L 13 AS 572/24

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
13
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 16 AS 478/23
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 13 AS 572/24
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil

Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 24. Januar 2024 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.



Tatbestand


Die Beteiligten streiten um die Höhe der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) von Januar bis Juni 2023.

Die 1965 geborene Klägerin steht im laufenden Bezug von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II (früher Grundsicherung für Arbeitsuchende; seit Januar 2023: Bürgergeld) und lebt in einer Bedarfsgemeinschaft mit ihrem 1950 geborener Ehemann, welcher eine Altersrente für schwerbehinderte Menschen bezieht (zuletzt: 1.311,90 €). Bei der Klägerin ist derzeit ein Grad der Behinderung (GdB) von 70, bei ihrem Ehemann ein GdB von 80 sowie das Merkzeichen „G" anerkannt. Beide sind gemeinsam obdachlosenrechtlich untergebracht. Hierfür fällt ein monatliches Nutzungsentgelt in Höhe von 524 € für beide Personen an.
Unter Berücksichtigung eines Gesamtbedarfs der Klägerin und ihres Ehemannes in Höhe von jeweils 666 € (Regelbedarf : 404 €, Grundmiete: 262 €) und des Einkommens des Ehemannes (Altersrente für schwerbehinderte Menschen in Höhe von 1.311,90 € abzüglich Versicherungspauschale in Höhe von 30 €) gewährte der Beklagte der Klägerin mit Bescheid vom 15. Dezember 2022 Leistungen (Kosten für Unterkunft und Heizung [KdU]) in Höhe von 50,10 € für die Zeit von 1. Januar bis 30. Juni 2023, welche direkt an die Stadt B1 ausgezahlt wurden.
Mit Änderungsbescheid vom 17. Dezember 2022 wurden die Leistungen aufgrund der Erhöhung der Regelbedarfe und regelbedarfsabhängigen Mehrbedarfe auf Grundlage des ab 1. Januar 2023 geltenden Bürgergeldgesetzes in Höhe von monatlich 144,10 € neu festgesetzt und als Regelbedarf nunmehr jeweils 451 € berücksichtigt.
Hiergegen erhob die Klägerin am 23. Dezember 2022 Widerspruch. Der Bescheid weise nicht die Leistungsbeträge des Bürgergelds sowie den Mehrbedarf ihres Mannes aus.
Mit Änderungsbescheid vom 28. Dezember 2022, gegen den die Klägerin erneut Widerspruch erhob (mit Widerspruchsbescheid vom 11. Januar 2023 als unzulässig verworfen), bewilligte der Beklagte Leistungen in Höhe von 220,77 € und berücksichtigte nunmehr bei der Berechnung des Anspruchs beim Ehemann der Klägerin zusätzlich einen Mehrbedarf für Menschen mit Behinderung mit Merkzeichen „G“ in Höhe von 76,67 €. Mit Widerspruchsbescheid vom 11. Januar 2023 wies der Beklagte den Widerspruch im Übrigen zurück.

Dagegen hat die Klägerin am 27. Februar 2023 Klage zum Sozialgericht Karlsruhe (SG) erhoben und zur Begründung vorgebracht, sie habe den Widerspruchsbescheid erst am 30. Januar 2023 erhalten. Der Mehrbedarf wegen der Behinderung ihres Mannes (76,76 €) müsse ihnen zustehend und nicht der Stadt. Auch sie selbst habe einen Mehrbedarf wegen Behinderung und es fielen Kosten für eine Kfz-Haftpflichtversicherung in Höhe von 79,79 € monatlich an.

Der Beklagte hat an seiner Rechtsauffassung festgehalten.
Mit Änderungsbescheid vom 12. April 2023 hat der Beklagte der Klägerin für die Zeit von Januar bis Juni 2023 höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts unter Berücksichtigung eines Absetzbetrags für die Kfz-Haftpflichtversicherung in Höhe von 79,79 € (insgesamt 300,56  € [Regelleistung 38,56 €, KdU 262 €]) bewilligt.
Mit weiterem Änderungsbescheid vom 8. Mai 2023 hat der Beklagte ab 1. Juni 2023 die Bewilligung in Höhe der Kosten für die Kfz-Haftpflichtversicherung, das heißt 79,79  € zurückgenommen und nur noch 220,77 € bewilligt. Die Klägerin habe nicht nachgewiesen, dass es sich bei dem Betrag von 79,79 € ausschließlich um einen Monatsbeitrag für die KFZ-Haftpflichtversicherung handele.
Bezüglich der Berechnung der Leistungen für 01/2023 bis 05/2023 erhalte die Klägerin noch gesonderte Schreiben. Auch für diesen Zeitraum stehe die Anrechnung des Betrages von 79,79 € monatlich auf dem Prüfstand.

Einen dagegen von der Klägerin erhobenen erneuten Widerspruch hat der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 12. Juni 2023 als unzulässig verworfen.
Nachdem die Klägerin unter anderem ein Schreiben der A1 Autoversicherung vom 5. Juni 2023 vorgelegt hat, wonach im Jahre 2022 der Beitrag zur (reinen) Kfz- Haftpflichtversicherung 69,63  € betragen habe, hat der Beklagte mit weiterem Änderungsbescheid vom 3. Juli 2023 für Juni 2023 höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts unter Berücksichtigung eines Absetzbetrags für die reine Kfz-Haftpflichtversicherung in Höhe von 69,63 € bewilligt (insgesamt 290,40 € [Regelleistung 28,40 €, KdU 262 €]).

Nach Anhörung der Beteiligten hat das SG die Klage mit Gerichtsbescheid vom 24. Januar 2024 abgewiesen.

Streitgegenstand seien höhere Ansprüche der Klägerin nach dem SGB II, nicht hingegen Ansprüche ihres Ehemannes. Die angegriffenen Bescheide träfen ausschließlich Regelungen über Ansprüche der Klägerin auf Leistungen nach dem SGB II. Der Bedarf ihres Ehemannes, der eine Altersrente für schwerbehinderte Menschen beziehe, sei bei der Berechnung des Anspruchs der Klägerin zu berücksichtigen, um eine Unterdeckung dieser sogenannten gemischten Bedarfsgemeinschaft zu vermeiden.
Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Gewährung höherer Leistungen nach dem SGB II für die Zeit von Januar bis Juni 2023.
Rechtsgrundlage der Bewilligung an die Klägerin seien §§ 7, 9 SGB II.
Danach habe der Beklagte die Höhe des Anspruchs zutreffend berechnet. Diesbezüglich hat das SG auf die Berechnungsbögen des Beklagten in den angefochtenen Bescheiden sowie auf die Berechnung Widerspruchsbescheid vom 11. Januar 2023 Bezug genommen. Hinsichtlich der grundsätzlichen Berechnung des Leistungsanspruchs der Klägerin unter Berücksichtigung des Einkommens ihres Ehemannes hat das SG Bezug genommen auf die Ausführungen des Landessozialgerichts Baden-Württemberg (LSG) im Beschluss vom 22. November 2023 (L 3 AS 1104/23) und sich diesen angeschlossen.
Der Mehrbedarf wegen der Behinderung des Ehemannes in Höhe von 76,67 € werden bei der Berechnung des übersteigenden Einkommens, das auf den Bedarf der Klägerin anzurechnen sei, berücksichtigt. Das heiße, der Beklagte gewähre weder der Klägerin noch dem Ehemann der Klägerin einen gesonderten Mehrbedarf wegen der Behinderung. Schon deshalb könne eine gesonderte Auszahlung eines solchen Mehrbedarfs an die Klägerin oder ihren Ehemann nicht erfolgen.
Vielmehr sei dieser Betrag von seinem Einkommen im Rahmen der Berechnung abzusetzen. Für die Klägerin, bei der ein GdB von 70 festgestellt sei, sei ein Mehrbedarf nach § 21 Abs. 4 SGB II nicht zu berücksichtigen, da für sie keine Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nach dem SGB IX erbracht würden.
Die generelle Auszahlung an die Stadt B1 beruhe darauf, dass der Klägerin wegen des Einkommens ihres Ehemannes lediglich Kosten der Unterkunft gewährt würden und nach § 22 Abs. 7 S. 1 SGB II Anhaltspunkte dafür bestünden, dass die Klägerin die Leistungen nicht für die Unterbringungskosten verwenden würde.
Schließlich habe der Beklagte auch die Kosten für die Kfz-Haftpflichtversicherung mindestens in der zuletzt von der Klägerin nachgewiesenen Höhe von 69,63 € berücksichtigt.

Gegen den ihr am 26. Januar 2024 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 21. Februar 2024 Berufung beim LSG eingelegt. Im vorliegenden Fall sei der Unterschied zwischen einer Rente wegen Arbeitslosigkeit und einer Altersrente für schwerbehinderte Menschen nicht berücksichtigt worden. Der Unterscheid zwischen beiden Rentenarten betrage laut dem Schreiben der Deutschen Rentenversicherung vom 9. August 2023 immerhin pro Monat 219,53 € zu Gunsten der Altersrente für schwerbehinderte Menschen (Stand 1. Januar 2023) bzw. ab 1. Juli 2023 229,17 €. Diese Differenz solle nicht dazu dienen, die Sozialleistungen zu mindern, sondern solle den schwerbehinderten Menschen zugute kommen. Darüber hinaus seien jegliche Einbehaltungen von Leistungen, insbesondere Kosten für Unterkunft, nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts rechtswidrig. Der Kostenaufwand für die FFP2-Masken, den ihr Mann in der Corona-Zeit für sie beide habe tragen müssen, sei in dem Gerichtsbescheid nicht thematisiert worden. Im Hinblick auf die Auszahlung der KdU an die Stadt B1 sei im Gerichtsbescheid nicht ausgeführt worden, dass jegliche Einbehaltungen von Leistungen, also insbesondere der Kosten der Unterkunft, nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes rechtswidrig seien.
Der Beklagte habe den Bedarf, der im vorliegenden Fall nur aus den KdU bestanden habe, auf Null gesenkt. Die KdU bzw. bis die anteiligen KdU, seien ja auf ihren eigenen Wunsch hin an den Vermieter, die Stadt B1, also nicht zwangsweise, überwiesen worden. Sie begründe ihre Berufung damit, dass sie keine Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes erhalte und eine Sanktionierung mit 100% unzulässig sei. Es gebe keine Regelung, dass bei fehlender Mitwirkung eine Sanktionierung zu 100% zulässig sei; im Übrigen habe sie mitgewirkt und die Angaben des Formulars „VM“ abgegeben.
Der Beklagte habe nunmehr seit acht Monaten keine Unterkunftskosten übernommen.
Die Klägerin beantragt sinngemäß

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 24. Januar 2024 aufzuheben und den Beklagten unter Abänderung der Bescheide vom 15. Dezember 2022, 17. Dezember 2022 und 18. Dezember 2022 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11. Januar 2023 sowie der Änderungsbescheide vom 12. April 2023, 8. Mai 2023 und 3. Juli 2023 zu verurteilen, ihr für die Zeit von Januar bis Juni 2023 höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II zu gewähren.

Der Beklagte beantragt,

            die Berufung zurückzuweisen.

Er hat an seinem Rechtsstandpunkt festgehalten und sich auf die Ausführungen im angefochtenen Gerichtsbescheid bezogen.
§ 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II normiere, dass Einnahmen in Geld abzüglich der nach § 11b abzusetzenden Beträge mit Ausnahme der in § 11a genannten Einnahmen als Einkommen zu berücksichtigen seien. Bei der Altersrente für schwerbehinderte Menschen handele es sich nicht - auch nicht in Anteilen - um nach § 11a SGB II privilegiertes Einkommen, das bei der Beurteilung der Hilfebedürftigkeit außer Acht zu lassen sei. Auch ein Privilegierungstatbestand gemäß § 11a Abs. 3 SGB II oder § 1 der Verordnung zur Berechnung von Einkommen sowie zur Nichtberücksichtigung von Einkommen und Vermögen beim Arbeitslosengeld II/Sozialgeld [Arbeitslosengeld II/Sozialgeld-Verordnung - Alg II-V] greife insoweit nicht ein (BSG, Urteil vom 23.11.2006 - B llb AS 1/06 R-, juris Rn. 35). Für eine Absetzung des nach Auffassung der Klägerin „privilegierten Rentenanteils" in Höhe von 219,53 € mangele es an einer Rechtsgrundlage, auf die die Klägerin ihr Begehren stützen könnte. Abzusetzen sei gemäß §  11b Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB II i.V.m. § 6 Abs. 1 Nr. 1 Alg II-V lediglich eine Versicherungspauschale von 30,00 €.

Die Beteiligten haben einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung zugestimmt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Verwaltungsakten des Beklagten sowie auf die Gerichtsakten des SG und LSG
sowie die Akten des Verfahrens L 13 AS 3498/22 verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die nach den §§ 143, 144, und 151 SGG zulässige Berufung der Klägerin, über die der Senat mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung gemäß § 124 Abs. 2 SGG entscheidet, ist unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Klägerin hat im Zeitraum vom 1. Januar bis 30. Juni 2023 keinen Anspruch auf Gewährung höherer Leistung nach dem SGB II.

Nicht Streitgegenstand des hier vorliegenden Verfahrens sind die Ansprüche des Ehemanns der Klägerin. Der anzuerkennende Mehrbedarf des Ehegatten ändert nichts daran, dass es sich um den Anspruch der Klägerin auf Leistungen nach dem SGB II handelt. Der Bedarf des Ehegatten ist bei der Berechnung des Anspruchs der Klägerin zu berücksichtigen, damit eine Unterdeckung der gemischten Bedarfsgemeinschaft vermieden wird; dessen Einkommen darf zur Deckung des Lebensbedarfs der Klägerin nur insoweit berücksichtigt werden, als sein anzuerkennender Bedarf vollständig gedeckt ist (Eicher/Luik/Harich, Kommentar zum SGB II §§ 11 Rdnr. 44 ff.). Der Senat hat von einer einfachen Beiladung des Ehemannes gemäß § 75 SGG abgesehen (vgl. LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 6. November 2011 – L 1 AS 4393/10, juris).
Streitgegenstand sind die Bescheide vom 15. Dezember 2022, 17. Dezember 2022 und 18. Dezember 2022 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11. Januar 2023 sowie die Änderungsbescheide vom 12. April 2023, 8. Mai 2023 und 3. Juli 2023, mit denen der Beklagte der Klägerin Leistungen nach dem SGB II für die Zeit vom 1. Januar bis 30. Juni 2023 bewilligt hat.

Nicht streitgegenständlich sind Ansprüche der Klägerin für die Zeit nach dem 30. Juni 2023, insbesondere die von der Klägerin in der Berufungsbegründung mehrfach erwähnten, seit 8 Monaten nicht bezahlten KdU bzw. eine von ihr erwähnte Sanktionierung wegen fehlender Mitwirkung. Dies betrifft offensichtlich nicht den hier streitgegenständlichen Zeitraum bis 30. Juni 2023. Soweit die Klägerin in diesem Zusammenhang auch die direkte Auszahlung der KdU an die Stadt B1 angesprochen hat, hat sie selbst vorgebracht, dies sei auf ihren Wunsch hin erfolgt, weshalb nicht davon auszugehen war, dass die Klägerin dies beanstandet und somit die rechtlichen Voraussetzungen der direkten Auszahlung auch nicht vom Senat zu prüfen waren.

Soweit die Klägerin in der Berufungsbegründung ferner beanstandet hat, im angefochtenen Gerichtsbescheid sei der Kostenaufwand, den ihr Ehemann in der Corona-Zeit für FFP2-Masken habe aufbringen müssen, nicht thematisiert worden, bezieht sich dies bereits nach eigenem Vortrag auf die Vergangenheit und nicht auf den streitgegenständlichen Zeitraum.

Der Klägerin stehen keine höheren Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes im streitgegenständlichen Zeitraum vom 1. Januar bis 30. Juni 2023 zu.

Rechtsgrundlage für den geltend gemachten Anspruch auf höhere Leistungen sind §§ 19 ff. i. V. m. §§ 7 ff. SGB II. Gemäß § 7 Abs. 1 S. 1 SGB II erhalten Leistungen Personen, die das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a SGB II noch nicht erreicht haben, erwerbsfähig sind, hilfebedürftig sind und ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (erwerbsfähige Leistungsberechtigte). Erwerbsfähige Leistungsberechtigte erhalten nach § 19 Abs. 1 S. 1 SGB II Arbeitslosengeld II. Die Leistungen umfassen den Regelbedarf, Mehrbedarf und den Bedarf für Unterkunft und Heizung (§ 19 Abs. 1 S. 3 SGB II).
Die 1965 geborene Klägerin, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt in B1 hat, ist im streitigen Zeitraum grundsätzlich leistungsberechtigt nach dem SGB II gewesen.
Sie ist insbesondere erwerbsfähig im Sinne des § 8 Abs. 1 SGB II gewesen. Hiernach ist erwerbsfähig, wer nicht wegen Krankheit oder Behinderung auf absehbare Zeit außerstande ist, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt, denn die auf Ersuchen des Beklagten vorgenommene Prüfung der DRV Bund hat am 16. Mai 2023 ergeben, dass die Klägerin unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes noch mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig sein kann.

Die Klägerin ist im streitigen Zeitraum vom 1. Januar bis zum 30. Juni 2023 auch hilfebedürftig gewesen, sie hat aber keinen höheren Anspruch auf höhere Leistungen nach dem SGB II als der Beklagte ihr zuletzt bewilligt hat.

Hilfebedürftig ist, wer seinen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen, erhält (§ 9 Abs. 1 SGB II). Bei Personen, die in einer Bedarfsgemeinschaft leben, sind auch das Einkommen und Vermögen des Partners zu berücksichtigen (§ 9 Abs. 2 Satz 1 SGB II).
Zur Bedarfsgemeinschaft gehören hier gemäß § 7 Abs. 3 Nr. 1 SGB II die Klägerin und gemäß § 7 Abs. 3 Nr. 3a SGB II ihr mit ihr im selben Haushalt lebender Ehemann.
Dem steht nicht entgegen, dass der 1950 geborene Ehemann der Klägerin im streitigen Zeitraum bereits dem Grunde nach nicht leistungsberechtigt nach dem SGB II gewesen ist, weil er die für ihn nach § 7a SGB II maßgebliche Altersgrenze von 65 Jahren und 4 Monaten bereits erreicht hatte, und weil er außerdem bereits seit dem 1. April 2010 von der DRV Bund eine Altersrente für schwerbehinderte Menschen bezieht und somit sowohl nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 SGB II i.V.m. § 7a SGB II als auch nach § 7 Abs. 4 Satz 1 SGB II von Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen ist. Denn dieser Leistungsausschluss berührt die Mitgliedschaft des Ehemannes der Klägerin in der sogenannten gemischten Bedarfsgemeinschaft nicht (vgl BSG, Urteil vom 15.04.2008 – B 14/7b AS 58/06 R, juris).
Aus diesem Grund ist gemäß § 9 Abs. 2 S. 1 SGB II auch das Einkommen des Ehemannes der Klägerin zu berücksichtigen ist. Um eine Unterdeckung des Ehegatten zu verhindern, sind aber auch die Vorschriften des SGB XII anzuwenden (s. Eicher/Luik/Harich, a.a.O., § 11 SGB II Rdnr. 44 ff.).


Der Gesamtbedarf der Klägerin hat sich im streitgegenständlichen Zeitraum auf 713 € belaufen (Regelbedarf 451 €, KdU 262 € [als hälftiger Anteil des Bedarfes für Unterkunft und Heizung gemäß §§ 19, 22 SGB II a.F. der Gesamtkosten in Höhe von 524 € monatlich für die Unterbringung in der städtischen Unterkunft]).
Neben dem Regelbedarf in Höhe von 451 € waren für die Klägerin keine zusätzlichen Mehrbedarfe zu berücksichtigen.
Insbesondere e
in Mehrbedarf gemäß § 21 Abs. 4 SGB II besteht für die Klägerin nicht, da sie im streitgegenständlichen Zeitraum nicht an einer dort genannten Maßnahme teilgenommen hat. Die Klägerin hat auch für den streitgegenständlichen Zeitraum keinen Mehrbedarf für kostenaufwändige Ernährung (§ 21 Abs. 5 SGB II bzw. § 30 Abs. 5 SGB XII) geltend gemacht.

Auch war kein Mehrbedarf im Sinne von § 21 Abs. 6 SGB II für die Anschaffung von FFP2-Masken zu berücksichtigen. Wie bereits dargelegt, hat die Klägerin selbst in der Berufungsbegründung ausgeführt, die Kosten seien während der Corona-Zeit entstanden, so dass nicht davon auszugehen ist, dass auch für den streitgegenständlichen Zeitraum noch ein erhöhter Kostenaufwand geltend gemacht wird. Im Übrigen hat nach der jeweils gültigen Fassung der CoronaVO seit dem 21. Juni 2022 eine Pflicht zum Tragen einer medizinischen Maske nur noch in bestimmten näher bezeichneten geschlossenen Bereichen bestanden und die Klägerin hat nicht substantiiert dargelegt, in welchem Umfang sie persönlich von der Pflicht zum Tragen einer dem Standard FFP2 entsprechenden Maske betroffen gewesen ist. Darüber hinaus war eine FFP2-Maske ab Juli 2021 –und somit auch im hier streitigen Bewilligungszeitraum – bereits zu einem Preis von ca. 1 € zu erwerben und die Kosten wurden aufgrund der konsumeinschränkenden Maßnahmen durch Einsparungen an anderer Stelle kompensiert. Der Senat verweist hierzu ergänzend auf die Ausführungen im zwischen den Beteiligten ergangenen Urteil des Senats vom 28. Februar 2023 (L 13 AS 3498/22).
Für den Ehemann der Klägerin hat der Beklagte – neben dem Regelbedarf in Höhe von 451 € - bei der Berechnung des Leistungsanspruchs für den gesamten hier streitigen Bewilligungszeitraum einen Mehrbedarf gemäß § 23 Nr. 4 SGB II bzw. § 30 Abs. 1 SGB XII i.H.v. 17 % des Regelbedarfes (76,67 €) berücksichtigt. Obwohl der Ehegatte der Klägerin gemäß § 7 Abs. 4 S. 1 SGB II wegen des Bezugs einer Altersrente keinen Anspruch auf Sozialgeld hat, ist dieser Bedarf zu berücksichtigen, um unbillige Ergebnisse zu vermeiden (s. auch BSG, Urteil vom 15.04.2008, B14/7b AS 58/06 R). Damit abgegolten sind persönliche Bedürfnisse des täglichen Lebens eines gehbehinderten Schwerbehinderten.
Weitere Mehrbedarfe
(wegen des Kostenaufwands für FFP2-Masken bzw. für kostenaufwändige Ernährung) sind bei dem Ehemann der Klägerin – ebensowenig wie bei der Klägerin, vgl. die Ausführungen hierzu, nicht zu berücksichtigen.
Die Klägerin hat kein eigenes Einkommen, das bedarfsmindernd berücksichtigt werden könnte. Unter Berücksichtigung des Einkommens ihres Ehemannes verbleibt bei der Klägerin jedoch kein Bedarf, der die ihr vom Beklagten bewilligten Leistungen übersteigt.

Nach den zu der sogenannten gemischten Bedarfsgemeinschaft von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen ist, nachdem in einem ersten Schritt der Bedarf der nach dem SGB II leistungsberechtigten Person (hier: der Klägerin) nach den §§ 20ff. SGB II bestimmt worden ist (s.o. unter (2)), im zweiten Schritt sodann für das von Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossene Mitglied der Bedarfsgemeinschaft (hier: für den Ehemann der Klägerin) dessen seinen Bedarf (s.o. unter (3)) übersteigendes Einkommen zu berücksichtigen. Die Höhe dessen Bedarfes richtet sich herbei im Regelfall nach dem SGB II. Sofern und soweit abweichend höhere Bedarfe nach dem SGB XII bestehen, sind diese darüber hinaus zugrunde zu legen, wobei nur das den eigenen (fiktiven) SGB-XII-Anspruch übersteigende Einkommen dann tatsächlich in die Berechnung nach dem SGB II zugunsten anderer Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft einzusetzen ist. Das überschießende Einkommen des Altersrentners ist bei der Bedürftigkeitsprüfung der übrigen Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft zu berücksichtigen (vgl. zum Ganzen: Karl in jurisPK-SGB II, Stand 23.10.2023, § 9 Rn. 106ff.; Schmidt in Eicher/Luik/Harich, SGB II, 5. Auflage 2021, § 9 Rn. 44ff.).

Zu dem auf den Gesamtbedarf gemäß § 19 Abs. 3 SGB II anzurechnenden Einkommen gehören gemäß § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II a.F. alle Einnahmen in Geld abzüglich der nach §
 11b SGB II a.F. abzusetzenden Beträge mit Ausnahme der in § 11a SGB II a.F. genannten Einnahmen. Zu den für den Monat des Zuflusses zu berücksichtigenden laufenden Einnahmen (§ 11 Abs. 2 Satz 1 SGB II a.F.) gehören u.a. Rentenzahlbeträge und somit auch die dem Ehemann der Klägerin gewährte Altersrente für schwerbehinderte Menschen (§ 37 SGB VI), da diesbezüglich entgegen der Auffassung der Klägerin kein gesetzlicher Privilegierungstatbestand gemäß § 11a SGB II a.F. oder § 1 Arbeitslosengeld II-Verordnung (Alg II-V) eingreift (vgl. BSG, Urteil vom 23.11.2006 – B 11b AS 1/06, juris Rn. 35).
Der Ehemann der Klägerin bezog
im streitgegenständlichen Zeitraum monatlich laufende Rentenzahlungen in Höhe von 1.311,90 €.

Von diesem Einkommen des Ehemannes der Klägerin hat der Beklagte die Versicherungspauschale in Höhe von 30 € sowie die zuletzt nachgewiesenen Aufwendungen für die Kfz-Haftpflichtversicherung in Höhe von monatlich 69,63 € in Abzug gebracht. Obwohl – anders als bei einem Anspruchsberechtigten nach dem SGB II – bei dem als Bezieher einer Altersrente bei eigener Bedürftigkeit dem Existenzsicherungssystem des SGB XII unterfallenden Ehemann der Klägerin allein die gesetzliche Verpflichtung zum Abschluss einer Kfz-Haftpflichtversicherung für die Absetzfähigkeit nicht genügt, solange mit der Beitragszahlung keine sozialhilferechtlich anerkannten Zwecke verfolgt werden, kann letzteres hier offen bleiben, da die Versicherungskosten bei der hier vorliegenden gemischten Bedarfsgemeinschaft zu berücksichtigen und vom Einkommen gemäß § 11b Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB II in Verbindung mit § 6 Abs. 1 Nr. 3 Alg-II-VO in Abzug zu bringen sind (vgl. BSG, Urteil vom 04.04.2019 – B 8 SO 10/18 R, juris Rn. 24).

Damit ist der Bedarf des Ehemannes der Klägerin in Höhe von 7
89,67 € (451 € + 76,67 € + 262  €) durch sein zu berücksichtigendes Gesamteinkommen in Höhe von 1212,27 € (1.311,90 € - 30,00  € - 69,63 €) gedeckt gewesen. Der diesen Bedarf übersteigende Teil seines Einkommens in Höhe von 422,60 € (1.212,27 € - 789,67 €) ist vom Beklagten zutreffend auf den Bedarf der Klägerin (713 €) anzurechnen gewesen. Bei dem vom Ehemann erzielten Einkommen spielt es auch keine Rolle, dass er eine Altersrente für schwerbehinderte Menschen erhält. Diese ist als Einkommen im Sinne des § 11 SGB II anzusehen und gehört nicht – auch nicht teilweise - zu dem in § 11a SGB II besonders erwähnten, nicht zu berücksichtigenden Einkommen.

Damit ist für die Klägerin ein ungedeckter Bedarf in Höhe von
290,40 € (713 € - 422,60 €) verblieben, den der Beklagte ihr zuletzt mit Bescheid vom 3. Juli 2023 (für Juni 2023) bewilligt hat. Für die Zeit von Januar bis Mai 2023 hat die Klägerin – ausweislich des Bescheids vom 12. April 2023 – Leistungen in Höhe von 300,56 € (unter Berücksichtigung eines Absetzungsbetrags in Höhe von 79,79 € für die Kfz-Haftpflichtversicherung erhalten und somit monatlich 10,16 € mehr als ihr zugestanden hätte, soweit nicht zwischenzeitlich eine Anpassung der Bewilligung unter Berücksichtigung der tatsächlichen Aufwendungen für die Kfz-Haftpflichtversicherung erfolgt ist. Die Klägerin hat somit keinen Anspruch auf Gewährung von höheren Leistungen nach dem SGB II.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Im Rahmen des dem Senat nach § 193 SGG eingeräumten Ermessens war für den Senat maßgeblich, dass die Klägerin mit der Rechtsverfolgung ohne Erfolg geblieben ist und der Beklagte keinen Anlass zur Klageerhebung gegeben hat. Der Senat hält es auch im Falle einer Zurückweisung des Rechtsmittels für erforderlich, nicht nur über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zu entscheiden, sondern auch über die Kosten der vorausgehenden Instanz (so Berchtold, Kommentar zum SGG, 6. Auflage, § 193 Rdnr. 8; erkennender Senat, Urteil vom 19. November 2013, L 13 R 1662/12, veröffentlicht in Juris; a.A. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, a. a. O., § 193 SGG Rdnr. 2a; Hintz/Lowe, Kommentar zum SGG, § 193 SGG Rdnr. 11; Jansen, Kommentar zum SGG, 4. Auflage, § 193 SGG Rdnr. 4).


Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.


 

Rechtskraft
Aus
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