Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 1 KR 1598/04
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 KR 4182/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 12. Mai 2006 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten auch des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt Krankengeld zuletzt noch für den Zeitraum vom 20. Dezember 2003 bis 31. Mai 2004.
Der am 1949 geborene Kläger war seit 1979 als Produktionsarbeiter (Maschinenarbeiter) bei S. E. S. GmbH S., Betriebsstätte A., beschäftigt und pflichtversichertes Mitglied der Beklagten. Ab 01. August 2003 stellte der Insolvenzverwalter des Arbeitgebers ihn von der Arbeit frei und kündigte das Arbeitsverhältnis am 05. August 2003 wegen Einstellung des Geschäftsbetriebs zum 30. November 2003 sowie nochmals am 10. November 2003 zum 29. Februar 2004. Aufgrund eines vor dem Arbeitsgericht Reutlingen am 04. Juli 2005 geschlossenen Vergleichs (3 Ca 341/03) endete das Arbeitsverhältnis aufgrund ordentlicher betriebsbedingter Kündigung vom 05. August 2003 mit Ablauf des 29. Februar 2004. Nach der vom Arbeitgeber gegenüber der Beklagten gegebenen Arbeitsplatzbeschreibung vom 25. Februar 2004 hatte der Kläger eine Leiterplatten-Reinigungsanlage zu bedienen. Die Arbeit wurde stehend/gehend verrichtet in Ganztagsarbeit mit Nachtschicht. Zu heben waren Gewichte bis zehn kg; in der geschlossenen Anlage wurden Chemikalien verwendet, mit denen der Mitarbeiter bei Reinigungsarbeiten oder Radwechsel in Berührung kam. Vorgeschriebene Schutzkleidung wurde getragen.
Für die Zeit ab 26. Mai 2003 bescheinigte Arzt für Allgemeinmedizin Dr. H. Arbeitsunfähigkeit wegen chronisch obstruktiver Lungenkrankheit. Die Beklagte zahlte ab 06. Juli 2003 Krankengeld nach einem kalendertäglichen Regelentgelt von EUR 81,73.
Dr. Breimann und Dr. St. vom Medizinischen Dienst der Krankenversicherung Baden-Württemberg (MDK) nahmen wegen chronisch obstruktiver Bronchitis weiterhin Arbeitsunfähigkeit an und empfahlen weitere lungenfachärztliche Diagnostik und Therapie (Gutachten vom 17. Juli, 21. August und 15. Oktober 2003).
Nach Untersuchung des Klägers sowie aufgrund eines Befundberichts des behandelnden Lungenarztes Dr. D. vom 28. Oktober 2003 diagnostizierte Dr. Sc. vom MDK im weiteren Gutachten vom 12. Dezember 2003 eine mittelschwere obstruktive chronische Bronchitis bei langjährigem fortgesetztem Nikotinabusus, Sinusitis ethmoidalis, Paukenhöhlenerguss, oral eingestellten Diabetes mellitus sowie ein Schlafapnoesyndrom in Kombination mit einem Adipositas-Hypo-Ventilationsstörungs-Syndrom. Die körperliche Leistungsfähigkeit werde (nur) durch die chronische Bronchitis deutlich, aber nicht schwerwiegend eingeschränkt. Diesbezüglich sei nicht mit einer Besserung oder Änderung der Symptomatik zu rechnen, solange der Kläger nicht mit dem Rauchen, das die überwiegende Ursache der Bronchitis sei, aufhöre. Er sei ab 20. Dezember 2003 zu leichten Tätigkeiten ohne Heben schwerer Lasten und ohne häufiges Treppensteigen in der Lage. Von der Empfehlung eines Heilverfahrens wollte der Arzt absehen.
Die Beklagte kündigte daraufhin an, sie werde Krankengeld bis 19. Dezember 2003 weiterzahlen, wenn die Arbeitsunfähigkeit ärztlich nachgewiesen werde. Mit diesem Datum sei der Arbeitsunfähigkeitsfall jedoch abgeschlossen (Schreiben vom 17. Dezember 2003). Mit Bescheid, ebenfalls vom 17. Dezember 2003, eröffnete die Beklagte dem Kläger weiter "in Anlehnung an unser Schreiben vom 17.12.2003" sowie unter Verweis auf das Gutachten vom 12. Dezember 2003, sie werde Krankengeld bis zum 19. Dezember 2003 weiterzahlen, wenn die Arbeitsunfähigkeit ärztlich nachgewiesen sei. Mit diesem Datum werde der Arbeitsunfähigkeitsfall abgeschlossen. Der Kläger erhob Widerspruch.
Am 29. Dezember 2003 meldete sich der Kläger bei der Agentur für Arbeit (damals noch Arbeitsamt) B. arbeitslos. Im Antrag gab er u.a. an, seine Vermittlungsfähigkeit sei nicht eingeschränkt. Die Agentur für Arbeit bewilligte durch Bescheid vom 19. Januar 2004 Arbeitslosengeld ab 29. Dezember 2003 nach einem wöchentlichen Bemessungsentgelt von EUR 605,00 (Leistungsentgelt EUR 425,75).
HNO-Arzt Dr. W. bescheinigte Arbeitsunfähigkeit am 02. April 2004 bis einschließlich 14. April 2004, am 15. April 2004 bis einschließlich 29. April 2004 sowie nochmals am 13. Mai 2004 bis einschließlich 27. Mai 2004. Vom 01. Juni bis 01. September 2004 hielt sich der Kläger in der Türkei auf, weswegen die Agentur für Arbeit die Bewilligungsentscheidung über Arbeitslosengeld ab 01. Juni 2004 aufhob (Bescheid vom 02. Juni 2004). Nach erneuter Arbeitslosmeldung wurde Arbeitslosengeld erneut ab 02. September 2004 bewilligt.
Auf Veranlassung der Beklagten erstattete Dr. Sc. vom MDK das Gutachten nach Aktenlage vom 17. Februar 2004. Er bestätigte sein im Gutachten vom 12. Dezember 2003 genanntes positives Leistungsbild und ergänzte, der Umgang mit Chemikalien sowie körperlich schwere Arbeit und auch überwiegend mittelschwere Arbeiten sollten vermieden werden, wobei zeitweilig oder kurzfristig mittelschwere Tätigkeiten möglich erschienen. Auf Anfrage der Beklagten stellte der Arbeitgeber die Arbeitsplatzbeschreibung vom 25. Februar 2004 aus. Der Widerspruchsausschuss der Beklagten erließ den zurückweisenden Widerspruchsbescheid vom 07. Mai 2004. Er verwies auf das neue Gutachten Dr. Sc. vom 17. Februar 2004 und führte aus, der Kläger könne auf das Profil seiner letzten Tätigkeit oder auf eine gleichartige Tätigkeit verwiesen werden.
Der Kläger erhob am 21. Mai 2004 Klage zum Sozialgericht Reutlingen (SG). Sein Gesundheitszustand habe sich verschlechtert. Da er Schwerbehinderter sei, seien die Kündigungen rechtsunwirksam gewesen. Im Übrigen beurteile sich seine Arbeitsunfähigkeit nach seiner letzten Tätigkeit. Soweit er für fähig gehalten werde, leichte Tätigkeiten ohne Heben schwerer Lasten und ohne häufiges Treppensteigen zu verrichten, entspreche dies nicht seiner letzten Tätigkeit oder ähnlichen Tätigkeiten. Die von ihm in die Reinigungsanlage einzusetzenden und herauszuhebenden Körbe hätten ein Gewicht von zehn bis 30 kg, manchmal von 20 bis 40 kg gehabt.
Die Beklagte trat der Klage entgegen.
Das SG hörte Arzt für Allgemeinmedizin Dr. H. als sachverständigen Zeugen. Er nannte in der schriftlichen Aussage vom 03. November 2004 Untersuchungen bis 11. Dezember 2003, dann wieder im Zeitraum vom 05. Januar 2004 bis 25. Mai 2004 sowie nochmals am 03. September und 12. Oktober 2004; Bescheinigungen von Arbeitsunfähigkeit für den hier streitigen Zeitraum wurden nicht genannt.
Facharzt für Innere Medizin, Lungen- Bronchialheilkunde Dr. L. erstattete das Gutachten vom 21. April 2005. Am 12. Dezember 2003 habe eine chronische obstruktive Bronchitis verursacht durch "therapieresistentes" Rauchen mit leichter irreversibler Dauerschädigung durch dieses Rauchen vorgelegen. Der Gesundheitszustand von Seiten der Bronchien habe sich gegenüber der vorherigen Begutachtung vom 17. Juli 2003 eher etwas gebessert. Im Dezember 2003 sei der Kläger imstande gewesen, leichte Arbeiten mit Heben von Lasten bis zehn kg, gelegentlich auch 25 kg zu leisten ohne häufiges Treppensteigen und ohne Inhalation von reizenden Stoffen.
Durch Urteil vom 12. Mai 2006 wies das SG die Klage ab. Gestützt auf die Gutachten Dr. Sc. vom 12. Dezember 2003 und 17. Februar 2004 sowie das Gerichtsgutachten Dr. L. vom 21. April 2005 sei zu der Überzeugung zu gelangen, der Kläger sei für seinen letzten Arbeitsplatz als Produktionsarbeiter ab 20. Dezember 2003 arbeitsfähig gewesen. Selbst wenn jedoch aus gesundheitlichen Gründen die zuletzt verrichtete Arbeit nicht mehr möglich gewesen sein sollte, hätte der Kläger ab dem Wegfall des Arbeitsplatzes aufgrund der Produktionseinstellung vom 31. Juli 2003, spätestens aber ab der Arbeitslosmeldung am 29. Dezember 2003 gleiche oder ähnlich geartete Tätigkeiten leisten können, zu denen auch Tätigkeiten als Produktionsarbeiter mit Maschinenbedienung gehörten, die nicht speziell mit dem Umgang mit Chemikalien, mit der Inhalation von Reizstoffen und nicht mit häufigem schwerem Heben und Tragen oder anderen schweren körperlichen Belastungen verbunden gewesen wären.
Gegen das am 16. August 2006 zugestellte Urteil hat der Kläger am 18. August 2006 beim Landessozialgericht Berufung eingelegt und zunächst - wie beim SG - Krankengeld bis zum 26. November 2004 begehrt. Dieses Begehren hat er in der mündlichen Verhandlung des Senats im Hinblick auf den Aufenthalt in der Türkei ab 01. Juni 2004 auf die Zeit bis 31. Mai 2004 beschränkt. Er hat vorgetragen, bei der Tätigkeit an der Reinigungsanlage sei er trotz der Lüftungsanlage den Dämpfen der Reinigungsanlage ausgesetzt gewesen, weil die Dämpfe trotz Entlüftungsanlage nicht vollständig und ausreichend abgesaugt worden seien sowie regelmäßig das Reinigungsbad habe gewechselt werden müssen. Die Auskunft des Arbeitgebers sei unrichtig, soweit angegeben sei, die vorgeschriebene Schutzkleidung sei wohl immer getragen worden. Das Arbeitsverhältnis habe laut dem gerichtlichen Vergleich bis 29. Februar 2004 gedauert, sodass bis dahin und zumindest in den ersten sechs Monaten nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses die konkrete letzte Tätigkeit der Maßstab für die Beurteilung der Arbeitsfähigkeit sein müsse. Des Weiteren habe er nicht schwer heben und tragen können, da er an einer im Jahr 2005 operativ behandelten Rotatorenmanschettenruptur gelitten habe. In der Zeit vom 20. Dezember 2003 bis 26. November 2004 seien keine Krankschreibungen erfolgt, da Allgemeinarzt Dr. H. die Auffassung vertreten habe, dies sei nicht erforderlich, wenn die Beklagte die Krankmeldungen nicht akzeptiere. Im Übrigen habe er (ab 29. Dezember 2003) Leistungen der Agentur für Arbeit bezogen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 12. Mai 2006 abzuändern und die Beklagte unter Abänderung des Bescheids vom 17. Dezember 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 07. Mai 2004 zu verurteilen, dem Kläger vom 20. Dezember 2003 bis 31. Mai 2004 Krankengeld zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil und ihre Bescheide im Ergebnis weiterhin für zutreffend.
Der Senat hat die Leistungsakten der Agentur für Arbeit Balingen beigezogen.
Zur weiteren Darstellung wird auf den Inhalt der Berufungsakten, der Klageakten, der von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten und der weiteren beigezogenen Akten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Klägers ist zulässig. Der Beschwerdewert von EUR 500,00 nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) in der bis 31. März 2008 geltenden Fassung, die hier für die zu diesem Zeitpunkt bereits eingelegte Berufung noch maßgeblich ist, ist überschritten. Bei einem kalendertäglichen Regelentgelt von EUR 81,73, das der Berechnung des Krankengeldes bis 19. Dezember 2003 zugrunde lag (vgl. Bescheinigung der Beklagten für die Bundesagentur für Arbeit, Bl. 5 deren Leistungsakte), ergibt sich für den bei Berufungseinlegung streitigen Zeitraum vom 20. Dezember 2003 bis 26. November 2004 ein deutlich über EUR 500,00 liegender Betrag.
Die Berufung hat jedoch in der Sache keinen Erfolg. Das SG hat zutreffend entschieden, dass die Beklagte die Zahlung von Krankengeld vom 20. Dezember 2003 bis 31. Mai 2004 zu Recht abgelehnt hat.
Nach § 44 Abs. 1 Satz 1 des Fünften Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB V) haben Versicherte Anspruch auf Krankengeld, wenn - abgesehen von den hier nicht gegebenen Fällen stationärer Behandlung - Krankheit sie arbeitsunfähig macht. Das bei Entstehung des streitigen Krankengeldanspruchs bestehende Versicherungsverhältnis bestimmt, wer in welchem Umfang als "Versicherter" einen Anspruch auf Krankengeld hat (vgl. z. B. Bundessozialgericht - BSG - SozR 4-2500 § 44 Nrn. 12 und 14, ständige Rechtsprechung). Der Kläger war bei Eintritt der Arbeitsunfähigkeit am 26. Mai 2003 als versicherungspflichtig Beschäftigter versicherungspflichtiges Mitglied der Beklagten nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V. Er war als Maschinenarbeiter an einer Reinigungsanlage beschäftigt. Diese konkrete Tätigkeit ist jedenfalls bis zum Ende des Beschäftigungsverhältnisses Maßstab für die Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit. Allerdings kann dahingestellt bleiben, ob der Kläger diese Tätigkeit noch ausüben konnte. Denn es fehlt jedenfalls bis zum Ende des Beschäftigungsverhältnisses an der (vertrags-)ärztlichen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit.
Das Entstehen des Anspruchs auf Krankengeld setzt - abgesehen von hier nicht gegebenen stationären Behandlungen - voraus, dass die Arbeitsunfähigkeit (vertrags-)ärztlich festgestellt wird. Nach § 46 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB V entsteht der Leistungsanspruch (erst) von dem Tag an, der auf den Tag dieser ärztlichen Feststellung folgt. Ohne diese Feststellung kann kein Anspruch entstehen. Damit sollen Missbrauch und praktische Schwierigkeiten vermieden werden, zu denen nachträgliche Behauptungen und rückwirkende Bescheinigungen beitragen könnten. Die Vorschrift ist nicht als bloße Zahlungsvorschrift zu verstehen (vgl. BSG SozR 3-2500 § 44 Nr. 10; SozR 4-2500 § 44 Nr. 12). Der Versicherte muss auf die (vertrags-)ärztliche Feststellung der Arbeitsunfähigkeit gemäß § 46 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB V hinwirken und die entsprechende Bescheinigung der Krankenkasse vorlegen. Kommt er dieser Meldeobliegenheit nicht innerhalb einer Woche nach Beginn der Arbeitsunfähigkeit nach, ruht der nach §§ 44 Abs. 1 Satz 1, 46 SGB V entstandene Leistungsanspruch gemäß § 49 Abs. 1 Nr. 5 SGB V. Hiernach ruht der Anspruch, solange die Arbeitsunfähigkeit der Krankenkasse nicht gemeldet wird; dies gilt nicht, wenn die Meldung innerhalb einer Woche nach Beginn der Arbeitsunfähigkeit erfolgt. Die Meldeobliegenheit ist vor jeder erneuten Inanspruchnahme des Krankengeldes zu erfüllen, auch nach einer vorübergehend leistungsfreien Zeit, selbst wenn die Arbeitsunfähigkeit seit Beginn durchgängig fortbestanden hat (BSG SozR 3-2500 § 49 Nr. 4). Das gleiche gilt auch bei ununterbrochenem Leistungsbezug, wenn wegen der Befristung der bisherigen Krankschreibung über die Weitergewährung des Krankengeldes zu befinden ist (BSG a.a.O.). Auch dann muss der Versicherte die Fortdauer der Arbeitsunfähigkeit grundsätzlich rechtzeitig vor Fristablauf (vertrags )ärztlich feststellen lassen und der Krankenkasse melden, will er das Erlöschen oder das Ruhen des Leistungsanspruchs vermeiden (BSG SozR 4-2500 § 46 Nr. 1). Von dieser gesetzlich angeordneten Feststellungs- und Meldepflicht kann auch während eines laufenden Rechtsbehelfsverfahrens nicht abgesehen werden, da §§ 46 Abs. 1 Nr. 2, 49 Abs. 1 Nr. 5 SGB V eine solche Ausnahme nicht vorsehen. Dies ist auch folgerichtig, da die Krankenkasse die Befunde, die nach ärztlicher Einschätzung zur Arbeitsunfähigkeit führen, zeitnah überprüfen können muss. Es handelt sich mithin nicht um einen bloßen Formalismus. Ausnahmen hiervon hat die Rechtsprechung nur in sehr begrenzten Ausnahmefällen anerkannt, zu welchen die Betreibung eines Rechtsbehelfsverfahrens allein nicht zählt (vgl. hierzu und zur Zulässigkeit nachträglicher Beurteilungen der Arbeitsunfähigkeit ausführlich nochmals BSG SozR 4-2500 § 46 Nr. 1).
Für den hier streitigen Zeitraum vom 20. Dezember 2003 bis 26. November 2004 ist Arbeitsunfähigkeit (vertrags-)ärztlich bescheinigt worden nur am 02. April 2004 bis einschließlich 14. April 2004, am 15. April 2004 bis einschließlich 29. April 2004 sowie nochmals vom 13. Mai 2004 bis einschließlich 27. Mai 2004 (Bl. 36 ff. der Leistungsakte der Agentur für Arbeit). Für die übrigen Zeiträume wurden ärztliche Bescheinigungen nicht vorgelegt.
Die Rechtsprechung hat - allerdings die ebenfalls unverzügliche Meldung der Arbeitsunfähigkeit gegenüber der Krankenkasse voraussetzend - in engen Grenzen Ausnahmen von der wortgetreuen Auslegung des § 46 Abs. 1 Nr. 2 und des § 49 Abs. 1 Nr. 5 SGB V anerkannt, etwa dann, wenn die (vertrags-)ärztliche Feststellung oder die Meldung der Arbeitsunfähigkeit durch Umstände verhindert oder verzögert worden ist, die dem Verantwortungsbereich der Krankenkasse und nicht dem Versicherten zuzurechnen sind. So kann sich beispielsweise die Krankenkasse nicht auf den verspäteten Zugang der Meldung berufen, wenn diese auf von ihr zu vertretenden Organisationsmängeln beruht und der Versicherte hiervon weder wusste noch wissen musste (BSGE 52, 254, 258 ff. = SozR 2200 § 216 Nr. 5). Hat der Versicherte alles in seiner Macht Stehende und ihm Zumutbare getan, um seine Ansprüche zu wahren, wurde daran aber durch eine von der Krankenkasse zu vertretende Fehlentscheidung gehindert (z.B. durch die Fehlbeurteilung der Arbeitsunfähigkeit seitens Vertragsarzt und MDK), und macht er zusätzlich seine Rechte bei der Krankenkasse unverzüglich geltend (spätestens innerhalb der zeitlichen Grenzen des § 49 Abs. 1 Nr. 5 SGB V nach Erlangung der Kenntnis von dem Fehler), kann er sich auf den Mangel auch zu einem späteren Zeitpunkt berufen (BSG SozR 4-2500 § 46 Nr. 1). Unter diesen engen Voraussetzungen kann die Unrichtigkeit der ärztlichen Beurteilung gegebenenfalls auch durch die nachträgliche Einschätzung eines anderen ärztlichen Gutachters nachgewiesen werden und der Versicherte dann ausnahmsweise rückwirkend Krankengeld beanspruchen. Diese Ausnahme gilt jedoch nur dann, wenn der Versicherte unverzüglich nach Kenntnisnahme der Fehlbeurteilung dies seiner Krankenkasse meldet, um sich sein Recht auf nachträgliche Zuerkennung der Ansprüche zu erhalten. Andernfalls beruht die Verzögerung der Meldung nicht mehr wesentlich auf einem Fehler, der dem Verantwortungsbereich der Krankenkasse zuzurechnen ist. § 49 Abs. 1 Nr. 5 SGB V gibt auch insoweit den äußersten zeitlichen Rahmen vor, der dem Versicherten bei nachträglicher Meldung der Arbeitsunfähigkeit verbleibt (vgl. zum Ganzen nochmals BSG SozR 4-2500 § 46 Nr. 1).
Der Kläger war nicht gehindert, nach Kenntnis des Schreibens und des Bescheids der Beklagten vom 17. Dezember 2003, Arbeitsunfähigkeit liege nicht mehr vor, innerhalb einer Woche nach dem Ende der bis 19. Dezember 2003 angenommenen Arbeitsunfähigkeit die Beklagte auf deren angebliche Fehlbeurteilung hinzuweisen. Die Wochenfrist lief vom 20. Dezember 2003 bis Montag, 29. Dezember 2003. Innerhalb dieses Zeitraums war der Kläger aber nicht bei Dr. H. in Behandlung, wie sich aus dessen Auskunft für das SG vom 03. November 2004 ergibt. Der Kläger suchte den Arzt erstmals wieder am 05. Januar 2004 auf. Stattdessen meldete er sich am 29. Dezember 2003 bei der Agentur für Arbeit Balingen arbeitslos, ohne sich hinsichtlich seiner Vermittlungsfähigkeit einzuschränken und insbesondere ohne vorsorglich anzugeben, er sei arbeitsunfähig.
Ein Anspruch auf Krankengeld besteht auch nicht für die Zeiten vom 03. bis 14. April 2004, 16. bis 29. April 2004 und 13. bis 27. Mai 2004, für welche Arbeitsunfähigkeit (vertrags-)ärztlich bescheinigt ist. Mit dem Ende des Beschäftigungsverhältnisses zum 29. Februar 2004 endete auch die Versicherungspflicht als Beschäftigter nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V. Diese Mitgliedschaft blieb nicht nach § 192 Abs. 1 Nr. 2 SGB V erhalten, weil nach dem 29. Februar 2004 weder Krankengeld tatsächlich gezahlt wurde noch ein Anspruch hierauf bestand. Der Kläger war stattdessen nunmehr versicherungspflichtiges Mitglied der Beklagten in der Krankenversicherung der Arbeitslosen nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 SGB V. Maßstab für die Beurteilung seiner Arbeitsunfähigkeit sind dann alle Beschäftigungen, die ihm zu diesem Zeitpunkt gemäß § 121 Abs. 3 Satz 3 des Dritten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB III) nach dem Recht der Arbeitsförderung zumutbar waren. Ein nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 SGB V versicherter Arbeitsloser ist arbeitsunfähig im Sinne von § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB V, wenn er aufgrund gesundheitlicher Einschränkungen nicht mehr in der Lage ist, Arbeiten zu verrichten, für die er sich der Arbeitsverwaltung zwecks Vermittlung zur Verfügung gestellt hat (BSG SozR 4-2500 § 44 Nr. 6). Unter Berücksichtigung des vom SG erhobenen Gutachtens Dr. L. vom 21. April 2005 ist fraglich, ob in diesen Zeiträumen Arbeitsunfähigkeit bestand. Selbst wenn man dies zugunsten des Klägers annimmt, hatte er keinen Anspruch auf Zahlung von Krankengeld, weil der Anspruch nach § 49 Abs. 1 Nr. 3a SGB V ruhte. Denn der Kläger hat in diesen Zeiträumen Arbeitslosengeld bezogen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Zur Zulassung der Revision bestand kein Anlass.
Außergerichtliche Kosten auch des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt Krankengeld zuletzt noch für den Zeitraum vom 20. Dezember 2003 bis 31. Mai 2004.
Der am 1949 geborene Kläger war seit 1979 als Produktionsarbeiter (Maschinenarbeiter) bei S. E. S. GmbH S., Betriebsstätte A., beschäftigt und pflichtversichertes Mitglied der Beklagten. Ab 01. August 2003 stellte der Insolvenzverwalter des Arbeitgebers ihn von der Arbeit frei und kündigte das Arbeitsverhältnis am 05. August 2003 wegen Einstellung des Geschäftsbetriebs zum 30. November 2003 sowie nochmals am 10. November 2003 zum 29. Februar 2004. Aufgrund eines vor dem Arbeitsgericht Reutlingen am 04. Juli 2005 geschlossenen Vergleichs (3 Ca 341/03) endete das Arbeitsverhältnis aufgrund ordentlicher betriebsbedingter Kündigung vom 05. August 2003 mit Ablauf des 29. Februar 2004. Nach der vom Arbeitgeber gegenüber der Beklagten gegebenen Arbeitsplatzbeschreibung vom 25. Februar 2004 hatte der Kläger eine Leiterplatten-Reinigungsanlage zu bedienen. Die Arbeit wurde stehend/gehend verrichtet in Ganztagsarbeit mit Nachtschicht. Zu heben waren Gewichte bis zehn kg; in der geschlossenen Anlage wurden Chemikalien verwendet, mit denen der Mitarbeiter bei Reinigungsarbeiten oder Radwechsel in Berührung kam. Vorgeschriebene Schutzkleidung wurde getragen.
Für die Zeit ab 26. Mai 2003 bescheinigte Arzt für Allgemeinmedizin Dr. H. Arbeitsunfähigkeit wegen chronisch obstruktiver Lungenkrankheit. Die Beklagte zahlte ab 06. Juli 2003 Krankengeld nach einem kalendertäglichen Regelentgelt von EUR 81,73.
Dr. Breimann und Dr. St. vom Medizinischen Dienst der Krankenversicherung Baden-Württemberg (MDK) nahmen wegen chronisch obstruktiver Bronchitis weiterhin Arbeitsunfähigkeit an und empfahlen weitere lungenfachärztliche Diagnostik und Therapie (Gutachten vom 17. Juli, 21. August und 15. Oktober 2003).
Nach Untersuchung des Klägers sowie aufgrund eines Befundberichts des behandelnden Lungenarztes Dr. D. vom 28. Oktober 2003 diagnostizierte Dr. Sc. vom MDK im weiteren Gutachten vom 12. Dezember 2003 eine mittelschwere obstruktive chronische Bronchitis bei langjährigem fortgesetztem Nikotinabusus, Sinusitis ethmoidalis, Paukenhöhlenerguss, oral eingestellten Diabetes mellitus sowie ein Schlafapnoesyndrom in Kombination mit einem Adipositas-Hypo-Ventilationsstörungs-Syndrom. Die körperliche Leistungsfähigkeit werde (nur) durch die chronische Bronchitis deutlich, aber nicht schwerwiegend eingeschränkt. Diesbezüglich sei nicht mit einer Besserung oder Änderung der Symptomatik zu rechnen, solange der Kläger nicht mit dem Rauchen, das die überwiegende Ursache der Bronchitis sei, aufhöre. Er sei ab 20. Dezember 2003 zu leichten Tätigkeiten ohne Heben schwerer Lasten und ohne häufiges Treppensteigen in der Lage. Von der Empfehlung eines Heilverfahrens wollte der Arzt absehen.
Die Beklagte kündigte daraufhin an, sie werde Krankengeld bis 19. Dezember 2003 weiterzahlen, wenn die Arbeitsunfähigkeit ärztlich nachgewiesen werde. Mit diesem Datum sei der Arbeitsunfähigkeitsfall jedoch abgeschlossen (Schreiben vom 17. Dezember 2003). Mit Bescheid, ebenfalls vom 17. Dezember 2003, eröffnete die Beklagte dem Kläger weiter "in Anlehnung an unser Schreiben vom 17.12.2003" sowie unter Verweis auf das Gutachten vom 12. Dezember 2003, sie werde Krankengeld bis zum 19. Dezember 2003 weiterzahlen, wenn die Arbeitsunfähigkeit ärztlich nachgewiesen sei. Mit diesem Datum werde der Arbeitsunfähigkeitsfall abgeschlossen. Der Kläger erhob Widerspruch.
Am 29. Dezember 2003 meldete sich der Kläger bei der Agentur für Arbeit (damals noch Arbeitsamt) B. arbeitslos. Im Antrag gab er u.a. an, seine Vermittlungsfähigkeit sei nicht eingeschränkt. Die Agentur für Arbeit bewilligte durch Bescheid vom 19. Januar 2004 Arbeitslosengeld ab 29. Dezember 2003 nach einem wöchentlichen Bemessungsentgelt von EUR 605,00 (Leistungsentgelt EUR 425,75).
HNO-Arzt Dr. W. bescheinigte Arbeitsunfähigkeit am 02. April 2004 bis einschließlich 14. April 2004, am 15. April 2004 bis einschließlich 29. April 2004 sowie nochmals am 13. Mai 2004 bis einschließlich 27. Mai 2004. Vom 01. Juni bis 01. September 2004 hielt sich der Kläger in der Türkei auf, weswegen die Agentur für Arbeit die Bewilligungsentscheidung über Arbeitslosengeld ab 01. Juni 2004 aufhob (Bescheid vom 02. Juni 2004). Nach erneuter Arbeitslosmeldung wurde Arbeitslosengeld erneut ab 02. September 2004 bewilligt.
Auf Veranlassung der Beklagten erstattete Dr. Sc. vom MDK das Gutachten nach Aktenlage vom 17. Februar 2004. Er bestätigte sein im Gutachten vom 12. Dezember 2003 genanntes positives Leistungsbild und ergänzte, der Umgang mit Chemikalien sowie körperlich schwere Arbeit und auch überwiegend mittelschwere Arbeiten sollten vermieden werden, wobei zeitweilig oder kurzfristig mittelschwere Tätigkeiten möglich erschienen. Auf Anfrage der Beklagten stellte der Arbeitgeber die Arbeitsplatzbeschreibung vom 25. Februar 2004 aus. Der Widerspruchsausschuss der Beklagten erließ den zurückweisenden Widerspruchsbescheid vom 07. Mai 2004. Er verwies auf das neue Gutachten Dr. Sc. vom 17. Februar 2004 und führte aus, der Kläger könne auf das Profil seiner letzten Tätigkeit oder auf eine gleichartige Tätigkeit verwiesen werden.
Der Kläger erhob am 21. Mai 2004 Klage zum Sozialgericht Reutlingen (SG). Sein Gesundheitszustand habe sich verschlechtert. Da er Schwerbehinderter sei, seien die Kündigungen rechtsunwirksam gewesen. Im Übrigen beurteile sich seine Arbeitsunfähigkeit nach seiner letzten Tätigkeit. Soweit er für fähig gehalten werde, leichte Tätigkeiten ohne Heben schwerer Lasten und ohne häufiges Treppensteigen zu verrichten, entspreche dies nicht seiner letzten Tätigkeit oder ähnlichen Tätigkeiten. Die von ihm in die Reinigungsanlage einzusetzenden und herauszuhebenden Körbe hätten ein Gewicht von zehn bis 30 kg, manchmal von 20 bis 40 kg gehabt.
Die Beklagte trat der Klage entgegen.
Das SG hörte Arzt für Allgemeinmedizin Dr. H. als sachverständigen Zeugen. Er nannte in der schriftlichen Aussage vom 03. November 2004 Untersuchungen bis 11. Dezember 2003, dann wieder im Zeitraum vom 05. Januar 2004 bis 25. Mai 2004 sowie nochmals am 03. September und 12. Oktober 2004; Bescheinigungen von Arbeitsunfähigkeit für den hier streitigen Zeitraum wurden nicht genannt.
Facharzt für Innere Medizin, Lungen- Bronchialheilkunde Dr. L. erstattete das Gutachten vom 21. April 2005. Am 12. Dezember 2003 habe eine chronische obstruktive Bronchitis verursacht durch "therapieresistentes" Rauchen mit leichter irreversibler Dauerschädigung durch dieses Rauchen vorgelegen. Der Gesundheitszustand von Seiten der Bronchien habe sich gegenüber der vorherigen Begutachtung vom 17. Juli 2003 eher etwas gebessert. Im Dezember 2003 sei der Kläger imstande gewesen, leichte Arbeiten mit Heben von Lasten bis zehn kg, gelegentlich auch 25 kg zu leisten ohne häufiges Treppensteigen und ohne Inhalation von reizenden Stoffen.
Durch Urteil vom 12. Mai 2006 wies das SG die Klage ab. Gestützt auf die Gutachten Dr. Sc. vom 12. Dezember 2003 und 17. Februar 2004 sowie das Gerichtsgutachten Dr. L. vom 21. April 2005 sei zu der Überzeugung zu gelangen, der Kläger sei für seinen letzten Arbeitsplatz als Produktionsarbeiter ab 20. Dezember 2003 arbeitsfähig gewesen. Selbst wenn jedoch aus gesundheitlichen Gründen die zuletzt verrichtete Arbeit nicht mehr möglich gewesen sein sollte, hätte der Kläger ab dem Wegfall des Arbeitsplatzes aufgrund der Produktionseinstellung vom 31. Juli 2003, spätestens aber ab der Arbeitslosmeldung am 29. Dezember 2003 gleiche oder ähnlich geartete Tätigkeiten leisten können, zu denen auch Tätigkeiten als Produktionsarbeiter mit Maschinenbedienung gehörten, die nicht speziell mit dem Umgang mit Chemikalien, mit der Inhalation von Reizstoffen und nicht mit häufigem schwerem Heben und Tragen oder anderen schweren körperlichen Belastungen verbunden gewesen wären.
Gegen das am 16. August 2006 zugestellte Urteil hat der Kläger am 18. August 2006 beim Landessozialgericht Berufung eingelegt und zunächst - wie beim SG - Krankengeld bis zum 26. November 2004 begehrt. Dieses Begehren hat er in der mündlichen Verhandlung des Senats im Hinblick auf den Aufenthalt in der Türkei ab 01. Juni 2004 auf die Zeit bis 31. Mai 2004 beschränkt. Er hat vorgetragen, bei der Tätigkeit an der Reinigungsanlage sei er trotz der Lüftungsanlage den Dämpfen der Reinigungsanlage ausgesetzt gewesen, weil die Dämpfe trotz Entlüftungsanlage nicht vollständig und ausreichend abgesaugt worden seien sowie regelmäßig das Reinigungsbad habe gewechselt werden müssen. Die Auskunft des Arbeitgebers sei unrichtig, soweit angegeben sei, die vorgeschriebene Schutzkleidung sei wohl immer getragen worden. Das Arbeitsverhältnis habe laut dem gerichtlichen Vergleich bis 29. Februar 2004 gedauert, sodass bis dahin und zumindest in den ersten sechs Monaten nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses die konkrete letzte Tätigkeit der Maßstab für die Beurteilung der Arbeitsfähigkeit sein müsse. Des Weiteren habe er nicht schwer heben und tragen können, da er an einer im Jahr 2005 operativ behandelten Rotatorenmanschettenruptur gelitten habe. In der Zeit vom 20. Dezember 2003 bis 26. November 2004 seien keine Krankschreibungen erfolgt, da Allgemeinarzt Dr. H. die Auffassung vertreten habe, dies sei nicht erforderlich, wenn die Beklagte die Krankmeldungen nicht akzeptiere. Im Übrigen habe er (ab 29. Dezember 2003) Leistungen der Agentur für Arbeit bezogen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 12. Mai 2006 abzuändern und die Beklagte unter Abänderung des Bescheids vom 17. Dezember 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 07. Mai 2004 zu verurteilen, dem Kläger vom 20. Dezember 2003 bis 31. Mai 2004 Krankengeld zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil und ihre Bescheide im Ergebnis weiterhin für zutreffend.
Der Senat hat die Leistungsakten der Agentur für Arbeit Balingen beigezogen.
Zur weiteren Darstellung wird auf den Inhalt der Berufungsakten, der Klageakten, der von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten und der weiteren beigezogenen Akten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Klägers ist zulässig. Der Beschwerdewert von EUR 500,00 nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) in der bis 31. März 2008 geltenden Fassung, die hier für die zu diesem Zeitpunkt bereits eingelegte Berufung noch maßgeblich ist, ist überschritten. Bei einem kalendertäglichen Regelentgelt von EUR 81,73, das der Berechnung des Krankengeldes bis 19. Dezember 2003 zugrunde lag (vgl. Bescheinigung der Beklagten für die Bundesagentur für Arbeit, Bl. 5 deren Leistungsakte), ergibt sich für den bei Berufungseinlegung streitigen Zeitraum vom 20. Dezember 2003 bis 26. November 2004 ein deutlich über EUR 500,00 liegender Betrag.
Die Berufung hat jedoch in der Sache keinen Erfolg. Das SG hat zutreffend entschieden, dass die Beklagte die Zahlung von Krankengeld vom 20. Dezember 2003 bis 31. Mai 2004 zu Recht abgelehnt hat.
Nach § 44 Abs. 1 Satz 1 des Fünften Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB V) haben Versicherte Anspruch auf Krankengeld, wenn - abgesehen von den hier nicht gegebenen Fällen stationärer Behandlung - Krankheit sie arbeitsunfähig macht. Das bei Entstehung des streitigen Krankengeldanspruchs bestehende Versicherungsverhältnis bestimmt, wer in welchem Umfang als "Versicherter" einen Anspruch auf Krankengeld hat (vgl. z. B. Bundessozialgericht - BSG - SozR 4-2500 § 44 Nrn. 12 und 14, ständige Rechtsprechung). Der Kläger war bei Eintritt der Arbeitsunfähigkeit am 26. Mai 2003 als versicherungspflichtig Beschäftigter versicherungspflichtiges Mitglied der Beklagten nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V. Er war als Maschinenarbeiter an einer Reinigungsanlage beschäftigt. Diese konkrete Tätigkeit ist jedenfalls bis zum Ende des Beschäftigungsverhältnisses Maßstab für die Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit. Allerdings kann dahingestellt bleiben, ob der Kläger diese Tätigkeit noch ausüben konnte. Denn es fehlt jedenfalls bis zum Ende des Beschäftigungsverhältnisses an der (vertrags-)ärztlichen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit.
Das Entstehen des Anspruchs auf Krankengeld setzt - abgesehen von hier nicht gegebenen stationären Behandlungen - voraus, dass die Arbeitsunfähigkeit (vertrags-)ärztlich festgestellt wird. Nach § 46 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB V entsteht der Leistungsanspruch (erst) von dem Tag an, der auf den Tag dieser ärztlichen Feststellung folgt. Ohne diese Feststellung kann kein Anspruch entstehen. Damit sollen Missbrauch und praktische Schwierigkeiten vermieden werden, zu denen nachträgliche Behauptungen und rückwirkende Bescheinigungen beitragen könnten. Die Vorschrift ist nicht als bloße Zahlungsvorschrift zu verstehen (vgl. BSG SozR 3-2500 § 44 Nr. 10; SozR 4-2500 § 44 Nr. 12). Der Versicherte muss auf die (vertrags-)ärztliche Feststellung der Arbeitsunfähigkeit gemäß § 46 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB V hinwirken und die entsprechende Bescheinigung der Krankenkasse vorlegen. Kommt er dieser Meldeobliegenheit nicht innerhalb einer Woche nach Beginn der Arbeitsunfähigkeit nach, ruht der nach §§ 44 Abs. 1 Satz 1, 46 SGB V entstandene Leistungsanspruch gemäß § 49 Abs. 1 Nr. 5 SGB V. Hiernach ruht der Anspruch, solange die Arbeitsunfähigkeit der Krankenkasse nicht gemeldet wird; dies gilt nicht, wenn die Meldung innerhalb einer Woche nach Beginn der Arbeitsunfähigkeit erfolgt. Die Meldeobliegenheit ist vor jeder erneuten Inanspruchnahme des Krankengeldes zu erfüllen, auch nach einer vorübergehend leistungsfreien Zeit, selbst wenn die Arbeitsunfähigkeit seit Beginn durchgängig fortbestanden hat (BSG SozR 3-2500 § 49 Nr. 4). Das gleiche gilt auch bei ununterbrochenem Leistungsbezug, wenn wegen der Befristung der bisherigen Krankschreibung über die Weitergewährung des Krankengeldes zu befinden ist (BSG a.a.O.). Auch dann muss der Versicherte die Fortdauer der Arbeitsunfähigkeit grundsätzlich rechtzeitig vor Fristablauf (vertrags )ärztlich feststellen lassen und der Krankenkasse melden, will er das Erlöschen oder das Ruhen des Leistungsanspruchs vermeiden (BSG SozR 4-2500 § 46 Nr. 1). Von dieser gesetzlich angeordneten Feststellungs- und Meldepflicht kann auch während eines laufenden Rechtsbehelfsverfahrens nicht abgesehen werden, da §§ 46 Abs. 1 Nr. 2, 49 Abs. 1 Nr. 5 SGB V eine solche Ausnahme nicht vorsehen. Dies ist auch folgerichtig, da die Krankenkasse die Befunde, die nach ärztlicher Einschätzung zur Arbeitsunfähigkeit führen, zeitnah überprüfen können muss. Es handelt sich mithin nicht um einen bloßen Formalismus. Ausnahmen hiervon hat die Rechtsprechung nur in sehr begrenzten Ausnahmefällen anerkannt, zu welchen die Betreibung eines Rechtsbehelfsverfahrens allein nicht zählt (vgl. hierzu und zur Zulässigkeit nachträglicher Beurteilungen der Arbeitsunfähigkeit ausführlich nochmals BSG SozR 4-2500 § 46 Nr. 1).
Für den hier streitigen Zeitraum vom 20. Dezember 2003 bis 26. November 2004 ist Arbeitsunfähigkeit (vertrags-)ärztlich bescheinigt worden nur am 02. April 2004 bis einschließlich 14. April 2004, am 15. April 2004 bis einschließlich 29. April 2004 sowie nochmals vom 13. Mai 2004 bis einschließlich 27. Mai 2004 (Bl. 36 ff. der Leistungsakte der Agentur für Arbeit). Für die übrigen Zeiträume wurden ärztliche Bescheinigungen nicht vorgelegt.
Die Rechtsprechung hat - allerdings die ebenfalls unverzügliche Meldung der Arbeitsunfähigkeit gegenüber der Krankenkasse voraussetzend - in engen Grenzen Ausnahmen von der wortgetreuen Auslegung des § 46 Abs. 1 Nr. 2 und des § 49 Abs. 1 Nr. 5 SGB V anerkannt, etwa dann, wenn die (vertrags-)ärztliche Feststellung oder die Meldung der Arbeitsunfähigkeit durch Umstände verhindert oder verzögert worden ist, die dem Verantwortungsbereich der Krankenkasse und nicht dem Versicherten zuzurechnen sind. So kann sich beispielsweise die Krankenkasse nicht auf den verspäteten Zugang der Meldung berufen, wenn diese auf von ihr zu vertretenden Organisationsmängeln beruht und der Versicherte hiervon weder wusste noch wissen musste (BSGE 52, 254, 258 ff. = SozR 2200 § 216 Nr. 5). Hat der Versicherte alles in seiner Macht Stehende und ihm Zumutbare getan, um seine Ansprüche zu wahren, wurde daran aber durch eine von der Krankenkasse zu vertretende Fehlentscheidung gehindert (z.B. durch die Fehlbeurteilung der Arbeitsunfähigkeit seitens Vertragsarzt und MDK), und macht er zusätzlich seine Rechte bei der Krankenkasse unverzüglich geltend (spätestens innerhalb der zeitlichen Grenzen des § 49 Abs. 1 Nr. 5 SGB V nach Erlangung der Kenntnis von dem Fehler), kann er sich auf den Mangel auch zu einem späteren Zeitpunkt berufen (BSG SozR 4-2500 § 46 Nr. 1). Unter diesen engen Voraussetzungen kann die Unrichtigkeit der ärztlichen Beurteilung gegebenenfalls auch durch die nachträgliche Einschätzung eines anderen ärztlichen Gutachters nachgewiesen werden und der Versicherte dann ausnahmsweise rückwirkend Krankengeld beanspruchen. Diese Ausnahme gilt jedoch nur dann, wenn der Versicherte unverzüglich nach Kenntnisnahme der Fehlbeurteilung dies seiner Krankenkasse meldet, um sich sein Recht auf nachträgliche Zuerkennung der Ansprüche zu erhalten. Andernfalls beruht die Verzögerung der Meldung nicht mehr wesentlich auf einem Fehler, der dem Verantwortungsbereich der Krankenkasse zuzurechnen ist. § 49 Abs. 1 Nr. 5 SGB V gibt auch insoweit den äußersten zeitlichen Rahmen vor, der dem Versicherten bei nachträglicher Meldung der Arbeitsunfähigkeit verbleibt (vgl. zum Ganzen nochmals BSG SozR 4-2500 § 46 Nr. 1).
Der Kläger war nicht gehindert, nach Kenntnis des Schreibens und des Bescheids der Beklagten vom 17. Dezember 2003, Arbeitsunfähigkeit liege nicht mehr vor, innerhalb einer Woche nach dem Ende der bis 19. Dezember 2003 angenommenen Arbeitsunfähigkeit die Beklagte auf deren angebliche Fehlbeurteilung hinzuweisen. Die Wochenfrist lief vom 20. Dezember 2003 bis Montag, 29. Dezember 2003. Innerhalb dieses Zeitraums war der Kläger aber nicht bei Dr. H. in Behandlung, wie sich aus dessen Auskunft für das SG vom 03. November 2004 ergibt. Der Kläger suchte den Arzt erstmals wieder am 05. Januar 2004 auf. Stattdessen meldete er sich am 29. Dezember 2003 bei der Agentur für Arbeit Balingen arbeitslos, ohne sich hinsichtlich seiner Vermittlungsfähigkeit einzuschränken und insbesondere ohne vorsorglich anzugeben, er sei arbeitsunfähig.
Ein Anspruch auf Krankengeld besteht auch nicht für die Zeiten vom 03. bis 14. April 2004, 16. bis 29. April 2004 und 13. bis 27. Mai 2004, für welche Arbeitsunfähigkeit (vertrags-)ärztlich bescheinigt ist. Mit dem Ende des Beschäftigungsverhältnisses zum 29. Februar 2004 endete auch die Versicherungspflicht als Beschäftigter nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V. Diese Mitgliedschaft blieb nicht nach § 192 Abs. 1 Nr. 2 SGB V erhalten, weil nach dem 29. Februar 2004 weder Krankengeld tatsächlich gezahlt wurde noch ein Anspruch hierauf bestand. Der Kläger war stattdessen nunmehr versicherungspflichtiges Mitglied der Beklagten in der Krankenversicherung der Arbeitslosen nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 SGB V. Maßstab für die Beurteilung seiner Arbeitsunfähigkeit sind dann alle Beschäftigungen, die ihm zu diesem Zeitpunkt gemäß § 121 Abs. 3 Satz 3 des Dritten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB III) nach dem Recht der Arbeitsförderung zumutbar waren. Ein nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 SGB V versicherter Arbeitsloser ist arbeitsunfähig im Sinne von § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB V, wenn er aufgrund gesundheitlicher Einschränkungen nicht mehr in der Lage ist, Arbeiten zu verrichten, für die er sich der Arbeitsverwaltung zwecks Vermittlung zur Verfügung gestellt hat (BSG SozR 4-2500 § 44 Nr. 6). Unter Berücksichtigung des vom SG erhobenen Gutachtens Dr. L. vom 21. April 2005 ist fraglich, ob in diesen Zeiträumen Arbeitsunfähigkeit bestand. Selbst wenn man dies zugunsten des Klägers annimmt, hatte er keinen Anspruch auf Zahlung von Krankengeld, weil der Anspruch nach § 49 Abs. 1 Nr. 3a SGB V ruhte. Denn der Kläger hat in diesen Zeiträumen Arbeitslosengeld bezogen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Zur Zulassung der Revision bestand kein Anlass.
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