Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 13.01.2023 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten auch des Berufungsverfahrens.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 114.864,04 € festgesetzt.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Rückerstattung von der Beklagten in den Jahren 2009 bis 2017 vereinnahmter und abgeführter Umsatzsteuer.
Die Klägerin ist eine gesetzliche Krankenkasse. Die Beklagte, die als gemeinnützig anerkannt ist (§§ 51 ff. AO), betreibt ein in den Krankenhausplan Nordrhein-Westfalen aufgenommenes Krankenhaus. Über die dortige Krankenhausapotheke gab sie in den Jahren u.a. 2009 bis 2018 Fertigarzneimittel an Versicherte ab, darunter auch an solche der Klägerin bzw. deren Rechtsvorgängerinnen (fortan einheitlich: Klägerin), die im Krankenhaus ambulant behandelt wurden. Diese Versorgung erfolgte aufgrund von Vereinbarungen für Krankenhausapotheken, abgeschlossen jeweils zwischen den Krankenkassen und der Beklagten (Arzneimittelpreisvereinbarungen <im Folgenden: AMPV>, vorliegend aus den Jahren 2004 <gültig ab 01.01.2005, zur Umsatzsteuer ebd. Anl. 1 Abs. 4>, 2011 <gültig ab 01.01.2011, zur Umsatzsteuer Anl. 1 Ziff. 13> und 2017 <gültig ab 01.04.2017, zur Umsatzsteuer Anl. 1 Ziff. 13 ff.>). Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt der Vereinbarungen nebst Anlagen Bezug genommen.
Mit Urteil vom 31.07.2013 (I R 82/12) entschied der Bundesfinanzhof in einer Streitsache betreffend die Befreiung von der Körperschaftssteuer, dass die Abgabe von Zytostatika durch eine Krankenhausapotheke an ambulant behandelte Patienten des Krankenhauses zur unmittelbaren Verabreichung im Krankenhaus dem Zweckbetrieb Krankenhaus zuzurechnen sei (amtl. Ls. zu 1.). Das Bundesministerium der Finanzen fasste daraufhin den Anwendungserlass zu § 67 AO entsprechend neu (s. BMF-Schreiben vom 14.01.2015, BStBl. 2015 I, 76).
Mit weiterem Urteil vom 24.09.2014 (V R 19/11) entschied der Bundesfinanzhof, dass die Verabreichung von Zytostatika im Rahmen einer ambulant in einem Krankenhaus durchgeführten ärztlichen Heilbehandlung, die dort individuell für den einzelnen Patienten in einer Apotheke dieses Krankenhauses hergestellt werden, als ein mit der ärztlichen Heilbehandlung eng verbundener Umsatz gemäß § 4 Nr. 16 Buchst. b UStG steuerfrei sei (dazu BMF-Schreiben vom 28.09.2016, BStBl. 2016 I, 1043).
In der Folge hielt der Bundesfinanzhof an seiner Rechtsprechung fest, zunächst in einer Entscheidung zu sog. Faktorpäparaten (Urteil vom 18.10.2017 – V R 46/16 –) und sodann erneut zu Zytostatika (Urteil vom 06.06.2019 – V R 39/17 –).
Unter dem 15.06.2018 bzw. 19.06.2018 schlossen verschiedene Krankenkassen, darunter die Klägerin, und die Beklagte eine „Vergleichsvereinbarung Umsatzsteuererstattung Krankenhausapotheken“. Diese basierte auf einem zwischen den Krankenkassen und dem Krankenhauszweckverband verabredeten Mustervergleich und lautet auszugsweise wie folgt:
„Zwischen
[…]
wird folgende Vergleichsvereinbarung über strittige Umsatzsteueranteile für die Abgabe patientenindividuell hergestellter Zubereitungen abgeschlossen:
Präambel
Aufgrund Vertragsvereinbarungen gemäß § 129a SGB V zwischen den Vertragsparteien waren in der Vergangenheit Abgaben von Zytostatika sowie anderer patientenindividuell hergestellter Zubereitungen vom Krankenhaus gegenüber den Krankenkassen abgerechnet worden. Diese Abgaben waren nach der Umsatzsteuerrichtlinie in ihren Fassungen vor dem 28.09.2016 als umsatzsteuerpflichtig qualifiziert. Im Jahr 2014 entschied der BFH demgegenüber, dass Umsätze mit Zytostatika umsatzsteuerbefreit befreit sein können (BFH, Urt. v. 24.09.2014, V R 19/11). Die Folgerungen dieses Urteils für das Umsatzsteuerschuldverhältnis zwischen dem Krankenhaus und dem jeweils zuständigen Finanzamt, die nach Auffassung des BMF nunmehr und in Abänderung der bisherigen Umsatzsteuerrichtlinie eintreten sollen, wurden daraufhin mit Schreiben des BMF vom 28.09.2016, III C 3 – S 7170/11/10004, bekannt gemacht.
Ob und inwieweit die Maßgaben in diesem BMF-Schreiben dem Urteil des BFH entsprechen, ist umstritten. Ebenso umstritten sind die Folgen für abgerechnete Zubereitungen im Verhältnis zwischen den Vertragsparteien, insbesondere soweit es Abgaben vor dem 31.03.2017 betrifft. Mitunter wurde vertreten, dass die Umsatzsteuer in voller Höhe zu erstatten sei, es wurde vertreten, dass jedenfalls eine Erstattung abzüglich eines wegfallenden Vorsteuerabzuges geboten sei, wie auch jeglicher Erstattungsanspruch verneint wurden.
Aus diesen differierenden Auffassungen entstanden in diesem wie in vergleichbaren Vertragsverhältnissen eine Vielzahl von außergerichtlichen und gerichtlichen Streitigkeiten, deren Ausgang offen ist. Die betroffenen Zeiträume reichen regelmäßig bis in das Jahr 2009 zurück. Eine höchstrichterliche Klärung namentlich unter Berücksichtigung der jeweils unterschiedlichen Fall- und Vertragsgestaltungen wird noch Jahre in Anspruch nehmen. Sich widersprechende Urteile zwischen den mit den Streitigkeiten befassten Gerichtszweigen der Sozial-, Zivil-, Verwaltungs- und Finanzgerichtsbarkeit sind zudem nicht auszuschließen. Ebensolche Widersprüche und Wechselwirkungen können außerdem durch unterschiedliche Handhabungen und Geschwindigkeiten namentlich im Abrechnungsverhältnis zu den Krankenkassen einerseits und der Steuerverwaltung im Umsatzsteuerschuldverhältnis andererseits auftreten. Die Widersprüche und Wechselwirkungen sind dabei solcher Natur, dass sie in jede Richtung widersprüchliche Ergebnisse erzeugen könnten, nach welcher z.B. eine volle Erstattung des Krankenhauses vom Finanzamt erreicht werden könnte, indes keine Erstattung an die Krankenkasse erfolgen müsste, wie umgekehrt volle Erstattungen an die Krankenkassen zu leisten sein könnten, aber eine Erstattung vom Finanzamt ausfiele.
Demgegenüber wollen die Vertragsparteien solche Widersprüche vermeiden und eine zeitnähere Klärung erreichen, insbesondere in Ansehung der für die Zukunft geklärten und hinreichend flexibilisieren Vertragsgestaltung. Dementsprechend betrachten es die Vertragsparteien nach ihrem jeweiligen pflichtgemäßen Ermessen als zweckmäßig, die für die Vergangenheit bestehenden Ungewissheiten zu beseitigen. Hierzu schließen die Parteien folgenden Vergleich auf der Grundlage des § 54 SGB X:
§ 1 Anwendungsbereich
(1) Erfasst von diesem Vergleich sind sämtliche Abrechnungen für Abgaben auf der Grundlage der jeweils zwischen den Parteien gültigen Verträge im Sinne des § 129a SGB V, auch wenn bereits gerichtlich anhängig. Gegenstand sind damit insbesondere Abgaben durch eine eigene Krankenhausapotheke und Abgaben durch eine im Sinne des § 14 Abs. 3 ApoG versorgenden Krankenhausapotheke. Gegenstand sind sodann Abgaben an sämtliche ambulante Patienten im Sinne des § 14 Abs. 7 Satz 2 ApoG und dies auch dann, wenn die Abgabe an Patienten eines von der eigenen Krankenhausapotheke im Sinne des § 14 Abs. 3 ApoG versorgten Krankenhauses erfolgten. […]
(3) Erfasst sind damit die Abrechnungen insbesondere unter folgender/en IK des Krankenhauses bzw. IK der Krankenhausapotheke (unter ausdrücklicher, gesonderter Ausweisung etwaiger Rechtsvorgänger)
- 260 510 325
[…]
§ 3 Pauschalbetrag
(1) Im Hinblick auf die Höhe der vergleichsweisen Zahlung haben sich die Parteien für die Abrechnungen unter der unter § 1 Absatz 3 ausdrücklich genannten IK auf einen Pauschalbetrag in Höhe von 183.300,00 € geeinigt.
(2) Für Abrechnungen unter IK, die nicht unter § 1 Absatz 3 ausdrücklich genannt sind, steht den vom vdek vertretenen Krankenkassen ein Ergänzungsbetrag zu, der sich nach Anlage 1 bestimmt.
[…]
§ 5 Erledigungswirkungen
(1) Mit Abschluss dieses Vergleichs sind sämtliche gegenseitige Ansprüche aus dem erfassten Anwendungsbereich wegen Umsatzsteuer, gleich aus welchem Rechtsgrund, gleich ob bekannt oder unbekannt, gleich ob fällig oder noch nicht fällig, gleich ob bereits entstandene oder künftig entstehende Ansprüche — erledigt und abgegolten, soweit in diesem Vergleich nicht etwas Anderes bestimmt ist. […]“
§ 6 Schlussbestimmungen
(1) Mündliche Nebenabreden bestehen nicht. Änderungen, Ergänzungen sowie eine Vereinbarung über die Auflösung dieses Vertrages bedürfen zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform. […]
(2) Sollte eine Bestimmung dieses Vertrages ganz oder teilweise unwirksam oder undurchführbar sein oder die Wirksamkeit oder Durchführbarkeit später verlieren oder sich eine Lücke herausstellen, soll hierdurch die Gültigkeit oder Durchführbarkeit der übrigen Bestimmungen nicht berührt werden. Die Parteien verpflichten sich, anstelle der unwirksamen oder undurchführbaren Bestimmung oder zur Ausfüllung der Lücke eine angemessene Regelung zu vereinbaren, die, soweit rechtlich zulässig, dem am nächsten kommt, was die Parteien gewollt haben oder nach dem Sinn und Zweck des Vertrages gewollt hätten, wenn sie die Unwirksamkeit oder die Regelungslücke gekannt hätten. Es ist der ausdrückliche Wille der Parteien, dass dieser Absatz 2 keine bloße Beweislastumkehr zur Folge hat, sondern § 139 BGB insgesamt abbedungen ist. […]“
Anlage 1
Soweit in den vorstehenden Bestimmungen auf diese Anlage Bezug genommen wurde, um Teilbeträge des nach § 3 geschuldeten Pauschalbetrages oder ergänzend hierzu geschuldeter Beträge zu bestimmen, sind diese Teilbeträge wie folgt zu errechnen:
[…]
(2) Gegenstand der Bemessungsgrundlage des vorgenannten Umsatzanteils sind sodann ausschließlich Umsätze mit folgenden PZN:
- PZN 09999092 (Zytostatika-Zubereitungen)
- PZN 09999100 (parenterale Ernährungslösungen)
- PZN 09999123 (parenterale antibiotikahaltige Infusionslösungen)
- PZN 09999169 (virustatikahaltige Infusionslösungen)
- PZN 09999146 (parenterale Lösungen mit Schmerzmitteln)
- PZN 09999152 (sonstige parenterale Lösungen)
- PZN 02567461 (parenterale Lösungen mit Folinaten, die keine weiteren Wirkstoffe enthalten)
- PZN 02567478 (parenterale Lösungen mit monoklonalen Antikörpern)
[…]
(4) Der Teilbetrag entspricht 4,5 von Hundert der vorstehenden Bemessungsgrundlage.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Vergleichsvereinbarung Bezug genommen.
Die Klägerin hat am 20.12.2019 Klage zum Sozialgericht Duisburg erhoben.
Mit der Klage hat sie die Erstattung der Differenz zwischen der vereinnahmten (19 %) und der ermäßigten Umsatzsteuer (7 %) begehrt.
Sie hat vorgetragen, tatsächlich sei Umsatzsteuer nur in Höhe des ermäßigten Satzes angefallen. Der entsprechende Anspruch ergebe sich aus einer ergänzenden Vertragsauslegung der AMPV; insoweit seien die Grundsätze aus dem Urteil des Bundessozialgerichts (vom 09.04.2019 – B 1 KR 5/19 R –) zur Erstattung von auf Zytostatika gezahlter Umsatzsteuer anwendbar. Dass auch vorliegend nicht der volle Umsatzsteuersatz angefallen sei, ergebe sich aus dem Urteil des Bundesfinanzhofs vom 31.07.2013 (a.a.O.), das erstmals am 21.02.2014 in der Fachpresse (DStRE 2014, 242) und am 30.01.2015 amtlich veröffentlicht worden sei (BStBl. 2015 II, 123) sowie dem 2015 geänderten Anwendungserlass zu § 67 AO. Das Urteil wie der Erlass beträfen zwar die Körperschaftssteuer, die dortigen Erwägungen gölten aber auch für die Umsatzsteuer, auch für die auf Fertigarzneimittel. Der Anspruch sei auch nicht verjährt; die Verjährungsfrist betrage vier Jahre und habe frühestens mit der Ergänzung des Anwendungserlasses zu § 67 AO zu laufen begonnen. Aus der Vergleichsvereinbarung ergebe sich nichts anderes, da sich diese nur auf die Rückerstattung der auf Zytostatika gezahlten Umsatzsteuer beziehe. Auch die Abgeltungssumme aus der Vergleichsvereinbarung ermittle sich allein nach den sog. Zytostatika-Fällen.
Während des laufenden Klageverfahrens korrigierte das zuständige Finanzamt die Umsatzsteuerfestsetzung für die Jahre 2009 bis einschließlich 2016 nachträglich auf 7 %. Eine Korrektur auch für die Jahre 2017 und 2018 ist noch offen.
Ebenfalls während des laufenden Klageverfahrens änderte das Bundesministerium der Finanzen seinen Umsatzsteuer-Anwendungserlass ab (BMF-Schreiben vom 13.12.2022, BStBl. 2022 I, 1683). Die Beklagte hat daraufhin den Klageanspruch für die Zeit vom 01.04.2017 bis 31.12.2018 anerkannt (i.H.v. 7.057,91 €) und die Klägerin dieses Teil-Anerkenntnis angenommen.
Die Klägerin hat danach noch beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an sie einen Betrag in Höhe von 107.806,13 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 21.12.2019 aus einem Betrag von 114.864,04 € zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Klageanspruch sei insbesondere durch die zwischen den Beteiligten geschlossene Vergleichsvereinbarung ausgeschlossen, deren Anwendungsbereich nach der entsprechenden Klausel weiter sei als es ihre Präambel vermuten lasse. Die Beteiligten hätten eine abschließende Regelung zu sämtlichen Umsatzsteuerproblematiken für die Vergangenheit treffen wollen. Zwar seien Anlass für die Vergleichsverhandlungen zunächst nur die Zytostatika-Fälle gewesen, den Verhandlungsgegenstand habe man aber später erweitert und die Vergleichssumme entsprechend erhöht.
Hilfsweise hat die Beklagte zudem die Einrede der Verjährung erhoben. Wenn der Anspruch bestünde, habe die Verjährungsfrist bereits mit dem Urteil des Bundesfinanzhofs aus 2013 begonnen.
Das Sozialgericht hat in seiner mündlichen Verhandlung die Zeugin P. sowie die Zeugen O. und H. vernommen, die an den Verhandlungen über den Mustervergleich als Bedienstete der Klägerin bzw. des Verbandes der Ersatzkassen sowie als Rechtsanwalt des Krankenhauszweckverbandes teilgenommen haben. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf den Inhalt des Sitzungsprotokolls des Sozialgerichts verwiesen.
Sodann hat das Sozialgericht die Beklagte zur Zahlung von 107.806,13 € nebst Prozesszinsen in beantragter Höhe aus einem Betrag von 114.864,04 € verurteilt (Urteil vom 13.01.2023). Der Anspruch folge aus einer ergänzenden Vertragsauslegung der einzelnen AMPV. Es sei davon auszugehen, dass der Beklagten für den Streitzeitraum gegenüber dem Finanzamt ein Anspruch auf Rückerstattung der Umsatzsteuerdifferenz zustehe. Für den Zeitraum von 2009 bis 2016 habe die Beklagte diesen auch bereits realisiert und für 2017 habe sie selbst erklärt, dass sie davon ausgehe, dass eine Korrektur durch das Finanzamt erfolgen werde. Weiter enthielten die AMPV insoweit planwidrige Lücken, als sie eine Rückerstattung in Fällen wie dem vorliegenden nicht regelten; vielmehr seien die Beteiligten bei Abschluss dieser AMPV von der damaligen Erlasslage der Finanzverwaltung ausgegangen. Nach ergänzender Vertragsauslegung habe die Klägerin daher einen Erstattungsanspruch, wenn die zuständige Finanzverwaltung ihre Rechtsauffassung zum Ansatz einer Besteuerung i.H.v. 19 % für die Abgabe von Fertigarzneimitteln mit Wirkung für die Vergangenheit klar verneine und die Beklagte einen Anspruch nach § 37 Abs. 2 AO gegen das Finanzamt ohne Prozess durchsetzen könne. Beides sei hier der Fall, nachdem die Beklagte ihren Erstattungsanspruch teilweise bereits realisiert habe. Der zwischen den Beteiligten im Juni 2018 geschlossene Vergleich stehe nicht entgegen, denn dieser umfasse ausweislich seines Rubrums ebenso wie nach seinem Wortlaut und auch in Würdigung des Ergebnisses der Beweisaufnahme nicht die Erstattung der Umsatzsteuerdifferenz bei Fertigarzneimitteln. Die Klageforderung sei auch nicht verjährt. Die AMPV selbst sähen nur Fristen für "Beanstandungen" vor, hingegen keine allgemeine Ausschlussfrist für jedwede sich aus dem Vertrag ergebenden Ansprüche. Für die Verjährung greife die vierjährige Verjährungsfrist des § 45 SGB I und nicht die zweijährige aus § 109 Abs. 5 SGB V; letzterer beziehe sich nur auf den Abschluss von Versorgungsverträgen mit Krankenhäusern und erfasse einen Anspruch aus ergänzender Auslegung eines Vertrages nach § 129a SGB V nicht. Wegen des Beginns der Verjährungsfrist sei abzustellen nicht auf das Urteil des Bundesfinanzhofs vom 31.07.2013, sondern (frühestens) auf den am 30.01.2015 geänderten Anwendungserlass zu § 67 AO. Der Erstattungsanspruch sei auch nicht nach § 325 SGB V a.F. ausgeschlossen. Diese Regelung sei im Kontext des § 109 SGB V zu sehen. Prozesszinsen seien schließlich auch auf den anerkannten Teil der Klageforderung angefallen, denn eine Änderung der Umsatzsteuerfestsetzung sei nicht erst aufgrund der Änderung des Umsatzsteuer-Anwendungserlasses in 2022 möglich gewesen. Vielmehr sei davon auszugehen, dass auch die Finanzverwaltung seit geraumer Zeit davon ausgegangen sei, dass für die Abgabe von Fertigarzneimitteln der ermäßigte Steuersatz von 7 % anfalle. Es habe alleine im Verantwortungsbereich der Beklagten gelegen, die Erstattungsansprüche gegenüber dem Finanzamt geltend zu machen, diese an die Klägerin auszuzahlen und damit die Zinsbelastung zu verringern.
Gegen das ihr am 16.02.2023 zugestellte Urteil wendet sich die Beklagte mit ihrer am 15.03.2023 eingelegten Berufung.
Zur Begründung wiederholt und vertieft sie ihr Vorbringen aus dem Klageverfahren. Ergänzend trägt sie vor, dass die Vergleichsvereinbarung auch die Abgabe von Fertigarzneimitteln umfasse, werde auch daran deutlich, dass sie mit anderen Krankenkassen entsprechende Vergleichsverträge geschlossen habe, die sich – anders als die hiesige Vergleichsvereinbarung – jeweils ausdrücklich allein auf die Abgabe von Zytostatika bezögen. Das Sozialgericht setze zu Unrecht die Realisierung etwaiger Erstattungsansprüche gegenüber dem Finanzamt mit einer ggf. risikolosen Durchsetzbarkeit entsprechender Ansprüche gleich. Schließlich sei der Rechtsgedanke aus § 176 Abs. 2 AO zu beachten.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 13.01.2023 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angegriffene Urteil für zutreffend.
Der Senat hat die Zeugin P. sowie die Zeugen H. und O. in der mündlichen Verhandlung vom 19.03.2025 erneut vernommen. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird der Inhalt des Sitzungsprotokolls in Bezug genommen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Akten verwiesen. Dieser ist Gegenstand der mündlichen Verhandlung des Senats gewesen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Beklagten ist zulässig, aber unbegründet.
Das Sozialgericht hat der Klage zu Recht stattgegeben. Maßgeblich für die Beurteilung der – im Gleichordnungsverhältnis zwischen den Beteiligten statthaften und auch im Übrigen zulässigen (vgl. dazu BSG, Urteil vom 09.04.2019 – B 1 KR 5/19 R –, Rn. 12; ausführlich auch LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 09.12.2020 – L 5 KR 261/17 –, juris Rn. 24) – echten Leistungsklage (§ 54 Abs. 5 SGG) ist dabei die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der (letzten) mündlichen Verhandlung des Senats (statt vieler: Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Schmidt, SGG, 14. Aufl. 2023, § 54 Rn. 34). Ausgehend hiervon ist der mit der Klage geltend gemachte Anspruch auf Erstattung der zu Unrecht gezahlten Umsatzsteuer entstanden (dazu 1). Der Anspruch ist auch nicht untergegangen, weil er mit der zwischen den Beteiligten geschlossenen Vergleichsvereinbarung abgegolten wäre (dazu 2), und er ist auch durchsetzbar, insbesondere weder verjährt noch kraft Gesetzes ausgeschlossen (dazu 3). Zu Recht hat das Sozialgericht die Beklagte zudem zur Zahlung von Prozesszinsen auch auf die ursprüngliche Klageforderung verurteilt (dazu 4).
1. Der Anspruch der Klägerin auf Erstattung der an die Beklagten gezahlten Umsatzsteuer ist entstanden. Streitgegenstand sind insoweit allein noch Erstattungsansprüche der Klägerin für Zeit vom 01.01.2009 bis 31.03.2017. Soweit die Beklagte den Klageanspruch hinsichtlich der Zeit ab 01.04.2017 anerkannt und die Klägerin dieses Anerkenntnis angenommen hat, hat sich der Rechtsstreit dagegen bereits im Klageverfahren erledigt (§ 101 Abs. 2 SGG). Die für den verbliebenen Streitzeitraum maßgeblichen AMPV 2004 und 2011 regeln einen entsprechenden Erstattungsanspruch selbst nicht (dazu a). Ob sich ein solcher Erstattungsanspruch bereits aus dem Bereicherungsrecht bzw. nach den Grundsätzen über den öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch ergibt, mag dahinstehen (dazu b). Jedenfalls aber ergibt sich ein solcher Erstattungsanspruch anhand ergänzender Vertragsauslegung der AMPV 2004 und 2011 (dazu c).
a) Die einschlägigen AMPV 2004 und 2011 enthalten selbst keine Regelungen über die Rückerstattung zu Unrecht vereinnahmter und an das Finanzamt angeführter Umsatzsteuer. Sie regeln in ihrer Anlage 1 jeweils die Berechnung der Abgabepreise sowie weiter, dass diesen Abgabepreisen jeweils die Umsatzsteuer hinzuzurechnen ist
– vgl. AMPV 2004, Anl. 1 Abs. 4: „Fertigarzneimittel oder Stoffe ohne Lauertaxeintrag sind zum jeweiligen Einkaufspreis mit einem Aufschlag von 3 %, maximal 50 Euro, zuzüglich der Mehrwertsteuer berechnungsfähig. […]“; sowie AMPV 2011, Anl. 1 Ziff. 13: „Den nach den Nrn. 1 bis 12 ermittelten Abrechnungspreisen der Anlage 1 ist die Umsatzsteuer hinzuzufügen. […] Die Umsatzsteuer ist in der Abrechnung auszuweisen. Der Ansatz der Umsatzsteuer entfällt, soweit Umsatzsteuerpflicht nicht besteht.“ –.
Hierbei handelt es sich um sog. Nettopreisabreden (vgl. dazu auch Penner, ZESAR 2017, 158 <162>; Krieger/Penner, SGb 2015, 607 <612 f.>). Eine solche liegt vor, wenn die Vertragsparteien ausdrücklich einen "Nettopreis" vereinbart haben, wofür auch ein Handelsbrauch oder eine Verkehrssitte maßgeblich sein kann (BSG, Urteil vom 17.07.2008 – B 3 KR 16/07 R –, juris Rn. 17; LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 18.02.2021 – L 5 KR 161/18 –, juris Rn. 24). Vorliegend wurde nach den AMPV 2004 und 2011 die Umsatzsteuer jeweils auf den gemäß der jeweiligen Vereinbarung ermittelten Preis aufgeschlagen (zur Auslegung vgl. Leipold in Sölch/Ringleb, UStG <Stand: VI/2024>, § 14 Rn. 563 m.w.N.; zu einer ähnlichen Klausel auch BSG, Urteil vom 03.03.2009 – B 1 KR 7/08 R –, juris Rn. 15). Damit steht fest, dass zum einen die Krankenkasse die anfallende Umsatzsteuer an das Krankenhaus zu zahlen hat, diese aber zum anderen kein Bestandteil des Preises ist. Die AMPV 2011 regelt sogar ausdrücklich, dass „[d]er Ansatz der Umsatzsteuer entfällt, soweit Umsatzsteuerpflicht nicht besteht.“ Dass die Beteiligten insoweit mit der AMPV 2011 eine im Vergleich zur AMPV 2004 abweichende Regelung hätten begründen wollen, ist weder vorgetragen noch anderweitig ersichtlich. Vielmehr gehen die Beteiligten offenkundig übereinstimmend vom Vorliegen einer Nettopreisabrede aus.
Bei Vorliegen einer solchen Nettopreisabrede bezieht sich die einem Vertrag zugrundeliegende Kalkulation allein auf den Nettopreis, während sich die Höhe der vom Abnehmer zu tragenden Umsatzsteuer nach dem Betrag bemisst, den der Unternehmer an das Finanzamt abzuführen hat. Bei einer Bruttopreisabrede hingegen sind beide Vertragsbeteiligte dem Risiko eines unzutreffenden Umsatzsteueransatzes ausgesetzt. Ist die Umsatzsteuer im Bruttopreis zu hoch veranschlagt, muss der Abnehmer den vereinbarten Preis in der Regel trotzdem zahlen, ist sie zu niedrig ausgewiesen, kann der Unternehmer seinen zusätzlichen steuerlichen Aufwand nicht nachfordern (dazu BSG, Urteil vom 17.07.2008 – B 3 KR 18/07 R –, juris Rn. 12; Urteil vom 03.03.2009, a.a.O. Rn. 16; jeweils m.w.N.; zu einem Erstattungsanspruch auch im Fall einer insoweit ergänzend ausgelegten Bruttopreisabrede vgl. auch BGH, Urteil vom 20.02.2019 – VIII ZR 7/18 –, Rn. 60; kritisch zur Unterscheidung zwischen Netto- und Bruttopreisabreden Stadie in Rau/Dürrwächter, UStG <Stand: I/2024>, Einl. Rn. 923 ff.).
b) Aus dem Vorliegen einer solchen Nettopreisabrede folgt, dass der Abnehmer – vorliegend die klagende Krankenkasse – nicht zur Zahlung von Umsatzsteuer an den Unternehmer – das beklagte Krankenhaus – verpflichtet ist, soweit dieser seinerseits nicht verpflichtet ist, Umsatzsteuer an das Finanzamt abzuführen. Vielmehr kann der Abnehmer, falls er den Rechnungsbetrag einschließlich der Umsatzsteuer bereits an den Rechnungsaussteller bezahlt hat, die Mehrsteuer zurückverlangen (dazu Leipold a.a.O. § 14c Rn. 101 m.w.N., dort abstellend auf § 812 Abs. 1 S. 1 Var. 1 BGB; i.Erg. ebenso Korn in Bunjes, UStG, 23. Aufl. 2024, § 14c Rn. 4, 53; vgl. auch BGH, Urteil vom 20.02.2019, a.a.O. Rn. 27 m.w.N.). Insoweit mag vorliegend dahinstehen, ob der bürgerlich-rechtliche Bereicherungsanspruch oder die Grundsätze über den öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch einschlägig sind. In jedem Fall begründen Zahlungen ohne Rechtsgrund einen Erstattungsanspruch des Zahlenden gegenüber dem Zahlungsempfänger, sei es nach allgemeinen Grundsätzen des öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruches oder nach § 69 Abs. 1 S. 3 SGB V i.V.m. §§ 812 ff. BGB (vgl. BSG, Urteil vom 07.03.2023 – B 1 KR 3/22 R –, Rn. 13 m.w.N. <st.Rspr.>).
Eine solche rechtsgrundlose Vermögensverschiebung liegt hier vor. Die Beklagte hat Zahlungen in Höhe des nicht ermäßigten Umsatzsteuersatzes vereinnahmt, ohne dass ihr nach dem gerade Gesagten ein Rechtsgrund zur Seite stünde, aufgrund dessen sie diese behalten dürfte. Ein entsprechender Rechtsgrund ergibt sich für die Beklagte insbesondere nicht daraus, dass sie die Umsatzsteuer an das Finanzamt abzuführen hätte. Dies folgt für die Zeit von 2009 bis Ende 2016 bereits daraus, dass das Finanzamt die Umsatzsteuerfestsetzung für den genannten Teilzeitraum mit Bescheiden aus Dezember 2021 bereits von 19 % auf 7 % korrigiert hat. Dies ergibt sich auch für den Senat zweifelsfrei aus dem Schreiben ihrer Steuerberatungsgesellschaft (vom 08.09.2022), das die Klägerin im Klageverfahren vorgelegt hat, und steht zwischen den Beteiligten auch außer Streit. Für das I. Quartal 2017 gilt im Ergebnis nichts anderes. Dass das Finanzamt die Umsatzsteuerfestsetzung insoweit noch nicht korrigiert hat, ist ohne Belang. Die Beklagte hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat auf Nachfrage bestätigt, dass eine Entscheidung des Finanzamtes insoweit noch ausstehe. Indes ist nicht zu erkennen, dass dies darauf beruhte, dass das Finanzamt insoweit davon ausginge, dass der volle Umsatzsteuersatz angefallen wäre. Vielmehr ist spätestens aufgrund des BMF-Schreibens vom 13.12.2022 (a.a.O.) davon auszugehen, dass auch auf die Abgabe von nicht patientenindividuell hergestellten (Fertig-) Arzneimitteln durch eine Krankenhausapotheke, die einen integralen Bestandteil einer Therapie darstellen, jedenfalls nicht der volle Umsatzsteuersatz anzuwenden ist (zur Rechtsauffassung der Steuerverwaltung vgl. auch sogleich unten c). Auch die Beklagte ist dem in der Sache nicht entgegengetreten, sondern hat den Umstand, dass für das I. Quartal 2017 noch keine Entscheidung des Finanzamtes vorliegt, in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat damit erklärt, dass unter anderem dieser Teilzeitraum sich derzeit in einer Betriebsprüfung befinde. Danach ist aber zugleich davon auszugehen, dass es sich auch der Umsatzsteuerfestsetzung für das I. Quartal 2017 noch um einen i.S.d. BMF-Schreibens vom 13.12.2022 offenen Fall handelt.
c) Selbst wenn man die vorgenannten Grundsätze über den öffentlich-rechtlichen Erstattungs- bzw. den bürgerlich-rechtlichen Bereicherungsanspruch nicht für anwendbar hielte, ergäbe sich ein entsprechender Erstattungsanspruch jedenfalls anhand ergänzender Vertragsauslegung der AMPV 2004 bzw. 2011.
aa) Eine solche, auch auf öffentlich-rechtliche Verträge anwendbare, ergänzende Vertragsauslegung setzt eine Regelungslücke, eine planwidrige Unvollständigkeit der Bestimmungen des Rechtsgeschäfts voraus. So liegt es, wenn der Vertrag eine Bestimmung vermissen lässt, die erforderlich ist, um den ihm zugrundeliegenden Regelungsplan der Parteien zu verwirklichen, wenn mithin ohne Vervollständigung des Vertrags eine angemessene, interessengerechte Lösung nicht zu erzielen wäre. Soweit schon das anzuwendende Gesetzesrecht Regelungen zur Schließung der vertraglichen Lücke bereithält, fehlt es an einer durch die ergänzende Vertragsauslegung zu schließenden Regelungslücke (BSG, Urteil vom 09.04.2019, a.a.O. Rn. 17).
Eine entsprechende Regelungslücke liegt hier – soweit man die Grundsätze über den öffentlich-rechtlichen Erstattungs- bzw. den bürgerlich-rechtlichen Bereicherungsanspruch nicht für anwendbar hält – jedenfalls in Bezug auf die AMPV 2004 und 2011 vor, weil diese die Rückerstattung überzahlter Umsatzsteuer selbst nicht regeln (zur AMPV 2017 unten d). Insbesondere füllt auch § 29 UStG diese Regelungslücke nicht, weil dieser nur Fälle gesetzlicher Änderungen erfasst (vgl. Robisch in Bunjes, UStG, 23. Aufl. 2024, § 29 Rn. 1) und nicht auch solche, in denen sich "nur" die steuerrechtliche Beurteilung ändert (zum Ganzen auch Heuermann in Solch/Ringleb, UStG <Stand: X/2021>, § 29 Rn. 11). Die Regelungslücke muss auch geschlossen werden, um den Regelungsplan der Vertragsparteien interessengerecht zu verwirklichen, denn wie ausgeführt trafen die Vertragsparteien eine Nettopreisabrede, nach der die Klägerin nur dann die Mehrwertsteuer tragen sollte, soweit diese tatsächlich anfiel. Der Klägerin in Fällen, in denen die Beklagte zu Unrecht Mehrwertsteuer vereinnahmt hat, einen entsprechenden Erstattungsanspruch zu verwehren, liefe diesem Grundgedanken einer Nettopreisabrede zuwider. Andernfalls fiele der Beklagten ein vertraglich nicht beabsichtigter Zufallsgewinn zu. Dies gilt jedenfalls dann, wenn – wie hier – die Beklagte die Mehrwertsteuer ihrerseits vom Finanzamt zurückerstattet erhalten hat bzw. sie einen entsprechenden Erstattungsanspruch ohne Weiteres durchsetzen kann.
bb) Nach der danach gebotenen ergänzenden Vertragsauslegung hat die Klägerin vertraglich Anspruch gegen die Beklagte auf Rückzahlung zu Unrecht gezahlter Umsatzsteuer, wenn die Steuerverwaltung ihre Rechtsauffassung zur zunächst bejahten Umsatzsteuerpflicht von erbrachten Leistungen der Beklagten mit Wirkung für die Vergangenheit klar verneint und die Beklagte ohne Prozess ihren Erstattungsanspruch (§ 37 Abs. 2 AO) gegen das Finanzamt wegen bereits gezahlter Umsatzsteuer einfach und risikolos durchsetzen kann (vgl. BSG, Urteil vom 09.04.2019, a.a.O. Rn. 25). Dabei ist auch im Fall rückwirkender Änderungen die Rechtsauffassung der Steuerverwaltung zugrundezulegen (BSG, a.a.O.). Ansonsten drohten widersprechende Entscheidungen in den unterschiedlichen Rechtswegen; zudem entspricht dies dem Zweck einer Nettopreisvereinbarung, die Vertragsparteien von dem Risiko einer unzutreffenden Steuerfestsetzung zu entlasten (zum Ganzen auch: BSG, Beschluss vom 10.11.2011 – B 1 KR 5/21 B –, Rn. 35 m.w.N.).
Diese Voraussetzungen sind erfüllt. Wie bereits das Sozialgericht zutreffend entschieden hat, folgt dies für die Streitjahre von 2009 bis 2016 bereits daraus, dass das Finanzamt einen entsprechenden Erstattungsanspruch gegenüber der Beklagten – unstreitig – bereits erfüllt hat. Denn danach hat zum einen das Finanzamt seine Rechtsauffassung hinreichend klar zum Ausdruck gebracht. Zum anderen kann die Beklagte ihren Erstattungsanspruch gegenüber dem Finanzamt nicht nur risikolos durchsetzen, sie hat diesen tatsächlich sogar bereits realisiert, ohne dass sie dazu den Finanzrechtsweg hätte beschreiten müssen o.ä. Weshalb für das I. Quartal 2017 etwas anderes geltend sollte, ist nicht erkennbar. Dies gilt umso mehr, als die Frage der umsatzsteuerrechtlichen Behandlung spätestens seit der Ergänzung des Umsatzsteuer-Anwendungserlasses (Abschn. 4.14.1 Abs. 4 S. 5 ff. 4.14.6 Abs. 2 Nr. 3, jeweils i.d.F. des BMF-Schreibens vom 13.12.2022, BStBl. 2022 I, 1683) für die Steuerverwaltung auch losgelöst vom vorliegenden Einzelfall abschließend geklärt sein dürfte. Hiervon gehen auch die Beteiligten offenbar übereinstimmend aus, denn eben hierauf stützt sich auch das angenommene Teil-Anerkenntnis aus dem Klageverfahren. Vor dem Hintergrund der nach allem geklärten Rechtsauffassung der Steuerverwaltung ist es auch ohne Belang, dass, worauf die Beklagte verweist, es zur Umsatzsteuer auf Fertigarzneimittel noch keine gefestigte Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs oder des Europäischen Gerichtshofs gibt. Aus § 176 Abs. 2 AO folgt in diesem Zusammenhang nichts anderes.
Darauf, inwieweit bzw. wie lange die Steuerverwaltung in der Vergangenheit eine abweichende Auffassung vertreten haben mag (vgl. dazu noch BSG, Beschluss vom 10.11.2021, a.a.O. Rn. 19 f.), kommt es dagegen schon deshalb nicht an, weil, wie eingangs erwähnt, maßgeblich die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung des Senats ist.
2. Der Anspruch ist auch nicht untergegangen, insbesondere ist er nicht bereits mit der zwischen den Beteiligten geschlossenen Vergleichsvereinbarung aus Juni 2018 abgegolten. Der Senat vermag dieser Vereinbarung nicht zu entnehmen, dass die Vertragsparteien damit nicht nur die Erstattung zu Unrecht auf Zytostatika und patientenindividuelle Zubereitungen gezahlter Umsatzsteuer regeln wollten, sondern auch die Erstattung entsprechender Überzahlungen auf Fertigarzneimittel.
a) Die genannte Vergleichsvereinbarung ist ein öffentlich-rechtlicher Vertrag und als solcher anhand der allgemeinen Maßgaben auszulegen (§ 69 Abs. 1 S. 3 SGB V i.V.m. §§ 157, 133 BGB; vgl. dazu auch BGH, Beschluss vom 09.10.2018 – EnVR 20/17 –, juris Rn. 17 m.w.N.). Danach sind Verträge so auszulegen, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern; zudem ist bei der Auslegung einer Willenserklärung der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften (vgl. BSG, Urteil vom 18.08.2022 – B 1 KR 30/21 R –, Rn. 36). Nach anerkannten Auslegungsgrundsätzen bildet der von den Parteien gewählte Wortlaut einer Vereinbarung und der diesem zu entnehmende objektiv erklärte Parteiwille den Ausgangspunkt einer nach §§ 133, 157 BGB vorzunehmenden Auslegung. Weiter sind nach anerkannten Auslegungsgrundsätzen insbesondere der mit der Vereinbarung verfolgte Zweck und die Interessenlage der Parteien zu beachten, ferner die sonstigen Begleitumstände, die den Sinngehalt der gewechselten Erklärungen erhellen können (BGH, Urteil vom 27.04.2016 – VIII ZR 61/15 –, Rn. 27 m.w.N.).
Nach diesen Maßstäben kann der Beklagten nicht darin gefolgt, dass mit der Vergleichsvereinbarung auch Erstattungsforderungen aus anderen als den sog. Zytostatika-Fällen abgegolten wären. Dies lässt sich weder dem Wortlaut noch dem Zweck der Vergleichsvereinbarung entnehmen (dazu b) und entspräche auch nicht der Interessenlage der Vertragsparteien (dazu c). Auch die erneute Vernehmung der Zeugen durch den Senat hat keinen davon abweichenden wirklichen Willen der Vertragsparteien ergeben (dazu d), ebenso wenig der Ablauf der Vergleichsverhandlungen, wie er sich aus den Einlassungen der Zeugen sowie den von den Beteiligten zu den Akten gereichten Verhandlungsunterlagen ergibt (dazu e).
b) Der Wortlaut der Vergleichsvereinbarung enthält keine Anhaltspunkte dafür, dass die Beteiligten mehr regeln wollten als die Fälle von Zytostatika und anderen patientenindividuellen Zubereitungen. Anders als die Beklagte meint, ist der Wortlaut der Vergleichsvereinbarung auch nicht eindeutig dahingehend, dass auch Fälle der Abgabe von Fertigarzneimitteln von ihrem Anwendungsbereich erfasst sein sollten. §§ 1 Abs. 1, 5 Abs. 1 der Vergleichsvereinbarung sind für eine solche Auslegung allenfalls offen. Bereits nach dem Rubrum der Vergleichsvereinbarung wollten die Vertragsparteien lediglich eine „Vergleichsvereinbarung über strittige Umsatzsteueranteile für die Abgabe patientenindividuell hergestellter Zubereitungen [abschließen]“. Dafür, dass die Vertragsparteien allein die Erstattung auf Zytostatika gezahlter Umsatzsteuer im Blick hatten, spricht weiter die Präambel, derzufolge Anlass für den Abschluss der Vergleichsvereinbarung war, dass „in der Vergangenheit Abgaben von Zytostatika sowie anderer patientenindividuell hergestellter Zubereitungen vom Krankenhaus gegenüber den Krankenkassen abgerechnet“ und dabei als umsatzsteuerpflichtig behandelt worden waren, was durch die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs sowie Erlasse des Bundesministeriums der Finanzen in Zweifel gezogen worden sei. Insoweit wollten die Vertragsparteien „die für die Vergangenheit bestehenden Unsicherheiten […] beseitigen.“ Dass die sog. Zytostatika-Fälle Anlass für die Vergleichsverhandlungen waren, hat auch die Beklagte ausdrücklich eingeräumt. Weil nach den oben wiedergegebenen Maßstäben bei der Auslegung u.a. die Begleitumstände in den Blick zu nehmen sind, kann dies entgegen der Auffassung der Beklagten auch nicht unberücksichtigt bleiben. Des Weiteren deutet auch die Anl. 1 zur Vergleichsvereinbarung auf einen auf Zytostatika und andere patientenindividuelle Lösungen beschränkten Anwendungsbereich hin, denn danach fließen in die Berechnung von Teilbeträgen des nach § 3 geschuldeten Pauschalbetrages bzw. ergänzend geschuldeter Beträge allein Umsätze mit bestimmten Pharmazentralnummern ein, die sämtlich Zytostatika-Zubereitungen sowie parenterale und in einem Fall virustatikahaltige Lösungen betreffen, in keinem Fall aber Fertigarzneimittel.
Demgegenüber ist der Beklagten zwar zuzugeben, dass §§ 1 Abs. 1 S. 1 und 5 Abs. 1 S. 1 der Vergleichsvereinbarung, die den Anwendungsbereich sowie den Umfang der Erledigungswirkung regeln, entsprechende Einschränkungen nicht (erneut) ausdrücklich vorsehen. Eine sachgerechte Vertragsauslegung hat indes den gesamten Wortlaut der getroffenen Vereinbarung in den Blick zu nehmen; eine einzelne Regelung steht im Zweifel im Zusammenhang mit anderen und erfährt von hier aus ihre Zielsetzung (vgl. BVerwG, Urteil vom 19.01.1990 – 4 C 21/89 –, juris Rn. 38). Danach kann vor dem gerade genannten Hintergrund allein aus dem Fehlen einer solchen ausdrücklichen Beschränkung jedenfalls nicht ohne Weiteres der Schluss gezogen werden, dass der Anwendungsbereich und damit auch die Erledigungswirkung der Vergleichsvereinbarung über die Erstattung auf Zytostatika gezahlter Umsatzsteuer hinausgehen sollten. Vielmehr sind an die Auslegung einer Willenserklärung, die zum Verlust einer Rechtsposition führt, strenge Anforderungen zu stellen sind; hier ist in der Regel eine insoweit eindeutige Willenserklärung erforderlich, weil ein Rechtsverzicht niemals zu vermuten ist (vgl. BGH, Urteil vom 15.10.2014 – XII ZR 111/12 –, Rn. 51 m.w.N.). Irgendwelche weiteren Anhaltspunkte für die von der Beklagten vertretene weite Auslegung lassen sich dem Text der Vergleichsvereinbarung einschließlich ihres Rubrums und ihrer Präambel aber nicht entnehmen.
c) Die Einbeziehung auch der Fälle der Abgabe von Fertigarzneimitteln in den Anwendungsbereich der Vergleichsvereinbarung stünde vielmehr auch mit den Interessen der Vertragsparteien nicht in Einklang. Namentlich ist nicht erkennbar, inwieweit es im Interesse auch der Klägerin liegen sollte, wenn mit der Zahlung des Pauschalbetrages nach § 3 der Vergleichsvereinbarung zwar einerseits nicht nur die Zytostatika-Fälle, sondern auch die der Abgabe von Fertigarzneimitteln abgegolten würden, dieser Pauschalbetrag aber allein aufgrund von Umsätzen mit Pharmazentralnummern errechnet wird, die mit Fertigarzneimitteln in keinem ersichtlichen Zusammenhang stehen. Denn wie bereits erwähnt beschränken sich die insoweit in der Anl. 1 aufgeführten Pharmazentralnummern auf Zytostatika-Zubereitungen sowie parenterale und virustatikahaltige Lösungen.
d) Belastbare Anhaltspunkte für einen hiervon abweichenden wirklichen Willen der Vertragsparteien, wonach mit der Vergleichsvereinbarung auch Erstattungsansprüche betreffend auf Fertigarzneimittel gezahlte Umsatzsteuer abgegolten werden sollten, hat auch die erneute Vernehmung der Zeugen H. und O. sowie der Zeugin P. nicht ergeben, die an den Verhandlungen über den Mustervergleich, auf dem die vorliegend interessierende Vergleichsvereinbarung beruht, aufseiten des Krankenhauszweckverbands bzw. des Verbandes der Ersatzkassen und der Klägerin beteiligt waren. Dabei vermag der Senat insbesondere nach den Aussagen des Zeugen H. (dazu aa) wie auch der Zeugin P. (dazu cc) nicht auszuschließen, dass einer oder sogar beiden Seiten bewusst war, dass sich in anderen Fällen als denen betreffend Zytostatika und patientenindividuelle Zubereitungen ebenfalls Fragen nach der Erstattung gezahlter Umsatzsteuer würden stellen können. Dass die Vertragsparteien noch weitere Fallgestaltungen als diejenigen betreffend Zytostatika und patientenindividuelle Zubereitungen übereinstimmend zum Gegenstand des Vergleichs hätten machen wollen, lässt sich indes nicht feststellen.
Durchgreifende Bedenken gegen die Glaubwürdigkeit der Zeugen bzw. der Zeugin wie auch die Glaubhaftigkeit ihrer jeweiligen Aussagen sind für den Senat nicht erkennbar geworden.
aa) Die Zeugenvernehmungen durch den Senat haben vielmehr ergeben, dass die Umsatzsteuererstattung mit Blick auf Fertigarzneimittel jedenfalls ausdrücklich zu keinem Zeitpunkt Gegenstand der Vergleichsgespräche war. Der Zeuge H. hat zwar ausgesagt, „selbstverständlich“ sei die Vollerledigung Gegenstand der Gespräche gewesen sei, diese Einlassung auf Nachfrage des Senats, ob hierüber ausdrücklich gesprochen worden sei, aber dahingehend relativiert, dass aus seiner Sicht „das zumindest konkludent eindeutig der Fall [gewesen sei].“ Es sei für alle Beteiligten präsent gewesen, dass auch hinsichtlich der Fertigarzneimittel ein Regelungsbedarf bestanden habe. Der Senat hat dabei keinen Anlass, an der Einlassung des Zeugen H. zu zweifeln, dass ihm auch die Problematik der Umsatzsteuererstattung wegen Fertigarzneimitteln präsent gewesen sei. Dass eine der Vertragsparteien die Umsatzsteuererstattung wegen Fertigarzneimitteln ausdrücklich thematisiert hätte, ergibt sich aber auch aus Zeugenaussage Hs nicht. Irgendwelche tatsächlichen Anhaltspunkte für seine Annahme, der Regelungsbedarf hinsichtlich der Fertigarzneimittel sei allen Beteiligten – und damit auch der Kassenseite – präsent gewesen, hat im Übrigen auch der Zeuge selbst nicht mitgeteilt. Ob einer Vertragspartei eine bestimmte Problematik bekannt ist und ob sie diese zum Gegenstand von Vertragsverhandlungen macht, sind ohnehin unterschiedliche Fragen (vgl. dazu auch sogleich cc).
bb) Dass die Umsatzsteuererstattung wegen Fertigarzneimitteln nicht Gegenstand der Vergleichsverhandlungen war, ergibt sich auch den Einlassungen des Zeugen O., der ausdrücklich ausgesagt hat, dass über Fertigarzneimittel zu keinem Zeitpunkt gesprochen worden sei („Nicht explizit. Gar nicht.“). Dessen sei er sich ganz sicher, weil er insoweit auch nicht mandatiert gewesen sei. Auch in den nachgelagerten krankenhausindividuellen Verhandlungen sei zu keinem Zeitpunkt über Fertigarzneimittel geredet worden. Anlass zu durchgreifenden Zweifeln an der Aussage des Zeugen O. ergibt sich für den Senat auch nicht daraus, dass dieser sich in seiner Vernehmung durch das Sozialgericht noch lediglich nicht daran erinnern konnte, ob über Fertigarzneimittel gesprochen worden sei, dies in seiner Vernehmung durch den Senat aber dann ausdrücklich ausgeschlossen hat. Auch auf Vorhalt des Sitzungsprotokolls des Sozialgerichts hat der Zeuge weiterhin ausgeschlossen, dass im Rahmen der Verhandlungen über Fertigarzneimittel gesprochen worden sei. Dass diese Veränderung in der Aussage zielgerichtet erfolgte, um etwa den Ausgang des Verfahrens zu beeinflussen, vermag der Senat nicht zu erkennen. Dies gilt auch deshalb, weil es für das Beweisergebnis seiner Zeugenaussage für sich genommen keinen nennenswerten Unterschied macht, ob er nur nicht bestätigen kann, ob über Fertigarzneimittel gesprochen wurde, oder dies ausdrücklich ausschließt. Vor allem aber erscheint dem Senat die weitere Erläuterung des Zeugen, dass er sich deshalb erinnern könne, weil er allein für Verhandlungen wegen der Umsatzsteuer auf Zytostatika mandatiert gewesen sei, glaubhaft, zumal er diesen Umstand in der Sache auch bereits vor dem Sozialgericht erwähnt hatte.
cc) Die Zeugin P. hat demgegenüber zwar ausgesagt, an einer Stelle sei während der Verhandlungen von Fertigarzneimitteln die Rede gewesen. Denn die Klägerin habe seinerzeit u.a. auch wegen der Umsatzsteuer auf Fertigarzneimittel aus den Jahren 2010 und 2011 Klagen erhoben gehabt. Diese Klagen habe ein Krankenhausvertreter – wer genau, wisse sie nicht mehr – angesprochen, als der Vergleich „eigentlich schon ausgehandelt gewesen“ sei. Um eine vergleichsweise Lösung nicht zu gefährden, habe die Klägerin diese Klagen dann zurückgenommen. Im Übrigen wurde aber auch nach den Einlassungen der Zeugin P. lediglich über Zytostatika verhandelt.
Insbesondere ist es für den Senat auch nicht widersprüchlich, wenn die Zeugin P. ausgeführt hat, dass die Umsatzsteuererstattung wegen Fertigarzneimitteln mit Blick auf die hierzu erhobenen Klagen zwar angesprochen worden sei, aber dennoch nicht Gegenstand der Vergleichsverhandlungen gewesen sei. Die Zeugin selbst hat hierzu auf Nachfrage angegeben, dass sie hierzu zu keiner Zeit ein „Störgefühl“ entwickelt habe. Wie bereits erwähnt, lässt der Umstand, dass eine Problematik anlässlich von Vergleichsverhandlungen zur Sprache kommt, jedenfalls nicht ohne Weiteres den Schluss zu, dass diese auch Gegenstand des Vergleichs werden soll. Die Aussage der Zeugin, dass es der Klägerin mit der Rücknahme der seinerzeit bereits anhängigen Klagen darum ging, den Abschluss des Vergleichs nicht zu gefährden, ist danach jedenfalls nicht unglaubhaft.
e) Dass es den Vertragsparteien um eine "Vollerledigung" unter Einschluss auch der auf Fertigarzneimittel gezahlten Umsatzsteuer gegangen wäre, wie die Beklagte behauptet, ergibt sich auch nicht aus dem Gang der Vergleichsverhandlungen, wie er sich nach den Einlassungen der Zeugen sowie den von den Beteiligten hierzu vorgelegten Unterlagen darstellt. So sprechen vielmehr die zwischen den Vertragsparteien vereinbarten „Eckpunkte“ (vorgelegt von der Klägerin im Klageverfahren als Anlage K9) dafür, dass der Anwendungsbereich des Vergleichs lediglich die sog. Zytostatika-Fälle umfassen sollte:
„Einbezogen in die Bemessungsgrundlage werden nur solche Abgaben, die gemäß des Schreibens des BMF vom 28.09.2016, N01, als umsatzsteuerfrei zu behandeln sind, jedoch gegenüber den vdek-Kassen zzgl. Umsatzsteuer abgerechnet worden waren“ (vgl. ebenso die E-Mail des damaligen C. des Krankenhauszweckverbandes Rheinland, S., an u.a. den Zeugen O. und die Zeugin P. vom 05.05.2017).
Das genannte BMF-Schreiben betraf aber – entsprechend dem Gegenstand des darin behandelten Urteils des Bundesfinanzhofs vom 24.09.2014 (a.a.O.) lediglich die Umsatzsteuer auf patientenindividuelle Zubereitungen.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Zustandekommen der letztlich vereinbarten Vergleichsquote von 4,5 % der erfassten Netto-Umsätze aus den oben genannten PZN. Der Zeuge H. hat hierzu mitgeteilt, dass nach internen Erhebungen der Krankenhäuser der Erstattungsbetrag etwa 3,5 % der Nettoumsätze hätte betragen müssen. Mit der Erhöhung des Prozentsatzes auf 4,5 % hätten die Krankenhäuser sich „erkauft“, dass sie einen weiten Anwendungsbereich des Vergleichs hätten durchsetzen können. Vielmehr lässt sich den aktenkundigen Unterlagen entnehmen lassen, dass die Kassenseite zunächst sogar eine Erstattungsquote von 6 % gefordert hatte (vgl. etwa die E-Mail der Klägerin vom 21.04.2017), was der Zeuge O. und die Zeugin P. in ihren Vernehmungen durch den Senat bzw. das Sozialgericht bestätigt haben. Ausgehend hiervon ist für den Senat nicht erkennbar, dass die letztendlich vereinbarte Quote von 4,5 % mehr wäre als ein im Verhandlungsweg gefundener Kompromiss zwischen den gegensätzlichen Vorstellungen der Vertragsparteien, was insbesondere den Schilderungen des Zeugen O. entspricht. Die Einlassung des Zeugen H. überzeugt den Senat dagegen nicht. Vielmehr hätte zur Überzeugung des Senats dann, wenn die Vertragsparteien im Gegenzug für die Festlegung der Erstattungsquote auf 4,5 % den Anwendungsbereich des Vergleichs über den ursprünglichen Anlass – also die Fälle von Zytostatika und sonstigen patientenindividuellen Zubereitungen – hinaus hätten ausdehnen wollen, dies Niederschlag im Wortlaut gefunden hätte. Denn selbst nach der Aussage des Zeugen H. (vgl. dessen Einlassung vor dem Sozialgericht: „Es gab zunächst seitens des vdek eine enge Auslegung des Vergleichs, die ist dann in einem anderen Entwurf abgeändert worden“; ähnlich auch seine Angaben vor dem Senat: „Die Chronologie der Vergleichsverhandlungen […] ergibt einen Wechsel von einer sogenannten engen auf eine weite Lösung.“), handelte es sich hierbei nicht um eine Nebensächlichkeit, sondern um eine Veränderung des Verhandlungsgegenstandes in einem zentralen Punkt.
Keine ausschlaggebende Bedeutung misst der Senat zwar dem Umstand bei, dass die zwischen den Vertragsparteien ausgetauschte Entwurfsfassung des Vergleichs den Dateinamen „Zyto-Vergleich“ trug. Hierauf kommt es nach allem aber auch nicht mehr an.
3. Der Erstattungsanspruch ist auch durchsetzbar. Er ist weder verjährt (dazu a) noch steht ihm § 325 SGB V a.F. entgegen (dazu b).
a) Ansprüche wie der streitgegenständliche unterliegen der vierjährigen sozialrechtlichen Verjährungsfrist, die entsprechend § 45 Abs. 1 SGB I mit Ablauf des Kalenderjahrs beginnt, in dem der Anspruch entstanden ist (vgl. BSG, Urteil vom 09.04.2019, a.a.O. Rn. 37). Keine Anwendung findet die Verjährungsregelung des § 109 Abs. 5 SGB V (i.d.F. des PpSG), denn diese greift nicht für Ansprüche, die auf Verträgen nach § 129a SGB V beruhen, weil Verträge gemäß § 129a SGB V nicht Bestandteil des Versorgungsvertrags nach § 109 SGB V sind (BSG, a.a.O. Rn. 38).
Nach diesen Maßstäben begann die vierjährige Verjährung vorliegend – frühestens – mit Beginn des Jahres 2016 und endete folglich erst mit Ablauf des Jahres 2019. Die Klageerhebung am 20.12.2019 wahrte damit die Verjährungsfrist. Denn maßgeblich für die Entstehung des Anspruchs ist insoweit frühestens das BMF-Schreiben vom 14.01.2015, mit dem das Bundesministerium der Finanzen in Reaktion auf die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs den Anwendungserlass zu § 67 AO neu einführte. Zwar ist i.R.d. § 45 Abs. 1 SGB I allein die Entstehung des Anspruchs maßgeblich und kommt es – anders als im bürgerlichen Recht (vgl. § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB) – auf die Kenntnis des Gläubigers von den anspruchsbegründenden Umständen nicht an (vgl. BSG, Urteil vom 08.12.2005 – B 13 RJ 41/04 R –, juris Rn. 22). Wenn es – wie ausgeführt – für die steuerrechtliche Beurteilung aber auf die Rechtsauffassung der Steuerverwaltung ankommt, kann auch für die Entstehung des Anspruchs nur auf diese und nicht darauf abgestellt werden, wann die Klägerin die Umsatzsteuer ex-post betrachtet zu Unrecht abgeführt hat (vgl. dazu auch BSG, Urteil vom 09.04.2019, a.a.O. Rn. 16; vgl. zum Ganzen auch BSG, Beschluss vom 10.11.2021, a.a.O. Rn. 18 ff. m.w.N.). Nach allem kann es auch nicht auf das erste Zytostatika-Urteil des Bundesfinanzhofs vom 31.07.2013 (a.a.O.) ankommen. Unabhängig davon, ob dies bereits daraus folgt, dass dieses die Körperschaftssteuer und vor allem nicht Fertigarzneimittel, sondern Zytostatika betraf, kann aus einer Entscheidung des Bundesfinanzhofs jedenfalls nicht ohne Weiteres auf eine – ggf. geläuterte – Rechtsauffassung der Steuerverwaltung geschlossen werden (zur Praxis der sog. Nichtanwendungserlasse etwa Spindler, DStR 2007, 1061; H. F. Lange, NJW 2002, 3657 ff.).
b) Die Geltendmachung des Klageanspruchs ist auch nicht gemäß § 325 SGB V a.F. (insoweit i.d.F. des Pflegepersonal-Stärkungsgesetzes <PpSG> vom 11.12.2018, BGBl. I 2394; seit 09.06.2021 wortgleich § 409 SGB V i.d.F. des Digitale-Versorgung- und-Pflege-Modernisierungs-Gesetzes vom 03.06.2021, BGBl. I 1309, bzw. ab 20.10.2020 zwischenzeitlich § 412 SGB V i.d.F. des Patientendaten-Schutz-Gesetz vom 14.10.2020, BGBl. I 2115) ausgeschlossen, wonach die Geltendmachung von Ansprüchen der Krankenkassen auf Rückzahlung von geleisteten Vergütungen ausgeschlossen ist, soweit diese vor dem 01.01.2017 entstanden sind und bis zum 09.11.2018 nicht gerichtlich geltend gemacht wurden (zur Verfassungsmäßigkeit der Vorschrift: Urteil des Senats vom 18.01.2023 – L 10 KR 173/22 KH –, juris Rn. 46 ff.). Dabei kann dahinstehen, ob Vergütungen i.S.d. § 325 SGB V a.F. von vorneherein nur solche Zahlungen sind, bei denen der Leistungszweck in der Vergütung von allgemeinen Krankenhausleistungen besteht (BSG, Urteil vom 12.12.2023 – B 1 KR 32/22 R –, Rn. 28), wohingegen es vorliegend um die Erstattung "nur" der auf eine Vergütung gezahlten Umsatzsteuer geht, die entsprechend der zwischen den Beteiligten getroffenen Nettopreisabrede aber nicht Bestandteil des eigentlichen Preises ist. Denn jedenfalls ist § 325 SGB V a.F. eng auszulegen (BSG, a.a.O. Rn. 31). Ausgehend hiervon stimmt der Senat mit dem Sozialgericht darin überein, dass § 325 SGB V a.F. im Zusammenhang mit der zeitlich und ebenfalls durch das PpSG eingeführten neuen zweijährigen Verjährungsfrist in Krankenhausabrechnungsstreitigkeiten nach § 109 Abs. 5 SGB V zu sehen ist. Dies ergibt sich bereits aus der amtlichen Überschrift des § 325 SGB V a.F. („Übergangsregelung zur Neuregelung der Verjährungsfrist für die Ansprüche von Krankenhäusern und Krankenkassen“) wie auch aus den Gesetzesmaterialien (BT-Drs. 19/5593, 124 < zu Art. 7 Nr. 20>; dazu auch Senatsurteil vom 18.01.2023, a.a.O. Rn. 66 ff.). Der Anwendungsbereich des § 325 SGB V a.F. kann danach nicht weitergehen als der des § 109 Abs. 5 SGB V, der vorliegend aber nicht eröffnet ist (dazu bereits oben a).
4. Der Zinsanspruch folgt aus §§ 291, 288 Abs. 1 ZPO (vgl. BSG, Urteil vom 09.04.2019, a.a.O. Rn. 39). Insbesondere ist der Beklagten darin nicht zu folgen, als Zinsen frühestens ab Änderung des Umsatzsteuer-Anwendungserlasses im Jahr 2022 hätten anfallen können. Vielmehr war der Klageanspruch jedenfalls im Zeitpunkt der Klageerhebung entstanden (vgl. dazu bereits oben 3a) und damit auch fällig (§ 69 Abs. 1 S. 3 SGB V i.V.m. § 271 Abs. 1 BGB). Der Anspruch auf Prozesszinsen ist auch nicht für die Zeit ab Inkrafttreten der AMPV 2017 zum 01.04.2017 ausgeschlossen. Zwar schließt die AMPV 2017 die Zahlung von Zinsen auf Nachzahlungs- bzw. Erstattungsansprüche wegen unrichtiger umsatzsteuerlicher Behandlung aus
– vgl. Ziff. 13.2: „Sollte sich nachträglich herausstellen, dass ein als umsatzsteuerpflichtig behandelter Umsatz ganz oder teilweise umsatzsteuerfrei ist [,] steht der im Saldo begünstigten Gegenseite ein Anspruch auf den Ausgleich der Differenz zwischen dem Preis gemäß des Berechnungssystems nach 13.1 Satz 1 (volle Umsatzsteuer) bzw. Satz 3 (ermäßigte Umsatzsteuer) abzüglich des Preises gemäß des Berechnungssystems nach 13.1 Satz 2 (ohne Umsatzsteuer) zu. Ein daraus resultierender positiver Saldo steht der Krankenkasse zu; ein daraus resultierender negativer Saldo dem Krankenhaus. Die Ansprüche bestehen jeweils ohne Zinsen. […]“;
sowie Ziff. 13.3: „Sollte sich nachträglich herausstellen, dass anstelle des Regel-Umsatzsteuersatzes der ermäßigte Umsatzsteuersatz anwendbar ist, haben die Krankenkassen je Zubereitung einen Erstattungsanspruch in Höhe des Differenzbetrages – ohne Zinsen. Entsprechendes gilt im umgekehrten Fall zugunsten des Krankenhauses. […]“ –,
diese Regelung ergreift aber Ansprüche auf Prozesszinsen nicht. Zwar vermag der Senat der Regelung keine Anhaltspunkte für das Vorbringen der Klägerin in der mündlichen Verhandlung zu entnehmen, wonach diese nur die Zinsen erfassen solle, die das Finanzamt ggf. auf die Rückerstattung zu Unrecht abgeführter Umsatzsteuer zahle. Hiergegen spricht schon, dass die Regelung nicht nur die Erstattung überzahlter Umsatzsteuer, sondern umgekehrt auch Ansprüche des Krankenhauses gegen die Krankenkasse auf Nachzahlung zu wenig gezahlter Umsatzsteuer. Ebenso wenig vermag der Senat der Regelung jedoch zu entnehmen, dass diese auch einen Anspruch auf Prozesszinsen ausschließen solle. Nach dem Regelungszusammenhang und vor dem Hintergrund der bereits erwähnten Auslegungsmaxime, wonach an einen Rechtsverzicht strenge Anforderungen zu stellen sind (nochmals: BGH, Urteil vom 15.10.2014, a.a.O. Rn. 51), versteht der Senat die Regelung vielmehr so, dass lediglich die zwischen dem Zeitpunkt der umsatzsteuerlichen Falschbehandlung und der Aufdeckung dieses Fehlers ggf. aufgelaufenen Zinsansprüche abgegolten werden sollen. Der Anwendungsbereich der Regelung erstreckt sich danach auf den Zeitraum, in dem die Vertragsparteien wegen der umsatzsteuerlichen Behandlung gleichsam gutgläubig waren (zum Sinn und Zweck von Prozesszinsen, dem Gläubiger eine Entschädigung für die Vorenthaltung von Kapital zu gewähren, vgl. dagegen Ernst in MünchKomm-BGB, Bd. 2, 9. Aufl. 2022, § 291 Rn. 1 m.w.N.).
6. Kostenentscheidung und Streitwertfestsetzung beruhen aus § 197 Abs. 1 S. 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 2 VwGO bzw. §§ 63 Abs. 2 S. 1, 52 Abs. 3 S. 1, 47 Abs. 2 S. 1 GKG. Maßgeblich für den Streitwert ist dabei allein die von der Klägerin geltend gemachte Klageforderung; die Klageforderungen der ursprünglichen Berufungsklägerinnen zu 2 bis 6, deren Verfahren der Senat mit Einverständnis aller Beteiligten abgetrennt hat, bleiben außen vor (vgl. Schindler in BeckOK KostR <Stand: 01.02.2025>, § 39 GKG Rn. 24; weiter auch den Streitwertkatalog für die Sozialgerichtsbarkeit, 5. Aufl. 2017, Abschn. A.III.1.1).
7. Anlass, die Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG zuzulassen, besteht nicht.