L 10 BA 1005/21

Land
Schleswig-Holstein
Sozialgericht
Schleswig-Holsteinisches LSG
Abteilung
10.
1. Instanz
SG Lübeck (SHS)
Aktenzeichen
S 24 BA 38/18
Datum
2. Instanz
Schleswig-Holsteinisches LSG
Aktenzeichen
L 10 BA 10005/21
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze

Zur Bewertung einer als GbR-Innengesellschaft geführten physiotherapeutischen Praxis nach den Maßgaben des § 7 SGB IV.

Ein Physiotherapeut ohne eigene Praxis und ohne eigene Zulassung nach dem SGB V übt die physiotherapeutische Tätigkeit in der Regel in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis zu dem zugelassenen Leistungserbringer aus.

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Lübeck vom 14. Juni 2021 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

 

Die Klägerin trägt die Kosten des Klage- und Berufungsverfahrens mit Ausnahme der Kosten der Beigeladenen, die diese selbst tragen.

 

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Der Streitwert des Klageverfahrens wird auf 58.836 Euro und der des Berufungsverfahrens auf 59.002 Euro festgesetzt.

 

 

Tatbestand

 

Streitig ist die Nacherhebung von Beiträgen zur Sozialversicherung.

 

Die Klägerin ist eine 1996 gegründete Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) aus zwei physiotherapeutisch tätigen Gesellschaftern, die nach § 124 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) zur Leistungserbringung zugelassen ist. Sie ist Gesellschafter der mit Gesellschaftsvertrag vom 1. September 2000 gegründeten krankengymnastischen „Gemeinschaftspraxis C_____ N_______ und M______ I_______“, zu deren Errichtung als Innengesellschaft der Gesellschaftsvertrag vom 1. September 2000 geschlossen wurde (§ 1 Gesellschaftsvertrag, im Folgenden werden nur die §§ benannt). Gesellschafter wurden neben der Klägerin die Beigeladenen zu 1) bis 3), die keine eigene Zulassung nach § 124 SGB V hatten. Die Klägerin brachte – ohne Eigentumsübertragung – eine voll eingerichtete Praxis für Physiotherapie mit dem Patientenstamm zur Gebrauchsüberlassung durch die Gesellschaft ein, stellte eingeschränkt ihre Arbeitskraft zur Verfügung und verpflichtete sich, die Praxis stets in einem gebrauchsfähigen Zustand und mit einer sachlichen und personellen Ausstattung zu erhalten und zu versehen, wie sie dem typischen Bedarf der Praxis entspreche (§ 4 Abs 1 a)). Die weiteren Gesellschafter stellten der neu gegründeten Gesellschaft ihre volle Arbeitskraft, sofern vorhanden einen eigenen Patientenstamm und Gegenstände zur Verfügung, die jeweils zu listen waren (§ 4 Abs 1 b)). Solche Listen liegen nicht vor. Jeder Gesellschafter war im Rahmen seiner beruflichen Behandlungs- und Therapietätigkeit gegenüber Patienten voll geschäftsführungsbefugt, hingegen führte die Klägerin als GbR-Gesellschafter alle anderen Geschäfte, zB betreffend die Praxisräume, -ausstattung, -personal und –leistungen, allein. Sie war nach außen alleinvertretungsbefugt, Disziplinarvorgesetzte für die Praxisangestellten der Gemeinschaftspraxis (§ 7) und bestimmte die Praxisstunden (§ 18). Die Beigeladenen zu 1) bis 3) erhielten als Gesellschafter einen Gewinnanteil iHv 70 vH der Entgeltansprüche der von ihnen erbrachten Behandlungsleistungen eines Geschäftsjahres, den Restgewinn erhielt die geschäftsführende Klägerin (§ 9 Abs 1, 2 Gesellschaftsvertrag). Die Verluste der Gesellschaft trugen die Gesellschafter gleichmäßig, Verluste im Rahmen ihrer Beitragsverpflichtung gemäß § 4 trug die Klägerin allerdings allein (§ 7 Abs 2). Jeder Gesellschafter hatte eine, die Klägerin als geschäftsführender Gesellschafter hingegen fünf Stimmen (§ 13 Abs 1). Auf die weiteren Regelungen des Gesellschaftsvertrages, insbesondere zu Vertragsschlüssen mit den Patienten und zur Beschlussfassung, wird Bezug genommen.

 

Nach durchgeführter Betriebsprüfung (§ 28p Viertes Buch Sozialgesetzbuch - SGB IV) und Anhörung der Klägerin (Anhörungsschreiben vom 26. Oktober 2017) forderte die Beklagte von der Klägerin für den Zeitraum 1. Januar 2013 bis 31. Dezember 2016 Beiträge zur Sozialversicherung und Nachzahlungen der Umlagen 1 und 2 sowie der Insolvenzgeldumlage UI sowie darauf Säumniszuschläge in Höhe von insgesamt 58.836,44 Euro nach (Bescheid vom 1. Dezember 2017). Die Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen begründete sie mit einer festgestellten abhängigen sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung der Beigeladenen zu 1) bis 3), die bei geringfügiger Beschäftigung zu einer Beitragspflicht zur Rentenversicherung für die Beigeladene zu 2) und zu einer Zahlung von Beiträgen zur gesetzlichen Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung für die Beigeladenen zu 1) und 3) führen würden. Die Beigeladenen zu 1) bis 3) seien trotz ihrer Gesellschafterstellung in den Betrieb der Klägerin eingegliedert und weisungsabhängig tätig gewesen. Die klägerische GbR-Gesellschafterin habe die Stimmenmehrheit, allein die sachlichen und personellen Mittel in die Gesellschaft eingebracht und die Gesellschafter würden nicht einzeln gegenüber den Patienten als Vertragspartner auftreten. Die Beigeladenen zu 1) bis 3) verfügten demnach nicht über eigene Arbeitsmittel und keinen entscheidenden Einfluss auf die Substanz der Praxis. Als Lohn erhielten sie 70 vH ihres Umsatzes, ohne dabei ein Unternehmerrisiko in Form eines Verlustes von eingesetztem Kapital zu tragen.

 

Ihren Widerspruch vom 15. Dezember 2017 begründete die Klägerin zusammengefasst damit, dass die Rechtsform der Zusammenarbeit und die getroffenen und tatsächlich gelebten Regelungen des Gesellschaftsvertrages nicht zutreffend gewürdigt worden seien. Die Erbringung von Heilmitteln nach dem SGB V sei nicht entscheidend. Insoweit liege keine örtliche oder fachliche Weisungsgebundenheit der Beigeladenen zu 1) bis 3) vor. Den Widerspruch wies die Beklagte zurück (Widerspruchsbescheid vom 30. August 2018).

 

Dagegen hat die Klägerin am 2. Oktober 2018 vor dem Sozialgericht (SG) Lübeck Klage erhoben und zur Begründung ihre Argumentation wiederholt und vertieft. Mit Bescheid vom 11. Oktober 2018 hat die Beklagte die Beitragsnachforderung auf 59.205,39 Euro erhöht, da die Beigeladene zu 3) nicht bei der Barmer, sondern bei der IKK gesetzlich krankenversichert gewesen ist und die Beitragssätze zur Umlage höher gewesen sind als sie bisher für eine Mitgliedschaft bei der Barmer einberechnet worden sind.

 

Im Termin zur mündlichen Verhandlung hat das Sozialgericht die Beigeladenen zu 1) bis 3) und die Gesellschafter der Klägerin zu der Ausstattung der Praxis und den Abläufen gehört. Die Nutzung der sechs Praxisräume erfolgte danach ohne Raumbuchungssystem, aber gleichwohl reibungslos abgestimmt. Jeder Gesellschafter hatte jederzeit Zugang zur Praxis. Im Betriebsablauf übernahmen alle Gesellschafter entsprechend der Qualifikation je nach Verfügbarkeit die Telefonate mit (Erst-)Patienten, die Terminabstimmung, die Prüfung der Rezepte, die Behandlung und deren Dokumentation sowie die Vorbereitung der Abrechnung für die Klägerin. Die Kartei aller Patienten wurde gemeinsam alphabetisch geführt. Vertretung wurde nur ausnahmsweise bei Akutpatienten übernommen. Langfristige Vertretungen wurden intern aufgefangen. Für die weiteren Einzelheiten wird auf das Protokoll vom 14. Juni 2021 Bezug genommen.

 

Das SG hat der Klage mit Urteil vom 14. Juni 2021 stattgegeben und den Beitragsbescheid der Beklagten aufgehoben. Aufgrund der Regelungen zur einstimmigen Beschlussfassung in § 13 Abs 3 des Gesellschaftsvertrages hätten die Beigeladenen zu 1) bis 3) entscheidenden Einfluss auf die Geschicke der Gesellschaft gehabt. Ferner spreche der Ablauf in der Praxis nicht für eine eingegliederte und weisungsgebundene abhängige Beschäftigung, sondern vielmehr für eine selbständige Tätigkeit der Beigeladenen zu 1) bis 3). Der Umstand, dass sie selbst ihre Leistungen nicht nach dem SGB V abrechnen konnten, spreche nicht gegen eine selbständige Tätigkeit.

 

Gegen das Urteil (zugestellt am 16. August 2021) richtet sich die am 16. September 2021 eingegangene Berufung der Beklagten. Zur Begründung verweist sie auf ihre Entscheidungen und vertieft einzelne Aspekte.

 

Die Beklagte beantragt,                    

 

das Urteil des Sozialgerichts Lübeck vom 14. Juni 2021 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

 

Die Klägerin beantragt,                     

 

            die Berufung zurückzuweisen.

 

Die Klägerin hat sich im Berufungsverfahren nicht schriftlich geäußert.

 

Die Beigeladenen haben im Berufungsverfahren keine Anträge gestellt und nicht zur Sache vorgetragen.

 

Dem Senat haben die Verwaltungsvorgänge der Beklagten und die Gerichtsakten vorgelegen. Für die weiteren Einzelheiten wird auf die aktenkundigen Unterlagen und Schriftsätze der Beteiligten Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

 

Die Berufung der Beklagten ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht (§ 151 Abs 1 Sozialgerichtsgesetz – SGG) eingegangen, und begründet.

 

1. Streitgegenstand des Verfahrens in beiden Instanzen ist der Bescheid der Beklagten vom 1. September 2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. August 2018 in Gestalt des Änderungsbescheides vom 11. Oktober 2018 nur betreffend die Feststellung der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung und Beitragsnacherhebung für die Beigeladenen zu 1) bis 3). Da der Widerspruch und die Klage nur damit begründet wurde, die Beitragsnacherhebung für die Beigeladenen zu 1) bis 3) sei fehlerhaft, weil diese selbständig tätig gewesen seien, sind die Umlagenachforderungen für die unstreitig abhängig Beschäftigten – wie von den Beteiligten zutreffend angenommen – nicht verfahrensgegenständlich und der Bescheid ist insoweit nach § 77 SGG bestandskräftig geworden.

 

2. Da die vom SG ohne Mitwirkung einer Partei vorgenommene Änderung des Aktivrubrums keine bloße Berichtigung (§ 138 SGG) war, sondern zu einer Änderung des klagführenden Beteiligten führte, eine solche jedoch eine Klageänderung iSv § 99 SGG darstellt, wurde für die Klägerseite im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat zutreffend zu Protokoll erklärt, dass nicht die Gesellschafter der Klägerin, sondern die klagende GbR-Gesellschafterin der mit Vertrag vom 1. September 2000 gegründeten Gemeinschaftspraxis Aktivpartei des Verfahrens sein soll.

 

Diese Klageänderung wird seitens des Senats für sachdienlich iSv § 99 Abs 1 SGG gehalten und ist auch in der Sache zutreffend. Denn die Auslegung des Bescheides der Beklagten vom 1. Dezember 2017 in Gestalt des Widerspruchs- und Änderungsbescheides ergibt, dass die Beklagte die klagende GbR-Gesellschafterin als Arbeitgeber der Beigeladenen zu 1) bis 3) und Haftungsschuldner gemäß § 28p Abs 1 Satz 5 SGB IV in Anspruch genommen hat. Das ergibt sich bereits daraus, dass sie in der Begründung das „Verhältnis zwischen Praxis und den Mitgesellschaftern“ beschreibt und bewertet, jedoch ihrer Prüfung erkennbar nicht zugrundelegt, dass es neben einem Gesellschaftsvertrag vom 1. September 2000 für die Gründung der Innengesellschaft auch ein weiteres Vertragsverhältnis zwischen dieser neu gegründeten Gemeinschaftspraxis und den Beigeladenen zu 1) bis 3) als Arbeitnehmer gab (zur Möglichkeit einer solchen Konstellation siehe Hessisches Landessozialgericht, Urteil vom 28. Juli 2022 – L 8 BA 18/21 – juris Rn 32 mwN; BSG, Urteil vom 26. Januar 2022 – B 6 KA 2/21 R  juris Rn 62, 63 mwN). Ein an eine GbR gerichteter Betriebsprüfungs- und Haftungsbescheid kann allerdings nur von dieser, dagegen nicht von den Gesellschaftern angefochten werden (vgl Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 25. Januar 2012 – L 8 R 67/09 – juris Rn 29 mwN; Beteiligtenfähigkeit einer GbR BSG, Urteil vom 26. Januar 2022 – B 6 KA 2/21 R – juris Rn 15), so dass nach Auslegung des Bescheides die Änderung des Klagerubrums vorzunehmen war. Die Sachurteilsvoraussetzungen der Anfechtungsklage, insbesondere jeweils fristgerecht eingereichter Widerspruch (§ 84 Abs 1 Satz 1 SGG) und Klage (§ 87 Abs 1 SGG), sind weiterhin erfüllt.

 

3. Rechtsgrundlage für den verfahrensgegenständlichen Bescheid ist § 28p Abs 1 Satz 1 und Satz 5 SGB IV. Danach prüfen die Träger der Rentenversicherung bei den Arbeitgebern, ob diese ihre Meldepflichten und ihre sonstigen Pflichten nach dem SGB IV, die im Zusammenhang mit den Gesamtsozialversicherungsbeiträgen bestehen, ordnungsgemäß erfüllen; sie prüfen insbesondere die Richtigkeit der Beitragszahlungen und der Meldungen (§ 28a SGB IV) mindestens alle vier Jahre. Die Träger der Rentenversicherung erlassen nach Satz 5 dieser Vorschrift im Rahmen der Prüfung Verwaltungsakte zur Versicherungspflicht und Beitragshöhe in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung einschließlich der Widerspruchsbescheide gegenüber den Arbeitgebern; insoweit gelten § 28h Abs 2 SGB IV sowie § 93 iVm § 89 Abs 5 SGB X nicht. Mit dem letzten Halbsatz ist klargestellt, dass die Zuständigkeit der Träger der Rentenversicherung – abweichend von den nach § 28h Abs 2 Satz 1 SGB IV für solche Feststellungen zuständigen Einzugsstellen – besteht.

 

Für alle Zweige gilt § 7 Abs 1 Satz 1 SGB IV. Nach § 7 Abs 1 Satz 1 SGB IV ist Beschäftigung die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis (§ 7 Abs 1 S 1 SGB IV); Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers (§ 7 Abs 1 S 2 SGB IV).

 

Unter Berücksichtigung der allgemeinen Grundsätze für die Abgrenzung einer abhängig ausgeübten Beschäftigung von einer selbständigen Tätigkeit <dazu a)> sowie der Bewertung von Gesellschaftsverträgen für eine GbR unter dem Gesichtspunkt sozialversicherungsrechtlicher Regelungen <dazu b)> und der Besonderheiten einer im Gesundheitswesen ausgeübten beruflichen Tätigkeit <dazu c)> geht der Senat davon aus, dass die Beigeladenen zu 1) bis 3) ihre jeweilige Tätigkeit als Physiotherapeutin in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis zur Klägerin ausübten. Die einzelnen Vereinbarungen im Gesellschaftsvertrag vom 1. September 2000 zu Gründung der Innengesellschaft wurden zwischen der Klägerin und den Beigeladenen zu 1) bis 3) umgesetzt und ergänzend gelebt. Allerdings bildeten der Gesellschaftsvertrag und die gelebten Verhältnisse ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis zwischen der klagenden GbR-Gesellschafterin und den Beigeladenen zu 1) bis 3) ab.

 

a) Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Diese Weisungsgebundenheit kann - vornehmlich bei Diensten höherer Art - eingeschränkt und zur "funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess" verfeinert sein. Demgegenüber ist eine selbständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand beschäftigt oder selbständig tätig ist, richtet sich ausgehend von den genannten Umständen nach dem Gesamtbild der Arbeitsleistung und hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen. Die Zuordnung einer Tätigkeit nach deren Gesamtbild zum rechtlichen Typus der Beschäftigung bzw der selbständigen Tätigkeit setzt dabei voraus, dass alle nach Lage des Einzelfalls als Indizien in Betracht kommenden Umstände festgestellt, in ihrer Tragweite zutreffend erkannt und gewichtet, in die Gesamtschau mit diesem Gewicht eingestellt und nachvollziehbar, dh den Gesetzen der Logik entsprechend und widerspruchsfrei gegeneinander abgewogen werden.

 

Zur Abgrenzung von Beschäftigung und Selbständigkeit ist regelmäßig vom Inhalt der zwischen den Beteiligten getroffenen Vereinbarungen auszugehen. Dazu haben Verwaltung und Gerichte zunächst deren Inhalt konkret festzustellen. Liegen schriftliche Vereinbarungen vor, so ist neben deren Vereinbarkeit mit zwingendem Recht auch zu prüfen, ob mündliche oder konkludente Änderungen erfolgt sind. Diese sind ebenfalls nur maßgebend, soweit sie rechtlich zulässig sind. Schließlich ist auch die Ernsthaftigkeit der dokumentierten Vereinbarungen zu prüfen und auszuschließen, dass es sich hierbei um einen bloßen "Etikettenschwindel" handelt, der uU als Scheingeschäft iS des § 117 BGB zur Nichtigkeit dieser Vereinbarungen und der Notwendigkeit führen kann, ggf den Inhalt eines hierdurch verdeckten Rechtsgeschäfts festzustellen. Erst auf Grundlage der so getroffenen Feststellungen über den (wahren) Inhalt der Vereinbarungen ist eine wertende Zuordnung des Rechtsverhältnisses zum Typus der Beschäftigung oder selbständigen Tätigkeit vorzunehmen und in einem weiteren Schritt zu prüfen, ob besondere Umstände vorliegen, die eine hiervon abweichende Beurteilung notwendig machen. Die Abgrenzung zwischen Beschäftigung und Selbständigkeit erfolgt dabei nicht abstrakt für bestimmte Berufs- und Tätigkeitsbilder. Es ist daher möglich, dass ein und derselbe Beruf – je nach konkreter Ausgestaltung der vertraglichen Grundlagen in ihrer gelebten Praxis – entweder in Form der Beschäftigung oder als selbständige Tätigkeit erbracht wird. Maßgebend sind stets die konkreten Umstände des individuellen Sachverhalts. Bestehen Divergenzen zwischen der Vertragsdurchführung und der Vereinbarung, geht die gelebte Praxis der formellen Vereinbarung grundsätzlich vor (vgl BSG, Urteil vom 24. März 2016 – B 12 KR 20/14 R –– juris Rn 13 – 14, 25; BSG, Urteil vom 4. Juni 2019 – B 12 R 11/18 R – mwN).

 

Dabei geht der erkennende Senat in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass regelmäßig ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis vorliegt, wenn ein Auftragnehmer für einen Auftraggeber wie „ein Rädchen im Getriebe“ Tätigkeiten ausübt, die unmittelbar nur dazu dienen, den Betriebszweck des Auftraggebers zu erfüllen, mit dem dieser Waren verkauft oder Dienstleistungen erbringt und im jeweiligen Geschäftszweig Dritten gegenüber auftritt (vgl Urteile des Senats vom 29. Juni 2021 – L 10 KR 31/18; vom 27. Juli 2021 – L 10 KR 205/17 und L 10 BA 44/18; vom 21. Juni 2022 – L 10 KR 21/10). Hinsichtlich der geprüften physiotherapeutischen Praxis ist dabei von einer derartigen Konstellation auszugehen.

 

b) Es ist zwar allgemein anerkannt, dass GbR-Gesellschafter in dieser Rolle selbständig sind (Hessisches Landessozialgericht, Urteil vom 28. Juli 2022 – L 8 BA 18/21 – juris Rn 31 mwN). Diese Sichtweise haben die Klägerin als GbR-Gesellschafterin und die Beigeladenen zu 1) bis 3) als weitere Gesellschafter offenbar ihrem Vertrag zur Gründung der Gemeinschaftspraxis vom 1. September 2000 zugrunde gelegt. Ausgehend von dem Gesellschaftsvertrag vom 1. September 2000 waren die klagende GbR-Gesellschafterin und die Beigeladenen zu 1) bis 3) jedoch (nur) in einer GbR als Innengesellschaft vertraglich verbunden. Das war auch noch im Prüfzeitraum vom 1. Januar 2013 bis 31. Dezember 2016 der Fall. Soweit in § 1 Abs 1 des Gesellschaftsvertrages vom 1. September 2000 ein Auftreten der Gesellschaft als Außengesellschaft erst nach erfolgter Zulassung (Kassenzulassung), vorgesehen war, ist dieser Umstand nicht eingetreten. Das wird auch dadurch dokumentiert, dass im Januar 2017 noch mit einem Stempel der „Gemeinschaftspraxis C_____ N_______ und M_____ I_________“ gezeichnet wurde (Antwortschreiben vom 23. Januar 2017, Bl I 167 Verwaltungsvorgänge der Beklagten). Es verblieb bei einer Innengesellschaft.

 

aa) Wenn jedoch in einem Vertrag zur Gründung einer Gemeinschaftspraxis in der Rechtsform einer GbR-Innengesellschaft von außen erkennbar der Wille der Beteiligten zur Vermeidung eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses hervor tritt, ist zu bedenken, dass das Vorliegen eines Beschäftigungsverhältnisses mit der daraus folgenden Sozialversicherungspflicht (und den daraus ebenfalls folgenden gesetzlichen Arbeitnehmerrechten) nicht zur vertraglichen Disposition der Beteiligten steht (vgl Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 23. November 2016 – L 5 R 1176/15 – juris Rn 57, 75 - 77). Ein solcher Wille tritt zur Überzeugung des Senats in dem Gesellschaftsvertrag vom 1. September 2000 hervor. Die Beigeladenen zu 1) bis 3) waren in den Betrieb der Klägerin eingegliedert und wurden auch – wenngleich abgeschwächt – weisungsgebunden tätig.

 

bb) Nach dem Gesellschaftsvertrag stellte die Klägerin eine voll eingerichtete Praxis für Physiotherapie mit Patientenstamm zur Nutzung zur Verfügung, für die sie auch allein die Instandhaltungspflicht übernommen hatte. Für das Tagesgeschehen im Betriebsablauf der physiotherapeutischen Praxis war die Klägerin alleinvertretungs- und geschäftsführungsbefugt sowie Disziplinarvorgesetzte für die Praxisangestellten. Bei Beschlussfassungen hatte sie fünf Stimmen, die Beigeladenen zu 1) bis 3) jedoch nur jeweils eine, so dass sie bei allen Beschlüssen, die nicht nach § 13 Abs 4 des Gesellschaftsvertrages einstimmig zu treffen waren, eine entscheidende Stimmenmehrheit hatte. Eine solche Stimmenmehrheit wurde für nicht einstimmig erzielte Beschlüsse betreffend den Substanzwert, dh die Praxisräume, -ausstattung und Kundenstamm, sogar explizit vereinbart (§ 13 Abs 3). Die Beigeladenen zu 1) bis 3) brachten hingegen (nur) ihre Arbeitskraft in den Betriebsablauf ein, hatten jedoch für alle Angelegenheiten, die den Betriebsablauf der physiotherapeutischen Praxis betrafen, durch ihr Stimmrecht keine entscheidenden bzw unternehmerischen Einflussmöglichkeiten. Die in § 13 Abs 4 für eine einstimmige Beschlussfassung vorgesehenen Geschäfte betrafen nicht den physiotherapeutischen Betriebsablauf und das hierfür erforderliche Inventar, weil die Klägerin dafür nach § 4 Abs 1a des Gesellschaftsvertrages allein sicherstellungsverpflichtet war und demzufolge auch die Verluste trug. Die Regelung über eine gleichmäßige Verlustverteilung auf alle Gesellschafter nach § 7 Abs 2 hat daher faktisch keinen Anwendungsbereich, der die Beigeladenen zu 1) bis 3) mit einem Verlustrisiko als Unternehmerrisiko treffen könnte. Auch im Übrigen riskierten die Beigeladenen zu 1) bis 3) keinen Verlust eingesetzten Kapitals. Der Verlust von Einnahmen für erbrachte Leistungen, wenn ein fehlerhaftes Rezept nicht abgerechnet werden kann, ist kein entscheidendes Unternehmerrisiko. Die Abrede mag ungewöhnlich sein, führt jedoch nicht als prägendes Indiz zur Annahme einer selbständigen Tätigkeit der Beigeladenen zu 1) bis 3) (vgl zur Bewertung solcher Umstände auch Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 23. November 2016 – L 5 R 1176/15 – juris Rn 75 - 77). Im Gegenteil spricht für deren abhängige Beschäftigung bei der Klägerin, dass sie nur für den Einsatz ihrer Arbeitskraft mit einem Anteil von 70 vH an den von ihnen erbrachten Leistungen am Umsatz der Praxis beteiligt und insoweit auch in die Abrechnungsstruktur der Praxis der Klägerin eingegliedert waren. Diese Einnahmen bewertete die Beklagte zutreffend als Arbeitsentgelt für Arbeitsleistungen. Die Klägerin erhielt hingegen sämtlichen Restgewinn, auch 30 vH aus den Arbeitsleistungen der Beigeladenen zu 1) bis 3). Auch der Einsatz von Kleininventar (§ 4 Abs 1 b) Satz 4) genügt, wenn es denn ohne die vereinbarte Liste eingebracht worden sein sollte, für die Annahme eines Unternehmerrisikos nicht. Sofern besondere Anforderungen oder Maßnahmen zwischen den Beigeladenen zu 1) bis 3) und der Klägerin bisher einvernehmlich bewältigt wurden, ist nicht von Bedeutung; maßgeblich ist, was gilt, wenn, aus welchen Gründen auch immer, kein Einvernehmen mehr herrschen sollte (näher: BSG, Urteil vom 29. August 2012 - B 12 KR 25/10 R - und – B 12 R 14/10 R -, jeweils in juris, zur so genannten „Schönwetterselbständigkeit“).

 

Als Indiz für eine selbständige Tätigkeit und damit gegen eine Eingliederung kann die Klägerin vorliegend nicht geltend machen, alle Gesellschafter hätten einen eigenen Patientenstamm mit der Folge, dass auch die Beigeladenen zu 1) bis 3) jeweils eigene Patienten als Kunden ihres eigenen Unternehmens hätten. Bereits im Gesellschaftsvertrag war nicht vorgesehen, dass die jeweils behandelnden Gesellschafter die Verträge mit den Patienten abschlossen. Vertragspartner sollte insoweit die mit Gesellschaftsvertrag vom 1. September 2000 gegründete Gesellschaft sein. Diese trat jedoch im streitigen Zeitraum nicht nach außen auf. Angesichts dessen, dass nur die klagende GbR-Gesellschafterin über eine Zulassung nach dem SGB V verfügte und allein vertretungs- und geschäftsführungsbefugt war, die Beigeladenen zu 1) bis 3) hingegen nicht, rechnete auch nur die Klägerin die Leistungen aller Gesellschafter mit den Kostenträgern und den Patienten ab. Folglich handelte es sich bei dem Patientenstamm, den alle Gesellschafter in einer gemeinsamen Patientenkartei führten, um einen Patientenstamm der Klägerin mit der Folge, dass jede Physiotherapeutin – auch die Beigeladenen zu 1) bis 3) –, die einen dieser Patienten betreute, Patienten der Klägerin behandelte und dadurch „wie ein Rädchen im Getriebe“ in deren Betriebsablauf eingegliedert war. Sie traten nicht selbständig als Dienstleisterin auf dem Gesundheitsmarkt auf.

 

Wenn Physiotherapeuten – wie vorliegend für die Beigeladenen zu 1) bis 3) festgestellt – keine eigene Betriebsstätte haben, hingegen der Praxisbetreiber nach außen verantwortlich auftritt, die Massageliegen und sonstige Arbeitsmittel zur Verfügung stellt, die Leistungen finanziell abwickelt und so organisatorisch wesentlich in die Hand nimmt, der Physiotherapeut die Leistungen im Namen des Praxisbetreibers ausführt und er nicht unabhängig von seinem Arbeitseinsatz am Gewinn der Praxis beteiligt ist, sprechen diese Umstände für eine Eingliederung in einen fremden Betriebsablauf und damit für eine abhängige Beschäftigung des Therapeuten (vgl BSG, Urteil vom 24. März 2016 – B 12 KR 20/14 R – juris Rn 20; Bayerisches Landessozialgericht, Urteil vom 30. September 2020 – L 6 BA 76/18 – juris Rn 31-34; Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 17. März 2023 – L 2 BA 39/22 – juris Rn 71-74).

 

c) Dagegen kann die Klägerin nicht erfolgreich einwenden, dass bei der Ausübung der physiotherapeutischen Tätigkeit gegenüber gesetzlich krankenversicherten Patienten keine Weisungsbefugnis des zugelassenen Leistungserbringers gegenüber dem behandelnden Therapeuten erforderlich sei, um Leistungen erbringen und abrechnen zu können.

 

Zwar determinieren die Regelungen des Leistungs- und Leistungserbringerrechts nach dem SGB V für die berufliche Tätigkeit als Physiotherapeut nicht, dass der Physiotherapeut zu der Praxis in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis stehen muss. Insoweit fehlt der Regelung des Leistungserbringerrechts in § 124 ff SGB V eine über das Leistungs- und Leistungserbringerrecht der GKV hinausgehende "übergeordnete" Wirkung auch bezogen auf die sozialversicherungs- und beitragsrechtliche Rechtslage in Bezug auf die konkret tätig werdenden Personen. Solche regulatorischen Vorgaben des Leistungs- und Leistungserbringerrechts können jedoch bei der Gewichtung der Indizien berücksichtigt werden (BSG, Urteil vom 24. März 2016 – B 12 KR 20/14 R – juris Rn 28; BSG, Beschluss vom 12. Januar 2022 – B 12 R 26/21 B – juris Rn 11 zu Heilmittelerbringern; BSG, Urteil vom 7. Juni 2019 – B 12 R 6/18 R – juris Rn 25 zu stationären Pflegeeinrichtungen; BSG, Urteil vom 4. Juni 2019 – B 12 R 11/18 R – juris Rn 26 zum Konsiliararztvertrag). Wenn eine Heilmittel erbringende Praxis im streitbefangenen Zeitraum aufgrund ihrer Zulassung nach § 124 SGB V ihre Leistungen an GKV-Versicherten nur nach Maßgabe der nach § 125 Abs 2 Satz 1 SGB V (in der hier maßgeblichen Fassung durch Gesetz vom 17. März 2009) abgeschlossenen Verträge zwischen den Krankenkassen bzw deren Verbänden und den Leistungserbringern bzw deren Verbänden und unter Berücksichtigung der Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Verordnung von Heilmitteln in der vertragsärztlichen Versorgung (HeilM-RL, vorliegend maßgeblich in der am 1. Juli 2011 bzw 4. August 2016 in Kraft getretenen Fassung), erbringen und zu den vereinbarten Leistungsentgelten abrechnen konnte, wurde dem zugelassenen Leistungserbringer jedoch eine Gesamtverantwortung übertragen, die in einem gewissen Umfang zur Eingliederung und Weisungsgebundenheit der Therapeuten führte (so dem Grunde nach auch Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 17. März 2023 – L 2 BA 39/22 – juris Rn 71-74; Bayerisches Landessozialgericht, Urteil vom 30. September 2020 – L 6 BA 76/18 – juris Rn 31).

 

Solche bei der Erbringung und Abrechnung von Leistungen zu beachtenden und in der Gesamtverantwortung des zugelassenen Leistungserbringers liegenden Vorgaben waren zB die Bindung des Therapeuten an die Verordnung (§ 3 Abs 1 Satz 2 HeilM-RL) und die Kooperation mit dem verordnenden Arzt (§ 14 HeilM-RL). Der Physiotherapeut kann insoweit nicht selbständig über eine bedarfsorientierte Behandlung des Versicherten entscheiden.

 

Dass die Beigeladenen zu 1) bis 3) die physiotherapeutische Tätigkeit am Patienten zum vereinbarten Zeitpunkt nach § 6 frei von (Fach-)Weisungen der Klägerin verrichteten, ist hingegen kein gewichtiges Indiz für eine Selbständigkeit. Insoweit befähigt eine Berufsausbildung zum Physiotherapeuten zum Anwenden (im Einzelfall) geeigneter Verfahren (§ 8 Gesetz über die Berufe in der Physiotherapie). Ein solches Merkmal prägt das Berufsbild unabhängig von ihrem sozialversicherungsrechtlichen Status (vgl BSG, Urteil vom 7. Juni 2019 – B 12 R 6/18 R – juris Rn 24 zur Pflegefachkraft). Die in nur geringem Umfang erforderliche Weisungsbefugnis bei der konkreten Behandlung des Patienten wird jedoch durch die Notwendigkeit zu erteilender Weisungen zur Sicherstellung der Abrechenbarkeit der Leistungen nach dem SGB V aufgewogen und überlagert. An der Abrechenbarkeit aller erbrachten Leistungen hatten nicht nur die Beigeladenen zu 1) bis 3) ein Interesse („Gewinnanteil“ 70 vH), sondern auch die Klägerin selbst, um 30 vH der erfolgreich gezahlten Vergütung der Krankenkassen und Privatpatienten selbst als „Restgewinn“ zur Finanzierung und Aufrechterhaltung der Praxisstruktur zu erhalten. Um dieses Interesse durchsetzen zu können, musste sie im Zweifel auf die Einhaltung relevanter Vorgaben auch durch die Beigeladenen zu 1) bis 3) hinwirken können.

 

4. Zur Beitragshöhe für die Beigeladenen zu 1) bis 3) wurden keine Einwände vorgebracht und sind auch von Amts wegen keine Rechtsanwendungs- oder Rechenfehler erkennbar. Bei der mit dem Änderungsbescheid vom 18. Oktober 2018 vorgenommenen Erhöhung der Umlagenabgabe für die Beigeladene zu 3) handelte es sich um eine Änderung eines Berechnungselementes, das sich auf den Tenor des Änderungsbescheides auswirkte (vgl zu einer solchen Abgrenzung: BSG, Urteil vom 6. März 2024 – B 6 KA 2/23 R – juris Rn 22). Als Rechtsgrundlage benannte die Beklagte zutreffend § 45 SGB X. Dabei ging die Beklagte zutreffend davon aus, dass die Klägerin nach § 45 Abs 2 Nr 2 SGB X keinen Vertrauensschutz geltend machen kann, da die Klägerin ihren Arbeitgeberpflichten insgesamt nicht nachgekommen ist. Dabei ist es nicht von Bedeutung, für welche Krankenkasse die (Nach-)Meldung unterblieben ist.

 

5. Die Klägerin hat sich – zutreffend – nicht auf Verjährung berufen. Ausgehend von der 4-jährigen Verjährungsfrist des § 25 Abs 1 Satz 1 SGB IV sind Beitragszahlungspflichten der Klägerin für die Jahre 2013 bis 2016 am 1. Dezember 2017 nicht verjährt. Vorsatz iSv § 25 Abs 1 Satz 2 SGB IV ist daher nicht zu prüfen.

 

6. Nach alledem war auf die Berufung der Beklagten das klagstattgebende Urteil des SG Lübeck aufzuheben und die Klage abzuweisen.

 

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Halbs 3 SGG iVm den §§ 154 Abs 1, 162 Abs 3 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).

 

Gründe für die Zulassung der Revision (§ 161 Abs 2 SGG) liegen nicht vor. Der Senat weicht nicht von der Rechtsprechung des BSG ab. Ebenso wie in anderen Verfahren zu entschiedenen Nichtzulassungsbeschwerden (BSG, Beschluss vom 12. Januar 2022 – B 12 R 26/21 B – juris; Beschluss vom 17. Juli 2024 – B 12 BA 27/23 B – juris) waren keine weitergehenden Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung zu klären.

 

Die Festsetzung des Streitwerts für das Berufungsverfahren folgt aus der Anwendung von § 197a Abs 1 Satz 1 Halbs 1 SGG iVm den §§ 47 Abs 1 Satz 1, 52 Abs 1 Gerichtskostengesetz (GKG) und entspricht der im Berufungsverfahren streitbefangenen Beitragsnachforderung. Die Änderung der Streitwertfestsetzung für das erstinstanzliche Verfahren berücksichtigt § 40 GKG (Wertberechnung zum Zeitpunkt des Eingangs der Klage, dh ohne den Änderungsbescheid) und beruht auf § 63 Abs 3 Nr 2 GKG.

Rechtskraft
Aus
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