L 4 AY 28/24 B ER

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Darmstadt (HES)
Sachgebiet
Asylbewerberleistungsgesetz
1. Instanz
SG Darmstadt (HES)
Aktenzeichen
S 16 AY 79/24 ER
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 4 AY 28/24 B ER
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze


1. Für die Bestimmung des gewöhnlichen Aufenthalts i. S. v. § 30 SGB I kann im Anwendungsbereich von § 98 Abs. 2 SGB XII auf § 10a Abs. 3 Satz 4 AsylbLG zurückgegriffen werden, wenn die betroffene Person im maßgeblichen Zeitraum der Aufnahme in die Einrichtung dem Leistungsregime des AsylbLG unterfiel.

2. Unerheblich ist dabei, ob im Zeitpunkt der Aufnahme in die Einrichtung oder in den zwei Monaten davor eine Leistungsberechtigung nach dem SGB XII gegenüber zuständigen Leistungsträger bestanden hat. Die Rückanknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt im nach § 98 Abs. 2 SGB XII maßgeblichen Zeitraum erfolgt unabhängig davon, ob zu diesem Zeitpunkt ein Anspruch gerade nach dem SGB XII bestand (Anschluss an BSG, Urteil vom 1. März 2018 – B 8 SO 22/16 R –, juris Rn. 19).
 


Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des Sozialgerichts Darmstadt vom 23. Dezember 2024 wird mit der Maßgabe geändert, dass die Beigeladene zu 4) verpflichtet wird, dem Antragsteller vorläufig bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens, längstens jedoch bis zum 14. November 2025 Leistungen der Hilfe zur Pflege in Einrichtungen zu gewähren.

Der Beigeladene zu 4) hat dem Antragsteller seine notwendigen außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens zu erstatten. Im Übrigen sind Kosten des Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.


Gründe

I.

Die Beteiligten streiten im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes über die Gewährung vorläufiger Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG).

Der 1968 geborene Antragsteller ist irakischer Staatsangehöriger kurdischer Volkszugehörigkeit. Er reiste am 18. September 2017 in die Bundesrepublik Deutschland ein und wurde im Ankunftszentrum C-Stadt erstregistriert. Am 9. Oktober 2017 stellte er einen Asylantrag und erhielt eine Aufenthaltsgestattung zur Durchführung des Asylverfahrens. Mit Bescheid vom 9. Oktober 2017 lehnte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) den Asylantrag ab, hiergegen erhob der Antragsteller Klage beim Verwaltungsgericht Karlsruhe (Az.: A 3 K 15072/17). Im weiteren Verlauf wurde er in Erstaufnahmeeinrichtungen des Beigeladenen zu 2) in D-Stadt und sodann aufgrund seiner gesundheitlichen Beeinträchtigungen durch den Beigeladenen zu 2) seit dem 12. November 2018 in der Pflegeeinrichtung „H.“ in A-Stadt (Kreis Bergstraße) untergebracht. Der Beigeladene zu 2) erteilte mit Schreiben vom 7. November 2018 gegenüber der Einrichtung „nur solange möglich, wie die Zuständigkeit für den Bewohner“ bei ihm liege, eine Kostenzusage. Ein Grad der Behinderung von 50, das Merkzeichen „G“ und ein Pflegegrad 4 sind beim Antragsteller festgestellt. Am 13. Februar 2019 wurde der Antragsteller dem Beigeladenen zu 1) nach §§ 50 Abs. 4, 53 Abs. 1 Satz 1 Asylgesetz (AsylG) i. V. m. § 6 Abs. 4 Flüchtlingsaufnahmegesetz (FlüAG BW) zugewiesen und in E-Stadt gemeldet.

Mit rechtskräftigem Urteil vom 2. Juni 2021 hob das Verwaltungsgericht Karlsruhe den Bescheid des BAMF vom 9. Oktober 2017 auf. Mit Bescheid vom 2. Januar 2023 lehnte das BAMF die Anträge auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, auf Asylanerkennung und auf subsidiären Schutz als offensichtlich unbegründet ab und stellte das Vorliegen eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) fest.

Mit Schreiben vom 6. Mai 2024 beantragte der Beigeladene zu 1) die Umverteilung des Antragstellers nach § 12a Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 AufenthG in den Landkreis Bergstraße (Hessen). Zuletzt mit Bescheid vom 3. Juni 2024 bewilligte der Beigeladene zu 1) dem Antragsteller Leistungen gemäß § 2 AsylbLG i. V. m. § 27b Zwölftes Sozialgesetzbuch (SGB XII) – Sozialhilfe - für den Zeitraum vom 1. Juli 2024 bis 31. Dezember 2024. Mit E-Mail vom 27. August 2024 an den Beigeladenen zu 1) stimmte die Ausländerbehörde des Antragsgegners dem Umverteilungsantrag zu. Der Beigeladene zu 1) teilte dem Antragsteller mit Schreiben vom 28. August 2024 mit, dass er bei dem Antragsgegner gemeldet werden könne. Zum 1. Oktober 2024 wurde der Antragsteller bei der Gemeinde A-Stadt angemeldet. Mit Schreiben vom 15. Oktober 2024 beantragte der Antragsteller Leistungen für die vollstationäre Pflege bei dem Antragsgegner.

Mit Bescheid vom 29. Oktober 2024 hob der Beigeladene zu 1) den Bescheid vom 3. Juni 2024 über die Leistungen nach dem AsylbLG mit Wirkung ab dem 1. Oktober 2024 auf und stellte die Leistungen nach dem AsylbLG mit Ablauf des 30. September 2024 ein. Der Antragsteller sei zum 1. Oktober 2024 nach A-Stadt umgemeldet. Mit der Abmeldung ende die örtliche Zuständigkeit des Beigeladenen zu 1) nach § 10a AsylbLG. Hiergegen legte der Antragsteller Widerspruch ein.

Am 7. November 2024 erteilte die Ausländerbehörde des Antragsgegners eine Bescheinigung über die Aussetzung der Abschiebung (Duldung), befristet bis 15. Februar 2025.

Mit Schreiben vom 14. November 2024 wies das Pflegeheim den Antragsteller darauf hin, dass es gezwungen sei, den Heimpflegeplatz zu kündigen, wenn eine Kostendeckung durch den zuständigen Leistungsträger nicht erfolge.

Der Antragsteller beantragte beim Antragsgegner am 14. November 2024 die Gewährung von Leistungen nach dem AsylbLG. Die Kostenübernahme durch den zuständigen Sozialhilfeträger sei schnellstmöglich sicherzustellen, da zum 31. Dezember 2024 die Kündigung des Heimplatzes drohe und der Antragsteller ab dem 1. November 2024 bei der Krankenkasse abgemeldet worden sei. Mit Schreiben vom 20. November 2024 leitete der Antragsgegner den Antrag an den Beigeladenen zu 1) weiter und teilte mit, dass der gewöhnliche Aufenthalt vor Heimaufnahme in E-Stadt gewesen sei. Erst seit 1. Oktober 2024 sei der Antragsteller in A-Stadt untergebracht. Da er im Rahmen des Asylverfahrens in den Neckar-Odenwald Kreis zugewiesen worden sei, sei die Zuständigkeit weiterhin dort gegeben. Unter Hinweis auf § 10 a Abs. 1 und Abs. 2 AsylbLG sowie hilfsweise auf § 98 Abs. 2 Zwölftes Sozialgesetzbuch (SGB XII) - Sozialhilfe, für den Fall das möglicherweise zwischenzeitlich eine Aufenthaltserlaubnis erteilt worden sei, werde um Bearbeitung in eigener Zuständigkeit gebeten. Dem Antragsteller teilte der Antragsgegner mit Schreiben selben Datums mit, der Beigeladene zu 1) sei für die Bearbeitung des Leistungsantrags weiter zuständig.

Der Beigeladene zu 1) wies mit Schreiben vom 2. Dezember 2024 den Antragsgegner darauf hin, dass seine Zuständigkeit mit Bekanntgabe der auf der Grundlage von § 51 AsylVfG erfolgten Umverteilungsentscheidung des Kreises Bergstraße vom 27. August 2024 an den betroffenen Adressaten ende. Ausreichend für die Zuständigkeitsbegründung sei die Verteilungsentscheidung, ohne dass es auf deren Bestandskraft ankommen würde (Hinweis auf: Korff in: Rolfs/Gieren/Meßling/Udsching, BeckOK Sozialrecht, Stand: 01.09.2024, § 100 AsylbLG, Rn. 5 m.w.N.). Mit der Umverteilungsentscheidung sei demnach auch für das insofern akzessorische Leistungsrecht eine neue Zuständigkeit begründet worden. Eine Zuständigkeit nach § 98 Abs. 2 SGB XII komme wegen der Vorrangigkeit des AsylbLG für den Leistungsbezug nicht in Betracht. Eine Regelungslücke bestehe nicht. Eine Zuständigkeit lasse sich auch nicht mit Berufung auf § 10a Abs. 1 Satz 4 AsylbLG begründen, da Grundvoraussetzung für eine Weiterbewilligung der Leistung auch außerhalb der Gebietszuständigkeit die Anknüpfung an eine gesetzlich angeordnete Grundzuständigkeit sei, die mit der Umverteilungsentscheidung vom 27. August 2024 entfallen sei. Es werde darauf hingewiesen, dass der Antragsgegner mit der Übernahme der Leistungsverpflichtung durch Stattgabe des Umverteilungsantrags und dem daraus resultierenden Eintritt in die Zuständigkeit nach § 10a Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 AsyIbLG auch zur Erfüllung der vorläufigen Eintrittsverpflichtung im Eilfall gemäß § 10a Abs. 2 Satz 3 AsylbLG verpflichtet sei. 

Mit Schreiben vom 6. Dezember 2024 vertrat der Antragsgegner die Auffassung, maßgeblich sei gem. § 10a AsylbLG ausschließlich der gewöhnliche Aufenthalt im Zeitpunkt in die Einrichtung oder in den zwei Monate zuvor.

Am 14. Dezember 2024 beantragte der Antragsteller den Erlass einer einstweiligen Anordnung bei dem Sozialgericht Darmstadt. Er hat vorgetragen, dass die Übernahme der Kosten für ein halbes Jahr dringend erforderlich sei, da die Kündigung des Heimplatzes jetzt drohe. Es bestehe ein Kompetenzstreit zwischen dem Antragsgegner und dem Beigeladenen zu 1).

Der Antragsgegner hat die Auffassung vertreten, dass er mangels örtlicher Zuständigkeit bereits der falsche Antragsgegner sei. Richtigerweise seien hier der Beigeladene zu 1) oder zu 2) für die Leistungsgewährung nach dem AsylbLG sachlich und örtlich zuständig. Maßgeblich zur Bestimmung der örtlichen Zuständigkeit sei im vorliegenden Fall die Vorschrift des § 10a Abs. 2 AsylbLG. Die Fiktion des gewöhnlichen Aufenthalts gem. § 10a Abs. 3 S. 4 AsylbLG bewirke, dass die Behörde, in deren Bereich der Leistungsberechtigte verteilt oder zugewiesen worden sei, durchgehend zuständig bleibe, für deren Bereich im Zeitpunkt der Aufnahme in die Pflegeinrichtung bzw. in den zwei Monaten zuvor die Zuweisungs- oder Verteilungsentscheidung galt. Der Antragsteller befinde sich seit dem 12. November 2018 dauerhaft in einer speziellen Fachpflegeeinrichtung der Neurophase F in A-Stadt. Ausweislich der Meldebescheinigung der Gemeinde A-Stadt vom 15. November 2024 sei der Antragsteller bis zum 12. November 2018 in der Landeserstaufnahmeeinrichtung D-Stadt, D-Straße (Baden-Württemberg) gemeldet gewesen. Offensichtlich sei der Antragsteller demnach nach D-Stadt verteilt. Zudem sei bis zum 13. Februar 2019 die letzte aktuelle Meldeanschrift in E-Stadt (Neckar-Odenwald-Kreis) gewesen, da laut Schreiben des Beigeladenen zu 1) vom 2. Dezember 2024 eine Zuweisung durch den Beigeladenen zu 2) am 13. Februar 2019 erfolgt sei. Demnach ergebe sich hier zum Zeitpunkt der Heimaufnahme oder in den zwei Monaten zuvor entweder die örtliche Zuständigkeit des Beigeladenen zu 2) gem. § 6 Abs. 2 S. 1 Flüchtlingsaufnahmegesetz Baden-Württemberg (FlüAG) oder des Beigeladenen zu 1). Ferner habe die Betreuerin des Antragstellers vorliegend fristgerecht Widerspruch gegen den Einstellungsbescheid des Beigeladenen zu 1) vom 29. Oktober 2024 eingelegt. Dieser entfalte aufschiebende Wirkung, sodass zumindest hiernach der Beigeladene zu 1) dazu verpflichtet sei, die im Streit stehenden Leistungen weiterhin (vorläufig) zu erbringen. Da der Antragsteller zu keinem Zeitpunkt seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Kreis Bergstraße begründet habe, scheide vor dem Hintergrund des Schutzes des Einrichtungsortes eine Zuständigkeit des Antragsgegners aus.

Der Beigeladene zu 2) hat seine Zuständigkeit hinsichtlich der Leistungsgewährung verneint.

Mit Beschluss vom 23. Dezember 2024 hat das Sozialgericht den Antragsgegner verpflichtet, dem Antragsteller vorläufig ab dem 1. Oktober 2024, längstens bis zur Entscheidung in der Hauptsache, längstens bis zum 30. Juni 2025, Leistungen gemäß § 2 AsylbLG i.V.m. § 27b SGB XII im gesetzlichen Umfang zu gewähren. Der Anordnungsgrund ergebe sich aus der drohenden Kündigung des Heimplatzes des Antragstellers, der aus gesundheitlichen Gründen auf die dortige pflegerische Versorgung angewiesen sei. Hinsichtlich des Anordnungsanspruchs werde auf § 10a Abs. 2 Satz 3 AsylbLG verwiesen. Diese Vorschrift enthalte hinsichtlich der Regelung in Abs. 2 S. 1 eine dieser Norm vorgehende Spezialregelung (Hinweis auf: BVerwG BeckRS 2006, 24169, juris Rn. 3). Insoweit werde auf die Ausführungen in BeckOK MigR/Decker, 19. Ed. 1.7.2024, AsylbLG § 10a Rn. 14, beck-online, verwiesen, die sich die Kammer ausdrücklich zu eigen gemacht hat. Im Rahmen des hiesigen Eilverfahrens und der bestehenden Kompetenzstreitigkeit sei der Antragsgegner zur vorläufigen Leistung zu verpflichten, da sich der Antragsteller tatsächlich in A-Stadt und somit im Zuständigkeitsbereich des Antragsgegners aufhalte. Im Rahmen der Kompetenzstreitigkeit zwischen den Trägern werde außerhalb des Eilverfahrens zu prüfen sein, ob hier das Verfahren nach § 51 AsylVfG durchgeführt worden sei.

Gegen den ihm am 23. Dezember 2024 zugestellten Beschluss hat der Antragsgegner am selben Tag Beschwerde beim Hessischen Landessozialgericht eingelegt. Die Ausländerbehörde des Antragsgegners hat dem Antragsteller mit Wirkung vom 14. November 2024 eine bis 14. November 2025 befristete Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 AufenthG erteilt.

Der Antragsgegner vertritt weiterhin die Auffassung, dass der Beigeladene zu 1) oder 2) sachlich und örtlich zuständig sei aufgrund des gewöhnlichen Aufenthalts des Antragsgegners in deren Zuständigkeitsbereich zum Zeitpunkt der Heimaufnahme am 18. November 2018. Entgegen der Darstellung des Beigeladenen zu 1) sei im Hinblick auf die örtliche Zuständigkeit keine länderübergreifende Umverteilungsentscheidung gemäß § 51 AsylG getroffen worden, da das Asylverfahren bereits geendet hatte. Vielmehr sei per Mail vom 27. August 2024 eine Zustimmung der Ausländerbehörde des Antragsgegners zum Zuzug vor dem Hintergrund des § 61 Abs. 1d AufenthG abgegeben worden. Demnach ergebe sich zum Zeitpunkt der Heimaufnahme oder in den zwei Monaten zuvor die örtliche Zuständigkeit des Beigeladenen zu 2) gem. § 6 Abs. 2 S. 1 FlüAG. Zu diesem Zeitpunkt habe sich der Antragsteller aufgrund der Verteilungsentscheidung in der Zuständigkeit des Regierungspräsidium Karlsruhe befunden. Die per Mail am 27. August 2024 erfolgte Zustimmung zum Zuzug der Ausländerbehörde des Antragsgegners sei nicht dazu geeignet, einen Wechsel der örtlichen Zuständigkeit herbeizuführen, da allein der gewöhnliche Aufenthalt zum Zeitpunkt der Aufnahme in die Pflegeinrichtung maßgeblich ist. Ein Wechsel der ausländerrechtlichen Zuständigkeit habe daher keinen Einfluss auf die leistungsrechtliche Ebene nach dem AsylbLG, da dies ansonsten in Verteilungs- bzw. Zuweisungsfällen der seitens des Gesetzgebers gewollten ausländerrechtlichen Kostenlastverteilung widersprechen würde. Seine Ausländerbehörde habe auf Grund des langjährigen Verfahrens und des langjährigen tatsächlichen Aufenthalts des unter Betreuung stehenden Beschwerdegegners in einer speziellen Einrichtung im Kreis Bergstraße, der Aufhebung der Wohnsitzauflage nach § 12a Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 AufenthG zugestimmt (Hinweis auf: VG Köln, Beschluss vom 5. November 2022 – 5 K 5152/21 –). Aufgrund der Erteilung der Aufenthaltserlaubnis habe ab 14. November 2024 ein Rechtskreiswechsel zum SGB XII stattgefunden. Die Zuständigkeit richte sich daher ab diesem Zeitpunkt nach § 98 Abs. 2 S. 1 SGB XII. Zuständig sei nach daher weiterhin der Träger des AsylbLG, folglich der Beigeladene zu 2) bzw. hilfsweise der Beigeladene zu 1) als örtlich zuständiger Träger (Hinweis auf: LSG Baden-Württemberg, L 2 SO 5272/15). Da sich der Beschwerdegegner in einer Pflegeeinrichtung der Neurophase F befinde, scheide seine Zuständigkeit als örtlicher Sozialhilfeträger vor dem Hintergrund des § 2 Abs. 1 Nr. 1 Hessisches Ausführungsgesetz zum Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (HAG SGB XII) evident aus.

Der Antragsteller geht davon aus, dass sich sein gewöhnlicher Aufenthalt seither im Kreis Bergstraße befunden habe und die Abgabe an den Antragsgegner seine Richtigkeit habe.

Der Beigeladene zu 1) führt aus, der Wechsel in der Leistungszuständigkeit resultiere aus der zeitlich später zu verortenden Verteilungsentscheidung nach § 51 AsylG. Würde dieses Argument außer Acht gelassen, hinge die Zuständigkeit von Zufälligkeiten wie dem Zeitpunkt der Antragstellung hinsichtlich des Antrags nach § 51 AsylG durch den Betroffenen oder dessen Verbescheidung ab und gerade nicht von gesundheitlich indizierten Ortswechseln, die allein nach dem Telos der Norm keine Zuständigkeit des „Behandlungsortes“ begründen solle. Ausweislich der Antragsbegründung vom 6. Mai 2024 habe sich der zuständige Fachdienst des Beigeladenen zu 1) – unabhängig von der Frage, ob zu Recht oder nicht – im Namen des Betroffenen ausschließlich auf einen Anspruch auf Umverteilung aus § 51 AsylG (Hinweis auf Schreiben vom 6. Mai 2024, S. 2: „Wir erbitten den gegenwärtigen Fall des Herrn A. unter § 51 Abs. 1 It. Halbsatz zu subsumieren“) berufen. Dem so eingegrenzten Antrag sei stattgegeben worden, ohne darauf hinzuweisen, dass ein Anspruch sich womöglich nicht aus der in Bezug genommenen Vorschrift ergeben könnte, stattdessen aber aus einer anderen Anspruchsgrundlage. Der Antrag hätte nach dem auch im Verwaltungsverfahren zu berücksichtigenden Grundsatz „ne ultra petita“ abgelehnt werden müssen oder ein entsprechender Hinweis erfolgen müssen. Selbst wenn man den Vortrag des Beschwerdeführers für zutreffend unterstellen würde, ergäbe sich keine Leistungsverpflichtung des Beigeladenen zu 1), da zum Zeitpunkt der Aufnahme in der Pflegeeinrichtung am 12. November 2018 noch keine Zuweisungsentscheidung an den Beigeladenen zu 1) erfolgt gewesen sei. Einen realen, d. h. nicht über § 10a Abs. 3 Satz 4 AsylbLG fingierten gewöhnlichen Aufenthalt im Zuständigkeitsbereich des Beigeladenen zu 1) habe der Antragsteller zu keinem Zeitpunkt gehabt. Sofern es zwischenzeitlich zu einem Rechtskreiswechsel gekommen sein sollte, dürfte die zu klärende Zuständigkeit davon unberührt bleiben (Hinweis auf: LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 19. Oktober 2016 – L 2 SO 5272/15 – juris, Rn. 60 ff.).

Der Beigeladene zu 2) räumt seine sachliche und örtliche Zuständigkeit im Zeitpunkt der Aufnahme des Antragstellers im Pflegeheim ein, hält sich für die Gewährung von Asylbewerberleistungen für nicht zuständig und verweist diesbezüglich an die untere Ausländerbehörde. Er habe den Antragsteller zur vorläufigen Unterbringung auf Grundlage von § 50 Abs. 4 i.V.m. § 53 Abs. 1 Satz 1 AsylG mit Zuweisungsentscheidung vom 13. Februar 2019 dem Beigeladenen zu 1) als unterer Aufnahmebehörde zugewiesen. Mit der Zuweisungsentscheidung vom 13. Februar 2019 habe die Verpflichtung, in der Erstaufnahmeeinrichtung zu wohnen, für den Antragsteller geendet. In der Folge sei auch die sachliche Zuständigkeit des Beigeladenen zu 2) entfallen. Diese habe durch die Zuweisungsentscheidung bzw. ab dem 13. Februar 2019 gem. § 10 Satz 1 AsylbLG i.V.m. § 1 FlüAG BW i.V.m. § 2 Abs. 4 Satz 1 FlüAG BW beim Beigeladenen zu 1) gelegen. Denn nach § 2 Abs. 4 Satz 1 FlüAG BW sei die untere Aufnahmebehörde sachlich zuständig, soweit nichts anderes bestimmt ist. Die Zuständigkeit beinhalte nach § 1 FlüAG BW auch die Ausführung des AsylbLG. Eine leistungsrechtliche Zuständigkeit des Beigeladenen zu 2) nach dem SGB XII sei generell nicht gegeben. Örtliche Träger der Sozialhilfe nach dem SGB XII seien in Baden-Württemberg gem. § 1 Abs. 1 Gesetz zur Ausführung des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (AGSGB XII BW) die Stadt- und Landkreise.

Der Beigeladene zu 3) vertritt die Auffassung, dass es bei der örtlichen Zuständigkeit des Beigeladenen zu 1) bleibe. Dies gelte zunächst für die Leistungszuständigkeit nach § 10 Abs. 3 Satz 1 AsylbLG in gleicher Weise wie auch für den Bereich der Leistungen nach SGB XII gem. § 98 Abs. 2 SGB XII. Es sei anerkannt, dass ein Leistungsberechtigter, der bereits vor dem Wechsel vom System des Asylbewerberleistungsrechts in das System des SGB XII in einer stationären Pflegeeinrichtung untergebracht war, unter Anwendung des § 98 Abs. 2 Satz 1 SGB XII einen Anspruch gegen den Träger des Asylbewerberleistungsgesetzes habe, wenn er beim erstmaligen Eintritt in die Einrichtungskette seinen gewöhnlichen Aufenthalt in dessen Zuständigkeitsbereich hatte (Hinweis auf: Söhngen, jurisPK-SGB XII, 4. Aufl. 2024, § 98 SGB XII, Rnr. 40). Dabei gelte nach § 109 SGB XII der gewöhnliche Aufenthalt nicht als der Aufenthalt in der stationären Einrichtung selbst.

Die Beigeladene zu 4) weist darauf hin, dass sie nie für den Antragsteller zuständig gewesen sei, er habe von ihr auch nie Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz erhalten, ihre Zuständigkeit komme daher nicht in Betracht.


II.

Die zulässige Beschwerde des Antragsgegners ist begründet. Der Beschluss des Sozialgerichts Darmstadt war zu ändern, denn nach der rückwirkend zu einem Zeitpunkt vor dem Eingang des Eilantrags bei dem Sozialgericht erteilten befristeten Aufenthaltsgenehmigung ist die Beigeladene zu 4) für die Deckung des sozialhilferechtlichen Bedarfs des Antragstellers nach dem 7. Kapitel des SGB XII i. V. m. § 27b SGB XII zuständig. 

Die Beigeladene zu 4) durfte analog § 75 Abs. 5 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zur vorläufigen Leistungsgewährung verpflichtet werden. 

In Verfahren nach § 86b Abs. 2 SGG ist die Vorschrift des § 75 Abs. 5 SGG entsprechend anwendbar, falls dem Begehren des Antragstellers entnommen werden kann, dass er hilfsweise auch die Verpflichtung eines anderen Leistungsträgers als des Antragsgegners begehrt. In einem solchen Fall muss der Anordnungsanspruch und -grund im Verhältnis zwischen Antragsteller und anderem Leistungsträger glaubhaft gemacht sein (BeckOGK/Straßfeld, 1. November 2024, SGG § 75 Rn. 323, beck-online). Die Verurteilung des Beigeladenen kann ohne ausdrücklichen Antrag des Antragstellers vorgenommen werden. § 75 Abs. 5 SGG unterstellt, dass ein Antragsteller zwar in erster Linie die Verurteilung des beklagten Leistungsträgers oder des Landes, hilfsweise aber auch jedes anderen beigeladenen Leistungsträgers begehrt. Eine Verurteilung ist nicht möglich, wenn der Antragsteller dies als Ausfluss seiner Dispositionsfreiheit ausdrücklich ablehnt (BeckOGK/Straßfeld, 1. November 2024, SGG § 75 Rn. 332, beck-online). Dies ist vorliegend nicht der Fall. Soweit der Antragsteller sich – im Übrigen vor der Beiladung der Beigeladenen zu 4) durch Beschluss vom 27. Februar 2025 – durch seine Betreuerin dahingehend eingelassen hat, der gewöhnliche Aufenthalt habe sich seither im Kreis Bergstraße befunden (Schr. vom 27. Januar 2025, Bl. 185 GA), stellt dies nicht mehr als die Äußerung einer Rechtsmeinung dar und schließt jedenfalls eine vorläufige Verpflichtung der Beigeladenen zu 4) nicht ausdrücklich aus.

Die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung gegen die Beigeladene zu 4) liegen vor. Zugunsten des Antragstellers besteht weiterhin im Verhältnis zu dieser sowohl ein Anordnungsanspruch als auch ein Anordnungsgrund.

Nach § 86b Abs. 2 Satz 1 und 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint, d.h. dass dem Antragsteller ohne eine entsprechende Regelung schwere und unzumutbare Nachteile entstehen, sodass ihm das Abwarten der Entscheidung in der Hauptsache nicht zugemutet werden kann (Anordnungsgrund) und ihm aufgrund der glaubhaft gemachten Tatsachen bei Prüfung der Rechtslage ein materiell-rechtlicher Anspruch auf die begehrte Handlung bzw. Unterlassung zusteht (Anordnungsanspruch). Nach § 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO) sind der Anordnungsanspruch und der Anordnungsgrund glaubhaft zu machen. Die Glaubhaftmachung bezieht sich auf die reduzierte Prüfungsdichte und die nur eine überwiegende Wahrscheinlichkeit erfordernde Überzeugungsgewissheit für die tatsächlichen Voraussetzungen des Anordnungsanspruchs und des Anordnungsgrundes (Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, Kommentar, 14. Auflage 2023, § 86b Rdnrn. 16b, 16c).

Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund stehen dabei nicht isoliert nebeneinander. Vielmehr verhalten sich beide in einer Wechselbeziehung zueinander, nach der die Anforderungen an den Anordnungsanspruch mit zunehmender Eilbedürftigkeit bzw. Schwere des drohenden Nachteils (dem Anordnungsgrund) zu verringern sind und umgekehrt. Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund bilden nämlich aufgrund ihres funktionalen Zusammenhangs ein bewegliches System (Hessisches LSG, Beschlüsse vom 21. Dezember 2009, L 4 KA 77/09 B ER, juris; vom 21. März 2013, L 1 KR 32/13 B ER; vom 17. Januar 2018, L 1 KR 496/17 B ER; Keller, a.a.O., § 86b Rdnr. 27 und 29, 29a m.w.N.). Wäre eine Klage in der Hauptsache offensichtlich unzulässig oder unbegründet, so ist der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ohne Rücksicht auf den Anordnungsgrund grundsätzlich abzulehnen, weil ein schützenswertes Recht nicht vorhanden ist. Wäre eine Klage in der Hauptsache dagegen offensichtlich begründet, so vermindern sich die Anforderungen an den Anordnungsgrund, auch wenn in diesem Fall nicht gänzlich auf einen solchen verzichtet werden kann. Bei offenem Ausgang des Hauptsacheverfahrens, wenn etwa eine vollständige Aufklärung der Sach- oder Rechtslage im einstweiligen Rechtsschutz nicht möglich ist, hat das Gericht im Wege einer Folgenabwägung zu entscheiden, welchem Beteiligten ein Abwarten der Entscheidung in der Hauptsache eher zuzumuten ist. Diese Anforderungen sind sowohl für Anfechtungs-wie für Vornahmesachen im Lichte der Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes aus Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz (GG) zu konkretisieren (zum Folgenden: BVerfG, Beschluss vom 6. August 2014, 1 BvR 1453/12, juris). Je gewichtiger die drohende Grundrechtsverletzung und je höher ihre Eintrittswahrscheinlichkeit ist, desto intensiver hat die tatsächliche und rechtliche Durchdringung der Sache bereits im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes zu erfolgen. Ist eine der drohenden Grundrechtsverletzung entsprechende Klärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich – etwa, weil es dafür weiterer, in der Kürze der zur Verfügung stehenden Zeit nicht zu verwirklichender tatsächlicher Aufklärungsmaßnahmen bedürfte –, ist es von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden, wenn die Entscheidung über die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes dann auf der Grundlage einer Folgenabwägung erfolgt. Übernimmt das einstweilige Rechtsschutzverfahren allerdings vollständig die Bedeutung des Hauptsacheverfahrens und droht eine endgültige Verhinderung der Grundrechtsverwirklichung der Beteiligten, müssen die Gerichte bei den Anforderungen an die Glaubhaftmachung zur Begründung von Leistungen zur Existenzsicherung in den Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes der Bedeutung des Grundrechts aus Art. 1 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 20 Abs. 1 GG Rechnung tragen. Die Anforderungen an die Glaubhaftmachung haben sich am Rechtsschutzziel zu orientieren, das mit dem jeweiligen Rechtsschutzbegehren verfolgt wird (Hessisches LSG, Beschluss vom 26. Februar 2020, L 4 AY 14/19 B ER, juris). 

Zunächst ist ein Anordnungsanspruch hinsichtlich der geltend gemachten Kosten der Heimunterbringung gegeben, der sich jedoch nicht nach dem AsylbLG bestimmt. Der Antragsteller ist wegen der – mit Wirkung zum 14. November 2024 erteilten - befristeten Aufenthaltserlaubnis (§ 25 Abs. 3 AufenthG) gem. § 1 Abs. 2 AsylbLG nicht (mehr) nach § 1 Abs. 1 AsylbLG leistungsberechtigt, denn der Aufenthaltstitel nach § 25 Abs. 3 AufenthG ist für eine Geltungsdauer von mehr als sechs Monaten erteilt. Spätestens mit Ablauf des November 2024 endete daher gem. § 1 Abs. 3 Satz 1 Alt. 2 AsylbLG die Leistungsberechtigung des Antragstellers nach dem AsylbLG. Damit war auch der Anwendungsbereich der für Zuständigkeitskonflikte geschaffenen Regelung des § 10a Abs. 2 Satz 3 AsylbLG nicht mehr eröffnet, auf die das Sozialgericht den Anordnungsanspruch gestützt hat.

Der Anordnungsanspruch ergibt sich vielmehr nach § 23 Abs. 1, §§ 61, 63 Abs. 1 Nr. 5 i. V. m. § 65, §§ 27, 27b SGB XII. Danach ist Ausländern, die sich im Inland tatsächlich aufhalten, Hilfe zum Lebensunterhalt, Hilfe bei Krankheit, Hilfe bei Schwangerschaft und Mutterschaft sowie Hilfe zur Pflege nach dem SGB XII zu leisten. Personen, die pflegebedürftig im Sinne des § 61a SGB XII sind, haben Anspruch auf Hilfe zur Pflege, soweit ihnen und ihren nicht getrennt lebenden Ehegatten oder Lebenspartnern nicht zuzumuten ist, dass sie die für die Hilfe zur Pflege benötigten Mittel aus dem Einkommen und Vermögen nach den Vorschriften des Elften Kapitels aufbringen. Pflegebedürftige der Pflegegrade 2, 3, 4 oder 5 haben Anspruch auf Pflege in stationären Einrichtungen, wenn häusliche oder teilstationäre Pflege nicht möglich ist oder wegen der Besonderheit des Einzelfalls nicht in Betracht kommt. Daneben ist Hilfe zum Lebensunterhalt Personen zu leisten, die ihren notwendigen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln bestreiten können. Der notwendige Lebensunterhalt umfasst in Einrichtungen den darin erbrachten Lebensunterhalt, in stationären Einrichtungen zusätzlich den weiteren notwendigen Lebensunterhalt. Der weitere notwendige Lebensunterhalt nach § 27b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB XII umfasst insbesondere einen Barbetrag nach Abs. 3 sowie Bekleidung und Schuhe (Bekleidungspauschale) nach Abs. 4; § 31 Abs. 2 Satz 2 SGB XII ist nicht anzuwenden.

Zuständig für die Leistungserbringung ist die Beigeladene zu 4). 

Die örtliche Zuständigkeit bestimmt sich nach § 98 Abs. 2 SGB XII. Danach ist für die stationäre Leistung der Träger der Sozialhilfe örtlich zuständig, in dessen Bereich die Leistungsberechtigten ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Zeitpunkt der Aufnahme in die Einrichtung haben oder in den zwei Monaten vor der Aufnahme zuletzt gehabt hatten (Abs. 2 Satz 1). Steht innerhalb von vier Wochen nicht fest, ob und wo der gewöhnliche Aufenthalt nach Satz 1 oder 2 begründet worden ist oder ist ein gewöhnlicher Aufenthaltsort nicht vorhanden oder nicht zu ermitteln oder liegt ein Eilfall vor, hat der nach Absatz 1 zuständige Träger der Sozialhilfe über die Leistung unverzüglich zu entscheiden und sie vorläufig zu erbringen (Abs. 2 Satz 3). 

Dabei kann jedenfalls nach der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gebotenen summarischen Prüfung offen bleiben, ob der Antragsteller zur Zeit der Aufnahme in die Pflegeeinrichtung in A-Stadt am 12. November 2018 einen gewöhnlichen Aufenthalt im Sinne von § 30 Abs. 3 Satz 2 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I) – Allgemeine Vorschriften - begründet hatte. Dies ist zweifelhaft, da er zu dieser Zeit in einer Erstaufnahmeeinrichtung in D-Stadt lebte, bei der bereits begrifflich nicht davon auszugehen ist, dass er dort „nicht nur vorübergehend“ verweilt hat. Darüber hinaus spricht auch die seinerzeit nur für die Durchführung des Asylverfahrens erteilte und damit zeitlich beschränkte Aufenthaltsgestattung gegen den erforderlichen zukunftsoffenen Aufenthalt in D-Stadt sprechen, denn die Begründung eines gewöhnlichen Aufenthalts während eines laufenden Asylverfahrens scheidet grundsätzlich aus, weil dessen Ausgang ungewiss ist (Lilge in: Lilge/Gutzler, SGB I, Reihe: Berliner Kommentare, 5., neu bearbeitete und erweiterte Auflage, § 30 SGB 1, Rn. 71 m. w. N.). 

Dies führt indessen nicht dazu, dass sich die örtliche Zuständigkeit nach der insoweit subsidiären Vorschrift des § 98 Abs. 1 SGB XII oder § 98 Abs. 2 Satz 3 SGB XII beurteilt, denn im maßgeblichen Zeitpunkt der Aufnahme in die Einrichtung unterfiel der Antragsteller dem Leistungsregime des AsylbLG, so dass nach Auffassung des Senats für die Bestimmung des gewöhnlichen Aufenthalts auf § 10a Abs. 3 Satz 4 AsylbLG zurückzugreifen ist, wonach der Bereich als sein gewöhnlicher Aufenthalt gilt, wenn jemand nach § 10a Abs. 1 Satz 1 AsylbLG nach dem Asylgesetz oder nach dem Aufenthaltsgesetz verteilt oder zugewiesen worden ist oder für ihn eine Wohnsitzauflage für einen bestimmten Bereich besteht. Denn zwar knüpft § 10a Abs. 1 Satz 1 AsylbLG an der Zuweisung des Leistungsberechtigten in den Zuständigkeitsbereich des jeweiligen Trägers an, aber § 10a Abs. 2 Satz 1 AsylbLG stellt in gleicher Weise wie § 98 Abs. 2 Satz 1 SGB XII auf den gewöhnlichen Aufenthalt des Hilfebedürftigen bzw. Leistungsberechtigten ab (LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 19. Oktober 2016 – L 2 SO 5272/15 –, Rn. 60, juris). Als gewöhnlicher Aufenthaltsort i. S. v. § 10a Abs. 3 Satz 4 AsylbLG gilt das Gebiet, in dem die leistungsberechtigte Person ihrer Verteilung oder Zuteilung entsprechend sich aufzuhalten verpflichtet ist bzw. in dem sie aufgrund der Wohnsitzauflage ihre Wohnung zu nehmen hat. Ob sich die leistungsberechtigte Person dort gewöhnlich oder auch nur tatsächlich aufhält, ist insoweit ohne Bedeutung (Groth in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB XII, 4. Aufl., § 10a AsylbLG [Stand: 1. Mai 2024), Rn. 77]. Hiervon ausgehend gilt als gewöhnlicher Aufenthalt des Antragstellers im maßgeblichen Zeitpunkt aufgrund der Unterbringung in der Erstaufnahmeeinrichtung in D-Stadt und der damit einhergehenden, sich aus § 47 Abs. 1 AsylG ergebenden Verpflichtung des Antragstellers in der Erstaufnahmeeinrichtung zu wohnen (vgl. BeckOK MigR/Decker, 20. Ed. 1.1.2025, AsylbLG § 10a Rn. 2, beck-online), D-Stadt. Der Bescheid des Beigeladenen zu 2), der die landesinterne Umverteilung in das Kreisgebiet des Beigeladenen zu 1) regelt und die Verpflichtung des Antragstellers, in der Erstaufnahmeeinrichtung im Stadtgebiet des Beigeladenen zu 4) zu wohnen, nach Ziff. 3 des Bescheides entfallen lässt, datiert erst vom 13. Februar 2019.

Unerheblich ist, ob im Zeitpunkt der Aufnahme in die Einrichtung oder in den zwei Monaten vor der Aufnahme eine Anspruchsberechtigung nach dem SGB XII gegenüber dem Beigeladenen zu 4) bestanden hat. Die Rückanknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt im nach § 98 Abs. 2 SGB XII maßgeblichen Zeitraum erfolgt unabhängig davon, ob zu diesem Zeitpunkt ein Anspruch gerade nach dem SGB XII bestand (vgl. BSG, Urteil vom 1. März 2018 – B 8 SO 22/16 R –, juris Rn. 19).

Die Beigeladene zu 4) ist auch sachlich zuständig. Die sachliche Zuständigkeit für die Gewährung von Leistungen nach §§ 61, 63 Abs. 1 Nr. 5 i. V. m. § 65, §§ 27, 27b SGB XII bestimmt sich nach § 97 SGB XII i. V. m. landesrechtlichen Vorschriften – hier des Landes Baden-Württemberg. Nach § 1 Abs. 1 i. V. m. § 2 Satz 1 Gesetz zur Ausführung des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (AGSGB XII BW; Gbl. für das Land Baden-Württemberg 2024, 469, 534) sind die Stadt- und Landkreise als örtliche Träger der Sozialhilfe für die in § 8 SGB XII genannten Hilfen zuständig, mithin auch für die in § 8 Nr. 1 und 4 SGB XII genannten Hilfen zum Lebensunterhalt (§§ 27 bis 40 SGB XII) und zur Pflege (§§ 61 bis 66a SGB XII). 

Die materiellen Voraussetzungen des Anordnungsanspruchs sind glaubhaft gemacht.

Insbesondere aufgrund des Attests von Dr. K. (NeuroCentrum Odenwald) vom 25. November 2024 und der dort beigefügten Epikrise vom 19. November 2018 kann der Senat am Maßstab des einstweiligen Rechtsschutzes davon ausgehen, dass keine nach § 21 Satz 1 SGB XII vorrangige Leistungsberechtigung nach dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbuches besteht.

Der Antragsteller ist Ausländer und hält sich tatsächlich im Inland auf. Ein Leistungsausschluss oder eine Leistungseinschränkung nach § 23 Abs. 2 oder 3 SGB XII ist aufgrund der dem Antragsteller erteilten befristeten Aufenthaltsgenehmigung nach § 25 Abs. 3 AufenthG nicht gegeben. 

Der Antragsteller hat auch die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme von Hilfe zur Pflege in stationären Einrichtungen hinreichend glaubhaft gemacht, er ist pflegebedürftig mit Pflegegrad 4 und häusliche oder teilstationäre Pflege ist aufgrund seines Gesundheitszustandes beim Vorliegen einer Anpassungsstörung mit depressiver Komponente und generalisierter Epilepsie mit einer für das Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes hinreichenden Wahrscheinlichkeit nicht möglich; hierüber besteht zwischen den Beteiligten auch kein Streit. Weiterhin ist der Antragsteller, der seither im Bezug von Leistungen nach dem AsylbLG stand, mit hinreichender Wahrscheinlichkeit bedürftig i. S. v. § 27 SGB XII

Der Antragsteller hat einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht. Zutreffend hat das Sozialgericht insoweit auf die drohende Kündigung des Heimpflegeplatzes durch den Einrichtungsträger, für den Fall, dass die Kostentragung nicht gesichert ist, abgestellt. 

Die nach dem Wortlaut des § 75 Abs. 5 SGG im Ermessen des Gerichts (LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 28. Januar 2016 – L 8 SO 385/12, BeckRS 2016, 69528 Rn. 27, beck-online) stehenden Verpflichtung im Wege der einstweiligen Anordnung der Beigeladenen zu 4) ist hier zur Vermeidung von Erstattungsstreitigkeiten geboten, da die Zuständigkeit des erstinstanzlich verpflichteten Antragsgegners lediglich für eine vorläufige Leistungserbringung gem. § 98 Abs. 2 Satz 3 SGB XII gegeben wäre.

Die Kostengrundentscheidung beruht auf § 193 SGG

Dieser Beschluss ist gemäß § 177 SGG unanfechtbar.
 

Rechtskraft
Aus
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