L 7 Ka 5/89 A

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
7
1. Instanz
SG Frankfurt (HES)
Aktenzeichen
-
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 7 Ka 5/89 A
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Bemerkung
mit Berichtigungsbeschluss
Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 9. Dezember 1968 wird zurückgewiesen.

Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

Gründe:

Der Antragsteller ist seit 1976 als Urologe in L. niedergelassen, als Kassenarzt zugelassen und als Vertragsarzt beteiligt.

Auf Anregung der AOK wurde gegen den Antragsteller ein Disziplinarverfahren durch den Disziplinarausschuß der Antragsgegnerin eingeleitet. Mit Beschluss vom 12. Oktober 1988 ordnete der Disziplinarausschuß das Ruhen der Zulassung des Antragstellers zur kassen- und vertragsärztlichen Tätigkeit für 3 Monate an und zwar mit Wirkung vom 1. Januar 1989 bis zum 31. März 1989. In der Begründung wurden dem Antragsteller eine Vielzahl von Honorarkürzungen in mehreren Quartalen bzw. erfolgte Arzneikostenregresse wegen unwirtschaftlicher Behandlungs- und Verordnungsweise vorgeworfen. Dieser fortgesetzte Verstoß gegen das Gebot der Wirtschaftlichkeit sei eine gröbliche Pflichtverletzung der kassenärztlichen Verpflichtungen des Antragstellers. Die Berechtigung der Honorarkürzungen sei im übrigen in den meisten Fällen offensichtlich, da die Prüfungsbescheide rechtskräftig geworden seien. Im übrigen räume der Antragsteller selbst ein, daß seine Behandlungsweise nicht immer dem Gebot der Wirtschaftlichkeit entspreche.

Der Antragsteller erhob gegen diesen am 4. November 1988 zugestellten Beschluss Klage vor dem Sozialgericht in Frankfurt am Main und zwar am 15. November 1988, Eingang bei Gericht 18. November 1988.

Gleichzeitig stellte er beim Sozialgericht in Frankfurt am Main ebenfalls mit Schriftsatz vom 15. November 1988, Eingang bei Gericht am 18. November 1988 den Antrag, die in dem Beschluss des Disziplinarausschusses angeordnete Vollziehung auszusetzen. Die Vollziehung dieses Bescheides liege nicht im öffentlichen Interesse. Der Antragsteller wies darauf hin, daß er bereits vor Erlaß der Disziplinarmaßnahme Maßnahmen unternommen habe, um in Zukunft Abrechnungsfehler bei der Honorarabrechnung zu vermeiden. Da im übrigen auch der Inhalt der Disziplinarentscheidung nicht rechtsfehlerfrei sei, würde das Ruhen der Zulassung für die ersten 3 Monate des Jahres 1989 erhebliche existenzielle Beeinträchtigung für ihn bedeuten.

Die Antragsgegnerin vertrat in der ersten Instanz die Auffassung, daß eine Klage gegen den Beschluss des Disziplinarausschusses keine aufschiebende Wirkung habe. Der Antrag des Antragstellers könne allenfalls so verstanden werden, daß er einen Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung stelle. Es sei nicht rechtens, den Ausspruch des Disziplinarausschusses dadurch zu unterlaufen, daß durch das Herstellen einer aufschiebenden Wirkung durch Klageeinreichung die im Beschluss des Ausschusses genannte Frist ablaufe, weil das Hauptsacheverfahren noch nicht entschieden worden sei. Im übrigen könnten keine Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Inhalts dieses Beschlusses aufkommen.

Mit Beschluss vom 9. Dezember 1988 hat das Sozialgericht Frankfurt am Main die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid des Disziplinarausschusses angeordnet. Es hat die aufschiebende Wirkung mit der Zustellung des Urteils des Sozialgerichts Frankfurt am Main im Hauptsacheverfahren (Az.: S-5/Ka-3616/88) erst dann als beendet angesehen. Das Sozialgericht hat die Auffassung vertreten, daß eine Anwendung des § 97 Sozialgerichtsgesetz schon deshalb entfalle, weil eine aufschiebende Wirkung bei Klageerhebung nur in Zulassungsverfahren vorgesehen sei. Es sei jedoch eine entsprechende Regelung in der Verwaltungsgerichtsordnung heranzuziehen und zwar im vorliegenden Fall § 80 Abs. 5 VwGO. Das Sozialgericht hat keine begründete Notwendigkeit für eine Vollziehung des Disziplinarbeschlusses vor Entscheidung des erstinstanzlichen Gerichts in der Hauptsache gesehen. Das Warten auf die Entscheidung in der Hauptsache verhindere nicht die von der Antragsgegnerin gewünschte erzieherische Wirkung der ausgesprochenen Disziplinarmaßnahme. Darüber hinaus sei jedoch zu beachten, daß die sofortige Ausführung des Beschlusses des Disziplinarausschusses, der dem Antragsteller erst am 4. November 1988 zugestellt worden sei, schon zum 01.01.1989 eine erhebliche Gefährdung des Praxisbetriebes des Antragstellers mit sich bringen würde. Im übrigen erscheine die erhobene Klage gegen den Disziplinarbeschluß auch hinsichtlich der Frage der Ermessensausübung der Antragsgegnerin nicht offensichtlich aussichtslos. Da insofern eine gewisse Erfolgsaussicht im Hauptsacheverfahren vorhanden sei, erscheine es fraglich, die aufschiebende Wirkung durch Einreichung der Klage gegen den Beschluss des Disziplinarausschusses abzulehnen.

Gegen den am 14. Dezember 1988 zugestellten Beschluss richtet sich die Beschwerde der Antragsgegnerin beim Sozialgericht Frankfurt am Main vom 29. Dezember 1988. Die Antragsgegnerin begründe ihre Beschwerde vor allen damit, daß es dem Antragsteller durchaus zumutbar gewesen sei, seine Praxis auf die veränderte Situation durch den Ausspruch des Disziplinarausschusses bis zum 01.01.1989 einzustellen. Dies ergebe sich u.a. auch daraus, daß bereits seit Frühjahr 1988 der Antragsteller über eine vorgesehene Disziplinarmaßnahme der Antragsgegnerin unterrichtet worden sei. Im übrigen teilt die Antragsgegnerin die Auffassung des Sozialgerichts Frankfurt am Main hinsichtlich der Frage der korrekten Ermessensausübung nicht. Es gebe auch keine ernsthaften Zweifel an der inhaltlichen Richtigkeit der Prüfmaßnahmen, wobei der Antragsteller ja selbst Verstöße gegen das Gebot der Wirtschaftlichkeit einräume. Eine Erledigung der Maßnahme durch Zeitablauf sei auch nicht eingetreten; der Tenor des Beschlusses sei so zu interpretieren, daß die 3-Monatsfrist sich verschiebe und zwar für den Zeitraum, für den die Zulassung ruhe, falls die Klage ohne Erfolg sei.

Die Antragsgegnerin beantragt,
den Beschluss des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 9. Dezember 1988 aufzuheben und den Antrag des Antragstellers auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung abzulehnen.

Der Antragsteller beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.

Er ist der Auffassung, daß auch gegen Disziplinarbeschlüsse eine aufschiebende Wirkung durch Klage herzustellen sei, zumal die Sache durch Zeitablauf erledigt sei.

Das Sozialgericht Frankfurt am Main hat der Beschwerde der Antragsgegnerin mit Beschluss vom 30. Dezember 1988 nicht abgeholfen und die Beschwerde am 2. Januar 1989 dem Hessischen Landessozialgericht zur Entscheidung vorgelegt.

Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf den übrigen Akteninhalt Bezug genommen.

Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 9. Dezember 1988 ist zulässig, jedoch unbegründet und war zurückzuweisen.

Zunächst ist davon auszugehen, daß die am 18. November 1988 erhobenen Klage des Antragstellers gegen die Antragsgegnerin im Hauptsacheverfahren keine aufschiebende Wirkung gemäß § 97 Abs. 1 Nr. 4 SGG besitzt. Insoweit ist die Auffassung des Sozialgerichts zu teilen. Die Vorschrift des § 97 Abs. 1 Nr. 4 SGG ist auf Disziplinarmaßnahmen nicht anwendbar. Die hier streitige Anordnung des Ruhens der Zulassung als Disziplinarmaßnahme gemäß § 368 m Abs. 4 RVO ist keine Entscheidung in Zulassungssachen (§ 368 e Abs. 4 RVO). Die aufschiebende Wirkung im sozialgerichtlichen Verfahren tritt nur in den in § 97 SGG vom Gesetzgeber ausdrücklich geregelten Fällen ein. Daraus folgt, daß Disziplinarmaßnahmen keiner Vollziehungsanordnung bedürfen und sofort vollziehbar sind. Dies ergibt sich aus der Dringlichkeit der Durchsetzung und aus dem Charakter und aus der Zweckbestimmung der Disziplinarmaßnahme als solcher, die bei aufschiebender Wirkung gegenstandslos wäre.

In Übereinstimmung mit der zur Rechtsauffassung des erstinstanzlichen Gerichts ist der Senat der Auffassung, daß es hier einer entsprechenden Anwendung des § 80 Abs. 5 VwGO bedarf, da dieser auch regelt, daß in den durch Gesetz geregelten Fällen, in denen die aufschiebende Wirkung entfällt, auf Antrag das Gericht diese wieder anordnen kann. Hierbei sind die Interessen der Beteiligten und die Erfolgsaussichten zur Beurteilung heranzuziehen. Aufgrund der vorhandenen Unterlagen ergibt sich bei summarischer Überprüfung, daß die Klage durchaus Aussicht auf Erfolg besitzt. Darüber hinaus überwiegt das private Interesse des Antragstellers an der Aussetzung gegenüber dem öffentlichen Interesse der Antragsgegnerin an der sofortigen Vollziehung, da eine Entscheidung des Senats, die der Antragsgegnerin Recht gäbe, praktisch nicht vollstreckbar ist. Der Senat sieht die Anordnung des Ruhens der Zulassung im Disziplinarbeschluß vom 12. Oktober 1988 zeitgebunden und zwar beschränkt auf die Zeit vom 1. Januar bis 31. März 1989. Keinesfalls kommt in dem Beschluss zum Ausdruck, daß im Falle eines parallelen Klageverfahrens, der Zeitraum des Ruhens der Zulassung entsprechend der Dauer des Klageverfahrens verschoben werden soll. Der Wortlaut des Tenors des Disziplinarbeschlusses ist so eindeutig, daß nur die Frist vom 1. Januar bis 31. März 1989 als Ruhensfrist zu bezeichnen ist. Im Falle des Obsiegens der Antragsgegnerin würde jedoch die Anordnung des Ruhens fehl gehen, weil mittlerweile die Frist verstrichen ist und somit der Inhalt und der Tenor des Disziplinarbeschlusses ins Leere geht.

Der von der Antragsgegnerin zitierte Beschluss des SG Münster von 28. Juni 1988 (MedR 1989, S. 156) ist im vorliegenden Fall insofern nicht anwendbar, weil dort ein Disziplinarbeschluß zu überprüfen war, der während der Entscheidung des SG Münster noch nicht, wie im vorliegenden Fall, durch Zeitablauf obsolet geworden war; der Beschluss des SG Münster vom 28. Juni 1988 fiel in die Ruhenszeit vom 1. Juni bis 30. September 1988.

Nach alledem war die Beschwerde der Antragsgegnerin zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus entsprechender Anwendung des § 193 SGG.

Dieser Beschluss ist durch ein Rechtsmittel nicht anfechtbar (§ 172 SGG).
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Berichtigungsbeschluss

Der Beschluss des 7. Senats des Hessischen Landessozialgerichts vom 20. Dezember 1989 wird gem. § 138 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) wie folgt berichtigt:

Im Tenor des Beschlusses muß es statt: "Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten" richtig heißen: "Die Antragsgegnerin hat dem Antragsteller die außergerichtlichen Kosten zu erstatten."

Grundsätzlich kann auch der Tenor einer Entscheidung berichtigt werden (vgl. Meyer-Ladewig, Kommentar zum SGG, 3. Auflage, § 138 SGG, Anm. 3). Dies gilt auch in dem Fall, daß der Kostenausspruch betroffen ist, tatsächlich aber nicht dem gewollten Ergebnis entspricht (vgl. Zöller, Kommentar zur Zivilprozeßordnung - ZPO -‚ 15. Auflage, § 319 ZPO, RdNr. 15 m.w.N.), wie dies vorliegend offensichtlich der Fall ist.
Rechtskraft
Aus
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