Es wird festgestellt, dass das Sozialgericht Düsseldorf über die am 08.07.2019 erhobene Klage nicht wirksam entschieden hat.
Das Sozialgericht Düsseldorf entscheidet auch über die Kosten des Berufungsverfahrens.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 6.114,45 Euro festgesetzt.
Tatbestand
Die Beteiligten, die in der Sache über die Rechtmäßigkeit eines Beitragsbescheides zur Sozialversicherung streiten, den die Beklagte im Rahmen eines Betriebsprüfungsverfahrens nach § 28p Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV) erlassen hat, begehren die Feststellung, dass kein wirksames erstinstanzliches Urteil vorliegt.
Die Beigeladene zu 1) führte in dem vom Kläger betriebenen Architekturbüro in der Zeit vom 01.01.2014 bis 31.12.2017 jeweils sieben Stunden wöchentlich Reinigungsarbeiten durch. Im Rahmen einer Betriebsprüfung setzte die Beklagte mit Bescheid vom 11.12.2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04.06.2019 für den Zeitraum von Januar 2014 bis Dezember 2017 eine Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen in Höhe von 6.114,54 Euro fest.
Im hiergegen gerichteten Klageverfahren (S 49 BA 118/19, Klage vom 08.07.2019) haben die Beteiligten einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung zugestimmt. Am 15.01.2021 hat die Kammer des SG als Ergebnis einer Beratung niedergelegt, dass die Klage abgewiesen werde.
Im Anschluss hat die Kammervorsitzende folgendes Schriftstück verfasst:
„S 49 BA 118/19
Im Namen des Volkes
Urteil
(Bitte volles Rubrum einfügen)
hat die 49. Kammer des Sozialgerichts Düsseldorf durch die Richterin am Sozialgericht H. als Vorsitzende sowie die ehrenamtlichen Richter E. und Q. ohne mündliche Verhandlung am 15.01.2021 für Recht erkannt:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger zu tragen.“
Dem Tatbestand und den Entscheidungsgründen anschließend, findet sich – mit Unterschrift der Kammervorsitzenden – folgender weiterer Text:
„RMB: Berufung
H.
Richterin am Sozialgericht“
Nach Eingang dieses Schriftstückes auf der Geschäftsstelle des SG am 15.01.2021 ist durch die dortige Mitarbeiterin ein Dokument gefertigt worden, in dem sie am Anfang den Textteil „Bitte volles Rubrum einfügen“ gelöscht und anstelle dessen das Landeswappen sowie ein vollständiges Rubrum eingefügt hat. Ebenfalls ist von ihr am Ende der Text „RMB: Berufung" entfernt und durch den in der nordrhein-westfälischen Sozialgerichtsbarkeit zur Verfügung stehenden Standardtext der Rechtsmittelbelehrung für eine Berufung im Inland ersetzt worden. Eingefügt worden ist zudem statt des Tenors „Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger zu tragen“ der Text „Die Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin zu tragen“ und statt des vorgelegten Tatbestandes und der Entscheidungsgründe der Tatbestand und die Entscheidungsgründe eines anderen Streitverfahrens. Von diesem so gefassten neuen – nicht (mehr) von der Kammervorsitzenden unterschriebenen Schriftstück – hat die Geschäftsstelle beglaubigte Abschriften erstellt und den Beteiligten zugestellt, dem Kläger am 21.01.2021.
Mit Verfügung vom 24.01.2021 hat das SG die Geschäftsstelle angewiesen, die Ausfertigungen mit dem Hinweis von den Beteiligten zurückzufordern, dass versehentlich Tatbestand und Entscheidungsgründe eines anderen Verfahrens eingepflegt worden seien. Ebenfalls solle das Urteil nochmals mit richtigem Tatbestand und richtigen Entscheidungsgründen („abgespeichert unter Eingang S 49 BA 118/19“) versendet werden. Die Mitarbeiterin der Geschäftsstelle hat ein entsprechendes neues Dokument erstellt und von diesem – ebenfalls nicht von der Kammervorsitzenden unterschriebenen – Schriftstück Abschriften an die Beteiligten übersandt.
Auf den Antrag des Klägers vom 02.02.2021, das zuerst zugegangene „Urteil“ gem. §§ 138, 139 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hinsichtlich der Parteibezeichnung in der Kostengrundentscheidung, des Tatbestandes und der Entscheidungsgründe sowie das „zweite Urteil“ in einem Punkt des Tatbestandes zu korrigieren, hat das SG auch die Abschriften des zuletzt zugestellten „Urteils“ zurückgefordert. Sodann hat die Kammervorsitzende in einem mit der Bezeichnung „Beschluss“ versehenen und unterschriebenen Schriftstück (wiederum ohne Rubrum und ohne vollständige Rechtsmittelbelehrung) niedergelegt, dass das „Urteil vom 15.01.2021“ im Tatbestand wie beantragt berichtigt und der Antrag im Übrigen zurückgewiesen werde. Eine Abschrift des entsprechend von der Mitarbeiterin der Geschäftsstelle vervollständigend verfassten, nicht von der Kammervorsitzenden unterschriebene Dokuments ist dem Kläger mitsamt einer mit dem Berichtigungsvermerk verbundenen Abschrift des Urteils am 22.04.2021 zugegangen.
Der Kläger hat am 01.03.2021 Berufung zunächst mit dem Antrag eingelegt, das Urteil des SG vom 15.01.2021 zu ändern und die streitgegenständlichen Bescheide aufzuheben. Die Beklagte hat beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Die Beteiligten sind in einem Erörterungstermin am 06.12.2023 darauf hingewiesen worden, dass kein wirksames Urteil des SG vorliege und das Verfahren an das SG zurückzugeben sei. Ergänzend ist der Kläger – wiederholend im Verhandlungstermin – aus prozessökonomischen Erwägungen auf die fehlenden Erfolgsaussichten der Klage hingewiesen worden.
Der Kläger und die Beklagte beantragen übereinstimmend (sinngemäß),
festzustellen, dass das Sozialgericht Düsseldorf über die am 08.07.2019 erhobene Klage nicht wirksam entschieden hat.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen. Dieser ist Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe
Nach der Umstellung des Antrags durch den Kläger und die Beklagte ist im Berufungsverfahren allein über die Frage zu befinden, ob eine wirksame Entscheidung des SG vorliegt.
Der (hierauf gerichtete) gemeinsame Berufungsantrag der Beteiligten ist zulässig (dazu I.) und begründet (dazu II.).
I. Die Berufung ist zulässig.
Zur Beseitigung des erzeugten Scheins ist (auch) gegen eine unwirksame bzw. nicht existente Entscheidung das Rechtsmittel zulässig, das auch ansonsten statthaft wäre (vgl. z.B. BVerfG Beschl. v. 17.01.1985 – 2 BvR 498/84 – juris Rn. 4; BSG Urt. v. 17.09.2020 – B 4 AS 13/20 R – juris Rn. 18; Beschl. v. 17.12.2015 – B 2 U 150/15 B – juris Rn. 12; BGH Beschl. v. 13.06.2012 – XII ZB 592/11 – juris Rn. 18; Senatsbeschl. v. 30.08.2021 – L 8 BA 79/21 B ER – juris Rn. 7; LSG NRW Urt. v. 07.08.2024 – L 3 R 789/23 – juris Rn. 29, 36; Beschl. v. 27.09.2023 – L 6 AS 485/23 B – juris Rn. 9). Entsprechend können sich die Beteiligten hier mit der Berufung gegen den Schein eines Urteils, der vorliegend durch die ihnen zugestellte „beglaubigte Abschrift“ eines die Überschrift „Urteil“ tragenden Schriftstücks gesetzt und unterhalten wird, wenden (vgl. ebenso LSG NRW Urt. v. 26.04.2024 – L 14 R 1046/22 – juris Rn. 46).
Der Antrag der Beteiligten ist auch im Übrigen zulässig. Verfolgen diese – wie im vorliegenden Verfahren – kein materielles Begehren (mehr), sondern richtet sich der Antrag (nur noch) auf die Feststellung eines bestimmten prozessualen Zustandes, handelt es sich um einen prozessualen Antrag sui generis. Für einen derartigen Antrag müssen weder die Voraussetzungen einer Klageänderung (§§ 99, 153 Abs. 1 SGG) noch diejenigen einer Feststellungsklage (§ 55 SGG) erfüllt sein (vgl. BSG Urt. v. 17.09.2020 – B 4 AS 13/20 R – juris Rn. 19; LSG NRW Urt. v. 31.01.2025 – L 22 BA 44/22).
II. Die Berufung ist auch begründet. Es ist festzustellen, dass keine wirksame Entscheidung des SG über die – hier am 08.07.2019 – erhobene Klage vorliegt (vgl. ebenso LSG NRW Urt. v. 14.03.2025 – L 4 R 975/21 – juris Rn. 24; Urt. v. 31.01.2025 – L 22 BA 44/22; Urt. v. 26.04.2024 – L 14 R 1046/22 – juris Rn. 37). Der in der Kammerberatung am 15.01.2021 abgefasste und von der Vorsitzenden sowie den ehrenamtlichen Richtern unterzeichnete Urteilsspruch ist nicht wirksam geworden.
Urteile und Beschlüsse, die nach mündlicher Verhandlung ergehen, sind gem. § 132 SGG zu verkünden und werden hierdurch wirksam. Der Urteilsspruch vom 15.01.2021 ist nicht in einer mündlichen Verhandlung verkündet worden. Bei allen übrigen Entscheidungen – und damit auch bei der hier ohne mündliche Verhandlung abgefassten Entscheidung der 49. Kammer des SG – tritt Wirksamkeit gem. § 133 SGG durch Zustellung ein und wird das Urteil erst damit existent (vgl. z.B. BSG Urt. v. 03.03.1994 – 1 RK 6/93 – juris Rn. 7; Wolff-Dellen in: Fichte/Jüttner, SGG, 3. Aufl., § 133 SGG, Rn. 1; Bolay in: Berchtold, SGG, 6. Aufl. 2021 – Rn. 1; Harks in: beck-online-Großkommentar, Stand 01.02.2025, § 133 SGG, Rn. 8).
Die (für das Wirksamwerden erforderliche) Zustellung erfolgt in sozialgerichtlichen Verfahren gem. § 63 Abs. 2 SGG nach den Vorschriften der Zivilprozessordnung (ZPO). Gem. § 317 Abs. 1 S. 1 ZPO werden Urteile den Beteiligten regelmäßig in beglaubigter Abschrift zugestellt (§ 63 Abs. 2 SGG i.V.m. § 169 Abs. 2 ZPO; vgl. hierzu auch BT-Drs. 17/12634, S. 37). Die Zustellung, durch die die Verkündung ersetzt wird, ist die nach §§ 135, 136, 134 Abs. 1 SGG. Zuzustellen ist also, anders als bei der Verkündung, nicht lediglich der Tenor, sondern das vollständig abgefasste (gesamte) Urteil (vgl. z.B. BSG Urt. v. 03.03.1994 – 1 RK 6/93 – juris Rn. 7 m.w.N.; Wolff-Dellen in: Fichte/Jüttner, SGG, 3.Aufl., § 133 SGG, Rn. 3; Bolay in: Berchtold, SGG, 6. Aufl. 2021, Rn. 3; Harks in: beck-online-Großkommentar, Stand 01.02.2025, § 133 SGG, Rn. 7). Solange das (Original-)Urteil nicht unterschrieben ist, dürfen von ihm Abschriften nicht erteilt werden (§ 317 Abs. 2 S. 2 ZPO; vgl. auch BGH Beschl. v. 18.03.1993 – VII ZB 8/92 – juris Rn. 10, Wolff-Dellen in: Fichte/Jüttner, SGG, 3. Aufl., § 133 SGG, Rn. 3). Die beglaubigte Abschrift muss das Urteil vollständig und wortgetreu so wiedergeben, wie es gefällt ist (vgl. z.B. BSG Urt. v. 11.02.1981 – 2 RU 37/80 – juris Rn. 28; LSG NRW Urt. v. 26.04.2024 – L 14 R 1046/22 – juris Rn. 39; Urt. v. 14.03.2025 – L 4 R 975/21 – juris Rn. 26; OLG Saarbrücken Urt. v. 26.05.2023 – 1 U 44/22 – juris Rn. 26; LSG Berlin-Brandenburg Beschl. v. 29.05.2012 – L 5 AS 1056/12 B PKH – juris Rn. 2; Wolff-Dellen in: Fichte/Jüttner, SGG, 3. Aufl., § 137 SGG, Rn. 5; Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Schmidt, SGG, 14. Aufl. 2023, § 137 SGG, Rn. 2).
Ein diesen Voraussetzungen genügendes, vollständig abgefasstes (Original-)Urteil, von dem eine (wortgetreue) Abschrift hätte erteilt werden können bzw. erteilt worden ist, liegt nicht vor (hierzu unter 1.) und kann auch nicht mehr (nachträglich) durch Korrektur hergestellt werden (hierzu unter 2.).
1.) Weder stellt das von der Kammervorsitzenden am 15.01.2021 zur Geschäftsstelle gegebene Schriftstück ein vollständiges Urteil dar (hierzu unter a.) noch ist ein solches im Zuge der späteren Korrekturen verfasst worden (hierzu unter b.).
a.) Soweit die Vorsitzende der 49. Kammer am 15.01.2021 ein (erstes) mit dem Wort „Urteil“ betiteltes und von ihr unterschriebenes Schriftstück zur Geschäftsstelle gegeben hat, handelt es sich hierbei nicht um ein Urteil, sondern allein um eine richterliche Verfügung zur weiteren Bearbeitung eines Urteilsentwurfs durch die Geschäftsstelle.
Mit dem Passus „Bitte volles Rubrum einfügen“ sowie dem Hinweis „RMB: Berufung“ hat die Vorsitzende die (klare) Anweisung an die Geschäftsstelle gegeben, den übermittelten Text um die Angabe der konkreten Beteiligten des Verfahrens einschließlich Bevollmächtigter und Anschriften sowie um eine Rechtsmittelbelehrung zu ergänzen. Gleichzeitig spiegelt sich hierin ihr Bewusstsein über die Unvollständigkeit des (bisher) verfassten Textes sowie dazu, dass entsprechende Inhalte zur Abfassung eines vollständigen Urteils (gem. § 136 Abs. 1 Nr. 1, Nr. 7 SGG) erforderlich sind (vgl. LSG NRW Urt. v. 26.04.2024 – L 14 R 1046/22 – juris Rn. 41; Urt. v. 19.04.2024 – L 14 R 60/22 – juris Rn. 63). Dem korrespondierend gibt die den Beteiligten von der Geschäftsstelle zugestellte „beglaubigte Abschrift“ das von der Kammervorsitzenden unterschriebene Schriftstück (auch) nicht vollständig und wortgetreu wieder, sondern enthält – von der Geschäftsstelle vorgenommenen – Änderungen bzw. Ergänzungen. Im vorliegenden Fall gilt dies deshalb in besonderem Maß, weil die Geschäftsstelle statt des von der Kammervorsitzenden niedergelegten Textes zudem fälschlich den Kostentenor, den Tatbestand und die Entscheidungsgründe aus einem anderen Verfahren eingefügt hat.
Die Geschäftsstellenmitarbeiterin hat das richterliche Schriftstück auch als an sie gerichtete Verfügung verstanden und hierauf aufbauend – bei fehlender Bezugnahme durch die Kammervorsitzende auf z.B. konkrete Aktenteile und mangels weiterer näherer Angabe zu der gewünschten Rechtsmittelbelehrung (Berufung Inland oder Berufung Ausland) insoweit eigenständig – ein neues, ergänztes Dokument verfasst, das die (noch) fehlenden Urteilsbestandteile (und hier zudem noch fehlerhafte Ersetzungen) enthält. Dieses nunmehr – formal – vollständige Urteil ist von der Kammervorsitzenden nicht unterzeichnet worden und wird daher nicht von einer richterlichen Unterschrift gedeckt (vgl. dazu LSG Berlin-Brandenburg Beschl. v. 29.05.2012 – L 5 AS 1056/12 B PKH – juris Rn. 2; Wolff-Dellen in: Fichte/Jüttner, SGG, 3. Aufl., § 137 SGG, Rn. 6). Entsprechend handelte es sich auch hierbei (lediglich) um einen (nunmehr auch inhaltlich falschen) Urteilsentwurf, von dem eine Abschrift gem. § 317 Abs. 2 S. 2 ZPO nicht erstellt werden durfte. Diese Abschrift ist im Folgenden auch von den Beteiligten zurückgefordert worden.
b.) Auch im Zuge der folgenden durch die Kammervorsitzende veranlassten Korrekturen ist ein vollständig abgefasstes Urteil nicht zur Akte gelangt.
Mit ihrer Verfügung vom 24.01.2021 hat die Vorsitzende erneut (lediglich) eine Weisung an die Geschäftsstelle erteilt, nunmehr ein Urteil „mit richtigem Tatbestand und Entscheidungsgründen“ an die Beteiligten zu übersenden. Das hierauf von der Geschäftsstelle verfasste Dokument ist von ihr (jedoch) nicht unterschrieben worden, so dass auch dieses im Stadium des Entwurfs verblieb. Schließlich hat die Kammervorsitzende auch anlässlich der Urteilsberichtigung, die selbst wieder mit einem noch durch die Geschäftsstelle zu ergänzenden Beschlussentwurf erfolgt ist, keine vollständige Urteilsfassung unterzeichnet.
Allein der Umstand, dass die Geschäftsstelle der 49. Kammer den Beteiligten eine „Urteilsabschrift“ übersandt hat, der diese zunächst Vertrauen entgegengebracht haben, da sie den Mangel eines unterschriebenen vollständigen Urteils bei der zweiten ihnen übersendeten „Urteilsfassung“ nicht erkennen konnten, rechtfertigt es nicht, das erstinstanzliche Urteil als rechtswirksam zu betrachten. Mit der Aufgabe der Rechtsprechung, die den Richtern anvertraut ist, wäre es nicht vereinbar, wenn durch die Geschäftsstelle eine Abschrift bereits von einem Urteilsentwurf gefertigt wird und dieses Schriftstück dann bei nachfolgender Zustellung die Rechtswirksamkeit eines Urteils erlangte (vgl. BVerwG Urt. v. 03.12.1992 – 5 C 9/89 – juris Rn. 9). Die Notwendigkeit einer durch die Unterschrift der Richterin / des Richters unter dem (vollständigen) „Enddokument“ erfolgenden „Freigabe“ wird im vorliegenden Fall, der von erheblichen Fehlern der Geschäftsstelle bei der Umsetzung der Weisungen im Urteilsentwurf geprägt ist, in besonderem Maß deutlich.
Dahingestellt bleiben kann vor dem Hintergrund eines hier lediglich vorliegenden Urteilsentwurfs die Frage, inwieweit der Wirksamkeit eines Urteils ein Verstoß gegen den notwendigen Inhalt nach § 136 Abs. 1 Nr. 1, 7 SGG entgegensteht (vgl. zu den Folgen eines fehlenden Rubrums z.B. LSG NRW Urt. v. 14.03.2025 – L 4 R 975/21 – juris Rn. 27; OLG Saarbrücken Urt. v. 26.05.2023 – 1 U 44/22 – juris Rn. 25 f. m.w.N.; OLG Düsseldorf Beschl. v. 04.04.2019 – II-3 UF 4/19 – juris Rn. 2; OLG Köln Beschl. v. 23.06.2020 – II-10 UF 60/20 – juris Rn. 3; vgl. zur evtl. Bestimmbarkeit des Rubrums durch Bezugnahme auf konkrete Aktenteile z.B. BGH Urt. v. 09.01.2003 – IX ZR 175/02 – juris Rn. 16 ff.; vgl. zum Fehlen der Rechtsmittelbelehrung z.B. LSG NRW Urt. v. 20.12.2023 – L 3 R 195/22 – juris Rn. 26; Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Schmidt, SGG, 14. Aufl. 2023, § 136 Rn. 8).
2.) Die Unterschrift der Kammervorsitzenden des SG unter dem von der Geschäftsstelle gefertigten, formal vollständigen Urteilsentwurf kann auch nicht nachgeholt werden.
Bereits grundsätzlich ist im Falle der Entscheidung (durch Urteil) ohne mündliche Verhandlung eine Nachholung der Unterschrift nicht möglich, da nicht etwa eine mangelbehaftete Entscheidung zugestellt wird, deren Fehlerhaftigkeit z.B. gem. § 138 SGG korrigierbar wäre (vgl. z.B. BSG Beschl. v. 06.02.2018 – B 3 KR 40/17 B – juris Rn. 11), sondern schlicht noch (überhaupt) keine (zustellungsfähige) Entscheidung des Gerichts vorliegt (vgl. Senatsbeschl. v. 30.08.2021 – L 8 BA 79/21 B ER – juris Rn. 10 f.; LSG NRW Beschl. v. 08.06.2016 – L 6 AS 842/16 B ER – juris Rn. 10; LSG Berlin-Brandenburg Beschl. v. 11.11.2010 – L 25 AS 1969/10 B – juris Rn. 5).
Im Übrigen ist nach Ablauf von – hier weit mehr als – fünf Monaten seit Erlass eines Urteils eine Heilung durch Nachholung der Unterschrift auch ohnehin nicht mehr zulässig (vgl. z.B. BSG Urt. v. 26.11.2024 – B 9 SB 20/24 B – juris Rn. 6; Beschl. v. 17.12.2015 – B 2 U 150/15 B – juris Rn. 11; LSG NRW Urt. v. 14.03.2025 – L 4 R 975/21 – juris Rn. 30; Urt. v. 19.04.2024 - L 14 R 60/22 - juris Rn. 68; Urt. v. 07.08.2024 - L 3 R 789/23 - juris Rn. 35; Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Schmidt, SGG, 14. Aufl. 2023, § 134 Rn. 2c).
Mangels eines wirksamen instanzbeendenden Urteils ist das Klageverfahren damit weiterhin beim SG anhängig und dorthin zur Fortführung und Entscheidung zurückzugeben (vgl. BSG Beschl. v. 17.12.2015 – B 2 U 150/15 B – juris Rn. 12; BGH Beschl. v. 13.06.2012 – XII ZB 592/11 – juris Rn. 18; LSG NRW Urt. v. 26.04.2024 – L 14 R 1046/22 – juris Rn. 46 m.w.N.; Urt. v. 09.08.2023 – L 3 R 370/22 – juris Rn. 43; LSG Berlin-Brandenburg Urt. v. 22.03.2018 – L 11 VS 38/17 – juris Rn. 25).
Die Kostenentscheidung gem. § 197a Abs. 1 S. 1 SGG i.V.m. §§ 154 ff. Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) obliegt auch für das Berufungsverfahren dem SG (vgl. Senatsbeschl. v. 30.08.2021 – L 8 BA 79/21 B ER – juris Rn. 14; LSG NRW Urt. v. 09.08.2023 – L 3 R 370/22 – juris Rn. 45; Urt. v. 07.08.2024 – L 3 R 789/23 – juris Rn. 37 m.w.N.).
Gründe, gem. § 160 Abs. 2 SGG die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.