L 17 R 256/05

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
17
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 7 RA 4706/03
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 17 R 256/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 24. Januar 2005 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist, ob die Beklagte als Versorgungsträger für das Zusatzversorgungssystem Nr. 1 der Anlage 1 zum Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz (AAÜG) verpflichtet ist, für Beschäftigungszeiten des Klägers vom 18. September 1967 bis 4. März 1974 und vom 2. Februar 1976 bis 30. Juni 1990 Zeiten der Zugehörigkeit zur Altersversorgung der technischen Intelligenz (AVItech) sowie die entsprechenden Arbeitsentgelte festzustellen.

Der 1943 geborene Kläger besuchte vom 1. September 1964 bis 31. Juli 1967 die Ingenieurschule für Automatisierungstechnik L und erwarb die Berechtigung, die Berufsbezeichnung "Ingenieur" zu führen (Ingenieururkunde der Ingenieurschule vom 31. Juli 1967). Anschließend war er vom 18. September 1967 bis 4. März 1974 bei dem VEB Geräte- und Regler-Werke Teltow als Ingenieur und ab 2. Februar 1976 als Projektierungsingenieur bei dem VEB Straßeninstandhaltung Berlin bzw. (ab 1. Januar 1978) bei dem VEB Bezirksdirektion des Straßenwesens Berlin (VEB BDS Berlin) beschäftigt. In dieser Beschäftigung war er über den 30. Juni 1990 hinaus bei der B L- S GmbH tätig. Der VEB BDS Berlin (Rechtsnachfolger des VEB Straßeninstandhaltung Berlin) wurde nach den Eintragungen im Register des Amtsgerichts (AG) C zur Register-Nr. (Register der volkseigenen Wirtschaft) am 24. September 1990 von Amts wegen gelöscht und durch insgesamt sieben GmbH (darunter auch die BL- S GmbH) fortgeführt. Der Kläger war mit Wirkung vom 1. Februar 1980 der Freiwilligen Zusatzrentenversicherung beigetreten. Eine Versorgungszusage hatte er nicht erhalten.

Mit Bescheid vom 5. November 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. Juli 2003 lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers vom 22. Juni 2000 auf Feststellung der Beschäftigungszeit vom 18. September 1967 bis 30. Juni 1990 als Zeit der Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem der Anlage 1 zum AAÜG ab. Der Kläger sei weder in ein Versorgungssystem einbezogen gewesen noch habe er einen Anspruch auf eine Versorgungszusage gehabt. Im Juni 1990 habe er als Ingenieur eine seiner Qualifikation entsprechende Beschäftigung im VEB BDS Berlin ausgeübt. Es handele sich hierbei jedoch nicht um einen volkseigenen Produktionsbetrieb (Industrie oder Bau) und auch nicht um einen im Sinne von § 1 Abs. 2 der 2. Durchführungsbestimmung (2. DB) vom 24. Mai 1951 einem volkseigenen Produktionsbetrieb gleichgestellten Betrieb.

Dagegen hat der Kläger am 28. August 2003 bei dem Sozialgericht (SG) Berlin Klage erhoben und zur Begründung u.a. ausgeführt: Nach § 3 des Statuts des VEB Straßeninstandhaltung Berlin habe der Beschäftigungsbetrieb die Rechtsstellung eines "volkseigenen Betriebes gemäß der Verordnung über die Aufgaben, Rechte und Pflichten des Volkseigenen Produktionsbetriebes vom 9. Februar 1967" gehabt. Damit stehe bereits nach dem Statut außer Frage, dass der VEB BDS Berlin ein volkseigener Produktionsbetrieb gewesen sei. Der VEB BDS Berlin habe komplett neue Lichtsignalanlagen hergestellt und damit eine Sachleistung erbracht, wie sie nur durch einen Produktionsbetrieb habe erfolgen können. Die Instandhaltung bzw. Instandsetzung habe nur untergeordnete Bedeutung gehabt. Bei drei Arbeitskollegen (V, H, B) seien deren Beschäftigungen als Zeiten der Zugehörigkeit zum Zusatzversorgungssystem der Anlage 1 zum AAÜG anerkannt worden. Dem Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 8. Juni 2004 (B 4 RA 57/03 R) zur Bezirksdirektion des Straßenwesens liege ein anderer Sachverhalt zugrunde. Die einschlägige Aufgabenstellung der Bezirksdirektionen in den DDR-Bezirken habe sich außerhalb von Ostberlin auf Instandhaltung und Instandsetzung beschränkt. Die Errichtung von Anlagen habe den dortigen VEB Stadtbeleuchtung oblegen. Der Kläger hat u.a. das Statut des VEB Straßeninstandhaltung Berlin und Auszüge aus Geschäftsberichten/Arbeitsplänen der Bezirksdirektion des Straßenwesens für die Planjahre 1977 bis 1980 vorgelegt. Das SG hat Herrn H G (Fachdirektor für Verkehrsleittechnik im VEB BDS Berlin ab 1978) als Zeugen vernommen. Der Inhalt seiner Aussage ergibt sich aus der Anlage zur Sitzungsniederschrift vom 24. Januar 2005.

Mit Urteil vom 24. Januar 2005 hat das SG Berlin die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt: Die zulässige Klage sei nicht begründet. Der Kläger habe am 1. August 1991 keine Versorgungsanwartschaft aufgrund einer Zugehörigkeit zum Versorgungssystem AVItech gehabt, weil nach der am 30. Juni 1990 gegebenen Sachlage zum 1. Juli 1990 kein "bundesrechtlicher Anspruch auf Versorgungszusage" bestanden habe. Es spiele keine Rolle, ob die Beklagte (rechtswidrig) für ehemalige Kollegen des Klägers den VEB BDS Berlin als Produktionsbetrieb anerkannt habe. Der Kläger habe keinen Anspruch auf "Gleichbehandlung im Unrecht". Auch § 3 des Statuts des VEB Straßeninstandhaltung Berlin komme keine entscheidende Bedeutung zu. Der Kläger sei am 30. Juni 1990 nicht bei dem VEB Straßeninstandhaltung Berlin, sondern beim VEB BDS Berlin tätig gewesen. Der Arbeitgeber des Klägers am 30. Juni 1990 habe nicht zu dem Kreis von Betrieben gehört, die in die AVItech einbezogen gewesen seien. Damit sei das AAÜG auf den Kläger nicht anwendbar. Entgegen der Ansicht des Klägers habe die industrielle Produktion dem VEB BDS Berlin nicht das Gepräge gegeben. Der Bevollmächtigte des Klägers missverstehe den Begriff des Gepräges, wenn er (wie in der mündlichen Verhandlung vorgetragen) ausführe, ein Betrieb könne von verschiedenen Aufgaben sein Gepräge bekommen. Die Kammer habe bei Auswertung aller zugänglichen Unterlagen und bei Würdigung der Zeugenaussage keinen Zweifel gehabt, dass zwar die Produktion von Lichtsignalanlagen ein wichtiger Betriebsteil des VEB BDS Berlin gewesen sein dürfte, diese Aufgabe dem VEB BDS Berlin aber nicht das Gepräge gegeben habe. In erster Linie habe es sich um einen Betrieb der Straßeninstandhaltung gehandelt. Sehr anschaulich sei die Aussage des Zeugen zu der Verteilung der Mitarbeiter: den 300 Mitarbeitern im elektrotechnischen Teil (den man mit Produktionsaufgaben in Verbindung bringen könne) hätten 900 Mitarbeiter in der Straßenunterhaltung gegenübergestanden. Damit sei die überwiegende Zahl der Beschäftigten des VEB BDS Berlin mit der Straßenunterhaltung beschäftigt gewesen. Keine entscheidende Bedeutung habe der Umstand, welcher Anteil der industriellen Warenproduktion auf den elektrotechnischen Teil entfiele. Ein Betrieb werde nicht zwingend durch den Betriebsteil geprägt, der im Bereich der industriellen Warenproduktion den größten Umsatz/Gewinn erziele. Auch habe es sich bei dem Betrieb nicht um einen Baubetrieb gehandelt. Nach der Rechtsprechung des BSG seien der AVItech unterfallende Baubetriebe nur solche, die eine (Massen-) Produktion von Bauwerken ausgeführt hätten. Der Hauptzweck des VEB BDS Berlin sei nicht die Massenproduktion von Bauwerken gewesen. Der Straßenneubau habe grundsätzlich überhaupt nicht zu seinen Aufgaben gehört. Zuständig sei vielmehr der Hauptauftraggeber VH gewesen. Zu den Aufgaben des VEB des Straßenwesens habe das BSG im Urteil vom 8. Juni 2004 (B 4 RA 57/03 R) auf Seite 9 plausibel auf § 10 Abs. 2 iVm § 9 der Straßenverordnung (DDR) verwiesen. Bei dem dort beschriebenen Aufgabenschwerpunkt handele es sich ersichtlich nicht um die Massenproduktion von Bauwerken. Es sei nicht zu entscheiden gewesen, ob der Zuordnung zur Wirtschaftsgruppe 41180 (Betriebe der Straßenunterhaltung) entscheidende Bedeutung zukommen könne. Auch eine Gleichstellung mit einem volkseigenen Produktionsbetrieb liege nicht vor.

Gegen das ihm am 16. Februar 2005 zugestellte Urteil hat der Kläger am 14. März 2005 Berufung eingelegt. Zur Begründung vertiefte er sein Vorbringen im Klageverfahren: Die Herstellung und Errichtung von Lichtsignalanlagen habe dem VEB BDS Berlin das Gepräge gegeben. Das Gepräge eines Unternehmens werde nicht durch die Belegschaftsgröße der einzelnen Unternehmensbereiche bestimmt. Maßgebend sei die Umsatzverteilung. Nach Aussage des Zeugen G seien 55 % des Umsatzes des VEB BDS Berlin auf die industrielle Warenproduktion entfallen, im Wesentlichen auf die Herstellung und Errichtung von Lichtsignalanlagen. Auch habe dem VEB BDS Berlin nicht die Instandhaltung das Gepräge gegeben, sondern die Warenproduktion. Der Vergleich des VEB BDS Berlin mit den Bezirksdirektionen des Straßenwesens in den DDR-Bezirken sei unstatthaft. Der VEB BDS Berlin sei an die Abteilung V- N des Magistrats von B gekoppelt gewesen und an den H. Kein Fremdbetrieb habe für bzw. in B Lichtsignalanlagen hergestellt und errichtet. Der Produktionsbereich bei dem VEB BDS Berlin sei durch die Übertragung nicht dem Produktionsbereich zuzurechnende Aufgaben auf den H noch verstärkt worden. Der zum 1. Juli 1977 gebildete H habe die Vorbereitung, Koordinierung und Durchführung von Verkehrsbaumaßnahmen gebündelt. In dem Strukturplan des VEB BDS Berlin nehme die Produktion insbesondere von Lichtsignalanlagen einen breiten Raum ein. Sie sei ein eigenständiger Produktionsbereich und zugleich die tragende Säule des VEB BDS Berlin gewesen. Der VEB BDS Berlin habe Steuergeräte und Signalgeber für Lichtsignalanlagen sowie Kabel, Masten und sonstige Materialien von Herstellern bezogen. Aus den einzelnen Teilen seien von ihm funktionstüchtige Lichtsignalanlagen hergestellt worden. Dazu habe der VEB BDS Berlin die für die Herstellung der Anlagen erforderlichen übrigen Sachleistungen von der Projektierung bis zu den notwendigen Errichtungsarbeiten (Tief- und Straßenbau, Beschilderung und Markierung) erbracht. Der VEB BDS Berlin habe also komplette neue Lichtsignalanlagen erstellt und damit eine Sachleistung erbracht, wie sie nur durch einen Produktionsbetrieb (Industrie oder Bauwesen) erfolge. Der vom SG in die AVItech hineininterpretierte und vom BSG übernommene Begriff der Massenproduktion finde im Gesetz keinen Rückhalt. Ebenso wenig finde eine Beschränkung der AVItech auf die Errichtung von Bauwerken im Wohnungsbau und eine Ausklammerung von anderen Baubereichen als so genannte Infrastrukturmaßnahmen in der gesetzlichen Regelung keinen Anhaltspunkt. Auch eine Lichtsignalanlage sei ein Bauwerk. Er rege an, die Revision zuzulassen.

Der Kläger beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 24. Januar 2005 sowie den Bescheid der Beklagten vom 5. November 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. Juli 2003 aufzuheben und diese zu verpflichten, die Beschäftigungszeiten vom 18. September 1967 bis 4. März 1974 und vom 2. Februar 1976 bis 30. Juni 1990 als Zeiten der Zugehörigkeit zum Zusatzversorgungssystem Nr. 1 Anlage 1 zum Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz sowie die in diesen Zeiträumen tatsächlich erzielten Arbeitsentgelte festzustellen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Zur Begründung führt sie aus, dass die industrielle Produktion dem VEB BDS Berlin nicht das Gepräge gegeben habe. Seine Hauptaufgabe sei die Straßeninstandhaltung gewesen, nicht die Produktion von Lichtsignalanlagen.

Die Beklagte hat vorgelegt: Registerauszug des AG C zur Register-Nr. (Register der volkseigenen Wirtschaft), Anweisung des Magistrats von B über die Gründung des VEB BDS Berlin vom 30. Dezember 1977, Strukturplan des VEB BDS Berlin sowie Beschlussvorlagen des Magistrats von B und.

Wegen des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf deren vorbereitende Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Die Akte der Beklagten sowie die Gerichtsakte haben vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht erhobene Berufung des Klägers ist zulässig, aber nicht begründet. Das angefochtene Urteil des SG ist rechtmäßig.

Der Kläger hat keinen mit der Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§ 54 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz - SGG) durchsetzbaren Anspruch gemäß § 8 Abs. 3 Satz 1 iVm Abs. 1 AAÜG auf Feststellung von Zeiten der Zugehörigkeit zum Zusatzversorgungssystem Nr. 1 der Anlage 1 zum AAÜG sowie der entsprechenden Arbeitsentgelte gemäß § 8 Abs. 2 AAÜG für die Zeiträume vom 18. September 1967 bis 4. März 1974 und vom 2. Februar 1976 bis 30. Juni 1990.

Der Kläger erfüllt die beiden ausdrücklich in § 1 Abs. 1 AAÜG genannte Tatbestände nicht. Er war bei In-Kraft-Treten des AAÜG am 1. August 1991 weder Inhaber einer Versorgungsberechtigung (Satz 1 aaO), noch war er in der DDR vor dem 1. Juli 1990 (= Zeitpunkt der Schließung der Zusatzversorgungssysteme) in ein Versorgungssystem einbezogen und vor diesem Zeitpunkt rechtmäßig ausgeschieden (Satz 2 aaO). Der Kläger war auch nicht aufgrund einer Verwaltungsentscheidung oder aber einer Rehabilitierungsentscheidung in das Versorgungssystem einbezogen worden. Ihm war keine Versorgungszusage durch Aushändigung eines "Dokumentes über die zusätzliche Altersversorgung" erteilt worden.

Der Kläger war am 1. August 1991 auch nicht Inhaber einer fingierten Versorgungsanwartschaft (vgl. st. Rspr. des BSG, z.B. Urteile vom 7. September 2006, B 4 RA 39/05 R - veröffentlicht in juris -, und B 4 RA 41/05 R = SozR 4-8570 § 1 Nr. 11). Der fiktive bundesrechtliche Anspruch hängt im Bereich der AVItech gemäß § 1 der Verordnung über die zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben (VO-AVItech) vom 17. August 1950 (GBl S 844) und § 1 Abs. 1 der 2. DB von drei Voraussetzungen ab, die kumulativ am 30. Juni 1990 erfüllt gewesen sein müssen (vgl. BSG, Urteil vom 7. September 2006, B 4 RA 41/05 R, aaO, mwN): 1. von der Berechtigung, eine bestimmte Berufsbezeichnung zu führen (persönliche Voraussetzung), 2. der Ausübung einer entsprechenden Tätigkeit (sachliche Voraussetzung) und 3. der Ausübung dieser Beschäftigung in einem volkseigenen Produktionsbetrieb im Bereich der Industrie oder des Bauwesens (§ 1 Abs. 1 2. DB) oder in einem durch § 1 Abs. 2 2. DB gleichgestellten Betrieb (betriebliche Voraussetzung).

Zwar erfüllt der Kläger die persönliche und die sachliche Voraussetzung. Denn er war berechtigt, die ihm durch staatliche Zuerkennungsakte verliehenen Berufsbezeichnungen "Ingenieur" (Urkunde vom 31. Juli 1967) zur führen. Auch war er am Stichtag, dem 30. Juni 1990, ingenieurtechnisch beschäftigt. Hierfür ist ausreichend, dass der Kläger als Projektierungsingenieur im Rahmen seines Berufsbildes beschäftigt und nicht berufsfremd eingesetzt war (vgl. BSG, Urteil vom 7. September 2006, B 4 RA 47/05 R = SozR 4-8570 § 1 Nr. 12).

Die dritte (betriebliche) Voraussetzung ist jedoch nicht gegeben. Denn der Kläger war am Stichtag weder in einem volkseigenen Produktionsbetrieb der Industrie oder des Bauwesens noch in einem gleichgestellten Betrieb im Sinne der 2. DB beschäftigt.

Ob die betriebliche Voraussetzung erfüllt ist, bestimmt sich danach, wer am maßgeblichen Stichtag Arbeitgeber im rechtlichen Sinne war. Abzustellen ist hierbei auf die tatsächlichen Gegebenheiten am 30. Juni 1990 (st. Rspr. des BSG, z.B. Urteile vom 7. September 2006, B 4 RA 39/05 R und B 4 RA 41/05 R, aaO). Danach war Arbeitgeber des Klägers im rechtlichen Sinn der VEB BDS Berlin. Denn nach dem Registerauszug des AG C zur Register-Nr. (Register der volkseigenen Wirtschaft) wurde der VEB BDS Berlin erst am 24. September 1990 von Amts wegen gelöscht. Sollte das Vermögen aus der bisherigen Fondsinhaberschaft des Betriebes allerdings bereits vor dem Stichtag auf die den VEB fortführenden insgesamt sieben GmbH übergegangen sein, wäre die betriebliche Voraussetzung bereits deshalb nicht gegeben, weil der VEB BDS Berlin dann kein Produktionsbetrieb mehr war und nur noch als "leere Hülle" betrachtet werden könnte (vgl. dazu Thüringer LSG, Urteil vom 29. Januar 2006, L 6 R 509/05; LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 12. September 2008, L 4 R 346/05 = anhängig BSG, B 13 RS 2/08 R; beide veröffentlicht in juris).

Der VEB BDS Berlin war jedenfalls kein Produktionsbetrieb der Industrie oder des Bauwesens iS der Rechtsprechung des BSG. Auf die Auslegung der Versorgungsordnung durch die Staatsorgane der früheren DDR oder auf deren Verwaltungspraxis kommt es nicht an. Die Rechtsvorschriften sind nur faktische Anknüpfungspunkte für die - ausschließlich auf der Grundlage des am 1. August 1991 geltenden Bundesrechts - vorzunehmende Rechtsanwendung (dazu BSG, Urteil vom 30. Juni 1998, B 4 RA 11/98 R, veröffentlicht in juris). Auch kommt es nicht darauf an, ob der VEB BDS Berlin nach dem allgemeinen Sprachgebrauch der DDR Waren oder Dienstleistungen in einem weit verstandenen Sinn "produziert" oder er die Rechtsstellung eines "volkseigenen Betriebes gemäß der Verordnung über die Aufgaben, Rechte und Pflichten des Volkseigenen Produktionsbetriebes vom 9. Februar 1967" hatte. Denn die Versorgungsordnung begrenzte den Anwendungsbereich auf volkseigene Produktionsbetriebe der Industrie oder des Bauwesens (vgl. BSG, Urteil vom 9. April 2002, B 4 RA 41/01 R = SozR 3-8750 § 1 Nr. 6). Maßgeblich für die - fiktive - Einbeziehung in die AVItech ist allein der versorgungsrechtliche Begriff "Produktionsbetrieb", den das BSG unter Einbeziehung von Sinn und Zweck der AVItech ermittelt hat. Danach muss der Hauptzweck des Betriebes die industrielle (serienmäßig wiederkehrende) Fertigung, Herstellung, Anfertigung, Fabrikation von Sachgütern bzw. die Errichtung (Massenproduktion) von baulichen Anlagen iS des fordistischen Produktionsmodells gewesen sein (vgl. BSG, Urteil vom 18. Dezember 2003, B 4 RA 14/03 R, veröffentlicht in juris; Urteil vom 8. Juni 2004, B 4 RA 57/03 R, veröffentlicht in juris).

Der vom VEB BDS Berlin verfolgte Hauptzweck war nach dem Gesamtbild der vorliegenden Unterlagen nicht die Massenproduktion von Bauwerken (vgl. dazu auch Urteile des LSG Berlin-Brandenburg vom 6. September 2007 - L 8 R 1621/05 -, veröffentlicht in juris; 30. November 2005 - L 17 RA 4/04 - und 24. Februar 2006 - L 22 R 1832/05 -, beide nicht veröffentlicht) bzw. von Lichtsignalanlagen als "Bauwerke". Nach der Anweisung des Magistrats von B über die Gründung des VEB BDS Berlin vom 30. Dezember 1977 hatte der Betrieb mit seiner Gründung zum 1. Januar 1978 die Aufgaben der B Straßenwesens Bund des VEB Straßeninstandhaltung Berlin übernommen (ohne Aufgaben des H). Aus dem Statut des VEB Straßeninstandhaltung Berlin, den Geschäftsberichten bzw. Arbeitsplänen der Bezirksdirektion des Straßenwesens bzw. des späteren VEB und dem vorliegenden Strukturplan des VEB BDS Berlin ergibt sich, dass die Straßenunterhaltung die Hauptaufgabe des VEB BDS Berlin war. Insoweit unterschied sich der VEB BDS Berlin nicht wesentlich von den VEB des Straßenwesens in den DDR-Bezirken. Sein Hauptzweck deckte sich mit den Vorgaben des DDR-Rechts. Nach den in § 10 Abs. 2 iVm § 9 der Straßenverordnung umschriebenen Aufgaben der VEB des Straßenwesens hatten diese Betriebe auf den Stadt- und Gemeindestraßen u.a. Maßnahmen der Instandhaltung, der Erhaltung und Erweiterung der öffentlichen Straßen, der Errichtung, Instandhaltung und Erhaltung von Lichtsignalen und sonstigem Zubehör durchzuführen und für die Durchführung des Straßenwinterdienstes, der Pflege der Straßengehölze zu sorgen sowie Maßnahmen an den Straßenverkehrsanlagen zur Verminderung des Verkehrslärms und der Beeinträchtigung der Anlieger durch Erschütterungen durchzuführen (§ 10 Abs. 1 und Abs. 2 der Straßenverordnung). Auch der Zeuge G hat schlüssig und überzeugend bekundet, dass der VEB BDS Berlin ein Konglomerat darstellte und Aufgaben z.B. aus dem Bereich der Straßenverwaltung(vormals S), daneben Aufgaben der Straßenunterhaltung und auch einen elektrotechnischen Teil hatte. Die Straßenunterhaltung (Herstellung von Asphalt, Erhaltung des Straßenbestandes, Bau und Wartung von Verkehrsleiteinrichtungen, Fahrbahnmarkierungen, Gullyeinbau, Straßenbeleuchtung und Lichtsignalanlagen) war nach der Aussage des Zeugen G die Hauptaufgabe.

Darüber hinaus war der VEB BDS Berlin auch kein Produktionsbetrieb der Industrie. So erscheint bereits zweifelhaft, ob der Zusammenbau von Lichtsignalanlagen nur für das Stadtgebiet von B (ohne den Westteil der Stadt) überhaupt unter dem Begriff der industriellen (serienmäßig wiederkehrenden) Fertigung, Herstellung, Anfertigung oder Fabrikation von Sachgütern im Sinne eines "fordistischen" Produktionsmodells gefasst werden kann, oder ob es sich dabei (noch) um eine handwerkliche Produktion gehandelt hat. Darüber hinaus übersieht der Kläger, dass schon nach seinem eigenen Vortrag neben der Zusammensetzung ("Produktion") von Lichtsignalanlagen (als reinen Sachgütern) auch Projektierungs- und Ausführungsleistungen vom Betrieb erbracht wurden und dieser Aufgabenbereich nur einen Teilbereich des gesamten VEB BDS Berlin darstellte. Dieser Teilbereich hatte dem Betrieb - auch im Hinblick auf die Straßenunterhaltung als Hauptaufgabe - offenkundig nicht das Gepräge gegeben. Ein deutliches Indiz hierfür ist die Tatsache, dass lediglich ca. 250 bis 300 von insgesamt 1.500 Beschäftigten nach der Aussage des Zeugen G im "elektrotechnischen Teil" des Betriebes tätig waren, wobei zu dem "elektrotechnischen Teil" nicht nur der Bereich Lichtsignalanlagen, sondern auch der Bereich Straßenbeleuchtung gehörte. Der vom Zeugen G geschätzte Anteil des Umsatzes der industriellen Warenproduktion des "elektrotechnischen Teils" (55 Millionen Mark) an der gesamten industriellen Warenproduktion des VEB (100 Millionen Mark) ist allenfalls ein Indiz, dass die "Produktion" von Lichtsignalanlagen und Straßenbeleuchtungen tatsächlich wichtige Betriebsteile des VEB BDS Berlin waren. Weitere Schlussfolgerungen für das Gepräge des Betriebes sind hieraus nicht herzuleiten, zumal sich der vom Zeugen geschätzte Anteil (Umsatz an der Warenproduktion) nicht nur auf die "Produktion" von Lichtsignalanlagen bezieht, sondern auch die "Produktion" von Straßenbeleuchtungen umfasst. Auch ist es im Hinblick auf das Gesamtbild und die Bandbreite der Aufgaben des VEB BDS Berlin ohne Bedeutung, ob der Betrieb tatsächlich - anders als die Bezirksdirektionen des Straßenwesens der DDR-Bezirke - nicht die Instandsetzung und Instandhaltung von Lichtsignalanlagen betrieb. Die Systematik der Volkswirtschaftszweige der DDR mit einer Zuordnung des Beschäftigungsbetriebes zu der Wirtschaftsgruppe 41180 (Verwaltung und Instandhaltung des klassifizierten öffentlichen Straßennetzes) ist ein weiteres Indiz dafür, dass der Hauptzweck des VEB BDS Berlin die Straßenunterhaltung war.

Der VEB BDS Berlin war nach seinem Unternehmens- und Betriebszweck kein gleichgestellter Betrieb. Eine der in § 1 Abs. 2 2. DB genannten Betriebsarten kommt insoweit nicht in Betracht.

Aus den vom Kläger behaupteten positiven Feststellungen von Zugehörigkeitszeiten zur AVItech für ehemalige Arbeitskollegen folgt nichts anderes. Wer bis zum Zeitpunkt der Schließung der Versorgungssysteme nicht versorgungsberechtigt oder einbezogen war und im Zeitpunkt der Schließung der Systeme auch nach den Vorgaben der einschlägigen Versorgungsordnung nicht zwingend einzubeziehen war, konnte nach Schließung der Zusatz- und Sonderversorgungssysteme am 30. Juni 1990 keine neuen Ansprüche und Anwartschaften mehr erwerben. Dass dies verfassungsgemäß ist, hat das Bundesverfassungsgericht inzwischen bestätigt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 4. August 2004, 1 BvR 1557/01 = SozR 4-8570 § 5 Nr. 4). Der allgemeine Gleichheitsgrundsatz (Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz) gebietet nicht, möglicherweise rechtswidrige Feststellungen zugunsten von Arbeitskollegen des Klägers als Maßstab für die Entscheidung des Gerichts zu nehmen. Rechtlich ist ein Anspruch auf Gleichbehandlung im Unrecht ohnehin nicht zu begründen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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