Ausschließlich durch einen ambulanten Pflegedienst erbrachte Pflegeleistungen, die der Verselbständigung im eigenen, familiär geprägten Wohn- und Lebensumfeld dienen, sind bei Zugrundelegung höchstrichterlicher Maßstäbe als Leistungen in Formen ambulanter betreuter Wohnmöglichkeiten i.S. des § 98 Abs. 5 SGB XII zu qualifizieren.
Wird die Pflege durch Angehörige geleistet und Pflegegeld gewährt, stellt dies keine Leistung in Form ambulanter betreuter Wohnmöglichkeiten dar. Das gilt auch dann, wenn parallel teilstationäre Leistungen im Rahmen der Tagespflege erbracht werden.
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Schleswig vom 23. November 2020 geändert. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger Sozialhilfeleistungen für G für den Zeitraum Juni 2016 bis einschließlich Oktober 2016 in Höhe von 7.256,15 EUR zu erstatten. Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger 9/10 und die Beklagte 1/10.
Die Revision wird zugelassen.
Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 83.629,05 EUR festgesetzt.
Tatbestand:
Im Streit steht ein Anspruch auf Kostenerstattung zweier Leistungsträger und hierbei die Frage der örtlichen Zuständigkeit.
Die Beklagte gewährte dem inzwischen am 21. Dezember 2021 verstorbenen Herrn G (im weiteren: Herr G.) bis zum 11. Juni 2016 Leistungen nach dem Vierten Kapitel Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII) sowie Hilfen zur Pflege nach dem Siebten Kapitel des SGB XII. Die Pflege wurde durch einen Pflegedienst in der Wohnung des Hilfeempfängers im Gebiet der Beklagten durchgeführt. Dabei erschöpften sich die Leistungen in einer pflegerischen Versorgung. Den Hintergrund bildete der Umstand, dass Herr G. unter den Folgen eines Schlaganfalls in der Form einer Halbseitenlähmung und einer Sprachstörung litt. Zunächst war es ihm noch möglich, die Toilettengänge und die Erwärmung bzw. Zubereitung seiner Mahlzeiten selbstständig zu übernehmen. Er erhielt lediglich bei der Reinigung der Wohnung sowie bei der Wäschepflege und dem Kochen Hilfe durch einen ambulanten Pflegedienst. Mit der Zeit verschlechterte sich sein Zustand. Zuletzt gewährte ihm die Beklagte mit Bescheid vom 3. März 2016 Pflegeleistungen für die Verrichtungen der folgenden Leistungskomplexe:
- kleine Toilette ohne Aufstehhilfe,
- große Toilette ohne Aufstehhilfe,
- Lagern/Betten,
- Darm- und Blasenentleerung, kleine Hilfe,
- Verlassen/Wiederaufsuchen der Wohnung bei Bedarf,
- Begleitung bei Aktivitäten bei Bedarf,
- Reinigung der Wohnung,
- Wechsel/Waschen der Wäsche,
- Zubereiten einer warmen Mahlzeit.
Am 11. Juni 2016 zog Herr G. zu seiner Tochter in deren Einfamilienhaus nach T im Gebiet des Klägers. Dieser bewilligte Herrn G. ab dem 21. Juni 2016 Hilfen zur Pflege in Form der Kostenübernahme der Einsätze eines Pflegedienstes, Garantiepflegegeld sowie Hilfsmittel.
Ab November 2016 erfolgte eine Umstellung von Pflegesachleistungen zu Pflegegeld. Gleichzeitig wurde Herr G. in eine Tagepflegeeinrichtung aufgenommen und dort bis September 2018 tageweise tagsüber betreut.
Mit Schreiben vom 17. Oktober 2016 meldete der Kläger bei der Beklagten gemäß § 105 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) einen Erstattungsanspruch für die an Herrn G. erbrachten Leistungen nach dem SGB XII an. Er habe die Leistungen an Herrn G. als unzuständiger Leistungsträger erbracht, weil die Voraussetzung des § 98 Abs. 5 SGB XII erfüllt seien und die Beklagte auch nach dem Umzug nach Tastrup für die Gewährung von Leistungen an Herrn G. zuständig geblieben sei.
Die Beklagte erwiderte hierauf mit Schreiben vom 8. November 2016, dass ihre örtliche Zuständigkeit nach § 98 Abs. 5 SGB XII nicht gegeben sei. Die Sonderzuständigkeit ergebe sich, wenn es um Leistungen in ambulant betreuten Wohnmöglichkeiten gehe. Hiermit seien besondere Wohnformen gemeint, die von öffentlichen oder privaten Trägern organisiert würden. Mit dieser Bestimmung solle sichergestellt werden, dass eine Kostenentlastung für die Verwaltung eintrete, in deren Bereich solche Wohnformen betrieben würden. Ferner ergebe sich aus dem Urteil des Bundessozialgerichts vom 25. August 2011 zum Az. B 8 SO 7/10 R, dass es sich bei der Betreuung nicht um eine vorwiegend medizinische oder pflegerische Betreuung handeln dürfe. Vielmehr müsse die Hauptzielsetzung der Leistung die Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft sein. Bezogen auf Herrn G. sei festzuhalten, dass sich zwar die Räumlichkeit verändert habe, nicht aber die Versorgungsform. Von einer ambulant betreuten Wohnmöglichkeit könne nicht ausgegangen werden.
Am 15. Mai 2018 hat der Kläger Klage zum Sozialgericht Schleswig erhoben. Er hat neben der Erstattung der gegenüber Herrn G. bereits erbrachten Sozialhilfeleistungen auch die Feststellung begehrt, dass die Beklagte verpflichtet sei, ihm die künftig aufzuwendenden Kosten der Sozialhilfe zu erstatten.
Er hat geltend gemacht, dass die Beklagte nach § 98 Abs. 5 SGB XII für die Leistungen nach dem Sechsten bis Achten Kapitel des SGB XII zuständig sei. Das Bundessozialgericht halte nach seinem Urteil vom 30. Juni 2016 zum Az. B 8 SO 6/15 R nicht mehr daran fest, dass die Hauptzielrichtung der Leistung die Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft sei. In Anbetracht dessen komme es nicht darauf an, dass vorliegend der Schwerpunkt in der Pflege liege. Im Übrigen habe zwar ab November 2016 keine Betreuung mehr durch den Pflegedienst stattgefunden, sondern es sei Pflegegeld geleistet worden. Der Hilfeempfänger sei jedoch von November 2016 bis September 2018 in die Tagespflege aufgenommen worden.
Der Kläger hat beantragt,
- die Beklagte zu verurteilen, ihm die gegenüber Herrn G im Zeitraum vom 21. Juni 2016 bis zum 31. Oktober 2020 erbrachten Leistungen der Sozialhilfe in Höhe von insgesamt 78.877,30 EUR zu erstatten,
- festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihm ab dem 1. November 2020 aufgewendete Kosten der Sozialhilfe für Herrn G zu erstatten.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat ihre Argumentation vertieft, dass § 98 Abs. 5 SGB XII vorliegend nicht einschlägig sei. Auch die seitens des Klägers genannte Rechtsprechung des Bundessozialgerichts ändere daran nichts. Der Entscheidung vom 30. Juni 2016 habe bereits ein abweichender Sachverhalt zugrunde gelegen. Über einen Fall, in dem ein Hilfeempfänger in einer privat angemieteten Wohnung lebte und dort lediglich Hilfe zur Pflege in Form der häuslichen Pflege erhielt, sei durch das BSG nicht entschieden worden. Bei den erforderlichen Betreuungsleistungen i.S. des § 98 Abs. 5 SGB XII müsse es sich ihrer Art nach um solche handeln, deren Hauptzielrichtung in der Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft liege und nicht vorwiegend in der rein medizinischen oder pflegerischen Betreuung. Es sei nicht nachvollziehbar, warum in den Fällen, in denen Leistungsempfänger in einer selbst angemieteten Wohnung lebten und nur durch einen ambulanten mobilen Pflegedienst versorgt würden, eine Verlagerung der örtlichen Zuständigkeit angezeigt sei. § 98 Abs. 5 SGB XII ziele als Sonderregelung zur örtlichen Zuständigkeit auf eine Kostenentlastung derjenigen örtlichen Träger der Sozialhilfe ab, in deren Gebiet Einrichtungen bzw. Anbieter ambulant betreuter Wohnformen vorhanden seien. Ähnlich der Regelung des § 98 Abs. 2 SGB XII solle hiermit ein Schutz der Träger der Sozialhilfe vor einer übermäßigen Belastung einhergehen, die sich aufgrund der von diesen Einrichtungen/Angeboten ausgehenden Sogwirkung ergeben könnte. In den Fällen der häuslichen Pflege durch einen ambulanten Pflegedienst sei nicht ersichtlich, dass von diesen Einrichtungen/Angeboten eine derartige Sogwirkung ausgehe. Anders als etwa klassische Wohnformen des betreuten Wohnens dürfte die pflegerische Versorgung durch einen mobilen Pflegedienst flächendeckend vorhanden sein. Ferner handele es sich bei mobilen Pflegediensten nicht um Einrichtungen/Anbieter, die hauptsächlich vorhanden seien, um etwaige Sozialhilfebedarfe abdecken zu können. Der Kläger habe insofern auch nicht dargelegt, inwieweit Herr G. in der Zeit, in der er bei seiner Tochter lebte, ggf. solche Betreuungsleistungen, die sich ihrer Art nach nicht auf die rein pflegerische Bedarfsdeckung beschränkten, erhalten habe. Dem Verwaltungsvorgang sei lediglich zu entnehmen, dass Herr G. auch dort Hilfe zur Pflege in der Form der häuslichen Pflege erhalten habe, welche wiederum zunächst durch einen externen ambulanten Pflegedienst erbracht worden sei. Darüber hinaus seien dem Leistungsempfänger Hilfsmittel zur bedarfsgerechten Ausstattung gewährt worden. Zumindest die Höhe des geltend gemachten Erstattungsanspruchs sei nach Auffassung der Beklagten nicht nachvollziehbar.
Mit Urteil vom 23. November 2020 hat das Sozialgericht Schleswig die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt:
„Die Klage ist hinsichtlich des Klageantrags zu 1) als echte Leistungsklage gemäß § 54 Abs. 5 SGG und hinsichtlich des Klagantrags zu 2) als Feststellungsklage gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG statthaft. Bezogen auf die erhobene Feststellungsklage über die in die Zukunft gerichtete Erstattungsverpflichtung der Beklagten besteht ein Feststellungsinteresse (vgl. BSG, Urteil vom 01. März 2018 – B 8 SO 22/16 R –, SozR 4-3250 § 14 Nr 28). Schließlich ist die Klage auch im Übrigen zulässig.
Die Klage ist jedoch unbegründet. Dem Kläger steht gegenüber der Beklagten kein Anspruch auf Erstattung der gegenüber dem Hilfeempfänger im Zeitraum vom 21. Juni 2016 bis zum 31. Oktober 2020 erbrachten und darüber hinaus noch zu erbringenden Leistungen der Sozialhilfe zu.
Als Rechtsgrundlage für den seitens des Klägers begehrten Erstattungsanspruch kommt vorliegend allein § 105 Abs. 1 SGB X in Betracht. Hiernach ist der zuständige oder zuständig gewesene Leistungsträger erstattungspflichtig, wenn ein unzuständiger Leistungsträger Sozialleistungen erbracht hat, ohne dass die Voraussetzungen von § 102 Abs. 1 SGB X vorliegen, soweit der zuständige oder zuständig gewesene Leistungsträger nicht bereits selbst geleistet hat, bevor er von der Leistung des anderen Leistungsträgers Kenntnis erlangt hat.
An diesen Voraussetzungen fehlt es vorliegend. Der Kläger hat zwar ab dem 21. Juni 2016 gegenüber dem Hilfeempfänger Sozialhilfeleistungen, insbesondere Hilfen zur Pflege, erbracht. Für diese war er jedoch auch sachlich und örtlich zuständig.
Der Kläger ist für die seinerseits erbrachten Leistungen sachlich zuständig. Die sachliche Zuständigkeit der Landrätinnen und Landräte der Kreise sowie der Bürgermeisterinnen und Bürgermeister der kreisfreien Städte für die Hilfe zum Lebensunterhalt, die Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung, die Hilfen zur Gesundheit, die Hilfe zur Pflege und die Hilfe in anderen Lebenslagen (§ 8 Nummer 1 bis 5 und 7 SGB XII) sowie für die ambulante Hilfe zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten (§ 8 Nr. 6 SGB XII) ergibt sich aus § 97 SGB XII i.V.m. § 2 Abs. 1 des Gesetzes zur Ausführung des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (AG-SGB XII).
Der Kläger ist auch örtlich zuständig. Gemäß § 98 Abs. 1 Satz 1 SGB XII ist für die Sozialhilfe der Träger der Sozialhilfe, in dessen Bereich sich die Leistungsberechtigten tatsächlich aufhalten, örtlich zuständig. Diese Zuständigkeit bleibt bis zur Beendigung der Leistung auch dann bestehen, wenn die Leistung außerhalb seines Bereichs erbracht wird (§ 98 Abs. 1 Satz 2 SGB XII). Eine Ausnahme hiervon sieht § 98 Abs. 5 SGB XII vor. Nach dieser Vorschrift ist für Leistungen nach dem SGB XII an Personen, die Leistungen nach dem Sechsten bis Achten Kapitel in Formen ambulanter betreuter Wohnmöglichkeiten erhalten, der Träger der Sozialhilfe örtlich zuständig, der vor Eintritt in diese Wohnform zuletzt zuständig war oder gewesen wäre.
Vorliegend gilt es zunächst festzuhalten, dass der Kläger die Leistungen nach dem Vierten Kapitel des SGB XII in originärer örtlicher Zuständigkeit nach § 98 Abs. 1 Satz 1 SGB XII erbracht hat, da sich der Leistungsempfänger zumindest seit der Leistungsbewilligung durch den Kläger in dessen Bereich aufhält und eine abweichende Zuständigkeitsregelung insofern nicht einschlägig ist.
Aber auch hinsichtlich der seitens des Klägers erbrachten Hilfen zur Pflege verbleibt es bei einer örtlichen Zuständigkeit des Klägers nach § 98 Abs. 1 Satz 1 SGB XII. Der Hilfeempfänger erhält die Leistungen nach dem Siebten Kapitel des SGB XII nicht in der Form einer ambulant betreuten Wohnmöglichkeit.
Der Begriff der ambulant betreuten Wohnmöglichkeit ist gesetzlich nicht definiert. Nach der ursprünglichen Gesetzesbegründung orientiert sich der Begriff an dem des § 55 Abs. 2 Nr. 6 SGB IX in seiner bis zum 31. Dezember 2017 geltenden Fassung. In § 55 SGB IX wurden die einzelnen Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft dargestellt. Seit dem 1. Januar 2018 spricht das SGB IX von Leistungen zur sozialen Teilhabe (§ 76 SGB IX). Betreute Wohnmöglichkeiten werden seither nicht mehr ausdrücklich genannt. Gleichwohl werden die Betreuungsleistungen als „Assistenzleistungen“ im Sinne des § 76 Abs. 2 Nr. 2 SGB IX erfasst (vgl. Luthe in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB IX, 3. Aufl., § 76 SGB IX (Stand: 9. November 2020), Rn. 3, 35ff.). Gegenstand der betreuten Wohnmöglichkeit ist dabei die wohnbezogene Betreuung des behinderten Menschen. Hierdurch soll der behinderte Mensch so weit wie möglich befähigt werden, alle wichtigen Alltagsverrichtungen in seinem Wohnbereich selbstständig vornehmen zu können, sich im Wohnumfeld zu orientieren oder zumindest dies alles mit sporadischer Unterstützung Dritter zu erreichen (vgl. ebda. Rn. 38). In Anbetracht dessen hatte das BSG zunächst noch angenommen, dass es sich bei der Art der Betreuung um Leistungen zur Teilhabe an der Gemeinschaft handeln muss und nicht um eine vorwiegend pflegerische Betreuung (vgl. BSG, Urteil vom 25. August 2011 – B 8 SO 7/10 R -, juris). Diese einschränkende Rechtsauslegung modifizierte das BSG in der Folge dahingehend, dass sämtliche Leistungen der ambulanten Betreuung nach dem Sechsten bis Achten Kapitel des SGB XII mit der Zielrichtung der Förderung der Selbständigkeit und Selbstbestimmung bei Erledigung der alltäglichen Angelegenheiten im eigenen Wohn- und Lebensbereich gleichgestellt sein sollen (vgl. BSG, Urteil vom 30. Juni 2016 – B 8 SO 6/15 R -, juris). Nach der Fassung des § 98 SGB XII, die die Norm durch das Gesetz zur Änderung des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 2.Dezember 2006 - BGBl I 2670 - erhalten hat, sei es systematisch ausgeschlossen, eine Begrenzung auf Eingliederungshilfeleistungen des betreuten Wohnens vorzunehmen. So wurden seither ausdrücklich auch Leistungen nach dem Siebten und Achten Kapitel des SGB XII einbezogen.
Unter Berücksichtigung dieser Maßgaben ist die Unterbringung des Hilfeempfängers in dem Haushalt seiner Tochter ab dem 11. Juni 2016 nicht als ambulant betreute Wohnform anzusehen. Zwar hat das BSG in der vorstehend zitierten Entscheidung vom 30. Juni 2016 klargestellt, dass auch eine pflegerische Versorgung die Anforderungen an eine ambulant betreute Wohnform erfüllen kann. Dem schließt sich die Kammer ausdrücklich an. Gleichwohl ist zu fordern, dass die Qualität der Leistungserbringung gesichert ist (vgl. Bayerisches Landessozialgericht, Urteil vom 20. Dezember 2016 - L 8 SO 119/15 -, juris). Dies kann vorliegend bei einer Betreuung durch die Tochter des Hilfeempfängers nicht festgestellt werden. Der Hilfeempfänger wurde lediglich in den Haushalt seiner Tochter eingebunden und versorgt. Eine fachliche Betreuung kann darin nicht gesehen werden. Nach Lage der Akten und dem Vortrag der Beteiligten ist die Tochter des Hilfebedürftigen für die Erbringung von Pflegeleistungen nicht derart befähigt, dass von einer ausreichenden Qualitätssicherung ausgegangen werden kann. So hat sie sich auch nach dem Umzug des Hilfebedürftigen in ihren Haushalt nur familiär gekümmert. Diese Unterstützung ihres Vaters erfolgte bereits zuvor in der Zeit, in der der Hilfeempfänger noch in der eigenen Häuslichkeit lebte. Zu dieser Zeit erhielt der Hilfeempfänger bereits Leistungen seitens eines Pflegedienstes. Ergänzend waren auch weitere Familienmitglieder regelmäßig vor Ort. Es kann in Anbetracht dessen nicht davon ausgegangen werden, dass die seitens der Tochter des Hilfeempfängers erbrachten Hilfestellungen ab dem 11. Juni 2016 derart konzipiert waren, dass hierdurch die Verwirklichung einer möglichst selbstständigen und selbstbestimmten Lebensführung hätte gefördert werden konnte. Die Kammer geht in diesem Zusammenhang davon aus, dass alltägliche Hilfestellungen durch Familienangehörige nicht die Voraussetzungen einer ambulant betreuten Wohnform erfüllen. In diesem Fall könnte bereits jede über längere Dauer angelegte Unterstützungsleistung von Familienmitgliedern und Freunden eine Änderung in der Zuständigkeit nach § 98 Abs. 5 SGB XII bewirken. Nach Auffassung der Kammer ist dies nicht von der mit § 98 Abs. 5 SGB XII verfolgten Zwecksetzung getragen. Zwar verhält sich die Gesetzesbegründung insofern nicht ausdrücklich. Unter Berücksichtigung des Regelungszwecks in § 98 Abs. 2 Satz 1 SGB XII erachtet es die Kammer aber als logisch konsequent, dass durch § 98 Abs. 5 SGB XII der für die ambulante betreute Wohnmöglichkeit an sich örtlich zuständige Sozialhilfeträger vor einer überproportionalen finanziellen Belastung durch zugezogene Bedürftige geschützt werden soll (vgl. Schlette in: Hauck/Noftz, SGB, 08/19, § 98 SGB XII, Rn. 94. m.w.N.). Wenn man darüber hinaus auch die Förderung des Auf- und Ausbaus von Strukturen des betreuten Wohnens mit einbezieht (vgl. BSG, Urteil vom 30. Juni 2016, a.a.O.), so würde es dieser Zwecksetzung widersprechen, sollten bereits private Hilfestellungen die Voraussetzung einer ambulant betreuten Wohnform erfüllen.
Aber auch unter Berücksichtigung der seitens des Pflegedienstes erbrachten Pflegeleistungen vermag die Kammer vorliegend keine ambulant betreute Wohnform zu erkennen. So steht der Annahme einer ambulant betreuten Wohnform bei der Pflege durch einen ambulanten Pflegedienst bereits allgemein entgegen, dass hierdurch keine ausreichende Verknüpfung zu dem maßgeblichen Wohnort besteht. Die Kammer schließt sich in diesem Zusammenhang zwar den Ausführungen des Bundessozialgerichts in seinem Urteil vom 30. Juni 2016 dahingehend an, dass es nicht auf eine institutionelle Verknüpfung von Betreuung und Wohnen ankommt. Im Falle der Betreuung durch einen ambulanten Pflegedienst tritt jedoch der Ort der Betreuung derart in den Hintergrund, dass es lediglich vom Zufall abhängt, wessen örtliche Zuständigkeit vorliegend eröffnet ist. In diesem Sinne fordert die Kammer keine institutionelle Verknüpfung, sondern vielmehr eine zielgerichtet auf den Ort der Betreuung ausgerichtete Pflege. Bei einem ambulanten Pflegedienst ist dies nicht gegeben, da dieser seine Leistungen nicht auf einen bestimmten Betreuungsort zuschneidet. Vielmehr erweist sich die Leistungsversorgung durch einen ambulanten Pflegedienst gerade als dezentral. So hat auch vorliegend der ambulante Pflegedienst der C den Hilfeempfänger sowohl zunächst in Flensburg als auch nach dem Umzug nach Tastrup betreut. Ein spezifischer Zusammenhang zu dem Wohnort kann damit nicht hergestellt werden.
Darüber hinaus wird berücksichtigt, dass der Umfang der erbrachten Pflegeleistungen bei Aufnahme des Hilfebedürftigen in die Wohnung seiner Tochter geringer ausgestaltet war als noch in seiner eigenen Häuslichkeit in Flensburg. Insofern umfasste die pflegerische Versorgung durch den Pflegedienst gemäß dem Bescheid des Klägers vom 31. August 2016 ab dem 21. Juni 2016 nur noch folgende Positionen:
- kleine Morgen-/Abendtoilette – 12 x wöchentlich,
- große Morgen-/Abendtoilette – 2 x wöchentlich,
- Darm- und Blasenleerung, kleine Hilfe – 2 x täglich,
- Reinigung der Wohnung.
Der Umfang ab dem Zuzug zu seiner Tochter genügt somit nicht, um eine relevante Betreuungsleistung darzustellen, die auf die Verwirklichung einer möglichst selbstständigen und selbstbestimmten Lebensführung ausgerichtet ist. Dies erfolgte allenfalls durch die Tochter des Hilfeempfängers, deren Leistungen aber gemäß den vorstehenden Ausführungen im Rahmen des § 98 Abs. 5 SGB XII wegen fehlender Qualität nicht berücksichtigt werden können.
Im Übrigen kann auch nicht zielführend auf eine Betreuung in der Tageseinrichtung des D Flensburg abgestellt werden. Entsprechende Betreuungsleistungen wurden erst ab dem 3. November 2016 erbracht. Da der Hilfeempfänger jedoch bereits zum 11. Juni 2016 in das Zuständigkeitsgebiet des Klägers umgezogen ist, kann selbst bei der Annahme einer ambulant betreuten Wohnform keine Zuständigkeit der Beklagten nach § 98 Abs. 5 SGB XII begründet werden. Örtlich zuständig ist nach der vorstehenden Norm der Träger, der vor Eintritt in diese Wohnform zuletzt zuständig war. Bei Annahme einer ambulant betreuten Wohnform ab dem 3. November 2016 verbliebe es mithin bei einer Zuständigkeit des Klägers. (…)“
Gegen das ihm am 22. Januar 2021 zugestellte Urteil hat der Kläger am 18. Februar 2021 Berufung beim Schleswig-Holsteinischen Landessozialgericht eingelegt.
Zur Begründung führt er aus, dass das Sozialgericht zwar zutreffend davon ausgehe, dass es sich beim ambulant betreuten Wohnen nicht um eine Leistung zur Teilhabe an der Gesellschaft handeln müsse, sondern das auch eine pflegerische Versorgung die Anforderung an eine ambulant betreute Wohnform erfüllen könne. Auch erkenne das Gericht an, dass eine institutionelle Verknüpfung zwischen Betreuung und Wohnen nicht notwendig sei. Dies entspreche auch der zwischenzeitlich ergangenen Rechtsprechung des 9. Senats des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts, wie sie insbesondere in der Entscheidung vom 9. November 2022 (Az. L 9 SO 4/20) zum Ausdruck komme. Das Sozialgericht schränke den Anwendungsbereich des § 98 Abs. 5 SGB XII unter dem Gesichtspunkt des Schutzes der „Einrichtungsorte“ jedoch unzutreffend ein, indem es sich auf die Notwendigkeit einer zielgerichtet auf den Ort der Betreuung ausgerichteten Pflege durch einen Pflegedienst beziehe. Es gehe zudem unzutreffend davon aus, das die Tochter und die seitens des Pflegedienstes erbrachten Leistungen jeweils separat zu betrachten seien. Sofern das Sozialgericht die Leistungen der Tochter nicht als „Pflege“, sondern als lediglich „private alltägliche Hilfeleistungen“ einordne, werde übersehen, dass die Tochter die gleichen Leistungen teilweise übernommen habe, die vorher vom Pflegedienst übernommen worden seien. Nur aus diesem Grund hätten auch die Leistungen des Pflegedienstes in der Folge reduziert werden können. Es sei daher vorstellbar, dass auch durch die Familie erbrachte Pflegeleistungen die Voraussetzungen einer ambulant betreuten Wohnform erfüllen könnten. Auch eine gewisse Qualitätssicherung bestehe, da die häusliche Pflege durch Angehörige alle sechs bis zwölf Monate durch einen Pflegedienst überprüft werde und Fortbildungsangebote bestünden. Einen eindeutigen Ausschluss von häuslichen Pflegeleistungen durch Angehörige regele § 98 Abs. 5 SGB XII nicht. Soweit das Sozialgericht hinsichtlich der zunächst auch in seinem Gebiet erbrachten Leistungen des Pflegedienstes die Voraussetzungen einer ambulant betreuten Wohnform deshalb verneine, weil die Leistung nicht auf einen bestimmten Ort der Betreuung zugeschnitten sei, setze es sich nicht hinreichend mit dem Umstand auseinander, dass es ambulante Pflegedienste auszeichne, an unterschiedlichen Orten Pflegeleistungen zu erbringen. Letztlich bewirke die einschränkende Auslegung durch das Sozialgericht doch wieder eine institutionelle Verknüpfung zwischen Wohnen und Betreuung als Voraussetzung des ambulant betreuten Wohnens, die höchstrichterlich gerade nicht gefordert und vom Sozialgericht vermeintlich auch nicht vorausgesetzt werde. Der Gesetzeszweck gebiete auch keine einschränkende Auslegung. Es sei gerade typisch, dass ältere pflegebedürftige Menschen in die Nähe oder ggf. zu ihren Kindern zögen. Dabei zögen sie häufig auch in den Zuständigkeitsbereich eines anderen Sozialhilfeträgers. Dies gelte sowohl für stationäres Wohnen als auch für eine ambulante Pflege in der eigenen Wohnung oder die Pflege in der Wohnung der Kinder. § 98 Abs. 5 SGB XII verhindere durch eine weite Anwendung eine einseitige Kostenverlagerung. § 98 Abs. 5 SGB XII solle zudem nicht nur die Einrichtungsorte und deren Infrastruktur schützen, sondern stelle auch eine allgemeine Zuständigkeitsbestimmung dar. Das Gericht habe selbst bei Zugrundelegung seiner eigenen Argumentation nicht hinreichend gewürdigt, dass die Verwirklichung einer möglichst selbstständigen und selbstbestimmten Lebensführung nur durch eine Kombination des Einsatzes des Pflegedienstes einerseits und des Pflegeeinsatzes der Tochter andererseits habe gewährleistet werden können. Der Ort der Betreuung sei gerade nicht soweit in den Hintergrund getreten, dass es lediglich vom Zufall abhängig gewesen sei, wessen örtliche Zuständigkeit eröffnet sei. § 98 Abs. 1 SGB XII finde auch ab November 2016 keine Anwendung. Es sei zwar richtig, das ab November 2016 keine Betreuung mehr durch einen Pflegedienst erfolgt, sondern Pflegegeld gezahlt worden sei. Dafür sei Herr G. jedoch in die Tagespflege aufgenommen und die Tagespflege durch den Kläger als Pflegeleistung entsprechend finanziert worden.
Mit Schriftsatz vom 26. August 2024 hat der Kläger mitgeteilt, dass Herr G. am 21. Dezember 2021 verstorben ist und die von ihm erbrachten Leistungen unter Übersendung einer Aufstellung abschließend mit 83.629,05 EUR beziffert. Wegen der Einzelheiten wird auf Bl. 112 ff. der Gerichtsakte Bezug genommen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Schleswig vom 23. November 2020 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr die Kosten für die von Juni 2016 bis Dezember 2021 geleistete Sozialhilfe an Herrn G in Höhe von 83.629,05 EUR zu erstatten.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das angegriffene Urteil. Bei Anwendung des § 98 Abs. 5 SGB XII auf Sachverhalte wie dem in Streit stehenden, würde die dem Schutzgedanken des Leistungsortes entsprechende Beschränkung auf bestimmte örtliche Verhältnisse weitgehend aufgegeben. § 98 Abs.5 SGB XII ziele als Sonderregelung zur örtlichen Zuständigkeit auf eine Kostenentlastung derjenigen örtlichen Träger der Sozialhilfe ab, in deren Gebiet Einrichtungen bzw. Anbieter ambulant betreuter Wohnformen vorhanden seien. Ähnlich der Regelung des § 98 Abs. 2 SGB XII sollten die Träger der Sozialhilfe vor einer übermäßigen Belastung geschützt werden, die sich aufgrund der von diesen Einrichtungen/Angeboten ausgehenden Sogwirkung ergeben könnte. In den Fällen der häuslichen Pflege durch einen ambulanten Pflegedienst sei nicht ersichtlich, dass von diesen Angeboten eine derartige Sogwirkung ausgehe, dass Pflegebedürftige um die Leistungen eines ambulanten Pflegedienstes in Anspruch nehmen zu können, regelmäßig ihren Wohnort wechseln müssten, so dass in der Folge der Zuzugsort vor übermäßiger Belastung geschützt werden müsste. Vielmehr dürfte die pflegerische Versorgung durch einen mobilen Pflegedienst, wie bereits in dem angegriffenen Urteil ausgeführt, flächendeckend vorhanden sein. Dies gelte ebenso für Einrichtungen der Tagespflege. Zudem handele es sich bei ambulanten Pflegediensten um Anbieter, die nicht hauptsächlich vorhanden seien, um etwaige Sozialhilfebedarfe abdecken zu können. Soweit der Kläger vortrage, dass es geradezu typisch sei, dass ältere pflegebedürftige Menschen in die Nähe und ggfs. zu ihren Kindern ziehen würde, spreche dies umso mehr dafür, im Hinblick auf die örtliche Zuständigkeit nicht vom Grundsatz abzuweichen, dass örtlich zuständig der Träger sei, in dessen Leistungsbereich sich der Hilfeempfänger aufhalte. Es sei auch schon aus diesem Grund nicht davon auszugehen, dass einzelne Orte verstärkt durch den Zuzug von Empfängern von Leistungen der Sozialhilfe durch ihr vorgehaltenes Angebot überproportional belastet werden würden. Umso mehr gelte das auch für die Versorgung des Leistungsempfängers durch die eigene Tochter in deren Haushalt. Ein ambulanter Anbieter entfalle hier gänzlich. Aufsuchendes fachlich geschultes Personal sei nicht mehr beteiligt. Die Gewährung von Pflegegeld diene gerade nicht der „Entlohnung“ bei Pflege durch nahestehende Personen, denn diese sei ihrem Wesen nach unentgeltlich. Soweit der Kläger darauf verweise, dass der Leistungsempfänger ab November2016 ergänzend eine Einrichtung der Tagespflege besucht habe, führe dies zu keinem anderen Ergebnis. Der Besuch einer Tagespflege führe nicht zum Vorliegen einer ambulant betreuten Wohnform. Zudem befinde sich die aufgesuchte Tagespflege im Stadtgebiet der Beklagten. Im November 2016 sei nur die Übernahme für einen Besuch wöchentlich erfolgt. Seit Oktober 2018 habe der Leistungsempfänger die Einrichtung der Tagespflege gar nicht mehr besucht.
Hilfsweise macht die Beklagte geltend, dass die bisher vorgelegte Abrechnung bezüglich einzelner Positionen nicht korrekt gewesen sei. Außerdem könne ein Erstattungsanspruch, so denn seine Voraussetzungen dem Grunde nach vorliegen sollten, erst ab Kenntnis bestehen. Der Erstattungsanspruch sei erst mit Schreiben vom 17. Oktober 2016 geltend gemacht worden, der bei ihr am 20. Oktober 2016 eingegangen sei. Dass sie – die Beklagte – bereits vor dem Umzug mit der Angelegenheit befasst gewesen sei, begründe keine Kenntnis i.S. des § 105 Abs. 3 SGB X, denn mit der Abgabe eines Hilfefalles trete grundsätzlich ein Wegfall der Kenntnis ein.
Dem Senat haben die Leistungsakten des Klägers und der Beklagten vorgelegen. Auf diese Akten und auf die Gerichtsakte wird wegen des der Entscheidung zugrundeliegenden Sachverhalts ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Klägers hat nur zu einem betragsmäßig geringen Anteil Erfolg.
Die Berufung ist zulässig. Sie ist form- und fristgerecht erhoben worden (§ 151 Abs. 1 und 2 Sozialgerichtsgesetz [SGG]). Die Berufung ist zulassungsfrei statthaft, weil der Wert des Beschwerdegegenstands die Grenze von 10.000,00 EUR deutlich überschreitet (§ 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG).
Beteiligte des Berufungsverfahrens sind der Kläger und die Beklagte, die als Behörden die Bezeichnung „Kreis Schleswig – Der Landrat“ bzw. „Stadt Flensburg – Der Bürgermeister“ führen. Der Senat folgt der höchstrichterlichen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) dahingehend, dass die Klage gegen die Behörde zu richten ist, sofern das Landesrecht nach Maßgabe des § 70 Nr. 3 SGG die Beteiligtenfähigkeit von Behörden anerkennt (vgl. nur BSG, Urteil vom 29. September 2009 – B 8 SO 19/08 R – SozR 4-3500 § 54 Nr. 6, juris Rn. 14; zur Geltung in Erstattungsstreitverfahren vgl. BSG, Urteil vom 28. Oktober 2008 – B 8 SO 23/07 R – BSGE 102,10 = SozR 4-2500 § 264 Nr. 2, juris Rn. 12). Dies ist in Schleswig-Holstein der Fall (§ 62 Landesjustizgesetz [LJG] vom 17. April 2018 [GVOBl. S. 231]). Soweit der 8. Senat des BSG allerdings in ständiger Übung für die Behörden schleswig-holsteinischer Kreise die irreführende Behördenbezeichnung „Der Landrat des Kreises...“ verwendet und die Meinung vertritt, „dass es auf Einzelheiten der Behördenbezeichnung nicht ankomm[e]“ (zuletzt BSG, Urteil vom 23. Februar 2023 – B 8 SO 8/21 R – SozR 4-3500 § 98 Nr 8, juris Rn. 11), ist dies sachlich unzutreffend. Denn diese Behördenbezeichnung führt der Landrat nach Landesrecht ausschließlich in der Funktion, die er im Wege der Organleihe als allgemeine untere Landesbehörde – d.h.: als Behörde des Landes und gerade nicht als Behörde des Kreises – ausübt (§ 7 Nr. 3 Landesverwaltungsgesetz [LVwG] vom 2. Juni 1992 [GVOBl. 243, 534] i.V.m. §§ 1 Abs. 2, 3 Abs. 1 und 2 Gesetz über die Errichtung allgemeiner unterer Landesbehörden in Schleswig-Holstein vom 3. April 1996 [GVOBl. S. 406]). Zu den Aufgaben des Landrats als allgemeine untere Landesbehörde zählt die Sozialhilfe aber gerade nicht. Sie ist vielmehr den Kreisen und kreisfreien Städten als – pflichtige (vgl. § 2 Abs. 2 Kreisordnung [KrO] vom 28. Februar 2003 [GVOBl. S. 94]) – Selbstverwaltungsaufgabe (§ 1 Abs. 1 Satz 2 Gesetz zur Ausführung des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch [AG-SGB XII] vom 31. März 2015 [GVOBl. S. 90]) bzw. – soweit Leistungen nach dem Vierten Kapitel in Rede stehen – als Pflichtaufgabe zur Erfüllung nach Weisung (vgl. § 3 Abs. 1 KrO) zugewiesen (§ 1 Abs. 1 Satz 3 AG-SGB XII), die in den Kreisen vom Landrat als Behörde des Kreises (§ 11 LVwG) wahrgenommen wird (§ 51 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1, Abs. 5 Satz 1 KrO). In dieser Funktion führt die Behörde ausschließlich die Bezeichnung „Kreis … – Der Landrat“.
Die Berufung ist zu einem geringeren Teil begründet, im Übrigen ist sie als unbegründet zurückzuweisen.
Streitgegenstand ist, nachdem Herr G. während des Berufungsverfahrens am 21. Dezember 2021 verstorben ist, nur noch der Erstattungsanspruch für aufgewendete Kosten der Sozialhilfe, den der Kläger für den Zeitraum zwischen Juni 2016 und Dezember 2021 abschließend mit 83.629,05 EUR beziffert hat. Der erstinstanzlich darüber hinaus geltend gemachte Feststellungsanspruch, der prozessual mit der allgemeinen Feststellungsklage (§ 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG) verfolgt worden ist, ist mit dem Abschluss des Leistungsfalls hinfällig geworden.
Die nunmehr allein statthafte und auch im Übrigen zulässige Leistungsklage (§ 54 Abs. 5 SGG) hat das Sozialgericht zu Unrecht in vollem Umfang als unbegründet abgewiesen. Dabei ist es, da es hier um Leistungen der Hilfe zur Pflege bzw. der Krankenhilfe und damit nicht um Rehabilitationsleistungen geht, zutreffend davon ausgegangen, dass § 105 Abs. 1 Satz 1 SGB X die richtige Anspruchsgrundlage ist. Hat danach ein unzuständiger Leistungsträger Sozialleistungen erbracht, ohne dass die Voraussetzungen von § 102 Abs. 1 SGB X vorliegen, ist der zuständige oder zuständig gewesene Leistungsträger erstattungspflichtig, soweit dieser nicht bereits selbst geleistet hat, bevor er von der Leistung des anderen Leistungsträgers Kenntnis erlangt hat. Diese Voraussetzungen sind nach Überzeugung des erkennenden Senats vorliegend nur für den Zeitraum zwischen dem 11. Juni und dem 31. Oktober 2016 erfüllt.
In diesem Zeitraum ist die Beklagte bei unstreitiger sachlicher Zuständigkeit noch der örtlich zuständige Leistungsträger gewesen. Zwar richtet sich die örtliche Zuständigkeit nach § 98 Abs. 1 Satz 1 SGB XII grundsätzlich nach dem Ort des tatsächlichen Aufenthalts. Dies war ab 11. Juni 2016 Tastrup im Gebiet des Klägers. Für die Leistungen nach diesem Buch an Personen, die Leistungen nach dem Siebten und Achten Kapitel in Formen ambulanter betreuter Wohnmöglichkeiten erhalten, ist jedoch (weiterhin) der Träger der Sozialhilfe örtlich zuständig, der vor Eintritt in diese Wohnform zuletzt zuständig war oder gewesen wäre (§ 98 Abs. 5 Satz 1 SGB XII). Dies ist vorliegend die Beklagte, soweit Herr G. seit 11. Juni 2016 Leistungen noch in einer „Form ambulant betreuter Wohnmöglichkeiten“ erhalten hat, was nach Überzeugung des Senats nur bis zum 31. Oktober 2016 der Fall war.
Der Begriff der ambulant betreuten Wohnmöglichkeit ist gesetzlich nicht definiert. Nach der ursprünglichen Gesetzesbegründung orientiert sich der Begriff an dem des § 55 Abs. 2 Nr. 6 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX) in seiner bis zum 31. Dezember 2017 geltenden Fassung (a.F.). In § 55 SGB IX a.F. wurden die einzelnen Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft dargestellt. Seit dem 1. Januar 2018 spricht das SGB IX von Leistungen zur sozialen Teilhabe (§ 76 SGB IX). Betreute Wohnmöglichkeiten werden nicht mehr ausdrücklich genannt. Gleichwohl werden die Betreuungsleistungen als „Assistenzleistungen“ i.S. des § 76 Abs. 2 Nr. 2 SGB IX erfasst (vgl. Luthe in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB IX, 3. Aufl., § 76 SGB IX Rn. 3, 35ff.). Gegenstand der betreuten Wohnmöglichkeit ist dabei die wohnbezogene Betreuung des behinderten Menschen. Hierdurch soll der behinderte Mensch so weit wie möglich befähigt werden, alle wichtigen Alltagsverrichtungen in seinem Wohnbereich selbständig vornehmen zu können, sich im Wohnumfeld zu orientieren oder zumindest dies alles mit sporadischer Unterstützung Dritter zu erreichen (vgl. ebda. Rn. 38). Das BSG hat auf dieser Grundlage zunächst noch angenommen, dass es sich bei der Art der Betreuung um Leistungen zur Teilhabe an der Gemeinschaft handeln müsse und nicht um eine vorwiegend pflegerische Betreuung (vgl. BSG, Urteil vom 25. August 2011 – B 8 SO 7/10 R – juris Rn. 15). Diese einschränkende Rechtsauslegung hat die höchstrichterliche Rechtsprechung in der Folge dahingehend modifiziert, dass sämtliche Leistungen der ambulanten Betreuung nach dem Sechsten bis Achten Kapitel des SGB XII mit der Zielrichtung der Förderung der Selbständigkeit und Selbstbestimmung bei Erledigung der alltäglichen Angelegenheiten im eigenen Wohn- und Lebensbereich gleichgestellt sein sollen (vgl. BSG, Urteil vom 30. Juni 2016 – B 8 SO 6/15 R – BSGE 121, 293 = SozR4-3500 § 98 Nr. 4, juris Rn. 13). Nach der Fassung des § 98 Abs. 5 SGB XII, die die Norm durch das Gesetz zur Änderung des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 2. Dezember 2006 (BGBl I 2670) erhalten hat, sei es systematisch ausgeschlossen, eine Beschränkung der Regelung auf Eingliederungshilfeleistungen des betreuten Wohnens vorzunehmen. Ausdrücklich weist das BSG darauf hin, dass „nach dem ausdrücklichen und unzweideutigen Willen des Gesetzgebers auch die Gewährung von ambulanten Leistungen der Hilfe zur Pflege einen Leistungsfall des ‚Betreuten-Wohnens‘ im Sinne des § 98 Abs 5 SGB XII darstellen [kann], weil die Sicherung der Selbstbestimmung im eigenen Wohn- und Lebensbereich damit einhergeht“ (BSG, a.a.O., Rn. 13).
Hiernach ist die Eingrenzung der von dieser Leistungsform umfassten Hilfen in erster Linie anhand des Zwecks der Hilfen vorzunehmen. Allein maßgeblich ist, ob durch die bestehende Wohnform die Verselbständigung der Lebensführung der leistungsberechtigten Person in ihrem eigenen Wohn- und Lebensumfeld erreicht werden soll. Es genügt mithin, ist aber auch erforderlich, dass durch die geleistete Hilfe das selbständige Leben und Wohnen ermöglicht werden soll, damit die leistungsberechtigte Person durch den Verbleib in der eigenen Wohnung einen Freiraum für die individuelle Gestaltung seiner Lebensführung erhält (vgl. BSG, Urteil vom 1. März 2018 – B 8 SO 22/16 R – SozR 4-3250 § 14 Nr. 28, juris Rn. 24). Ob und wie sich eine Einrichtung oder ein Wohnprojekt bezeichne, sei für die rechtliche Qualifikation der Leistung ebenso wenig von Belang, wie die Bezeichnung der Leistungen in einem „Wohn- und Nutzungsvertrag“. Ferner komme es auf die institutionelle Verknüpfung von Betreuung und Wohnen nicht an (vgl. BSG, Urteil vom 30. Juni 2016 – B 8 SO 6/15 R – BSGE 121, 293-297 = SozR 4-3500 § 98 Nr. 4, Rn. 15), so dass auch eine allgemeine Konzeption des Angebots durch den ambulanten Leistungserbringer nicht entscheidend sein könne.
Dieser Rechtsprechung hat sich der Senat in seinem Urteil vom 9. November 2022 – L 9 SO 4/20 – dem Grunde nach angeschlossen, das ebenfalls zwischen den Beteiligten dieses Rechtsstreits ergangen war. Angesichts der dort vorgenommenen abstrakten Wertungen sieht sich der Senat außer Stande, die (bloße) Betreuung durch einen ambulanten Pflegedienst im häuslichen Umfeld allgemein wie auch unter Berücksichtigung der hier vorliegenden Besonderheiten des konkreten Einzelfalls aus dem Begriff ambulant betreute Wohnmöglichkeit i.S. des § 98 Abs. 5 SGB XII auszunehmen. Denn auch im vorliegenden Fall zielte die Versorgung des Herrn G. durch den ambulanten Pflegedienst im Haushalt seiner Tochter auf die Verselbständigung der Lebensführung im eigenen Wohn- und Lebensumfeld, wäre doch als Alternative die stationäre Pflege in einem Pflegeheim und damit außerhalb des eigenen, familiär geprägten Wohn- und Lebensumfelds in Betracht gekommen. Dass Herr G. seine eigene Wohnung in Flensburg hatte aufgeben und in den Haushalt der Tochter ziehen müssen, um dort ambulant (mit zusätzlicher Unterstützung durch die Tochter) gepflegt zu werden, bewirkte nach Überzeugung des Senats keine Lösung vom eigenen Wohn- und Lebensumfeld, sondern trug offensichtlich dem Wunsch des Herrn G. Rechnung, wenn nicht in seiner eigenen Wohnung, so doch in seinem familiären Umfeld zu leben. Auch die Tatsache, dass eine Pflege in diesem familiären Umfeld später (ab 1. November 2016) durch die Inanspruchnahme von Pflegegeld und teilstationärer Tagespflege und damit ohne die Inanspruchnahme ambulanter Pflegeleistungen realisiert werden konnte, ändert nichts daran, dass die ambulanten Pflegeleistungen auf die Erhaltung des eigen Wohn- und Lebensumfelds zielte und insoweit als Leistungen der Hilfe zur Pflege auch rechtmäßig erbracht wurden.
Der Senat verkennt nicht, dass die tatsächlichen Verhältnisse, die der Senatsentscheidung vom 9. November 2022 zugrunde gelegen haben, andere gewesen sind als im vorliegenden Fall. So war dort sogar eine institutionelle Verknüpfung von Wohnen und Pflegeleistung insoweit gegeben, als der dortige Leistungsberechtigte mit dem Vermieter einen Mietvertrag und darüber hinaus auch einen Betreuungsvertrag abgeschlossen hatte, der nach den vertraglichen Regelungen während der gesamten Dauer des Mietverhältnisses bestehen bleiben musste. Für die Wohnung war Rufbereitschaft vereinbart. Ebenso wenig verkennt der Senat, dass die bisherige BSG-Rechtsprechung andere Sachverhaltskonstellationen zum Gegenstand hatten als den Fall einer bloßen Inanspruchnahme eines ambulanten Pflegedienstes im eigenen Wohnumfeld. So ging es in dem Verfahren zum Az. B 8 SO 6/15 R um die Unterbringung einer an Alzheimer erkrankten schwerbehinderten Person in einer Demenz-WG und nicht lediglich um die Gewährung ambulanter Pflegeleistungen im häuslichen Umfeld. Für die Herleitung und Begründung der in dieser Entscheidung formulierten abstrakten Rechtssätze, die der Senat auf den hier zugrundeliegenden konkreten Einzelfall anwendet, haben diese Besonderheiten aber offenbar keine Rolle gespielt; vielmehr hebt das BSG explizit das „weite Begriffsverständnis“ des Begriffs der ambulanten Betreuung i.S. des § 98 Abs. 5 SGB XII hervor und zieht Einschränkungen lediglich für Fälle nur punktueller Betreuung bzw. für Fälle niedrigschwelliger Pflege z.B. bei Pflegestufe Null in Betracht (BSG, Urteil vom 30. Juni 2016 – B 8 SO 6/15 R – BSGE 121, 293 = SozR 4-3500 § 98 Nr. 4, juris Rn. 13). Es solche Ausnahmekonstellation ist hier jedoch nicht gegeben.
Wie die Beklagte geht auch der Senat davon aus, dass es nicht das Ziel des Gesetzgebers gewesen sein dürfte, die ambulante Pflege im häuslichen Umfeld als ambulant betreute Wohnform in den Anwendungsbereich der der Verlängerung des Schutzes der Einrichtungsorte dienenden Vorschrift des § 98 Abs. 5 SGB XII einzubeziehen. Für die Ursprungsfassung ergibt sich dies augenfällig aus der Gesetzesbegründung, die dezidiert auf Eingliederungsleistungen nach § 55 Abs. 2 Nr. 6 SGB IX (dazu oben) abstellte (BT-Drucks. 15/1514, S. 67). Vor dem Hintergrund, dass die Änderungen mit dem Gesetz zur Änderung des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 2. Dezember 2006 (BGBl. I S. 2670) lediglich der „Klarstellung des Gewollten“ dienen sollten (BT-Drucks. 16/2711, S. 13), kann der Senat dem BSG in der Einschätzung, seine Auslegung entspreche „dem ausdrücklichen und unzweideutigen Willen des Gesetzgebers“ (BSG, Urteil vom 30. Juni 2016 – B 8 SO 6/15 R – BSGE 121, 293 = SozR 4-3500 § 98 Nr. 4, juris Rn. 13), deshalb auch nicht folgen. Eher wird anzunehmen sein, dass die Vorschrift dem Gesetzgeber entglitten ist, weil er bei den nachfolgenden Änderungen die systemischen Konsequenzen bestimmter Formulierungen nicht vollständig durchdacht hat. Dennoch ist die Auslegung durch das BSG nach den sonstigen Auslegungsmethoden vertretbar und daraus folgende Dysfunktionalitäten, die offenkundig auch das BSG erkennt, aber dahinstehen lässt, weil die Regelung „einer Prüfung auf Sinnhaftigkeit nicht zugänglich“ sei (BSG, a.a.O., Rn. 16), müssten nach Überzeugung des erkennenden Senats mittels Modifikation oder Streichung des § 98 Abs. 5 SGB XII durch den Gesetzgeber beseitigt werden. Bis dahin ist, um die dysfunktionale Wirkung der Vorschrift nicht noch zu verstärken, der § 98 Abs. 5 SGB XII so auszulegen, dass er eine, wenn auch nicht sinnhafte, so doch möglichst einfache und verlässliche Zuständigkeitsabgrenzung zwischen den Trägern der Sozialhilfe ermöglicht. Dem trägt der Senat Rechnung, indem er grundsätzlich alle ambulanten Pflegeleistungen an leistungsberechtigte Personen der Sozialhilfe den Leistungen in Formen ambulant betreuter Wohnmöglichkeiten zurechnet.
Dem wegen der bis zum 31. Oktober 2016 erbrachten Leistungen bestehenden Erstattungsanspruch steht auch § 105 Abs. 3 SGB X (hier in der bis zum 31. Dezember 2019 geltenden Fassung) nicht entgegen. Dies gilt insbesondere auch für den zwischen den Beteiligten streitigen Zeitraum 11. Juni bis 19. Oktober 2016. Nach § 105 Abs. 3 SGB X a.F. gelten die Absätze 1 und 2 gegenüber den Trägern der Sozialhilfe, der Kriegsopferfürsorge und der Jugendhilfe nur von dem Zeitpunkt ab, von dem ihnen bekannt war, dass die Voraussetzungen für ihre Leistungspflicht vorlagen. Die Regelung geht zurück auf das Gesetz vom 4. November 1982 (BGBl. I S. 1450) und diente ausweislich der Gesetzesbegründung seinerzeit – Bedenken des Bundesrats aufgreifend (BT-Drs. 9/95 S. 39) – dem Zweck, dass „der bisherige Rechtszustand (§ 5 BSHG) aufrechterhalten wird“ (BT-Drs. 9/1753 S. 44), also der sozialhilferechtliche Kenntnisgrundsatz (jetzt: § 18 SGB XII) auch im Erstattungsverhältnis wirksam sein sollte. § 105 Abs. 3 SGB X blieb seitdem im Wesentlichen unverändert. Dementsprechend ist der Begriff der Kenntnis so auszulegen, wie er im Rahmen des § 18 SGB XII auszulegen ist, wobei die Zurechnung der Kenntnis eines anderen Sozialleistungsträger – hier etwa der Kenntnis des Klägers – naturgemäß nicht in Betracht kommt (vgl. BSG, Urteil vom 8. Dezember 2022 – B 7/14 AS 11/21 R – BSGE 135, 181 = SozR 4-1300 § 105 Nr. 9, juris Rn. 30). Erforderlich ist dementsprechend die positive Kenntnis vom Leistungsfall, also von Bedarf und Bedürftigkeit dem Grunde nach, ohne dass es auf den genauen Betrag ankommt (vgl. nur Groth in: BeckOK-SozR, 73. Edition, § 18 SGB XII Rn. 2).
Eine derartige Kenntnis hatte die Beklagte im vorliegenden Fall. Denn ihr war bekannt, dass sich Bedarf und Bedürftigkeit durch den Wechsel des Aufenthaltsorts des Herrn G. nicht wesentlich änderten. Dokumentiert in der Leistungsakte der Beklagten ist ein Telefonat zwischen der dortigen Sachbearbeiterin und der Tochter des Herrn G. am 17. Juni 2016, in dem letztere auf eine Neuantragstellung im Zuständigkeitsbereich des Klägers verwiesen wurde (Bl. 498 der Leistungsakte der Beklagten). Bereits dies zeigt, dass sich die Kenntnis der Beklagten auch nach dem Ortswechsel neu manifestiert hatte, sie also nicht davon ausgehen konnte, dass mit dem Wechsel in den Haushalt der Tochter auch die Bedarfslage beendet wurde. Dementsprechend hat die Beklagte den Pflegedienst mit Schreiben vom 17. Juni 2016 über die Veränderung informiert und ihn darauf hingewiesen, dass sie – die Beklagte – ab 11. Juni 2016 keine Leistungen mehr übernehme (Bl. 501 der Leistungsakte der Beklagten). Auch dies deutet auf eine positive Kenntnis vom Fortbestehen der tatsächlichen Bedarfslage nebst weiterer Betreuung durch den bisher eingesetzten Leistungserbringer und auf das Fortbestehen der Bedürftigkeit dem Grunde nach hin.
Vor diesem Hintergrund liegt der Sachverhalt hier anders als in der von der Beklagten in Bezug genommenen Entscheidung des VG Karlsruhe vom 12. April 2019 – 8 K 7391/16. Es lässt sich dieser Entscheidung jedenfalls nicht der generelle Rechtssatz entnehmen, dass mit der Abgabe eines Hilfefalles grundsätzlich ein Wegfall der Kenntnis eintrete. Vielmehr hat das VG Karlsruhe den Rechtssatz formuliert: „§ 105 Abs. 3 SGB X erfordert die positive Kenntnis des auf Erstattung in Anspruch genommenen Jugendhilfeträgers vom Vorliegen der tatsächlichen Voraussetzungen seiner Leistungspflicht; eine Kenntnisfiktion für einen unmittelbar an die Fallabgabe anschließenden Zeitraum, etwa im Hinblick auf eine Befristung des Bewilligungsbescheides oder bis zum nächsten regelmäßigen Hilfeplangespräch, kommt mangels Rechtsgrundlage nicht in Betracht.“ Auf eine Kenntnisfiktion muss vorliegend allerdings auch nicht abgestellt werden.
Für die Zeit ab 1. November 2016, in der Herrn G. Leistungen der Hilfe zur Pflege nicht mehr durch einen Leistungserbringer erbracht worden sind, ihm vielmehr für die im Haushalt seiner Tochter geleistete Pflege vom Kläger nur noch Pflegegeld gezahlt worden ist, liegt hingegen zur Überzeugung des Senats keine Leistung in Form ambulant betreuter Wohnmöglichkeiten i.S. des § 98 Abs. 5 SGB XII mehr vor, so dass von diesem Zeitpunkt an der Kläger der zuständige Leistungsträger geworden ist und ein Erstattungsanspruch gegen die Beklagte von vornherein ausscheidet.
Denn für diesen Zeitraum ist Herrn G. überhaupt keine institutionelle Hilfe durch Leistungserbringer im häuslichen Umfeld mehr erbracht worden. Vielmehr ist Herr G. von da an durch seine Tochter und damit durch eine zum Haushalt gehörende nahe Familienangehörige gepflegt worden, ohne dass diese Pflegeleistungen dem Träger der Sozialhilfe als Betreuungsleistung zurechenbar wären. Das gewährte Pflegegeld ist eine Geldleistung (§ 10 Abs. 1 Nr. 2 SGB XII), die die pflegebedürftige Person allein beanspruchen (vgl. nur Meßling/Coseriu in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB XII, 4. Aufl. 2024, § 64a Rn. 27) und die sie nach eigener Entscheidung verwenden kann. Insbesondere eine Verpflichtung zur Weiterleitung des Pflegegeldes an die pflegende Person besteht nicht.
Zu einer Leistung, die als Hilfe in ambulant betreuten Wohnmöglichkeiten i.S. des § 98 Abs. 5 SGB XII erbracht wird, wird das Pflegegeld auch nicht durch die Regelung des § 64a Abs. 1 Satz 2 SGB XII, die Zweckverfehlungen vorbeugen und insbesondere verhindern soll, dass das geleistete Geld anderweitig als für die Pflege verwendet wird. Danach setzt der Anspruch auf Pflegegeld voraus, dass die Pflegebedürftigen die erforderliche Pflege mit dem Pflegegeld in geeigneter Weise selbst sicherstellen. Dabei spricht der Wortlaut („selbst sicherstellen“) dafür, dass der Sicherstellungsauftrag mit der Zahlung des Pflegegeldes auf den Empfänger übergeht und so lange bei ihm verbleibt, wie die Pflege tatsächlich sichergestellt ist. Eine institutionelle Einbindung des Sozialhilfeträgers, die ihm als eigene Hilfe in einer Form ambulant betreuten Wohnens zugerechnet werden könnte, findet insoweit nicht statt. Soweit die Beklagte auf Mechanismen der Qualitätssicherung nach dem Qualitätssicherungsregime des § 37 Abs. 3, 6 Sozialgesetzbuch Elftes Buch (SGB XI) hinweist, greift dieses für die Pflegegeldgewährung im SGB XII über § 64a Abs. 3 SGB XII ohnehin nur mittelbar; sofern – wie vorliegend – ausschließlich Pflegegeld nach dem SGB XII in Rede steht, greifen diese Vorschriften nicht (vgl. Klie in: Hauck/Noftz, SGB XII, § 64a Rn. 8).
Die Zahlung von Pflegegeld kann auch bei systematischer Betrachtung des Pflegerechts nicht mehr als Form ambulant betreuter Wohnmöglichkeiten angesehen werden, da das ambulante Moment der Leistungserbringung durch Dienste außerhalb stationärer Einrichtungen hier gänzlich fehlt. So unterscheidet das Pflegeversicherungsrecht nicht zwischen ambulanter, teil- und vollstationärer Pflege, sondern bewusst zwischen der Pflege im häuslichen Umfeld – und dort zwischen Pflegesachleistung und Pflegegeld – (§§ 36 ff. SGB XI), teilstationärer Pflege (§§ 41 f. SGB XI) und vollstationärer Pflege (§ 43 SGB XI). Der Begriff ambulant findet sich hingegen erst im Leistungserbringungsrecht in § 71 Abs. 1 und 2 SGB XI und definiert dort ambulante Dienste als selbständig wirtschaftende Einrichtungen, die unter ständiger Verantwortung einer ausgebildeten Pflegefachkraft Pflegebedürftige in ihrer Wohnung mit Leistungen der häuslichen Pflegehilfe i.S. des § 36 SGB XI versorgen. § 36 SGB XI wiederum betrifft allerdings nur die Pflegesachleistung und nicht das Pflegegeld, das in § 37 SGB XI gesondert geregelt ist.
Auch der Umstand, dass Herr G. in der Zeit seit dem 1. November 2016 vorübergehend parallel zur Unterbringung im häuslichen Umfeld auch teilstationär in einer Einrichtung der Tagespflege gepflegt worden ist, macht aus der häuslichen Pflege keine Form ambulant betreuten Wohnens. Dabei hat das BSG stets deutlich gemacht, dass es zwischen den einzelnen Leistungen ihrem Charakter nach deutlich differenziert und insbesondere im Hinblick auf die Zuständigkeitsregelungen des § 98 SGB XII keine erweiternde Auslegung auf teilstationäre Einrichtungen befürwortet (vgl. nur BSG, Urteil vom 23. Juli 2015 – B 8 SO 7/14 R – SozR 4-3500 § 98 Nr. 3, juris Rn. 12 ff.). Dazu würde es aber kommen, wenn man eine Leistung im häuslichen Umfeld, die nicht als Form ambulant betreuter Wohnmöglichkeiten angesehen werden kann, über eine parallel gewährte teilstationäre Leistung, die außerhalb des häuslichen Umfelds erbracht wird, zu einer solchen Wohnform umdeuten wollte.
Für den Zeitraum ab 1. November 2016 ist deshalb der Kläger der nach § 98 Abs. 1 Satz 1 SGB XII örtlich zuständige Träger, so dass ein Erstattungsanspruch von da an ausscheidet. Der im Tenor ausgewiesene Betrag betrifft den Zeitraum bis 31. Oktober 2016. Die bis dahin erbrachten Leistungen sind der Höhe nach zwischen den Beteiligten unstreitig. Soweit die Beteiligten über die Höhe der Leistungen gestritten haben – dieser Streit ist angesichts der mit Schriftsatz vom 26. August 2024 korrigierten Abrechnung des Klägers beigelegt – haben diese den Zeitraum seit 1. November 2016 betroffen, für die ein Erstattungsanspruch nach Überzeugung des Senats bereits dem Grunde nach ausscheidet.
Die Kostenentscheidung ergeht gemäß § 197a Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 SGG i.V.m. § 155 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
Der Senat lässt die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung zu (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG). Noch nicht abschließend geklärt ist u.a. die Frage, inwieweit die ambulante Pflegeleistung einer Institutionalisierung bedarf, um als Form ambulant betreuten Wohnens i.S. des § 98 Abs. 5 SGB XII gelten zu können.
Die Entscheidung über den Streitwert ergeht gemäß §§ 63 Abs. 2 Satz 1, 52 Abs. 1, Abs. 3 Satz 1 Gerichtskostengesetz (GKG). Der Beklagte hat die aufgewendeten Leistungen für den im Dezember 2021 verstorbenen Herrn G. im Schriftsatz vom 26. August 2024 mit 83.629,05 EUR beziffert. Dieser Betrag ist als Streitwert für das Berufungsverfahren zugrunde zu legen.