L 6 VE 1042/24

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
6.
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 8 VE 1306/23
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 6 VE 1042/24
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze

1. Es bedarf ärztlicher Beurteilung, ob eine übliche Impfreaktion oder eine darüberhinausgehende Impfkomplikation vorliegt, was eine ärztliche Konsultation und eine entsprechende Beschwerdeangabe voraussetzt.
2. Kopfschmerzen können als reversible Allgemeinreaktion auf eine Corona-Schutzimpfung mit dem Impfstoff Comiraty innerhalb von 12 bis 48 Stunden auftreten, isoliert anhaltende Kopfschmerzen werden als Nebenwirkung in der Fachinformation nicht beschrieben.
3. Kopfschmerzen können als Symptom zahlloser Erkrankungen auftreten und auch ohne Zusammenhang zu einer Schutzimpfung Anlass für medizinische Untersuchungen sein.

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 28. Februar 2024 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.



Tatbestand

Die Klägerin begehrt die Gewährung von Beschädigtenversorgung nach dem Infektionsschutzgesetz (IfSG) i.V.m. mit dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) aufgrund eines geltend gemachten Impfschadens nach einer Corona-Schutzimpfung mit dem Impfstoff Comirnaty (Biontech).

Sie ist 1990 geboren, hat keinen Hauptschulabschluss erlangt und die Lehre als Friseurin abgebrochen. Von 2017 bis 2021 hat sie nach eigenen Angaben eine Verkaufstätigkeit über zwei bis drei Stunden im Monat verrichtet, weitere Berufstätigkeit wurde keine ausgeübt. Sie ist seit März 2010 verheiratet, hat einen 2011 geborenen Sohn und bewohnt ein gemietetes Haus (vgl. Anamnese G1).

Am 24. Januar 2022 beantragte sie bei dem Landratsamt R1 (LRA) die Gewährung von Beschädigtenversorgung wegen eines Impfschadens nach einer am 12. Mai 2021 durchgeführten Corona-Schutzimpfung mit dem Impfstoff Comirnaty (vgl. Kopie des Impfpasses).

Vorgelegt wurden Berichte des Universitätsklinikums T1. Im Entlassungsbericht über die stationäre Behandlung vom 30. Juni bis 6. Juli 2021 wurde die Erstdiagnose eines Status migraenosus im Juni 2021 beschrieben. Es würden seit fünf Wochen bestehende Dauerkopfschmerzen angegeben, der Kopfschmerz spreche nur teilweise auf Schmerzmittel an und sei teilweise mit Übelkeit assoziiert. Eine Migräne mit Kopfschmerzen und Übelkeit, zwei Attacken pro Jahr, sei vorbekannt. Als Ursache für die anamnestisch schwer zu kategorisierende Kopfschmerz-Symptomatik habe in der Kernspintomographie (MRT) kein Korrelat nachgewiesen werden können. Laborchemisch hätten sich keine Auffälligkeiten gezeigt, insbesondere keine Infekt-Konstellation und keine D-Dimer-Erhöhung. Eine Sinusvenenthrombose sei ausgeschlossen worden. Zur Darstellung gekommen sei die bekannte chronische Rhinosinusitis. Nach Angaben der Klägerin präsentiere sich der hierdurch bekannte Gesichtsschmerz anders als die aktuelle Kopfschmerzsymptomatik.

Aufgrund des fehlenden Ansprechens auf nichtsteroidale Antiphylogistika und nach Angabe einer Besserung der Beschwerden nach einem Therapieversuch mit Sumatriptan 100 mg bei der Hausärztin – welcher jedoch wegen der Nebenwirkungen nicht vertragen worden sei – sei ein dreitägiger Methylprednisolon-Stoß durchgeführt worden, unter dem es zu einer deutlichen Besserung der Beschwerden mit fast vollständiger Regredienz gekommen sei.

Es werde die regelmäßige Dokumentation der Kopfschmerzen empfohlen. Einzelne Migräneattacken sollten wie üblich medikamentös behandelt werden, im Falle eines erneuten Status migraenosus sei eine orale Prednisolon-Therapie möglich. Eine Anfallsprophylaxe sei aufgrund der Anfallshäufigkeit nicht indiziert.

Im Entlassungsbericht über die nachfolgende stationäre Behandlung (14. bis 16. Juli 2021) wurde dargelegt, dass die Kopfschmerzsymptomatik qualitativ und quantitativ der bekannten Migräne entsprochen habe, wegen der Infektzeichen aber dennoch eine stationäre Aufnahme erfolgt sei. Bei der Lumbalpunktion hätten sich keine Hinweise für eine Meningitis gefunden, die Entzündungswerte im Blut seien ohne antibiotische Therapie bereits abgefallen. Die Entlassung sei mit deutlich rückläufiger Kopfschmerzsymptomatik und ohne postpunktionelles Syndrom in fokal neurologisch unauffälligem Zustand zurück in die Häuslichkeit erfolgt.

Im Bericht über die ambulante Vorstellung vom 6. Dezember 2021 wurde zur Diagnose angegeben „V.a. chronische Migräne ggf. getriggert durch Sars-Cov2-Impfung im Mai 2021, DD: Kombination aus Migräne ohne Aura und post-vakzinalem chronischen Kopfschmerz“. Anhalt für eine symptomatische Kopfschmerzursache bestehe nach der stationären Abklärung im Juli 2021 nicht. Die Klägerin habe angegeben, seit ihrer Kindheit unter Migräne ohne Aura zu leiden, die bis Mai 2021 nur sporadisch aufgetreten sei. Wochen nach der Impfung („also nicht unmittelbar nach der Impfung“) habe die Kopfschmerzfrequenz zugenommen.

Eine ätiologische Einordnung des Kopfschmerzsyndroms sei bisher nicht gelungen. Die Klägerin selbst sehe einen unscharfen zeitlichen Zusammenhang zwischen der Impfung und der massiven Zunahme der Kopfschmerzfrequenz, was sich rein retrospektiv nur noch schwer nachvollziehen lasse. Unzweifelhaft leide die Klägerin unter einer Migräne ohne Aura. Inwiefern die Impfung als Trigger für die Überführung einer episodischen in eine chronische Verlaufsform der Migräne fungiert habe, müsse Spekulation bleiben. Anhand der Medikamentenanamnese ergebe sich kein sicherer Anhalt für einen arzneimittelinduzierten Kopfschmerz.

Während der stationären Behandlung vom 18. bis 27. Dezember 2021 wurde eine erneute Methylprednisolon-Pulstherapie durchgeführt und eine leichte Besserung der Kopfschmerzen beschrieben.

Zur Akte gelangte der Befundbericht des Facharztes Z1 aufgrund ambulanter Untersuchung vom 17. August 2021. Dieser führte aus, dass von einem Kombinationskopfschmerz mit den Komponenten Migräne ohne Aura und jetzt zur Chronifizierung neigendem Kopfschmerz vom Spannungstyp auszugehen sei.

Die Fachärztin S1 gab in ihrem Befundbericht vom 14. August 2021 an, dass die Klägerin den Beginn der Schmerzen acht Tage nach der zweiten Impfung beschrieben habe. Sie habe zahlreiche Patientinnen, die nach der zweiten Impfung über starke Migräne mit der Notwendigkeit, die Neurologie aufzusuchen, klagten. Allerdings könne sie sich bei der Klägerin auch Nebenwirkungen der bereits seit über 10 Jahren bestehenden Dauerbehandlung mittels Methylphenidat als Ursache vorstellen. Sie habe bei der ADHS-Sprechstunde in T1 um einen Termin gebeten, um Alternativen zu eruieren.

Im Bericht des Universitätsklinikums T1 – Abteilung für Psychosomatische Medizin – über die ambulante Vorstellung am 30. Dezember 2021 wurde eine chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren beschrieben. Zur Entwicklung eines biopsychosozialen Krankheitsmodells und verbessertem Umgang mit den chronischen Schmerzen sei eine ambulante Psychotherapie indiziert.

Die Beklagte zog das Gutachten des Medizinischen Dienstes Baden-Württemberg (MD) vom 3. Februar 2022 mit der Empfehlung eines Pflegegrades 2 sowie die Verwaltungsakte betreffend die Feststellung des Grades der Behinderung (GdB – 50 seit 17. Januar 2022 [Bescheid vom 21. April 2022]) bei.

Weiter wurden die Behandlungsberichte des Universitätsklinikums T1 – Klinik für HNO-Heilkunde – seit 2017 bezüglich der Diagnose einer chronischen Sinusitis eingeholt. Im Arztbrief über die ambulante Vorstellung am 11. Juni 2021 wurde dargelegt, dass die Klägerin über ein subjektiv gutes Vertragen – der nach ambulanter Untersuchung vom 6. März 2021 (vgl. Bericht) eingeleiteten – Antikörpertherapie berichtet habe. Es seien weder Ausschläge noch Übelkeit bemerkt worden, die Klägerin sei glücklich über die Tatsache, wieder riechen und schmecken zu können. Dies habe sie schon lange nicht mehr gekonnt. Die Nasenatmungsbeschwerden seien deutlich besser geworden, das Druckgefühl über dem Gesicht sowie der Druckschmerz hätten sich ebenso wie die Tagesmüdigkeit verbessert. Seit der ersten Corona-Impfung bestehe eine leichte Verschlechterung des Geruchssinns, da die Klägerin die Erkrankung aber bereits durchgemacht habe, werde die zweite Immunisierung ausgelassen.

Der Facharzt D1 führte versorgungsärztlich aus, dass die Klägerin bereits vor der Impfung an Asthma bronchiale, einer Depression und Angststörungen sowie einem ADHS, einer chronischen Rhinosinusitis mit nasalen Polypen und an einer Migräne ohne Aura gelitten habe. Im März 2020 sei es zu einer milden Covid-19-Infektion gekommen. Für den Fall, dass bei der Klägerin ein impfbedingter postvakzinöser Kopfschmerz angenommen werden könne, müssten bestimmte Bedingungen erfüllt sein, die von der WHO vorgegeben seien. Dazu zählten der zeitliche Zusammenhang, das Fehlen anderer Auslöser, die für den jeweiligen Impfstoff typischen Symptome und die für den jeweiligen Impfstoff pathophysiologisch erklärbaren Symptome.

Zum Beginn der exazerbierten Kopfschmerzen fänden sich widersprüchliche Aussagen. Im Bericht vom 6. Dezember 2021 sei erst Wochen nach der Impfung, aber nicht unmittelbar von einer Frequenzzunahme die Rede. Bei der Erstaufnahme am 30. Juni 2021 sei ein Dauerschmerz über fünf Wochen beschrieben worden und damit etwa 2 Wochen nach der Impfung beginnend. Bei S1 sei am 14. August 2021 eine Zeitspanne von lediglich acht Tagen angegeben worden. Zudem wäre dies nach der zweiten Impfung gewesen, welche jedoch nicht im Impfbuch dokumentiert oder nicht durchgeführt worden sei. Aufgrund der anamnestisch sehr inkonsistenten Angaben gestalte sich die Bewertung des zeitlichen Zusammenhangs schwierig.

Die Klägerin leide schon seit vielen Jahren unter einer Migräne ohne Aura, die gelegentlich auch von Übelkeit begleitet werde. Die Symptomatik verschlimmere sich unter Stress und Belastung. Außerdem trete Migräne in der Familie der Klägerin gehäuft auf. Eine Exazerbation der ohnehin bereits bestehenden Migräne zu einer chronischen, durch psychische oder somatische Auslöser scheine daher wesentlich wahrscheinlicher. Eine arzneimittelinduzierte Nebenwirkung des Methyphenidats (Ritalin) sei fachärztlich ebenso in Erwägung gezogen worden. Eine sehr häufige Nebenwirkung sei hierbei starker Kopfschmerz. Eine Unterdrucksymptomatik durch den Kleinhirntonsillentiefstand werde ebenfalls diskutiert.

Die Melderate von Kopfschmerzen nach einer Covid-19-Impfung betrage laut aktuellem Sicherheitsbericht des PEI 26,84/100.000 Impfungen. Dabei handele es sich allerdings um eine allgemeine Impfreaktion innerhalb der ersten 24 bis 48 Stunden, welche reversibel und vorübergehend sei. Die Kausalitätsvoraussetzungen zwischen Impfung und „Impfschaden“ seien nicht erfüllt.

Mit Bescheid vom 8. September 2022 lehnte das LRA die Gewährung von Beschädigtenversorgung ab. Nach der versorgungsärztlichen Stellungnahme seien die vom IfSG geforderten Kausalitätsvoraussetzungen zwischen der Impfung und dem geltend gemachten „Impfschaden“ nicht erfüllt.

Die Klägerin erhob Widerspruch und machte geltend, dass die Migräne vor der Impfung maximal zweimal im Jahr aufgetreten sei. Die Lumbalpunktion während des dritten Krankenhausaufenthaltes sei nicht notwendig gewesen und sei in einer Phase großer Schmerzen durchgeführt worden. Eine zweite Impfung habe es nicht gegeben. Methylphenidat werde seit acht Jahren ohne Nebenwirkungen eingenommen. Es bestehe ein permanenter tagtäglicher Kopfschmerz mit vermehrten Migränephasen, beginnend circa zwei Wochen nach der Corona-Impfung. Dies sei zum frühestmöglichen Zeitpunkt im ersten Krankenhausbericht angegeben worden.

Der Einwand, dass rechnerisch einmal der Kopfschmerz nach 14 Tagen und einmal nach 8 Tagen begonnen habe, sei rückblickend als problematisch anzusehen. Eine auf den Tag genaue rückwärtige Datierung sei für sie – die Klägerin – schwierig, gerade auch, weil im Vorhinein nicht bekannt gewesen sei, dass dieses Datum relevant werden würde. Es bleibe die Tatsache festzuhalten, dass der Beginn des Dauerkopfschmerzes mit allen damit verbundenen Folgen unmittelbar nach der Impfung begonnen habe, gleichgültig, ob nach 8, 9 oder 10 Tagen.

Weiter wurde neben einer nochmaligen Kopie des Impfpasses ein Kopfschmerztagebuch vorlegt, auf welchem handschriftlich „10.6.14“ notiert ist (vgl. Bl. 148 VerwAkte).

K1 legte versorgungsärztlich dar, dass ein Kopfschmerztagebuch aus 2014 (Verweis auf Bl. 148 VerwAkte) aktenkundig sei, welches bereits nahezu tägliche Kopfschmerzen dokumentiere. Auch starke Schmerzen sowie gelegentliche Migräneattacken seien monatlich mehrmals aufgetreten. Dies scheine dem aktuellen Beschwerdebild der Klägerin sehr ähnlich und habe schon Jahre vor der Impfung bestanden. Des Weiteren seien häufige Auslöser einer Verschlechterung der Migräne Stress, hormonelle Faktoren, orale Kontrazeptive, Schlafmangel und Wetterwechsel. Auch das ADHS könne mit einem Peak zwischen 35 bis 39 Jahren zu einem erhöhten Migränerisiko führen.

Aufgrund der widersprüchlichen Aussagen zum Beginn der Kopfschmerzen in den Befundberichten sei außerdem die Einordnung des zeitlichen Zusammenhangs schwierig. Auch die Klägerin scheine den Zeitpunkt des Beginns der Symptomatik nicht erinnern zu können. Dies sei ihrer Ansicht nach aber irrelevant. Impfschäden träten typischerweise im Zeitraum der maximal zu erwartenden Immunreaktion auf eine Impfung auf. Diese betrage nur wenige Wochen. Eine Konkretisierung zum Nachweis einer zeitlichen Kausalität sei somit durchaus relevant.

Weiter gebe die Klägerin an, bei ihrem dritten Krankenhausaufenthalt sei eine nicht notwendige Lumbalpunktion durchgeführt worden, welche ebenso nicht dokumentiert worden sei. Diese ergebe sich aber sehr wohl aus dem Befundbericht des Universitätsklinikums T1 vom 20. Dezember 2021 und diese sei zum Ausschluss eines Pseudotumors durchgeführt worden. Postpunktionell sei es durch den Verlust von Liquor durch die Einstichstelle zu verstärkten Kopfschmerzen gekommen, weswegen eine Blood-Patch-Behandlung erfolgt sei. Daraufhin sei die Klägerin nach dem Bericht schmerzfrei gewesen, was diese aber dementiere.

Fachärztlich sei zudem eine Arzneimittelnebenwirkung des Medikaments Methylphenidat in Erwägung gezogen worden, was nach Angaben der Klägerin deshalb auszuschließen sei, da sie das Mittel bereits seit acht Jahren einnehme. Methylphenidat sei für die Behandlung von Erwachsenen mit ADHS nicht zugelassen, seine Sicherheit und Wirksamkeit habe bisher nicht nachgewiesen werden können. Bei Kindern und Heranwachsenden stelle der Kopfschmerz eine sehr häufige Nebenwirkung dar.

„Post-Vac“ sei keine definierte Bezeichnung für eine Erkrankung. Der Begriff meine offenbar verschiedene Beschwerden, wie sie auch mit dem sogenannten Long-Covid in Verbindung gebracht würden. Häufig fehlten allerdings wichtige klinische Informationen, sodass die diagnostische Sicherheit oft nicht beurteilt werden könne. Derzeit könne angesichts der Spontanberichte auch im internationalen Kontext kein Signal für anhaltende Beschwerden nach der Covid-10-Impfung detektiert werden. Gleichwohl werde das Paul-Ehrlich-Institut (PEI) entsprechende Meldungen intensiv überwachen und versuchen, im Rahmen von weiteren Studien das Thema zu erforschen. Gemäß des aktuellen Sicherheitsberichts des PEI könnten Kopfschmerzen im Rahmen einer harmlosen, reversiblen Allgemeinreaktion innerhalb von 12 bis 48 Stunden nach der Impfung auftreten.

Gestützt auf die versorgungsärztliche Stellungnahme wies das Regierungspräsidium S2 den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 21. Juni 2023 zurück.

Am 11. Juli 2023 hat die Klägerin Klage beim Sozialgericht Reutlingen (SG) erhoben und neben bereits aktenkundigen Unterlagen das Schreiben der S1 vom 12. August 2021 an die Hochschulambulanz – Sprechstunde ADHS im Erwachsenenalter – vorgelegt. Danach leide die Klägerin neben einem ADHS an einer Angsterkrankung, Zwangsgedanken sowie einer Migräne. In der Neurologischen Klinik habe man der Klägerin nicht weiterhelfen können, es erscheine fraglich, ob man sich für die bestehende Medikation und mögliche Auslöser interessiert habe. Die Klägerin nehme seit über 10 Jahren Methylphenidat, ohne dass sie nach eigenen Angaben nicht funktioniere. Die Medikation sei als mitverantwortlich für die starke, ausgeprägte Dauer der Migräne anzusehen, sodass eine Alternative gefunden werden müsse.

Im Bericht des Universitätsklinikums T1 über die ambulante Behandlung vom 9. Februar 2022 ist ausgeführt, dass sich in der klinisch-neurologischen Untersuchung eine deutliche Hypertrophie der Massetermuskulatur beidseits gezeigt habe. Die Blutuntersuchung habe weitgehend unauffällige Werte ergeben. Die Möglichkeit einer Botox-Behandlung sei aufgezeigt worden.

Nach dem weiteren Bericht vom 17. März 2022 sei im Dezember eine Liquorpunktion zum Ausschluss einer symptomatischen Kopfschmerzursache durchgeführt worden, in deren Folge die Klägerin ein schweres postpunktionelles Syndrom entwickelt habe, welches sich erst nach einem Blutpatch gebessert habe. Hinweise für eine symptomatische Kopfschmerzursache hätten sich im Rahmen des stationären Aufenthalts nicht ergeben. Unter der Therapie mit Botulinumtoxin zeichne sich eine Besserung der Kopfschmerzsymptomatik ab. Die Therapie solle fortgeführt werden. Unter dem Gesichtspunkt der drastischen Gewichtszunahme solle versucht werden, die Nortriptylin-Dosis schrittweise zu reduzieren und auf das Antidepressivum zu verzichten. Eine psychotherapeutische Begleitbehandlung sei geplant, die Klägerin entwickele beim Autofahren aber schwere Migräneattacken und sei deshalb nicht reisefähig.

Nach ambulanter Behandlung am 14. Juni 2022 hat das Universitätsklinikum T1 ausgeführt, dass sich der Trend zur Besserung nicht verstetigt habe. Tatsächlich habe sich nicht nur die Kopfschmerzsymptomatik, sondern auch die psychische Verfassung verschlechtert. Einen Auslöser für die Verschlechterung könne die Klägerin nicht benennen, Schmerzmittel würden wegen der Angst vor einem schmerzmittelinduzierten Kopfschmerz nur sehr diszipliniert eingenommen. Getriggert durch eine erneute Verschlechterung der Schmerzsymptomatik habe sich auch die depressive Verstimmung der Klägerin erheblich verschlechtert. Aufgrund der manifesten Beeinträchtigung der Lebensqualität, der bisher fehlgeschlagenen unimodalen Schmerztherapie und der schmerzunterhaltenden psychischen Komorbiditäten bestehe die Indikation zur stationären Schmerztherapie.

Die stationäre Behandlung ist vom 9. bis 25. August 2022 in der Schmerzklinik K2 durchgeführt worden. Aufgrund der Wiedervorstellung am 25. Oktober 2022 hat das Universitätsklinikum T1 ausgeführt, dass die Behandlung keinen signifikanten Einfluss auf die Schmerzhäufigkeit und Schmerzintensität gehabt habe. Die antidepressive Medikation sei umgestellt, aufgrund der Schlafstörungen eine kombinierte medikamentöse Behandlung begonnen worden. Bei bestehender oromandibulärer Dysfunktion als potentiellem Aggravationsfaktor für den chronischen Kopfschmerz könne das damit verbundene myofasziale Schmerzsyndrom im Bereich des Kiefergelenks zusätzlich durch die Botulinumtherapie adressiert werden.

Am 23. Februar 2023 hat die Klägerin über eine Reduzierung der Migräneattacken berichtet. Sie nehme an einer Studie teil, die den schmerzfördernden Einfluss einer temporo-mandibulären Dysfunktion auf die chronische Migräne adressiere. In diesem Zusammenhang würden physiotherapeutische Behandlungen der Kiefergelenksmuskulatur wahrgenommen. Im weiteren Gespräch seien unter 15 mg Escitalopram deutliche Libidostörungen beschrieben worden.

Maßgebliche Indikatoren, die auf die Entwicklung eines arzneimittelinduzierten Kopfschmerzes hindeuteten, seien vor allem der Wirkverlust der Akutmedikation sowie eine Änderung der Kopfschmerzstärke und Kopfschmerzqualität unter laufender Dosissteigerung der Schmerzmedikation. Von Seiten der Klägerin gebe es keinen Anhalt für einen Medikamentenübergebrauchskopfschmerz.

Der G1 hat für die Deutsche Rentenversicherung nach ambulanter Untersuchung vom 25. April 2023 ein Gutachten zur Frage der Erwerbsminderung erstattet. Dieser hat ausgeführt, dass die Klägerin im Vorgutachten vom 19. Mai 2017 über eine Dauermigräne berichtet habe, die sie außer Gefecht setze. Bei der – jetzigen – Untersuchung habe sie berichtet, dass sie nach der Impfung täglich chronische Kopfschmerzen und täglich Migräne bekommen habe, was vorher nicht der Fall gewesen sei. Seither habe sie jeden Tag Kopfschmerzen, es seien Verspannungen vom Nackenbereich bis nach vorne in den Kopf. 7 bis 12 Mal im Monat leide sie an Migräne, bekomme auch Migräneattacken, seit zwei Jahren unter täglichen Kopfschmerzen. Die Kopfschmerzen hätten im Mai 2021 angefangen und ab Juli habe sie ein Kopfschmerztagebuch geführt. Seit dem Aufenthalt in der Schmerzklinik (August 2022) notiere sie jede Stunde die Stärke der Kopfschmerzen. Seit zweieinhalb Jahren könne sie wegen der Schmerzen nicht mehr Auto fahren.

Die Corona-Infektion im März 2020 sei nicht so schlimm wie die Symptome nach der Impfung gewesen. Seit circa 10 Jahren habe sie ein ADHS-Syndrom. Ihre Depressionen seien unverändert schlimm. Sie habe Wut in sich, Aggressionen, Verzweiflungsgefühle, Trauer und Hoffnungslosigkeit.

Vordergründig habe die Klägerin eine ausgeprägte Kopfschmerzsymptomatik beschrieben, die drei Wochen nach der Covid-Impfung aufgetreten sei. Seither habe sie migränöse Kopfschmerzen, aber auch Spannungskopfschmerzen ausgehend von der Schulter-Nacken-Region mit Ausstrahlung in den Hinterkopf und die frontale Schädelregion. Zusätzlich komme es 7 bis 12 Mal pro Monat zu Migräneattacken mit Übelkeit, Erbrechen und Lichtüberempfindlichkeit. Insgesamt habe sich die Kopfschmerzsymptomatik nicht wesentlich bessern lassen, auch Akupunktur habe nicht weitergeholfen.

Die Klägerin habe sich offenbar von sämtlichen Anforderungen im Haushalt und auch im allgemeine Leben bezüglich Aktivitäten zurückgezogen, alles an ihren Ehemann delegiert. Von der biographischen Entwicklung her sei von einer Psychoneurose bei mangelnder emotionaler Geborgenheits- und Sicherheitserfahrung in der Kindheit auszugehen. Die Kombinationskopfschmerzen mit Spannungskopfschmerzen und migränösen Anteilen seien im Sinne einer chronischen Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren zu werten. Ein ADHS werde mit Medikinet behandelt. Hierunter komme es zur Besserung der Ablenkbarkeit und der ausgeprägten Konzentrationsstörung, mögliche Nebenwirkungen seien Kopfschmerzen. Der neurologische Untersuchungsbefund sei im Wesentlichen regelrecht gewesen.

Es seien mehrere medizinische Optionen offen, wegen der Schwere der Störung komme durchaus eine psychosomatische Behandlung in Frage. Derzeit werde die Klägerin für nicht fähig erachtet, am Erwerbsleben teilnehmen zu können.

Der Beklagte ist der Klage entgegengetreten und hat darauf verwiesen, dass das Gutachten des G1 eine Ursächlichkeit der Impfung nicht nachweisen könne. Vielmehr komme dadurch zum Ausdruck, welcher Schweregrad der Erkrankung bereits vor der Impfung bestanden habe. Das Kopfschmerzbild habe in ähnlicher Weise vor und nach der Impfung vorgelegen.

Zur weiteren Sachaufklärung hat das SG sachverständige Zeugenauskünfte der behandelnden Ärzte erhoben.

Der S3 hat angegeben, dass sich die Klägerin am 18. Mai 2021 zur Laborbesprechung, sowie am 22. Juni, 29. Juni, 14. Juli und 12. August 2021 mit migränoiden Kopfschmerzen in der Sprechstunde vorgestellt habe. Ein erstmaliger Sprechstundenkontakt zum Themenkomplex Kopfschmerz habe am 13. August 2018 stattgefunden. Am 22. Juni 2021 habe die Klägerin über seit drei Wochen bestehende Kopfschmerzen berichtet, ab dem 16. November 2022 hätten keine auf die Kopfschmerzen ausgerichteten Sprechstundentermine mehr stattgefunden.

Eine umfassende Diagnostik und Therapieempfehlung im Hinblick auf die Migräne sei in der Universitätsklinik T1 erfolgt. Ergänzend hat er Befundberichte und den Entlassungsbericht des Schmerzzentrums K2 über die stationäre Behandlung vom 9. bis 25. August 2022 vorgelegt. Aus letzterem hat sich ergeben, dass die Klägerin eine seit 11 Jahren bestehende Migräne ohne Aura geschildert habe. Im Laufe der Jahre sei die Migräne eher sporadisch aufgetreten, im letzten Jahr sei es zu einer Intensivierung und Häufung gekommen. Migränetypische Schmerzen bestünden an bis zu acht Tagen im Monat. Seit der Impfung im Mai 2021 bestehe ein Dauerkopfschmerz in der Phänomenologie eines Kopfschmerzes vom Spannungstyp. Die Kriterien einer chronischen Migräne seien erfüllt, keine der bisherigen Therapiemaßnahmen habe verhindern können, dass sich ein hochchronifiziertes Schmerzgeschehen eingestellt habe.

Die vermittelten nicht-medikamentösen Therapieoptionen bei Kopfschmerzen vom Spannungstyp sollten ambulant fortgesetzt werden. Sie beinhalteten eine Reduktion psychischer und muskulärer Stresssoren, die Behandlung von Angst und Depression sowie die Therapie einer oromandibulären Dysfunktion. Kopfschmerzen vom Spannungstyp sollten nur in Ausnahmefällen analgetisch behandelt werden, um die Entstehung eines medikamenteninduzierten Dauerkopfschmerzes zu vermeiden.

Die S1 hat bekundet, dass sie rein psychiatrisch tätig sei und deshalb keine Beurteilung der Kausalität zwischen der Impfung und den Kopfschmerzen der Klägerin abgeben könne. Sie könne nur angegeben, dass sich die Klägerin seit 2014 wegen diverser, tiefgreifender Störungen bei ihr in ambulanter Behandlung befinde, wobei Termine nur sporadisch wahrgenommen würden. Am 9. August 2021 habe sich die Klägerin bei ihr vorgestellt und erstmals von den Kopfschmerzen berichtetet. Die Impfung sei am 12. Mai 2021 erfolgt, die darauffolgenden drei Tage sei es der Klägerin nach ihren Angaben nicht gut gegangen. Acht Tage nach der Impfung hätten die Schmerzen begonnen.

V1 (PEI) hat auf Anfrage des SG mitgeteilt, dass anhand der gemachten Angaben keine Verdachtsmeldung habe zugeordnet werden können und daher nur eine allgemeine Auskunft möglich sei. Kopfschmerzen könnten als Symptom zahlloser Erkrankungen auftreten und deshalb Anlass für medizinische Untersuchungen sei. Kopfschmerzen seien in der Fachinformation des Impfstoffs Comirnaty als sehr häufige Nebenwirkung beschrieben. Diese träten in der Regel kurz nach Impfung auf und klängen binnen weniger Tage wieder vollständig ab. Isoliert anhaltende chronische Kopfschmerzen seien keine bisher bekannte Nebenwirkung des Impfstoffs und in der Fachinformation daher nicht beschrieben. Eine isolierte Betrachtung des Symptomes „chronische Kopfschmerzen“ empfehle sich nicht, sondern bedürfe weiterer medizinischer Abklärung. Das PEI bewerte keine Impfschäden, sondern nur Verdachtsmeldungen von unerwünschten Arzneimittelnebenwirkungen, um die Nutzen-Risiko-Bewertung überprüfen zu können.

In der mündlichen Verhandlung vom 28. Februar 2024 hat das SG die Klägerin persönlich angehört (vgl. Protokoll) und die Klage mit Urteil vom gleichen Tag abgewiesen. Zwar habe die Klägerin eine öffentlich empfohlene Impfung erhalten, es fehle aber an einer Impfkomplikation. Da es sich bei dem Impfstoff Comirnaty um einen neuen Impfstoff handele, enthielten die AHP hierzu keine Ausführungen, weshalb auf den Erkenntnisstand aus dem aktuellsten Sicherheitsbericht des PRI zu dem genannten Impfstoff sowie das Epidemiologische Bulletin des Robert-Koch-Instituts (Nr. 21/23) abzustellen sei. Dort würden als nach der Impfung als lokal auftretende Impfreaktionen Schmerzen an der Einstichstelle, gefolgt von Rötungen und Schwellungen genannt. Bei systemischen Ereignissen seien vor allem Müdigkeit und Kopfschmerzen aufgetreten, dies jedoch auch sehr häufig nach Gabe eines Placebos. Myokarditis und Perokarditis seien als schwere Nebenwirkungen der Impfungen berichtet worden. Im Sicherheitsbericht würden noch anaphylaktische Reaktionen, Thrombose, Guillain-Barré-Syndrom und idiopathische Faszialisparese genannt. Nach der eingeholten Auskunft des PEI könnten Kopfschmerzen kurz nach der Impfung auftreten, klängen aber wieder ab. Aus den beigezogenen Unterlagen ergäben sich nach dem Stand der Wissenschaft keine Hinweise darauf, dass die anhaltenden Kopfschmerzen eine Impfkomplikation darstellten.

Der Versorgungsarzt D1 habe zwar auf die Möglichkeit eines post-vakzinösen Kopfschmerzes hingewiesen, die Kammer teile aber die Zweifel am zeitlichen Zusammenhang. Eine zeitliche ärztliche Dokumentation in dem Zeitfenster, in dem die Kopfschmerzen nach einer Impfung aufträten, läge nicht vor. Gegenüber dem Hausarzt sei am 22. Juni 2021 von seit drei Wochen bestehenden Kopfschmerzen berichtet worden, bei der stationären Aufnahme am 30. Juni 2021 von einem Dauerschmerz seit 5 Wochen. Bei der S1 sei am 14. August 2021 eine Zeitspanne von acht Tagen nach der Impfung beschrieben worden.

Die Klägerin und ihr Ehemann hätten im Rahmen der mündlichen Verhandlung bestätigt, dass die Kopfschmerzen zunächst nicht mit der Impfung assoziiert worden seien. Dies habe man erst im Nachhinein so rekonstruieren können. Weder bei der Laborbesprechung beim Hausarzt am 18. Mai 2021, noch bei der ambulanten Vorstellung in der HNO-Klinik am 11. Juni 2021 seien überdauernde Kopfschmerzen geklagt worden.

Gegen das am 13. März 2024 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 3. April 2024 Berufung beim Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) eingelegt. Das SG habe wegen fehlerhafter Sachverhaltsermittlung den Impfschaden abgelehnt, ihr aktueller Zustand entspreche exakt der Definition des RKI von einem Impfschaden. Es bestehe kein Zweifel am zeitlichen Zusammenhang. Die abweichenden Angaben in verschiedenen medizinischen Unterlagen seien direkte Folge der Kopfschmerzen.

Dass bei dem Arztbesuch am „18.02.2021“ keine Auskünfte über vorhandene Kopfschmerzen gemacht worden seien, liege am Zweck des Termins. Dieser sei zur Überwachung der Blutwerte erfolgt. Die Impfung sei erst wenige Tage zuvor gewesen und Kopfschmerzen seien als kurzzeitige Impfreaktion genannt worden. Eine dauerhafte Schädigung sei zu diesem Zeitpunkt nicht absehbar und nicht erwartbar gewesen. Die Vorstellung in der HNO-Klinik am 11. Juni 2021 sei ebenfalls an einen anderen Zweck gebunden gewesen. Bis auf die Dokumentation des Migräneanfalls vom 11. August 2018 sei keine gleichartige Gesundheitseinschränkung in der Vergangenheit bekannt, sodass nicht von einer bekannten Vorerkrankung gesprochen werden könne.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 28. Februar 2024 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, ihr unter Aufhebung des Bescheides vom 8. September 2022 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. Juni 2023 Beschädigtenversorgung, insbesondere Beschädigtengrundrente, aufgrund eines Impfschadens nach Corona-Schutzimpfung vom 12. Mai 2021 zu gewähren.

Der Beklagte beantragt,

            die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.

Er verweist auf die angefochtene Entscheidung. Nach dem Stand der Wissenschaft ergäben sich keine Hinweise darauf, dass die anhaltenden Kopfschmerzen eine Impfkomplikation darstellten. Darüber hinaus bestünden Zweifel am zeitlichen Zusammenhang. Eine zeitnahe ärztliche Dokumentation in einem Zeitfenster, in welchem Kopfschmerzen normalerweise nach einer Covid-19-Impfung aufträten, liege nicht vor. Daneben fänden sich in den ärztlichen Unterlagen widersprüchliche Angaben zum Beginn der Kopfschmerzen nach der Impfung, sodass es als nicht hinreichend wahrscheinlich erscheine, dass die Kopfschmerzen auf die Impfung zurückgeführt werden könnten.

Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die Verwaltungs- und Gerichtsakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die form- und fristgerecht (§ 151 Sozialgerichtsgesetz [SGG]) eingelegte Berufung der Klägerin ist statthaft (§§ 143, 144 SGG) und auch im Übrigen zulässig, aber unbegründet.

Streitgegenstand des Berufungsverfahrens ist das Urteil des SG vom 28. Februar 2024, mit dem die kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 und 4 SGG) auf Gewährung von Beschädigtenversorgung, insbesondere Beschädigtengrundrente, unter Aufhebung des Bescheides vom 8. September 2022 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides (§ 95 SGG) vom 21. Juni 2023 abgewiesen worden ist.
Maßgebender Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist bei dieser Klageart grundsätzlich der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in den Tatsacheninstanzen (vgl. BSG, Urteil vom 2. September 2009 – B 6 KA 34/08 –, juris, Rz. 26; Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Schmidt, Kommentar zum SGG, 14. Aufl. 2023, § 54 Rz. 34).

Die Unbegründetheit der Berufung folgt aus der Unbegründetheit der Klage. Der Bescheid vom 8. September 2022 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. Juni 2023 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 54 Abs. 1 Satz 2 SGG). Auch zur Überzeugung des Senats hat der Beklagte die Gewährung von Beschädigtenversorgung zu Recht abgelehnt, da bereits eine Impfkomplikation nicht nachgewiesen ist. Die nach der gebotenen Sachverhaltsaufklärung ergangene Entscheidung des SG ist daher zutreffend.

Rechtsgrundlage für den geltend gemachten Anspruch der Klägerin ist § 60 Abs. 1 Satz 1 IfSG. Danach erhält nach der Schutzimpfung wegen des Impfschadens im Sinne des § 2 Nr. 11 IfSG oder in dessen entsprechender Anwendung bei einer anderen Maßnahme wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen der Schädigung auf Antrag Versorgung in entsprechender Anwendung der Vorschriften des BVG, soweit das IfSG nichts Abweichendes bestimmt, wer durch eine Schutzimpfung oder durch eine andere Maßnahme der spezifischen Prophylaxe, die von einer zuständigen Landesbehörde öffentlich empfohlen und in ihrem Bereich vorgenommen wurde, auf Grund des IfSG angeordnet wurde, gesetzlich vorgeschrieben war oder auf Grund der Verordnungen zur Ausführung der Internationalen Gesundheitsvorschriften durchgeführt worden ist, eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat.

Soweit das IfSG auf die Vorschriften des BVG verweist, sind diese in der bis 31. Dezember 2023 geltenden Fassung weiter anzuwenden, vorliegend ist also nicht § 24 Vierzehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XIV) einschlägig. Nach § 142 Abs. 1 Satz 1 SGB XIV in der ab 1. Januar 2024 geltenden Fassung erhalten Personen, deren Ansprüche nach dem Bundesversorgungsgesetz oder nach einem Gesetz, das das Bundesversorgungsgesetz ganz oder teilweise für anwendbar erklärt, in der bis zum 31. Dezember 2023 geltenden Fassung bis zum 31. Dezember 2023 bestandskräftig festgestellt sind, diese Leistungen nach dem Bundesversorgungsgesetz oder nach dem Gesetz, das das Bundesversorgungsgesetz für anwendbar erklärt, in der am 31. Dezember 2023 geltenden Fassung weiter, soweit dieses Kapitel nichts anderes bestimmt. Über einen bis zum 31. Dezember 2023 gestellten und nicht bestandskräftig entschiedenen Antrag auf Leistungen nach dem Bundesversorgungsgesetz oder nach einem Gesetz, das das Bundesversorgungsgesetz ganz oder teilweise für anwendbar erklärt, ist nach dem im Zeitpunkt der Antragstellung geltenden Recht zu entscheiden, § 142 Abs. 2 Satz 1 SGB XIV. Wird hierbei ein Anspruch auf Leistungen festgestellt, werden ebenfalls Leistungen nach Absatz 1 erbracht, § 142 Abs. 2 Satz 2 SGB XIV.

Zur Anerkennung eines Gesundheitsschadens als Folge einer Schädigung im Sinne des § 60 Abs. 1 Satz 1 IfSG genügt die Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhangs (§ 61 Satz 1 IfSG). Wenn diese Wahrscheinlichkeit nur deshalb nicht gegeben ist, weil über die Ursache des festgestellten Leidens in der medizinischen Wissenschaft Ungewissheit besteht, kann mit Zustimmung der für die Kriegsopferversorgung zuständigen obersten Landesbehörde der Gesundheitsschaden als Folge einer Schädigung im Sinne des § 60 Abs. 1 Satz 1 IfSG anerkannt werden (§ 61 Satz 2 IfSG). Die Zustimmung kann allgemein erteilt werden (§ 61 Satz 3 IfSG).

Für die Impfopferversorgung müssen die schädigende Einwirkung (Schutzimpfung), der Eintritt einer über eine übliche Impfreaktion hinausgehenden gesundheitlichen Schädigung, also eine Impfkomplikation, und eine dauerhafte gesundheitliche Schädigung (Impfschaden) nachgewiesen, nicht nur wahrscheinlich sein (hierzu BSG, Urteil vom 7. April 2011 – B 9 VJ 1/10 R –, juris, Rz. 36).

Die Schutzimpfung muss nach der im Sozialen Entschädigungsrecht allgemein geltenden Kausalitätstheorie von der wesentlichen Bedingung wesentliche Ursache für den Eintritt der gesundheitlichen Schädigung und diese wesentliche Ursache für die Schädigungsfolge, den Impfschaden, sein. Als wesentlich sind diejenigen Ursachen anzusehen, die unter Abwägung ihres verschiedenen Wertes zu dem Erfolg in besonders enger Beziehung stehen, wobei Alleinursächlichkeit nicht erforderlich ist.

Die Impfung und sowohl die als unübliche Impfreaktion in Betracht kommende wie auch die dauerhafte Gesundheitsstörung müssen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit – im sogenannten Vollbeweis – feststehen. Allein für die zwischen diesen Merkmalen erforderlichen Ursachenzusammenhänge reicht der Beweismaßstab der Wahrscheinlichkeit aus (vgl. zuletzt BSG, Beschluss vom 2. Februar 2024 – B 9 V 10/23 B –, juris, Rz. 9). Wahrscheinlichkeit ist anzunehmen, wenn mehr Umstände für als gegen die Kausalität sprechen. Die bloße Möglichkeit reicht nicht aus (vgl. BSG, Urteil vom 19. März 1986 – 9a RVi 2/84 –, juris, Rz. 8). Die Feststellung einer unüblichen Impfreaktion im Sinne einer impfbedingten Primärschädigung hat mithin grundsätzlich in zwei Schritten zu erfolgen: Zunächst muss ein nach der Impfung aufgetretenes Krankheitsgeschehen als erwiesen erachtet werden. Dann ist die Beurteilung erforderlich, dass diese Erscheinungen mit Wahrscheinlichkeit auf die betreffende Impfung zurückzuführen sind.

Maßstab dafür ist die im Sozialen Entschädigungsrecht allgemein geltende Kausalitätstheorie von der wesentlichen Bedingung. Danach ist aus der Fülle aller Ursachen im naturwissenschaftlich-philosophischen Sinne diejenige Ursache rechtlich erheblich, die bei wertender Betrachtung wegen ihrer besonderen Beziehung zu dem Erfolg bei dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt hat. Als wesentlich sind diejenigen Ursachen anzusehen, die unter Abwägung ihres verschiedenen Wertes zu dem Erfolg in besonders enger Beziehung stehen, wobei Alleinursächlichkeit nicht erforderlich ist (BSG, Urteil vom 7. April 2011 – B 9 VI 1/10 R –, juris, Rz. 37 m.w.N.). Dabei sind alle medizinischen Fragen, insbesondere zur Kausalität von Gesundheitsstörungen, auf der Grundlage des im Entscheidungszeitpunkt neuesten medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnisstandes zu beantworten (BSG, Urteil vom 7. April 2011 – B 9 VI 1/10 R –, juris, Rz. 43).

Bei allen medizinischen Fragen, insbesondere zur Kausalität von Gesundheitsstörungen, ist der aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisstand maßgebend, welcher die Grundlage bildet, auf der die geltend gemachten Gesundheitsstörungen der konkret geschädigten Personen zu bewerten sind. Dies entspricht der höchstrichterlichen Rechtsprechung im sozialen Entschädigungsrecht und damit auch im Impfschadensrecht, dem Schwerbehindertenrecht (vgl. BSG, Urteile vom 17. Dezember 1997 – 9 RVi 1/95 –, SozR 3-3850 § 52 Nr. 1 S. 3 und vom 24. April 2008 – B 9/9a SB 10/06 R – SozR 4-3250 § 69 Nr. 9, Rz. 25) und im Recht der gesetzlichen Unfallversicherung (vgl. BSG, Urteile vom 9. Mai 2006 – B 2 U 1/05 R –, BSGE 96, 196 <200 f.> und vom 23. April 2015 – B 2 U 10/14 R –, SozR 4-5671 Anl. 1 Nr. 2108 Nr. 6, Rz. 20; Senatsurteil vom 21. April 2015 – L 6 VJ 1460/13 –, juris, Rz. 66). Dieser Erkenntnistand ergibt sich indes noch nicht durch wissenschaftliche Einzelmeinungen (vgl. BSG, Urteil vom 23. April 2015 – B 2 U 10/14 R –, SozR 4-5671 Anl. 1 Nr. 2108 Nr. 6, Rz. 21). Ein bestimmter Vorgang, der unter Umständen vor Jahrzehnten stattgefunden hat, muss, wenn über ihn erst jetzt abschließend zu entscheiden ist, nach dem heutigen Stand der medizinischen Wissenschaft beurteilt werden. So kann auch die vor Jahrzehnten bejahte Kausalität aufgrund neuerer wissenschaftlicher Erkenntnisse und Methoden als fehlend erkannt werden, sogar mit der Folge, dass eingeräumte Rechtspositionen zurückzunehmen oder nur aus Gründen des Vertrauensschutzes (§ 45 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch – SGB X) zu belassen sind (vgl. BSG Urteil vom 2. Dezember 2010 – B 9 V 1/10 R –, SozR 4-3100 § 62 Nr. 2). Bei der Anwendung der neuesten medizinischen Erkenntnisse ist ebenso zu prüfen, ob diese sich überhaupt auf den zu beurteilenden, mitunter lange zurückliegenden Vorgang beziehen. Da andere Ursachen jeweils andere Folgen nach sich ziehen können, gilt dies insbesondere für die Beurteilung von Kausalzusammenhängen. Dementsprechend muss im Impfschadensrecht sichergestellt werden, dass die nach dem aktuellen Stand der medizinischen Erkenntnisse in Betracht zu ziehenden Impfkomplikationen gerade auch die Impfstoffe betreffen, die im konkreten Fall Verwendung gefunden haben (vgl. BSG, Urteil vom 7. April 2011 – B 9 VJ 1/10 R –, SozR 4-3851 § 60 Nr. 4, Rz. 43; Senatsurteil vom 28. April 2022 – L 6 VJ 254/21 –, juris, Rz. 60).

Ausgehend von diesen Maßstäben steht aufgrund der aktenkundigen Unterlagen, die der Senat sämtlich im Wege des Urkundsbeweises (§ 118 Abs. 1 SGG i. V. m. §§ 415 ff. Zivilprozessordnung [ZPO]) verwertet, hier insbesondere der Eintragungen im Impfpass, fest, dass die Klägerin am 12. Mai 2021 mit dem Impfstoff Comiraty des Herstellers Biontech geimpft worden ist, wobei es sich um eine von der STIKO empfohlene Impfung gehandelt hat (vgl. auch Epidemiologisches Bulletin Nr. 12/2021). Eine zweite Impfung, von der einzig die S1 berichtet hat, ergibt sich aus dem Impfpass nicht und hat nach eigenem Bekunden der Klägerin nicht stattgefunden. Der Senat kann sich indessen nicht davon überzeugen, dass es bei der Klägerin überhaupt zu einer Impfkomplikation infolge der Impfung gekommen ist.

Für die Frage, ob bei der Klägerin eine „unübliche“ Impfreaktion vorliegt, ist auf die Abgrenzung der STIKO zwischen einer üblichen Impfreaktion und dem Verdacht auf eine mögliche Impfkomplikation zurückzugreifen (zuletzt: Epidemiologisches Bulletin Nr. 4/2023, Seite 36f). Danach wird unter einer Impfkomplikation eine über das übliche Maß hinausgehende gesundheitliche Schädigung verstanden. Um eine Impfkomplikation von einer üblichen Impfreaktion, die nicht meldepflichtig ist, abzugrenzen, hat die STIKO, wie nach § 20 Abs. 2 IfSG gefordert, Merkmale für übliche Impfreaktionen definiert. Übliche und damit nicht meldepflichtige Impfreaktionen sind das übliche Ausmaß nicht überschreitende, vorübergehende Lokal- und Allgemeinreaktionen, die als Ausdruck der Auseinandersetzung des Organismus mit dem Impfstoff anzusehen sind. Die STIKO hat die folgenden Kriterien für übliche Impfreaktionen entwickelt:

Für die Dauer von 1 bis 3 Tagen (gelegentlich länger) anhaltende Rötung, Schwellung oder Schmerzhaftigkeit an der Injektionsstelle.

Für die Dauer von 1 bis 3 Tagen Fieber (39,5°C [bei rektaler Messung]), Kopf- und Gliederschmerzen, Mattigkeit, Unwohlsein, Übelkeit, Unruhe, Schwellung der regionären Lymphknoten.

Im gleichen Sinn zu deutende Symptome einer „Impfkrankheit“ 1 bis 3 Wochen nach Verabreichung von attenuierten Lebendimpfstoffen: z.B. eine leichte Parotisschwellung, kurzzeitige Arthralgien oder ein flüchtiges Exanthem nach der Masern-, Mumps-, Röteln- oder Varizellenimpfung oder milde gastrointestinale Beschwerden, z.B. nach der oralen Rotavirus- oder Typhus-Impfung.

Ausgenommen von der Meldepflicht sind auch Krankheitserscheinungen, denen offensichtlich eine andere Ursache als die Impfung zugrunde liegt. Alle anderen Impfreaktionen sollten gemeldet werden.

Bereits eine solche Impfkomplikation als Grundvoraussetzung für eine Entschädigung ist bei der Klägerin nicht erwiesen. Das SG hat hierzu schon ausführlich und schlüssig herausgearbeitet, dass weder bei der Konsultation des Hausarztes vom 18. Mai 2021 – damit fünf Tage nach der Impfung – noch bei der nächsten Vorstellung wegen
chronischer Sinusitis in der HNO-Klinik am 11. Juni 2021, also spätestens bei fachärztlicher Befassung mit den Behandlungsmöglichkeiten eines Krankenhauses, entsprechende Kopfschmerzen überhaupt berichtet worden sind. Vielmehr wurde sogar eine Besserung der Beschwerden dargelegt, die Klägerin hat über subjektiv gutes Vertragen der eingeleiteten Antikörpertherapie berichtet, war glücklich über die Tatsache, wieder riechen und schmecken zu können. Das ist umso bemerkenswerter, als die erste Corona-Impfung mit leichter Verschlechterung des Geruchssinns sogar thematisiert und angesichts der Erkrankung an Corona zur Auslassung der zweiten Immunisierung geraten wurde. Somit fehlt es trotz der zeitnahen ärztlichen Vorstellung an einer entsprechenden Befunderhebung, Beschwerden sind schon gar nicht geschildert worden.

Hierauf hat das SG – entgegen der Auffassung der Klägerin – deshalb zu Recht abgestellt, da die Frage, ob eine übliche Impfreaktion oder eine darüberhinausgehende Impfkomplikation vorliegt, ärztlicher Beurteilung bedarf, an der es vorliegend gerade fehlt. Daneben überzeugt es auch nicht, wenn die Klägerin meint, die nicht angegebenen Beschwerden lägen im jeweiligen Zweck der ärztlichen Vorstellung begründet. Dies ist gerade hinsichtlich der Vorstellung in der HNO-Klinik nicht plausibel, da dem Entlassungsbericht der Universitätsklinik T1 über die stationäre Behandlung ab 30. Juni 2021 zu entnehmen ist, dass der Kopfschmerz mit Übelkeit einhergegangen sein soll, gegenüber der HNO-Klinik am 11. Juni 2021 eine Übelkeit aber gerade verneint worden ist, wie der Senat dem Behandlungsbericht entnimmt.

Ebenso geht die Klägerin fehl in der Annahme, dass es auf den Beschwerdebeginn nicht ankomme und sich der zeitliche Zusammenhang alleine daraus begründen lasse, dass die Beschwerden nach der Impfung aufgetreten sind. Das ist zum Nachweis einer Impfkomplikation nicht ausreichend.

Abgesehen von den oben dargelegten Beurteilungsmaßstäben hat K1 versorgungsärztlich nochmals einzelfallbezogen für den Senat überzeugend herausgearbeitet, dass Impfschäden im Zeitraum der maximal zu erwartenden Immunreaktion auf eine Impfung erscheinen müssen, der nur wenige Wochen beträgt. Weiter hat er auf den wissenschaftlichen Erkenntnisstand verwiesen, wonach Kopfschmerzen nur im Rahmen einer harmlosen, reversiblen Allgemeinreaktion innerhalb von 12 bis 48 Stunden nach der Impfung auftreten können, in einem weitergehenden Zeitraum aber nicht mit Wahrscheinlichkeit auf die Impfung zurückgeführt werden können.

Vorstehendes ist durch die vom SG erhobene Information des PEI nochmals bestätigt worden, wonach isoliert anhaltende Kopfschmerzen keine bekannte Nebenwirkung des verwendeten Impfstoffs sind, in der Fachinformation deshalb nicht beschrieben werden. Daneben wird in der Auskunft nochmals unterstrichen, dass Kopfschmerzen als Symptom zahlloser Erkrankungen auftreten, deshalb Anlass für medizinische Untersuchungen sein können, also ohne Zusammenhang mit einer Impfung. Die Richtigkeit dieser Beurteilung wird konkret gestützt durch die Darlegungen des Universitätsklinikums T1. Danach lässt sich ein Zusammenhang zwischen der Impfung und der Zunahme der Kopfschmerzen nicht nachvollziehen. Es wird folgerichtig als reine Spekulation bezeichnet, dass die Impfung einen Trigger für die Überführung einer episodischen in eine chronische Verlaufsform dargestellt hat, wie die Klägerin aufgrund ihrer eigenen medizinischen Beurteilung – für die ihr die Sachkunde fehlt – meint. Somit ist nicht einmal von der erstbehandelnden Klinik ein solcher Zusammenhang bestätigt worden. Dass in den Befundberichten eine „ggf.“ bestehende Triggerung durch die Impfung fortgeschrieben ist, ändert an der ärztlichen Beurteilung, wonach es sich um eine reine Spekulation handelt, nichts, was schon in der Formulierung „ggf.“ zum Ausdruck kommt. Ebenso wenig kommt es darauf an, dass die Klägerin meint, ihr Gesundheitszustand entspreche dem, was vom RKI als Impfschaden beschrieben werde. Abgesehen davon, dass es der Klägerin auch insoweit an der medizinischen Sachkunde fehlt, verkennt sie, dass es neben dem Nachweis eine Impfkomplikation einer kausalen Betrachtung bedarf und aus einem gegenwärtigen Gesundheitszustand – also aufgrund einer finalen Betrachtung – keine Rückschlüsse gezogen werden dürfen.

Aus den Darlegungen der Fachärztin S1 ergibt sich nichts anderes, zumal diese in ihrer sachverständigen Zeugenauskunft gegenüber dem SG selbst eingeräumt hat, als rein psychiatrisch tätige Ärztin keine Kausalitätsbewertung abgegeben zu können. Soweit sie in ihren aktenkundigen Befundberichten von vergleichbaren Beschwerden bei anderen Patienten nach der zweiten Impfung berichtet hat, ersetzt dies einen zeitnahen Befund bei der Klägerin nicht. Das gilt abgesehen davon, dass die Fachärztin S1 über Nebenwirkung nach einer zweiten Impfung berichtet und von der unzutreffenden Anknüpfungstatsache (vgl. oben) ausgeht, dass die Klägerin eine zweite Impfung erhalten hat.

Auch wenn es der Feststellung von Alternativursachen nicht bedarf, hat die Fachärztin S1 überzeugend dargelegt, dass es sich bei der Zunahme der Problematik um die Nebenwirkung der Dauerbehandlung mit Methylphenidat handeln kann, welches seit 10 Jahren eingenommen wird. Entgegen der eigenen medizinischen Beurteilung der nicht sachkundigen Klägerin hat die Fachärztin S1 damit in der – behaupteten – nebenwirkungsfreien Einnahme des Präparats gerade kein Argument gegen jetzt aufgetretene Beschwerden gesehen. Dem haben sich D1 und K1 versorgungsärztlich angeschlossen, wobei letzterer darauf hingewiesen hat, dass Methylpenidat für die Behandlung bei Erwachsenen bei ADHS nicht zugelassen ist, bei Kindern und Heranwachsenden der Kopfschmerz aber eine häufige Nebenwirkung darstellt. Vorstehendes wird in aller Deutlichkeit dadurch untermauert, dass die Fachärztin S1 eine Vorstellung der Klägerin in der Hochschulambulanz – Sprechstunde ADHS im Erwachsenenalter – (vgl. Bericht vom 12. August 2021) mit dem eindeutigen Hinweis initiiert hat, dass eine Alternative für die Medikation gefunden werden muss, da diese als mitverantwortlich für die starke, ausgeprägte Dauer der Migräne ist. Das zeigt in aller Deutlichkeit eine andere Ursache der Kopfschmerzproblematik auf.

Weiter ist versorgungsärztlich zu Recht darauf hingewiesen worden, dass Migränebeschwerden schon vorbestehend beschrieben worden sind, sodass D1, für den Senat überzeugend, ausgeführt hat, dass eine Exazerbation der ohnehin bestehenden Migräne zu einer chronischen durch psychische oder somatische Auslöser wesentlich wahrscheinlicher ist. Dies wird durch die gutachterlichen Ausführungen des G2 im Gutachten für die Deutsche Rentenversicherung nicht in Frage gestellt, nachdem dieser zwar im Wesentlichen nur die anamnestischen Angaben der Klägerin übernimmt, jedoch ausdrücklich darauf hinweist, dass sich aus der – ihm vorliegenden – Akte ein Vorgutachten aus 2017 ergibt, in dem von einer Dauermigräne berichtet worden ist, welche die Klägerin „außer Gefecht setze“. Dafür spricht weiter das auf 2014 datierte, im Widerspruchsverfahren vorgelegte, Kopfschmerztagebuch, worauf K1 versorgungsärztlich hingewiesen und aus fachlicher Sicht eine entsprechende Symptomatik wie gegenwärtig geklagt schon zum damaligen Zeitpunkt gesehen hat.

Letztlich ist dem Entlassungsbericht des Schmerzzentrums K2 zu entnehmen, dass die Kopfschmerzen als solche vom Spannungstyp eingeordnet und nicht medikamentöse Behandlungsoptionen wie die Reduktion psychischer und muskulärer Stressoren sowie die Therapie von Angst und Depressionen empfohlen worden sind, was die versorgungsärztliche Einschätzung des D1, dass psychische oder somatische Auslöser bestehen, ebenfalls unterstreicht und gegen einen Impfschaden spricht.

Nachdem somit ein Impfschaden nicht belegt ist, kommt die Gewährung von Beschädigtenversorgung nicht in Betracht.

Die Berufung konnte daher keinen Erfolg haben und war zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Gründe, die Revision zuzulassen, sind nicht gegeben, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.


 

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