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Gründe
1.
Die Antragstellerin begehrt einstweiligen Rechtsschutz wegen der ihr bereits von der Antragsgegnerin bewilligten, aber noch nicht ausgezahlten Rente wegen voller Erwerbsminderung.
Die Antragsgegnerin ist Trägerin der gesetzlichen Rentenversicherung nach dem Sechsten Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI). Als deren versicherungspflichtiges Mitglied beantragte die Antragstellerin am 26.11.2024 die Bewilligung einer Reha.
Während dieses laufenden Rentenverfahrens bezog die Antragstellerin von der Agentur für Arbeit Arbeitslosengeld aufgrund eines Bewilligungsbescheides vom 22.10.2024 in Höhe von kalendertäglich 44,20 €.
Anlässlich der sozialmedizinischen Feststellung eines aufgehobenen beruflichen Restleistungsvermögens unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes stimmte die Antragstellerin am 15.04.2025 gegenüber einem nicht am Verfahren beteiligten anderen Rentenversicherungsträger der Umdeutung ihres Reha-Antrags in einen Antrag auf Bewilligung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung zu, wovon die Antragsgegnerin am 22.04.2025 Kenntnis erlangte.
Anlässlich dessen hob die Agentur für Arbeit mit einem am 30.04.2025 bekannt gegebenen Aufhebungsbescheid vom 23.04.2025 mit Wirkung zum 28.04.2025 die vormalige Bewilligung des Arbeitslosengeldes auf. Den deswegen angebrachten Eilantrag der Antragstellerin lehnte das Sozialgericht Karlsruhe unter dem Aktenzeichen S 5 AL 1243/25 ER mit Beschluss vom 19.05.2025 im Wesentlichen ab und gab ihm nur dahingehend statt, dass es die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin gegen den Aufhebungsescheid vom 23.4.2025 anordnete, soweit die Antragsgegnerin die Bewilligung von Arbeitslosengeld auch für die Zeit vom 28. – 30.4.2025 aufgehoben hatte, obschon der Aufhebungsbescheid wohl erst am 30.04.2025 bei der Antragstellerin zugegangen war.
Weil sie ihren Angaben gegenüber dem Gericht zufolge im Mai 2025 infolge der Einstellung der Arbeitslosengeldzahlungen über keinerlei eigenes (Erwerbs-)Einkommen verfügte und ihr zum Monatsende die Zahlungsunfähigkeit drohte, ersuchte die Antragstellerin am 22.05.2025 das Sozialgericht Karlsruhe erneut um einstweiligen Rechtsschutz (S 12 R 1361/25). Hier beantragt sie sinngemäß in einer sachdienlichen Fassung durch das Gericht,
die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihr Geldleistungen in Höhe einer Rente wegen voller Erwerbsminderung nach § 43 SGB VI zu gewähren.
Die Antragsgegnerin hat keinen Sachantrag gestellt, aber wörtlich mitgeteilt:
„Dem Antrag auf Einstweiligen Rechtsschutz wird stattgegeben. Die zuständige Fachabteilung wurde angewiesen, einen vorläufigen Rentenbescheid entsprechend den gesetzlichen Vorschriften zu erteilen. Auf die Übersendung der Verwaltungsakten wird, das Einverständnis des Sozialgerichts voraussetzend, zunächst verzichtet.“
Ankündigungsgemäß bewilligte die Antragsgegnerin der Antragstellerin durch Rentenbescheid vom 30.05.2025 eine befristete Rente wegen voller Erwerbsminderung ab 01.04.2025 bis 30.06.2026 in Höhe von 1.330,08 € brutto. Zugleich kündigte die Antragsgegnerin darin eine laufende monatliche Auszahlung von 1.155,18 € direkt an die Antragstellerin (nebst zusätzlichen Beitragszahlungen zur Kranken- und Pflegeversicherung an Dritte) ab dem 01.07.2025 sowie eine Nachzahlung für die Zeit vom 01.04.2025 bis zum 30.06.2025 an. Wegen dieser Nachzahlung teilte die Antragsgegnerin der Antragstellerin indes mit, dass sie vorläufig nicht ausgezahlt werde, weil zunächst Ansprüche anderer Stellen (z. B. der Krankenkasse, der Agentur für Arbeit, der Träger der Sozialhilfe, der Arbeitgeber, der Versicherungsträger im Ausland) zu prüfen seien.
Wegen des weiteren Sachverhalts und Vorbringens wird auf den Inhalt der Prozessakten S 12 R 1361/25 und S 5 AL 1243/25 ER Bezug genommen.
2.
Der zulässige Antrag ist überwiegend begründet.
Gemäß § 86b Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (Sicherungsanordnung). Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Anordnung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Regelungsanordnung). Der Erlass einer solchen einstweiligen Anordnung setzt voraus, dass der Antragsteller das Bestehen eines Anordnungsanspruchs und eines Anordnungsgrundes glaubhaft macht, § 86 b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 1, 2 der Zivilprozessordnung (ZPO). Der Anordnungsanspruch erfordert die Begründetheit des materiellen Rechts. Ein Anordnungsgrund ist gegeben, wenn bei Abwägung aller betroffenen Interessen die Entscheidung in der Hauptsache nicht abgewartet werden kann, weil schwere, unzumutbare, nicht anders abwendbare Nachteile drohen (SG Karlsruhe, Beschluss vom 8. Mai 2025 – S 12 R 1202/25 ER –, Rn. 5, juris).
Im Verfahren S 12 R 1361/25 hat die Antragstellerin einen Anordnungsanspruch auf eine fällige Geldleistung in Höhe von 2.068,50 € glaubhaft gemacht.
Aufgrund des Bewilligungsbescheides der Antragsgegnerin vom 30.05.2025 kann sie von der Antragsgegnerin eine Nachzahlung wegen ihres Anspruchs auf eine Rente wegen voller Erwerbsminderung für die Zeit vom 01.04.2025 bis zum 30.06.2025 in Höhe von monatlich 1.155,18 € brutto verlangen, der sich für die drei Monate zu einer Gesamtsumme von 3.394,50 € summiert.
Hiergegen kann die Antragsgegnerin wohl nur einwenden, dass sie zunächst Ansprüche anderer Stellen in Höhe von 1.326,- € befriedigen muss, weshalb ein einstweiliger Nachzahlungsanspruch in Höhe der Differenz (aus 3.394,50 € - 1.326,- € = 2.068,50 €) glaubhaft gemacht ist.
Ansprüche anderer Stellen dürften im Leistungsfall der Antragstellerin nämlich nur bestehen, soweit ihr die Agentur für Arbeit aufgrund des Bewilligungsbescheides vom 22.10.2024 und des Beschlusses des Sozialgerichts Karlsruhe vom 19.05.2025 für die 30 Kalendertage des Monats April 2025 jeweils 44,20 € als Arbeitslosengeld ausgezahlt hat, was rechnerisch (30 x 44,20 € =) 1.326 € entspricht.
Das anderweitige Ansprüchen anderer Stellen nicht bestehen, hat die Antragstellerin glaubhaft gemacht. Insofern gibt es keinen Anlass daran, an ihren Angaben zu zweifeln, wonach sie als voll erwerbsgeminderte Person kein Erwerbseinkommen mehr erziele. Auch wäre es außerordentlich ungewöhnlich, wenn die Antragstellerin nach dem Ende des Bezugs von Arbeitslosengeld Ende April 2025 im Mai 2025 plötzlich von der gesetzlichen Krankenkasse Krankengeld bezogen hätte oder Ansprüche von Versicherungsträgern aus dem Ausland bestünden, obwohl sich die Antragstellerin ausweislich ihres Versicherungskontos während ihres gesamten Erwerbslebens in Deutschland aufgehalten (und diesbezügliche Rentenzeiten erworben) hat. Ebenso wenig bestehen Anhaltspunkte dafür, dass die Antragstellerin für April 2025 bis Juni 2025 Leistungen vom Träger der Sozialhilfe nach dem SGB XII oder Bürgergeld nach dem SGB II erhalten hat.
Wegen der Zeit vom 01.04.2025 bis zum 30.06.2025 ist nach alldem ein Anordnungsanspruch in Höhe von (nur) 2.068,50 € glaubhaft gemacht worden. Insofern besteht auch ein Anordnungsgrund, weil es in Ansehung der wirtschaftlichen Verhältnisse der Antragstellerin keine Anhaltspunkte dafür gibt, dass sie über Rücklagen verfügt, um ihren Lebensunterhalt zu decken, solange die Antragstellerin noch prüfen möchte, ob andere Stellen als die Agentur für Arbeit noch Erstattungsforderungen für April bis Juni 2025 geltend machen, obschon dies nach Lage der Akten wenig wahrscheinlich erscheint.
Abzulehnen ist der Eilantrag indes (auch) für die Zeit ab dem 01.07.2025. Auch insofern hat die Antragstellerin zwar einen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht, den die Antragsgegnerin wohl mit der Formulierung „Dem Antrag auf Einstweiligen Rechtsschutz wird stattgegeben“ auch nicht bestreitet. Allerdings fehlt es insofern aufgrund des Bewilligungsbescheides vom 30.05.2025 wohl an einem Anordnungsgrund, denn der Auszahlungsvorbehalt darin bezieht sich ausdrücklich nur auf die Nachzahlungen für die Monate April bis Juni 2025.
Die Antragsgegnerin muss nach § 193 SGG analog auch die außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin erstatten, da sie gegenüber dem Gericht nicht glaubhaft gemacht hat dass die außergerichtlich seinerseits bis zur Anrufung des Gerichts am 22.05.2025 verzögerte Sachbearbeitung bzw. die bis zum 30.05.2025 unterlassene Leistungsbewilligung auf einer verzögerten Mitwirkung seitens der Antragstellerin beruht hätte, weshalb diese nach der Erteilung ihrer Zustimmung zur Umdeutung in einen Rentenantrag am 15.04.2025 und der diesbezüglichen Weiterleitung an die Antragsgegnerin am 22.04.2025 nach dem einmonatigen Zuwarten am 22.05.2025 hinreichend Anlass hatte, um das Gerichts zwecks Erlass‘ einer einstweiligen Anordnung anzurufen.
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