleidung, erhöhter Stromkosten und medizinischer Behandlungen sind bereits von der Regelleistung nach § 20 SGB II bzw. von den in § 31 SGB VII geregelten Hilfsmitteln umfasst und damit abschließend geregelt. Nach § 2 der Regelsatzverordnung (RSV) ist im Regelsatz ein Anteil für Bekleidung, Haushaltsenergie und Gesundheitspflege vorgesehen. Die Kammer hat insoweit zwar berücksichtigt, dass der Kläger einen gegenüber einem normalen Hilfebedürftigen erhöhten Bedarf hat. Allerdings vermochte auch dies kein anderes Ergebnis zu rechtfertigen. Zunächst ist nicht ersichtlich, dass der in der Regelleistung enthaltene Anteil für Kleidung und Haushaltsenergie zur Deckung des Bedarfs des Klägers nicht ausreicht. Auch ist der geltend gemachte Mehrbedarf wegen erhöhter Stromkosten für ein Ladegerät bereits in § 31 SGB VII berücksichtigt. Nach § 31 Absatz 1 SGB VII ist der Leistungsträger auch zur Übernahme der Kosten für die Versorgung eines Körperersatzstückes mit Ladestrom verpflichtet (vgl. BSG Urteil vom 22.6.2004, Az.: B 2 U 11/03 R). Eine Übernahme der Stromkosten würde der Subsidiarität des § 73 SGB XII zuwider laufen. Hinsichtlich des geltend gemachten Mehrbedarfs für Heilbehandlungen hat der Kläger zwar dargelegt, dass der in der Regelleistung enthaltene Anteil für Gesundheitspflege von 13,19 EUR nicht ausreicht. Allerdings hat der Kläger weder die Notwendigkeit der Behandlungen dargelegt, noch rechtfertigt die vom Kläger dargelegte Differenz zwischen dem dargelegten Mehrbedarf und dem in der Regelleistung enthaltenen Anteil für Gesundheitspflege in Höhe von monatlich etwa 30 EUR die Annahme einer atypischen Bedarfslage i.S.v. § 73 SGB XII.
3) Schließlich steht einem Anspruch nach § 73 SGB XII auch der Charakter der Vorschrift als Ermessensvorschrift entgegen. § 73 SGB XII räumt dem Sozialhilfeträger sowohl hinsichtlich der Frage, "ob" geleistet wird als auch in welcher Art und Weise ("wie") geleistet wird, Ermessen ein (vgl. Hauck/Noftz/Schlette SGB XII § 73 Rn 9). Selbst, wenn die übrigen Voraussetzungen des § 73 SGB XII zu bejahen gewesen wären, wäre nach Auffassung der Kammer zumindest das Ermessen hinsichtlich des "Wie" der Leistungen nicht auf Null reduziert gewesen. Besondere Umstände, die lediglich die Gewährung der vom Kläger begehrten Beihilfe gerechtfertigt hätten, bestehen nicht.
IX. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Die Kammer hat die gemäß § 144 Absatz 1 Nr. 1 SGG zulassungsbedürftige Berufung zugelassen, weil die Rechtssache im Sinne des § 144 Absatz 2 Nr. 1 SGG grundsätzliche Bedeutung hat.
Rechtskraft
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