L 18 AS 147/24

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
18.
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 174 AS 4184/23
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 18 AS 147/24
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil

Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 17. Januar 2024 wird zurückgewiesen.

 

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

 

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

 

 

 

Tatbestand

 

Die Beteiligten streiten (zuletzt) über Festsetzung und Erstattung von Leistungen für Kosten der Unterkunft und Heizung für den Monat September 2022.

 

Der 1968 geborene Kläger steht im laufenden Leistungsbezug nach dem Sozialgesetzbuch – (seit 1. Januar 2023: Bürgergeld) Grundsicherung für Arbeitsuchende – SGB II - beim Beklagten. Dieser lebt mit seiner 1950 geborenen Ehegattin, welche eine Rente in Höhe von (iHv) 219,61 € monatlich sowie aufstockende Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch – Sozialhilfe – (SGB XII) bezieht (im September 2022 iHv 550,78 €) zusammen. Im September 2022 betrug die Bruttowarmmiete für die Wohnung der Eheleute monatlich 642,98 € (Grundmiete: 426,98 € plus Betriebskostenvorauszahlung 216,- €). Ab Oktober 2022 erhöhte sich die Bruttowarmmiete wegen einer Anpassung der Heizkostenvorauszahlung (75,- € statt 58,- €) auf 659,98 €.

 

Die Vermieterin übersandte dem Kläger mit Schreiben vom 3. Juni 2022 eine Betriebskostenabrechnung (BKA) für den Zeitraum Oktober 2020 bis einschließlich September 2021 und teilte mit, zusammengefasst ergebe sich eine Gutschrift iHv 377,17 €. Am 3. August 2022 sei „einmalig“ ein Betrag iHv 265,81 € zu zahlen, ab 5. September 2022 „wie bisher“ monatlich 642,98 €. Ferner enthielt das Schreiben folgenden Hinweis:

„Sofern nachträglich Abrechnungsfehler festgestellt werden oder an uns aus Gründen, die wir nicht zu vertreten haben, berechtigte Nachforderungen gestellt werden, behalten wir uns vor, die Abrechnung zu korrigieren. Wir bitten um schriftliche Mitteilung Ihrer aktuellen Bankverbindung innerhalb der nächsten 2 Wochen ab Ausstellungsdatum dieses Schreibens. Sofern keine offenen Forderungen unsererseits bestehen, werden wir Ihr Guthaben im Zeitraum vom 03.08.2022 bis zum 05.08.2022 auf dieses Konto überweisen. … Die Abrechnungsunterlagen können Sie nach telefonischer Terminabsprache … einsehen."

 

Auf den Weiterbewilligungsantrag vom 8. Juli 2022 - dem das Schreiben vom 3. Juni 2022 beigefügt war –, forderte der Beklagte den Kläger mit Schreiben vom 15. Juli 2022 auf, bis zum 31. Juli 2022 den „Nachweis über den Zufluss/die Verrechnung des Guthabens (Kontoauszug/Mietkontoauszug)“ einzureichen. Mit Schreiben vom 22. Juli 2022 teilte der Kläger dem Beklagten mit, das Guthaben werde erst zwischen dem 3. und 5. August 2022 ausgezahlt werden. Er könne den Kontoauszug noch nicht schicken. Das Guthaben wurde am 13. Juli 2022 auf dem von der Vermieterin für den Kläger und seine Ehegattin geführten Konto Nr. 30377/54/102/11 (vgl. den am 4. Juli 2023 bei dem Beklagten eingegangenen Konten-Anzeigedruck) unter „Haben“ gebucht und am 17. August 2022 dem Girokonto des Klägers gutgeschrieben.

 

Der Beklagte bewilligte mit vorläufigen Bescheid vom 15. Juli 2022 in der Fassung der (vorläufigen) Änderungsbescheide vom 5. September 2022 (Oktober 2022 bis Februar 2023 betreffend) und 17. Dezember 2022 (Januar und Februar 2023 betreffend) dem Kläger Leistungen für Kosten der Unterkunft und Heizung für September 2022 iHv 131,18 €, für Oktober bis Dezember 2022 je 115,68 € und für die Monate Januar und Februar 2023 jeweils 162,68 €. Grund für die (bestandskräftigen) vorläufigen Bewilligungsentscheidungen war das schwankende Einkommen des Klägers aus Erwerbstätigkeit.

Nach Ablauf des Bewilligungszeitraumes und Einreichung der Gehaltsbescheinigungen, wonach der Kläger im September 2022 ein Entgelt iHv 1.235,- € brutto (990,51 € netto), im Oktober 2022 iHv 1.309,38 € brutto (1.074,62 € netto), im November 2022 iHv 1.792,19 € brutto (1.432,40 € netto), im Dezember 2022 iHv 1.321,48 € brutto (1.086,72 € netto), im Januar 2023 iHv 1.309.38 € brutto (1.094,16 € netto) und im Februar 2023 iHv 1.338,13 € brutto (1.112,90 € netto) erzielt hatte, setzte der Beklagte den Leistungsanspruch mit zwei Bescheiden vom 28. März 2023 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. Juli 2023 auf Null Euro fest und forderte den Kläger zur Erstattung der für die Zeit vom 1. September 2022 bis 28. Februar 2023 bewilligten Leistungen iHv 803,48 € auf. Zur Begründung führte der Beklagte u. a. aus, der Kläger habe im September 2022 einen Bedarf auf Berücksichtigung des monatlichen Regelbedarfes iHv 404,- € zzgl. hälftiger Kosten der Unterkunft und Heizung iHv 132,58 € (= 642,98 €/2 =>321, 49 € abzüglich hälftigen Nebenkostenguthaben von 188,58 €), mithin insgesamt iHv 536,91 € gehabt. Unter Berücksichtigung des im September 2022 erzielten Erwerbseinkommens (1.235,- € brutto bzw. 990,51 € netto), welches um den Grundfreibetrag von 100,- € und den Erwerbstätigenfreibetrag von 200,- € (mithin insgesamt 300,- €) zu bereinigen und somit iHv 690,51 € anrechenbar gewesen sei, ergebe sich kein Leistungsanspruch. Dementsprechend seien die im Monat September 2022 iHv 131,18 € erbrachten Leistungen vollständig zu erstatten.

 

Mit der am 7. August 2023 beim Sozialgericht (SG) Berlin erhobenen Klage hat der Kläger (zuletzt) sinngemäß die Bewilligung von Leistungen im Monat September 2022 iHv 34,98 € und die Aufhebung der für diesen Monat geltend gemachten Erstattungsentscheidung begehrt. Er hat vorgetragen, der Beklagte habe zu Unrecht das Betriebskostenguthaben im September 2022 berücksichtigt. Anknüpfungspunkt sei allein der Zeitpunkt, an dem der Kläger über das Betriebskostenguthaben habe verfügen können. Dies sei mit der Buchung auf dem „Mieterkonto“ (im Juli 2022) der Fall gewesen, sodass das Guthaben im August 2022 zu berücksichtigen gewesen sei. Auf den Monat der Auszahlung komme es hingegen nicht an, da andernfalls der Leistungsbezieher den Zeitpunkt des Zuflusses selbst bestimmen könne.

 

Das SG hat die Klage unter Zulassung der Sprungrevision mit Urteil vom 17. Januar 2024 abgewiesen. Zur Begründung ist ausgeführt: Die die nach Beschränkung des Streitgegenstandes allein den Monat September 2022 betreffende, als Anfechtungs- und Verpflichtungsklage statthafte und auch im Übrigen zulässige Klage sei unbegründet. Die angefochtenen Bescheide seien rechtmäßig und verletzten den Kläger daher nicht in seinen Rechten. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Abänderung der angefochtenen Bescheide, weil der Beklagte zu Recht den Leistungsanspruch für den Monat September 2023 auf Null Euro festgesetzt und eine Erstattung der im September 2023 vorläufig erbrachten Leistungen verfügt habe. Rechtsgrundlage für die Festsetzung und Erstattung von Leistungen sei, nachdem der Beklagte für den Streitzeitraum zunächst vorläufige Leistung bewilligt habe, § 41a Abs. 3, 6 SGB II. Rechtsgrundlage für den geltend gemachten Leistungsanspruch sei § 19 Abs. 1 Sätze 2 und 3 iVm §§ 7ff., 20ff. SGB II. Nachdem die Ehefrau des Klägers aufgrund des Bezuges einer Altersrente nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 und 4 SGB II vom Leistungsbezug nach dem SGB II ausgeschlossen sei und sie auch keine auskömmliche Rente beziehe, komme es für die Frage der Hilfebedürftigkeit des Klägers im streitgegenständlichen Monat September 2022 allein auf dessen Bedarf und das dem gegenüberzustellenden Einkommen an. Der Kläger habe danach im September 2022 keinen Anspruch auf Leistungen, weil das zu berücksichtigende Einkommen seinen Bedarf übersteige, sodass er nicht hilfebedürftig gewesen sei. Hinsichtlich der Berechnung des Leistungsanspruches werde insoweit auf die zutreffenden Ausführungen in den angefochtenen Bescheiden Bezug genommen (§ 136 Abs. 3 SGB II [gemeint: SGG]). Insbesondere habe der Beklagte zu Recht im September 2022 das dem Kläger im August 2022 ausgezahlte Nebenkostenguthaben (zur Hälfte) bedarfsmindernd berücksichtigt. Anders als der Kläger meine, sei das Guthaben nicht im Monat nach der Erfassung im Mieterkonto, mithin im August 2022, zu berücksichtigen. Nach § 22 Abs. 3 SGB II minderten Rückzahlungen und Guthaben, die dem Bedarf für Unterkunft und Heizung zuzuordnen seien, die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach dem Monat der Rückzahlung oder Gutschrift. Nachdem dem Kläger hier das Guthaben aus der Betriebskostenabrechnung vom 3. Juni 2022 im August 2022 auf sein Girokonto ausgezahlt worden sei, sei das Guthaben entsprechend im September 2023 (gemeint: 2022) bedarfsmindernd zu berücksichtigen gewesen. Bezüglich der Anrechnung des Guthabens komme es insoweit weder auf den Zeitpunkt der Erstellung der Betriebskostenabrechnung oder auf den Zeitpunkt des Zugangs der BKA noch auf den Zeitpunkt der Verbuchung im Mieterkonto an. Im Ausgangspunkt habe der Kläger hier eine Rückzahlung der vorausgeleisteten Betriebskosten erhalten sowie (zuvor) ein entsprechendes Guthaben (auf dem Mieterkonto) erzielt. Soweit das Gesetz bezüglich des Anrechnungszeitraums auf den Monat der Rückzahlung oder der Gutschrift abstelle, sei zum einen fraglich, was das Gesetz mit „Gutschrift" meine (insoweit komme eine Lesart als Gutschrift auf dem Mieterkonto oder Gutschrift auf dem Girokonto in Betracht) und auf welchen Zeitpunkt abzustellen sei, wenn sowohl eine Rückzahlung als auch eine Gutschrift (wie hier) erfolge; sofern mit Gutschrift nicht Gutschrift auf dem Girokonto gemeint sei. Unter Berücksichtigung des im SGB II geltenden Bedarfsdeckungsgrundsatz und der zur Anrechnung von Einkommen ergangenen höchstrichterlichen Rechtsprechung, die neben dem Zufluss von Einkommen auch das Vorhandensein bereiter Mittel voraussetze, könne jedenfalls in der vorliegenden Fallkonstellation nur auf den Zeitpunkt des „Einganges des Guthabens" auf dem Girokonto des Klägers abgestellt werden. Zwar liege im Falle der Verrechnung durch den Vermieter mit Mietschulden bzw. der Aufrechnung des Guthabens mit der laufenden Miete durch den Vermieter (und entsprechende Geltendmachung eines geringeren Mietzinses) grundsicherungsrechtlich zu berücksichtigendes Einkommen vor. In den Fallkonstellationen: Aufforderung des Vermieters zur Verrechnung mit der nächsten Miete, Aufforderung zur Mitteilung der Kontonummer zum Zweck der Auszahlung des Guthabens oder direkte Auszahlung des Guthabens auf das Girokonto des Mieters durch den Vermieter müsse es nach auf den Zeitpunkt der Gutschrift auf dem Girokonto des Mieters bzw. der tatsächlichen Verrechnung mit der laufenden Miete durch den Mieter ankommen. In zivilrechtlicher Hinsicht entstehe der Anspruch auf Auszahlung des Guthabens mit der Mitteilung des Betriebskostenguthabens und werde sofort fällig. Grundsicherungsrechtlich höchstrichterlich geklärt sei, dass Einkommen - und um ein solches handelt es sich bei einem Betriebskostenguthaben– stets einen wertmäßigen Zuwachs voraussetze, der erst bei einem Zufluss des Einkommens vorliege. Ansprüche allein seien im SGB II nicht ausreichend. Die Situation sei vergleichbar mit der Anrechnung von Gehalt. Auch dieses könne nur angerechnet werden, sofern es auf dem Girokonto des Leistungsempfängers zugeflossen sei. Allein der Umstand, dass ein Leistungsempfänger die Erwerbstätigkeit ausgeübt habe, eine Gehaltsabrechnung erteilt und das Gehalt im „Buchungsprogramm" des Arbeitgebers verbucht worden sei, führe nicht zur Anrechenbarkeit von Gehalt, wenn es nicht ausgezahlt worden sei. Insoweit sei auch nicht ausreichend, wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer mitteile, das Gehalt liege bereit und müsse nur abgeholt werden bzw. die Kontonummer solle mitgeteilt werden, wenn das Geld tatsächlich nicht in Empfang genommen werde. Dass allein mit der Gutschrift auf dem Mieterkonto grundsätzlich nicht der Einkommenszufluss einhergeht, habe das Bundessozialgericht (BSG) zwischenzeitlich in mehreren Urteilen angenommen, in denen stets als Zuflusszeitpunkt der Zeitpunkt der Verrechnung mit der laufenden Miete oder der Auszahlung auf das Konto des Leistungsempfängers abgestellt worden sei und gerade nicht auf den Monat der Abrechnung bzw. des Zuganges derselben bzw. der Verbuchung auf dem Mieterkonto (vgl. BSG, Urteil vom 24. Juni  2020 - B 4 AS 7/20 R -, juris Rn. 4 f., 37; BSG, Urteil vom 24. Juni 2020 - B 4 AS 8/20 R -, juris Rn. 7, 23; BSG, Urteil vom 12. Oktober 2016 -  B 4 AS 38/15 -, juris, Rn. 12 -; BSG, Urteil vom 12. Dezember 2017 - B 4 AS 33/16 -, juris Rn. 4, 12). Im Übrigen habe das Guthaben im August 2022 nicht als bereites Mittel zur Verfügung gestanden. Ebenso wie bei der Berücksichtigung von Vermögen eine Berücksichtigung voraussetzt, dass dieses „versilbert" werden könne, setze die Berücksichtigung von Einkommen voraus, dass dieses auch als bereites Mittel zur Bestreitung des Lebensunterhaltes zur Verfügung stehe. Insoweit komme es auch nicht (mehr) darauf an, ob der Kläger nach Erhalt der BKA auf das Guthaben unverzüglich habe zugreifen können. Soweit das BSG noch in der Entscheidung vom 16. Mai 2012 - B 4 AS 132/11 R -, juris Rn. 22 auf eine Verfügungsmöglichkeit abgestellt habe, sei diese Rechtsprechung im Urteil vom 19. August 2015 - B 14 AS 43/14 R – juris, Rn. 18 aufgegeben worden. Schlussendlich verfingen auch die Ausführungen des Klägers nicht, dass seine Auffassung bereits deshalb zutreffen müsse, weil andernfalls der Leistungsberechtigte die Anrechnung komplett verhindern bzw. den Anrechnungszeitpunkt bestimmen könne. Denn der Leistungsträger habe auf die entsprechende Auszahlung „hinzuwirken"; wobei bei einem Verweigerungsverhalten die Absenkung von Leistungen nach § 31 Abs. 2 Nr. 1 SGB II bzw. ein Ersatzanspruch nach § 34 SGB II in Betracht komme.

 

Mit der Berufung verfolgt der Kläger sein Begehren unter Vertiefung seines erstinstanzlichen Vorbringens weiter und trägt ergänzend vor, das Betriebskostenguthaben sei mit der Einbuchung vom 13. Juli 2022 in das Mieterkonto realisierbar gewesen, denn es habe nur noch einer Handlung seinerseits bedurft.

 

Der Kläger beantragt sinngemäß,

 

den Beklagten unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Berlin vom 17. Januar 2024 und Abänderung der Bescheide vom 28. März 2023 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 7. Juli 2023 zu verurteilen, zugunsten des Klägers für September 2022 Leistungen für Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von 34,98 € festzusetzen und die Erstattungsentscheidung für diesen Monat aufzuheben.

 

Der Beklagte beantragt,

 

die Berufung zurückzuweisen.

 

Er verteidigt das angegriffene Urteil.

 

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird im Übrigen auf die Gerichtsakten und die e-Leistungsakten des Beklagten verwiesen, die soweit erforderlich, Gegenstand der Beratung gewesen sind.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung gemäß § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) einverstanden erklärt.

 

Entscheidungsgründe

 

Die Berufung ist ungeachtet dessen, dass das SG ausdrücklich nur die Sprungrevision zugelassen hat, statthaft und auch im Übrigen zulässig. Sofern - wie hier – die Zulassung der Revision im Urteil ausgesprochen worden ist, liegt darin zugleich auch die Berufungszulassung (vgl. B. Schmidt, in Mayer-Ladewig/Keller Schmidt, SGG, 14. Aufl. 2023, § 161 Rn. 2 mwN).

 

Berufung und Klage des Klägers sind indes unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Kläger hat weder gemäß § 41a Abs. 3 Satz 1 SGB II iVm §§ 7 ff. 19 Abs. 1 Sätze 1 und 3, 20 ff. SGB II einen Anspruch auf Festsetzung eines (Null übersteigenden) Leistungsbetrages für den Monat September 2022 noch auf Aufhebung der für diesen Monat getroffenen Erstattungsentscheidung, die der Beklagte zu Recht auf § 41a Abs. 6 Satz 3 SGB II gestützt hat.

 

Der Kläger hat im September 2022 keinen Anspruch auf SGB II-Leistungen, weil sein zu berücksichtigendes Einkommen seinen Bedarf übersteigt, sodass er nicht hilfebedürftig war. Zur näheren Begründung verweist der Senat gemäß 153 Abs. 2 SGG zunächst auf Entscheidungsgründe des angegriffenen Urteils (Seite 4 Absatz 3 bis Seite 5 Abs. 1). Dabei ist das SG zu Recht davon ausgegangen, dass die aus der BKA für die Zeit vom 1. Oktober 2020 bis 31. September 2021 resultierende Einnahme des Klägers im streitbefangenen Monat September 2022 und nicht im Monat nach der Haben-Erfassung vom 13. Juli 2022 auf dem von der Vermieterin geführten „Mieterkonto“ bedarfsmindernd zu berücksichtigen war. Nach § 22 Abs. 3 Halbs. 1 SGB II mindern Rückzahlungen und Guthaben, die – was hier der Fall ist - dem Bedarf für Unterkunft und Heizung zuzuordnen sind, die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach dem Monat der Rückzahlung oder der Gutschrift. Das SG hat im Ergebnis zutreffend festgestellt, dass entgegen der Auffassung des Klägers erst die Haben-Buchung des Betriebskostenguthabens am 17. August 2022 auf dem Girokonto des Klägers die zur Minderung der Aufwendungen für Unterkunft und Heizung im Folgemonat führende Gutschrift des Betriebskostenguthaben iSd § 22 Abs. 3 SGB II bewirkt hat.

 

Nach der Rechtsprechung des BSG (vgl. Urteil vom 22. März 2012 – B 4 AS 139/11-, juris Rn. 15 ff. mwN) sind Guthaben aus BKA als Einkommen zu berücksichtigende Einnahmen iSd § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II. Einkommen im Sinne dieser Vorschrift ist alles, was jemand wertmäßig dazu erhält, und Vermögen alles, was er vor Antragstellung hatte. Dabei ist vom tatsächlichen Zufluss auszugehen, es sei denn, rechtlich wird – wie für Gutschriften und Rückzahlungen von Betriebskostenguthaben nach § 22 Abs. 3 SGB II - ein anderer Zufluss(-zeitpunkt) als maßgeblich für die Einkommensanrechnung bestimmt (modifizierte Zuflusstheorie). Neben der Prüfung eines wertmäßigen Zuwachses, der auch im Falle einer Aufrechnung oder Verrechnung vorliegen kann (vgl. BSG Urteil vom 22. März 2012 - B 4 AS 139/11 R -, juris Rn.21; LSG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 19. Dezember 2024 - L 2 AS 17/22 – juris Rn. 23; Susnjar, GK SGB II, Stand: September 2021, § 22 Rn. 250) kann es weiterhin in einem abschließenden Prüfungsschritt darauf ankommen, ob zugeflossenes Einkommen als „bereites Mittel“ geeignet ist, den konkreten Bedarf im jeweiligen Monat zu decken (vgl. zusammenfassend: BSG, Urteil vom 19. August 2015 – B 14 AS 43/14 R -, juris Rn. 16 mwN); zur Reichweite der Grundsätze der bereiten Mittel vgl. BSG, Urteil vom 29. November 2012 –B 14 AS 33/12 R -, juris, Rn. 15; BSG, Urteil vom 24. Juli 2017 – B 14 AS 32/16 R -, juris Rn. 24, 26).

 

Das SG ist zutreffend davon ausgegangen, dass nicht schon mit dem Zugang der Mitteilung über die Betriebskostenabrechnung vom 3. Juni 2022, sondern erst mit der Verbuchung auf dem Girokonto des Klägers ein Wertzuwachs beim Kläger verbunden war. Soweit vereinzelt (vgl. zum Streitstand hinsichtlich des zeitlichen Anknüpfungspunktes für die Anwendung von § 22 Abs. 3 SGB II LSG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 19. Dezember 2024 – L 2 AS 17/22 -, juris Rn. 33) - unter Heranziehung einer Entscheidung des Amtsgerichts Wedding (Urteil vom 24. März 2005 – 9 C 630/04 -, juris) - mit Hinweis auf eine mit der Abrechnung eintretenden Fälligkeit eines Betriebskostenguthabens vertreten wird, dass ein Wertzuwachs beim Mieter bereits mit (dem Zugang der) Abrechnungsmitteilung verbunden sein soll (so LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 2. Juni 2020 – L 28 AS 1466/14 -, juris Rn. 41), verkennt diese Auffassung, dass die „Fälligkeit einer Einnahme“ nicht geeignet ist, das Erfordernis des tatsächlichen Zuflusses zu modifizieren und damit nicht zu einer Vorverlegung des Wertzuwachses führen kann (vgl. Hengelhaupt in: Hauck/Noftz, SGB II, 1. Ergänzungslieferung 2025, § 11 Rn. 177 mwN). Sie ist im Übrigen auch mit dem Wortlaut des § 22 Abs. 3 SGB II jedenfalls dann nicht vereinbar, wenn - wie hier – das errechnete Guthaben mit einem Korrekturvorbehalt versehen ist. Eine „Gutschrift“ liegt nur im Falle einer schriftlichen Fixierung und Eintragung eines Guthabens (positiven Saldos) als eines bestehenden Anspruchs (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 27. Januar 2020 - L 31 AS 1871/19 -, juris Rn. 24 mwN) des Gläubigers gegenüber dem Schuldner vor. Eine solche „unbedingte“ Dokumentation eines Guthabens lässt sich der Abrechnungsmitteilung vom 3. Juni 2020 gerade nicht entnehmen. Mit dem Wortlaut des § 22 Abs. 3 SGB II ist auch die Auffassung des 34. Senats des LSG Berlin-Brandenburg (vgl. Urteil vom 15. März 2018 - L 34 AS 1469/16 -, juris Rn. 22, kritisch dazu: Susnjar, ebd.), wonach es für den Zufluss eines Betriebskostenguthabens darauf ankommen soll, wann der Mieter „realistischer Weise“ mit der Rückerstattung rechnen könne, nicht vereinbar. Sie steht auch nicht mit der Rechtsprechung des BSG (vgl. Urteil vom 19. August 2015 – B 14 AS 43/14 R -, juris Rn. 16 mwN) in Einklang, weil sie die Frage des wertmäßigen Zuwachses mit der davon zu unterscheidenden und (gegebenenfalls) in einem weiteren Prüfungsschritt zu klärenden Frage der tatsächlichen Realisierung vermischt. Schließlich vermag auch die verschiedentlich in der obergerichtlichen Rechtsprechung vertretene Auffassung, die „Haben“-Buchung eines Betriebskostenguthabens in einem vom Vermieter für die Mietsache geführten „Mietkonto“ bewirke bereits einen Wertzuwachs beim Mieter (so LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 27. Januar 2020 – L 31 AS 1871/19 -, juris Rn. 24, in diesem Sinne wohl auch das Urteil vom 2. Juni 2020 – L 28 AS 1466/14 -, juris Rn. 40 f.) nicht zu überzeugen. Es mag zwar sein, dass mit der Haben-Buchung auf derartigen – Mietern regelmäßig nicht ohne weiteres zugänglichen - Konten dokumentiert wird, dass der Auszahlung des mitgeteilten Guthabens aus Sicht des Vermieters nichts mehr entgegensteht und es also nur noch einer Handlung des Mieters bedarf, das Guthaben zu realisieren (siehe LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 27. Januar 2020, ebd.). Dies vermag indes nichts daran zu ändern, dass es sich bei einer solchen Buchung regelmäßig – und so auch hier - lediglich um einen internen (buchhalterischen) Vorgang in der Sphäre des Vermieters handelt ohne jegliche Außenwirkung. Mit dieser Buchung wird zwar eine Vermögensverfügung zu Lasten des Vermieters vorbereitet, aber es wird noch kein „Abfluss“ des nur „vorgemerkten“ Guthabens bewirkt. Insofern liegt der Fall anders als z B im Falle einer (Zins-)Gutschrift auf einem Bausparkonto, bei dem ein Wertzuwachs im Zeitpunkt der Verbuchung auf diesem Konto zu verzeichnen ist, ohne dass es auf die tatsächliche Verfügungsmöglichkeit des Bausparers über das Guthaben ankommt (vgl. BSG, Urteil vom 19. August 2015 – B 14 AS 43/14 R -, juris Rn 14). Nach alledem war erst mit der Überweisung des Betriebskostenguthabens im August 2022 auf das Girokonto des Klägers ein Wertzuwachs festzustellen. Dieses Guthaben stand ihm in jenem Monat zur Deckung seiner Aufwendungen für Unterkunft und Heizung als „bereites Mittel“ zur Verfügung und war mithin im Folgemonat – wie vom Beklagten gemäß § 22 Abs. 3 SGB II berücksichtigt – bedarfsmindernd anzurechnen. 

 

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für eine Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nrn. 1 oder 2 SGG liegen nicht vor. Insbesondere kommt der Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung zu (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG). Dass es sich bei einem Guthaben aus einer BKA um grundsätzlich zu berücksichtigendes Einkommen handelt, das anrechenbar ist, wenn es zugeflossen ist, ist rechtlich geklärt. Die Frage, zu welchem Zeitpunkt diese Voraussetzungen jeweils erfüllt sind, ist eine rein tatsächliche Frage, die sich an den Umständen des Einzelfalls orientiert (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 27. Januar 2020 – L 31 AS 1871/19 -, juris Rn. 3).

Rechtskraft
Aus
Saved