S 33 AS 817/21

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Darmstadt (HES)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
1. Instanz
SG Darmstadt (HES)
Aktenzeichen
S 33 AS 817/21
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 6 AS 444/22
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil


Der Bescheid des Beklagten vom 27. Oktober 2021 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 12. November 2021 wird aufgehoben und der Beklagte wird verpflichtet, den Klägern für den Zeitraum vom 1. Oktober bis zum 26. Dezember 2021 Leistungen in gesetzlicher Höhe zu gewähren.

Der Beklagte hat die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Kläger zu tragen.


Tatbestand

Die Beteiligten streiten über Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch – Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II) in der Zeit vom 1. Oktober 2021 bis 26. Dezember 2021.

Die Klägerin zu 1. ist Mutter der Kläger zu 2.-4. Die Familie steht seit dem 1. Oktober 2013 im Leistungsbezug nach dem SGB II beim Beklagten. Sie ist verheiratet mit Herrn E. A., der der Vater der Kläger zu 2.-4. ist. Herr E. A. ist schwerbehindert mit Grad der Behinderung von 100 und den Merkzeichen G, AG, B und H. Er bezieht Pflegegeld und Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch XII. Buch – Sozialhilfe – (SGB XII).

Auf einen Weiterbewilligungsantrag der Kläger bewilligte der Beklagte mit Bescheid vom 2. September 2021 Leistungen für den Zeitraum Oktober 2021 bis September 2022. Mit Bescheid vom 28. September 2021 wurde die Leistungsbewilligung aufgrund einer Änderung der Miete abgeändert.

Mit E-Mail vom 1. Oktober 2021 wandte sich Herr E. A. an den Beklagten, um eine Ortsabwesenheit seiner Ehefrau und Kinder anzumelden. Wörtlich lautet die E-Mail: „…Hiermit melde ich die Ortsabwesenheit meiner Ehefrau und der Kinder. Ich habe eine Reha-Maßnahme im Ausland angenommen die sehr dringend ist. Meine Ehefrau wird mich als meine Pflege- und Begleitpersonen zu der Reha-Maßnahme begleiten müssen. Die Kinder werden mitkommen.“

Auf eine Nachfrage der Fallmanagerin vom 6. Oktober 2021, in welchem Zeitraum die Reise stattfinden werde, antwortete Herr E. A., mit E-Mail vom 6. Oktober 2021, dass aufgrund der Schwere seiner Erkrankung eine sechsmonatige Rehamaßnahme verordnet worden sei, welche die Familie vom 1. Oktober 2021 bis zum 31. März 2022 wahrnehmen werde. Der E-Mail beigefügt war ein Attest zur Vorlage beim Sozialamt des Dr. H. vom 17. September 2021, in welchem dieser ausführt, dass bei Herrn A. eine Langzeit-rehabilitation medizinisch notwendig sei, welche mehrere Monate, möglichst sechs Monate andauern müsste.

Mit E-Mail vom 7. Oktober 2021 übersandte die Fallmanagerin ein Elternzeitformular für die Klägerin zu 1. an Herrn A. Sie führte aus, dass die Möglichkeit bestehe, Elternzeit für den Kläger zu 4. für den Zeitraum von drei Jahren zu beantragen und dass im Fall der Beantragung für die Klägerin zu 1. die Möglichkeit bestehe, für drei Monate ortsabwesend zu sein. Sie wies weiterhin darauf hin, dass die Leistungen ab dem ersten Tag der Ortsabwesenheit für die Klägerin zu 1. versagt werden würden, sofern diese nicht nach drei Monaten zurückgekehrt sei.

Mit E-Mail vom 7. Oktober 2021 erläuterte Herr A., dass er auf die Pflege seiner Ehefrau zu 100 % angewiesen sei und ohne ihre Hilfe die Rehabilitationsmaßnahme nicht wahrnehmen könnte. Diese müsste er ansonsten abbrechen, obwohl sie zwingend notwendig sei. Er bat darum, diese Information zu berücksichtigen und der Klägerin zu 1. eine Ortsabwesenheit für die komplette Dauer der Rehabilitationsmaßnahme zu gewähren.

Mit Schreiben vom 8. Oktober 2021 forderte der Beklagte die Klägerin zu 1. zur Vorlage fehlender Unterlagen auf. Die Klägerin möge die Angaben ihres Ehemannes über die erforderliche Anwesenheit während seiner Auslands- Rehabilitationsmaßnahme durch entsprechende ärztliche Anordnung oder eine entsprechende Genehmigung Reha-Trägers belegen, dem Attest des Dr. H. diese Angaben nicht zu entnehmen. Falls ihr ein solcher Nachweis nicht vorliege, wurde sie um eine ärztliche Bescheinigung gebeten, dass sie während des Auslands-Reha-Aufenthaltes ihres Ehemannes zwingend vor Ort der Reha-Einrichtung für sechs Monate anwesend sein müsse. Sofern auch dies nicht möglich sei, wurde sie zumindest um die Vorlage einer Aufnahmebescheinigung der Reha-Einrichtung unter Angabe der Dauer ihres Aufenthalts und Ihres Aufenthaltsortes gebeten. Außerdem möge sie eine Kopie des Bescheides des vorgetragenen Pflegegrades 4 ihres Ehemannes vorlegen. Eine Kopie des Schreibens wurde auch an Herrn A. per E-Mail gesendet.

Mit E-Mail vom 10. Oktober 2021 antwortete Herr A. auf das Schreiben vom 8. Oktober 2021, dass die Forderung des Beklagte nach einem ärztlichen Nachweis über die Notwendigkeit der Anwesenheit seiner Ehefrau als Pflegeperson unverständlich sei. Die Notwendigkeit fremder Hilfe gehe aus seinem Behindertenausweis und dem Pflegegrad 4 hervor. Er werde sich die Mühe und die Kosten eines ärztlichen Attests ersparen, das die Pflegebedürftigkeit durch eine Pflegeperson erneut bescheinigen solle, dass er von seiner Ehefrau gepflegt werde sei dem Jobcenter bekannt. Einen Nachweis des Pflegegrades 4 könne er aufgrund der Auslandsabwesenheit nicht übersenden, dieser ergebe sich jedoch aus den Pflegegeldzahlungen auf seinem Konto und könne anhand der vorgelegten Kontoauszüge nachvollzogen werden. Auf die Hilfe seiner Ehefrau sei er pausenlos angewiesen, auch bei einer Reise ins Ausland, diese hätte er ohne seine Ehefrau nicht antreten können. Auch bei der Rehaklinik in bestimmten Lagen und an freien Wochenenden, die er mit seiner Familie in der angemieteten Wohnung verbringen werde, sei er auf die Anwesenheit seiner Ehefrau angewiesen. Für die Rehabilitationsmaßnahme im Ausland habe er sich entschieden, weil sie nur einen Bruchteil dessen koste, die sie in Deutschland kosten würde. Er zahle die Kosten der Rehabilitationsmaßnahme selbst. Mit E-Mail vom 19. Oktober 2021 übersandte er ein Schreiben der Rehaklinik, aus dem sich ein Aufenthalt vom 14. Oktober 2021 bis zum 14. April 2022 ergebe. Das Schreiben war in bosnischer Sprache verfasst.

Mit Bescheid vom 28. Oktober 2021 stellte der Beklagte die Leistungsgewährung nach dem SGB II ab dem 1. Oktober 2021 ein und hob den Bewilligungsbescheid vom 28. September 2021 gemäß § 48 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X) auf. Aufgrund der Ortsabwesenheit von sechs Monaten bestehe ab dem 1. Oktober 2021 kein Leistungsanspruch mehr, da die örtliche Zuständigkeit des Beklagten nicht mehr gegeben sei. Eine Ortsabwesenheit sei nur für die Dauer von bis zu 3 Wochen möglich, im Falle der Beantragung einer längeren Ortsabwesenheit entfalle der Leistungsanspruch von Anfang an.

Mit E-Mail vom 2. November 2021 beantragte die Klägerin zu 1. beim Beklagten drei Monate Ortsabwesenheit und übersandte das ihr zugesandte Elternzeitformular, wobei der Namenszug unter der Erklärung der Unterschrift des E. A. gleicht.

Mit Schreiben vom 8. November 2021 erhob Herr A. Widerspruch gegen den Bescheid vom 28. Oktober 2021. Die Ortsabwesenheit für seine Ehefrau habe er am 7. Oktober 2021 beantragt. Die vom Beklagten mit Schreiben vom 8. Oktober 2021 verlangten Angaben habe er gemacht und die geforderten Unterlagen übersandt. Der vom Beklagten in Bezug genommene § 7 Abs. 4a SGB II sei in Bezug auf die Kinder nicht anwendbar, da sie keine erwerbsfähigen Leistungsberechtigten seien. Der Beklagte werde aufgefordert, die Grundsicherung für die Kinder unverzüglich anzuweisen. Die Leistungen für seine Ehefrau und Kinder seien entzogen worden, ohne über den Antrag auf Ortsabwesenheit zu entscheiden. Dieser hätte genehmigt werden müssen. In § 7 Abs. 4a SGB II heiße es, dass die Zustimmung zu Ortsabwesenheit zu erteilen sei, wenn ein wichtiger Grund vorliege, welcher im hiesigen Fall in der Teilnahme an einer ärztlich verordneten Maßnahme der medizinischen Vorsorge oder Rehabilitation bestehe. Seiner Ehefrau stünden drei Monate Ortsabwesenheit ohnehin zu. Sie stehe der Arbeitseingliederung sowieso nicht zur Verfügung. Es werde eine Ortsabwesenheit der Klägerin zu 1. erst einmal für drei Monate ab dem 1. Oktober 2021 bis zum 31. Dezember 2021 beantragt. Der Beklagte habe den Kläger nicht die Möglichkeit gegeben, diesen Antrag vorher zu stellen, da die ganze Zeit auf die Entscheidung über den ersten Antrag auf Ortsabwesenheit gewartet worden sei. Der Beklagte werde aufgefordert, auch die in Verzug geratenen Leistungen für die Klägerin zu 1. unverzüglich auf das Konto des Herrn A. anzuweisen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 12. November 2021 wies der Beklagte den Widerspruch der Kläger zurück. Hinsichtlich des Herrn E. A. sei er bereits unzulässig, da dieser nicht Adressat des angefochtenen Bescheides sei. Hinsichtlich der übrigen Kläger sei er unbegründet. Die Rücknahme des Leistungsbescheides sei gemäß §§ 40 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 Nr. 3 SGB II, 48 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB X, 330 Abs. 3 Sozialgesetzbuch, Drittes Buch – Arbeitsförderung (SGB III) zu Recht erfolgt, da die Kläger ihre sicherlich nicht spontan am 1. Oktober 2021 erfolgte Ausreise nach Bosnien dem Beklagten grob fahrlässig nicht mitgeteilt hätten. Aus diesem Grund sei die Aufhebung des Leistungsbescheides auch für die Vergangenheit gerechtfertigt. Durch den auf sechs Monate geplanten Aufenthalt sei eine wesentliche Änderung in den Verhältnissen eingetreten. Aufgrund des Auslandsaufenthaltes habe die Klägerin zu 1. keinen Leistungsanspruch nach dem SGB II mehr gehabt, mangels erwerbsfähigen Hilfebedürftigen gelte dies auch für die Kläger zu 2.-4., da keine Bedarfsgemeinschaft mehr gebildet werden könne. Die Klägerin zu 1. als erwerbsfähige Leistungsberechtigte habe sich ohne vorherige Zustimmung des Beklagten außerhalb des zeit- und ortsnahen Bereichs aufgehalten. Der Aufenthalt außerhalb des zeit- und ortsnahen Bereichs habe auch nicht der Teilnahme an einer ärztlich verordneten Maßnahme der medizinischen Rehabilitation gedient, da einerseits die Rehabilitationsmaßnahme für Herrn E. A. nicht konkret verordnet worden sei, sondern der Hausarzt sich lediglich allgemein für die Notwendigkeit einer sechsmonatigen Rehabilitation ausgesprochen habe, jedoch die konkrete Maßnahme in Bosnien nicht erwähnt habe, welche auch bei einer deutschen Krankenkasse nicht verordnungsfähig sein dürfte. Darüber hinaus sei die Zustimmung zu einer längeren Ortsabwesenheit aufgrund der Teilnahme an einer ärztlich verordneten Maßnahme der medizinischen Vorsorge oder Rehabilitation nur dann zu erteilen, wenn der Leistungsberechtigte selbst an der Maßnahme teilnehme. Eine Teilnahme als Begleitperson sei davon nicht umfasst und bei einer medizinischen Rehabilitation in Deutschland auch regelmäßig nicht notwendig. Die Klägerin zu 1. könne deshalb aufgrund der Vorschrift des § 7 Abs. 4a S. 1 SGB II, die wortgleich in der noch immer geltenden Erreichbarkeit-Anordnung auftauche keinen Auslandsaufenthalt beanspruchen. Auch im Falle von Personen, die der Eingliederung in den Arbeitsmarkt vorübergehend nicht zur Verfügung stünden, sei eine Entscheidung im Einzelfall zu treffen, ob eine Anwendung der Erreichbarkeitsanordnung sinnvoll sei. Dies könne im Interesse der Vermeidung von Leistungsmissbrauch zu bejahen sein. Vorliegend werde der Ortsabwesenheit nicht zugestimmt, da diese mit dem Ziel und Zweck des SGB II nicht vereinbar sei. Die Kinder würden für lange Zeit aus ihrem Schulalltag herausgerissen und könnten ihrer Schulpflicht nicht nachkommen. Insgesamt entstünde der Eindruck, dass die Familie einen sechsmonatigen Urlaub machen wolle und diesen vom Beklagten finanzieren lassen wolle. Hierzu passe auch die Bemerkung des Herrn E. A. in der E-Mail vom 10. Oktober 2021, in der er ausführe, er wolle an den freien Wochenenden Zeit mit seiner Familie in der angemieteten Wohnung verbringen. Das Verbringen der freien Zeit mit der Familie scheine Hauptgrund für das Mitbringen der Ehefrau zu sein. Zur Finanzierung einer längeren Urlaubsreise im Ausland bestehe kein Anlass. Darüber hinaus sei nicht absehbar, wann der Auslandsaufenthalt enden solle. Der Ortsabwesenheit der Klägerin zu 1. werde deshalb nicht zugestimmt. Ein Leistungsanspruch der Kläger zu 2.-4. bestehe ebenfalls nicht. Sie seien zwar vom Leistungsausschluss nicht umfasst, allerdings fehle es an einem erwerbsfähigen Leistungsberechtigten, da die Klägerin zu 1. von den Leistungen ausgeschlossen sei. Eine Bedarfsgemeinschaft bestehe deshalb nicht.

Die Kläger haben am 10. Dezember 2021 Klage zum Sozialgericht Darmstadt erhoben. Zunächst hat auch Herr E. A. Klage erhoben.

Die Kläger tragen vor, sie hätten ordnungsgemäß mitgeteilt, dass sie planten, sich für einen Zeitraum von mehreren Monaten aus wichtigen Gründen im Ausland aufzuhalten. Aufgrund des vorliegenden ärztlichen Attests dürfte unstreitig sein, dass die Rehabilitationsmaßnahme indiziert gewesen sei, sie sei auch von den zuständigen Versicherungsträgern bezahlt worden. Die Begleitung der Klägerin zu 1. als Pflegeperson ihres Ehemannes sei erforderlich gewesen, die Kläger zu 2.-4. hätte nicht allein in Deutschland bleiben können. Der Beklagte berufe sich ausschließlich formell darauf, dass eine Ortsabwesenheit nur für drei Wochen gestattet werden könne. Eine solche schematische Behandlung des Antrags der Kläger sei nicht angemessen, der Beklagte müsse sich mit der ausführlichen Begründung der Kläger auseinandersetzen.

Die Kläger beantragen,
den Bescheid des Beklagten vom 27. Oktober 2021 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 12. November 2021 aufzuheben und den Beklagte zu verpflichten, den Klägern für den Zeitraum vom 1. Oktober bis zum 26. Dezember 2021 Leistungen zu gewähren. 

Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

Die Klage sei bezüglich des Herrn E. A. bereits unzulässig. Über seine Leistungsansprüche sei in dem angegriffenen Bescheid nicht entschieden worden. Bezüglich der übrigen Kläger sei die Klage unbegründet. Die Klagebegründung, die Kläger hätten sich vom 14. Oktober 2021 bis zum 14. April 2022 in Bosnien-Herzegowina aufgehalten, sei nicht nachvollziehbar, weil das angegebene Ende des Aufenthaltes noch in der Zukunft liege. Die Kläger hätten auch nicht ordnungsgemäß ihre Ortsabwesenheit mitgeteilt. Dies wäre nur dann der Fall gewesen, wenn die Mitteilungen ausreichend Abstand vor der geplanten Reise nach Bosnien erfolgt wäre. Tatsächlich hätten die Kläger die Mitteilung erst erledigt, als sie bereits abgereist gewesen seien, offensichtlich in der Hoffnung, hier vollendete Tatsachen schaffen zu können. Eine vorhergehende Zustimmung des Beklagten habe nicht vorgelegen, dass Bosnien nicht im zeit- und ortsnahen Bereich gemäß § 7 Abs. 4a S. 1 SGB II bzw. § 2 der Erreichbarkeits-Anordnung (EAO) liege, dürfte offensichtlich sein. Eine ärztlich verordnete Maßnahme der medizinischen Vorsorge oder Rehabilitation habe nicht vorgelegen, das vorgelegte ärztliche Attest bestätige lediglich allgemein die Notwendigkeit einer Reha-Maßnahme, nehme aber nicht konkret Bezug auf den Aufenthalt in Bosnien. Dass die zuständigen Versicherungsträger die Maßnahme bezahlt hätten, wie von den Klägern behauptet, werde bestritten. Auch die Notwendigkeit der Anwesenheit der Klägerin zu 1. bei ihrem Ehemann während der Reha-Maßnahme werde bestritten. Die Klägerin zu 1. sei deshalb für die Dauer der Ortsabwesenheit vom Leistungsbezug ausgeschlossen gewesen, deshalb sei für die Kläger zu 2.-4. in Ermangelung eines erwerbsfähigen Leistungsberechtigten eine Leistungsgewährung ebenfalls nicht möglich gewesen.

Am 12. Januar 2022 übersandte die Klägerin zu 1. eine Erklärung über die eingeschränkte Zumutbarkeit der Ausübung einer Arbeit gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 3 SGB II an den Beklagten. Die Unterschrift auf diesem Formular weicht deutlich von der Unterschrift auf dem mit E-Mail vom 2. November 2021 übersandten Formulare ab.

Mit Hinweisschreiben vom 15. Februar 2022 hat die Kammer die Kläger gebeten, die Dauer des Aufenthaltes in Bosnien-Herzegowina klarzustellen, Nachweise vorzulegen, dass der zuständige Versicherungsträger die Rehabilitationsmaßnahme bewilligt und bezahlt habe und dass die Reha ärztlich verordnet worden sei und klarzustellen, weshalb die Anwesenheit der Klägerin zu 1. als Pflegeperson bei der Reha Maßnahme notwendig gewesen sei. Außerdem wurde darauf hingewiesen, dass die Klage hinsichtlich des Herrn E. A. wohl unzulässig sei, der nicht Adressat des angefochtenen Bescheides sei und nicht im Leistungsbezug nach dem SGB II beim Beklagten stehe.

Mit Schriftsatz vom 7. Juni 2022 wurde die Klage bezüglich des Herrn E. A. zurückgenommen. Die übrigen Fragen wurden in dem Schriftsatz nicht beantwortet.

Mit Schreiben der Kammer vom 8. Juni 2022 wurden die Kläger gebeten, folgende Fragen zu beantworten: „a) Wie lange haben sich die Kläger in Bosnien-Herzegowina aufgehalten? Es wird um die Angabe genauer Daten und um Nachweise (Hotelrechnungen, Flugtickets o.ä.) gebeten. b) Wovon haben die Kläger während ihres Aufenthaltes in Bosnien-Herzegowina gelebt? Wo haben die Kläger in dieser Zeit gelebt (Hotel, angemietete Wohnung o.ä.)? c) Wurde während des Aufenthaltes in Bosnien-Herzegowina noch eine Wohnung in Deutschland innegehalten? d) Wurde die von E. A. wahrgenommene Rehabilitationsmaßnahme vom zuständigen Versicherungsträger bewilligt und bezahlt? Wurde genau diese Maßnahme in Bosnien-Herzegowina ärztlich verordnet? Es wird gebeten, Nachweise vorzulegen, dass der zuständige Versicherungsträger die Reha-Maßnahme bewilligt und bezahlt hat und dass die Reha ärztlich verordnet wurde. e) Weshalb war die Anwesenheit der Klägerin zu 2. als Pflegeperson bei der Reha-Maßnahme notwendig? Nach Einschätzung der Kammer dürfte die Versorgung in einer Klinik durch das dortige Pflegepersonal auch in Bosnien-Herzegowina sichergestellt sein.“

Nachdem eine Antwort ausblieb, wurden die Fragen in einer Ladung vom 28. Juni 1022 zum Termin zur mündlichen Verhandlung am 3. August 2022 Wiederholt und eine Frist gemäß § 106. a Abs. 2 SGG bis zum 20. Juli 2022 gesetzt.

Auf einen Antrag des Kläger Bevollmächtigten vom 11. Juli 2022 wurde der Termin am 3. August 2022 abgeladen und die Frist zur Beantwortung der Fragen verlängert.

Mit Schriftsatz vom 11. August 2022 hat die Klägerseite vorgetragen, dass sich der Ehemann der Klägerin zu 1. schon vor der Reise nach Bosnien bei der zuständigen Sachbearbeiterin des Beklagten gemeldet habe und angefragt habe, ob eine dreimonatige Ortsabwesenheit möglich und zulässig sei. Darauf habe der Beklagte ein Elternzeitformular für die Klägerin zu 1. übersandt. In Antwort auf die Fragen des Gerichts führte die Klägerseite aus, dass sich die Kläger vom 1. Oktober 2021 bis zum 27. Dezember 2021 in Bosnien-Herzegowina aufgehalten hätten. Die Reise sei mit dem Pkw des Ehemannes und Vaters der Kläger erfolgt. Während des Aufenthaltes in Bosnien-Herzegowina hätten die Kläger in einer kleinen Wohnung gelebt, die von Freunden zur Verfügung gestellt worden sei, die keinen nennenswerten Betrag an Miete verlangt hätten. Während des Aufenthalts in Bosnien-Herzegowina sei die Wohnung in Deutschland beibehalten worden. Die von Herrn E. A. wahrgenommene Rehabilitationsmaßnahme sei nicht vom zuständigen Versicherungsträger bewilligt worden. Die Maßnahme sei aus eigenen Mitteln gezahlt worden. Genau aus diesem Grund habe sich Herr A. für die Maßnahmen Bosnien-Herzegowina entschieden, da die Kosten dort viel niedriger lägen, als in Deutschland. Der Ehemann der Klägerin zu 1. sei auf deren Pflege angewiesen, er benötige Unterstützung beim Anziehen, bei der Körperpflege etc. Diese Pflegeleistungen würden durch das Pflegepersonal in der bosnischen Klinik nicht geleistet, eine ganztägige Pflege seiner Klinik nicht vorgesehen, dort erfolgten lediglich die üblichen Pflegeleistungen wie Essensbereitstellung, Medikamentenvergabe etc. Für die persönlichen Hilfeleistungen sei das Pflegepersonal nicht zuständig, insofern handelt es sich um eine „einfache Klinik“.

Mit Schriftsatz vom 18. August 2022 hat der Beklagte die Akte der Arbeitsvermittlung der Klägerin zu 1. übersandt. In dieser findet sich der Schriftverkehr hinsichtlich der Ortsabwesenheit der Klägerin zu 1. Eine Zusage für die Ortsabwesenheit sei nicht erteilt worden, da diese zunächst für sechs Monate geplant worden sei. Hinzu komme, dass die Antragstellung erst erfolgt sei, nachdem die Kläger und ihr Ehemann/Vater bereits abgereist gewesen seien, die nach § 7 Abs. 4a SGB II erforderliche vorherige Zustimmung fehle damit. Die übrigen von der Klägerseite gemachten Annahmen bestätigten die Sichtweise des Beklagten, die Rehabilitationsmaßnahme sei nicht vom zuständigen Versicherungsträger bewilligt worden. Damit habe auch kein Grund bestanden, eine Ortsabwesenheit aufgrund dieser Maßnahme zu unterstützen.

Mit Schriftsatz vom 24. August 2022 hat die Klägerseite vorgetragen, dass die Rehabilitationsmaßnahme zur ursprünglich für sechs Monate geplant gewesen sei, aber auf drei Monate verkürzt worden sei, da der Beklagte die Bewilligung abgelehnt habe. Die Klägerin zu 1. habe sich während der Rehabilitationsmaßnahme in Elternzeit befunden und der Arbeitsvermittlung nicht zur Verfügung gestanden. Eine Ablehnung des Antrags auf Ortsabwesenheit durch den Beklagten wäre rechtswidrig gewesen, außerdem sei eine Ablehnung gar nicht erfolgt. Zum Beleg der Argumentation hat die Klägerseite auf eine Entscheidung des Sozialgerichts Karlsruhe aus dem Jahr 2011 verwiesen.

Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte hiesigen Verfahren sowie auf die Achse des Beklagten (2 Dateien) verwiesen.


Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig und begründet. 

Der angefochtene Bescheid ist rechtswidrig und verletzt die Kläger in ihren Rechten. Der Beklagte hat zu Unrecht die Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II für die Zeit vom 1. Oktober 2021 bis zum 26. Dezember 2021 aufgehoben und die Erbringung von Leistungen in diesem Zeitraum verweigert.

Als Rechtsgrundlage für eine Aufhebung des Bewilligungsbescheides kommt vorliegend allein § 40 Abs. 2 Nr. 3 SGB II i.V.m. § 330 Abs. 3 S. 1 SGB III, § 48 Abs. 1 SGB X. Danach ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Eine Änderung ist dann wesentlich, wenn sie rechtlich zu einer anderen Bewertung führt. Ein Fall des § 48 SGB X liegt somit vor, wenn aufgrund veränderter Umstände der ursprüngliche Verwaltungsakt nicht mehr (so) erlassen werden dürfte (BSG, Urteil vom 21. 3. 2007 - B 11a AL 31/06 R, Rn. 3).

Ein solcher Fall liegt vorliegend nicht vor, denn den Klägern standen in der Zeit vom 1. Oktober 2021 bis 26. Dezember 2021 unverändert Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II zu. Daran ändert der Aufenthalt der Kläger in Bosnien-Herzegowina in dieser Zeit nichts.

Entgegen der Auffassung des Beklagten unterlag die Klägerin zu 1. keinem Leistungsausschluss gemäß § 7 Abs. 4a SGB II. Nach dieser Vorschrift, die aufgrund der Regelung des § 77 Abs. 1 SGB II weiter in der bis zum 31. Dezember 2010 geltenden Fassung gilt, da eine Rechtsverordnung nach § 13 Abs. 3 SGB II bislang nicht ergangen ist, erhält Leistungen nach dem SGB II nicht, wer sich ohne Zustimmung des persönlichen Ansprechpartners außerhalb des in der EAO definierten zeit- und ortsnahen Bereiches aufhält. Durch die Verpflichtung zur Erreichbarkeit kommt es zu einer Einschränkung der durch Art. 2 Abs. 1 GG geschützten Handlungsfreiheit des Bürgers. Solche Einschränkungen bedürfen der Rechtfertigung im Einzelfall, weshalb in jedem Einzelfall geprüft werden muss, ob und wie die Vorschriften der Erreichbarkeit-Anordnung im Einzelfall Anwendung finden (Winkler, Die Erreichbarkeit im SGB II und III, info also 2007 Heft 01, 3, 7). Die Verpflichtung, sich im Zeit- und ortsnahen Bereich des Jobcenters aufzuhalten, soll nach der Absicht des Gesetzgebers dazu beitragen, hilfebedürftige Personen zu einer aktiven Mitwirkung an ihrer Eingliederung in den Arbeitsmarkt zu veranlassen (BT-Drucksachen 16/1696, S. 26). Aus diesem Grund muss § 7 Abs. 4 SGB II einschränkend so ausgelegt werden, dass der dort normierte Leistungsausschluss nur diejenigen erwerbsfähigen Leistungsberechtigten erfasst, die dem Selbsthilfegebot nachkommen müssen und somit der gesetzgeberischen Intention unterliegen. Die Norm ist aus diesem Grund nicht auf Leistungsberechtigte anwendbar, die zwar erwerbsfähig sind, denen aber nach § 10 Abs. 1 Nr. 3, 4 oder 5 jegliche Arbeit zeitweilig nicht zumutbar ist (Udo Geiger in: Münder/Geiger, SGB II - Grundsicherung für Arbeitsuchende, 7. Auflage 2021, § 7, Rn. 163, zu alledem vgl. auch SG Karlsruhe, Urteil vom 14.03.2011 – S 5 AS 4172/10).

Der Klägerin zu 1. war im Zeitpunkt ihres Aufenthaltes in Bosnien-Herzegowina die Aufnahme einer Arbeit gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 3 SGB II unzumutbar. Nach dieser Vorschrift ist einer erwerbsfähigen leistungsberechtigten Person jede Arbeit zumutbar, es sei denn das die Ausübung der Arbeit die Erziehung ihres Kindes oder der Kinder Ihrer Partnerin oder ihres Partners gefährden würde; die Erziehung eines Kindes, das das 3. Lebensjahr vollendet hat, ist in der Regel nicht gefährdet, soweit die Betreuung des Kindes sichergestellt ist. Der Kläger zu 4. wurde am 17. Januar 2021 geboren und war folglich im Zeitpunkt des Aufenthalts in Bosnien-Herzegowina noch unter einem Jahr alt. Bei Kindern dieses Alters ist nach § 10 Abs. 1 Nr. 3 SGB II davon auszugehen, dass die Ausübung der Arbeit die Erziehung des Kindes gefährden würde. Vorliegend muss sich die Klägerin, die nicht alleinerziehend ist, auch nicht darauf verweisen lassen, dass ihr Ehemann die Kinder betreuen könne und sie einer Arbeit nachgehen könne. Der Ehemann der Klägerin ist schwerbehindert mit den Merkzeichen G, AG, B und H. Er sitzt im Rollstuhl und ist auf die Pflege der Klägerin zu 1. angewiesen. Er ist nicht in der Lage, die Erziehung des Klägers zu 4. vorzunehmen, vielmehr ist es durchaus denkbar, dass aufgrund seiner Pflegebedürftigkeit die Aufnahme einer Arbeit der Klägerin auch aufgrund der Vorschrift des § 10 Abs. 1 Nr. 4 SGB II unzumutbar ist, weil die Arbeit mit der Pflege ihres Ehemannes nicht vereinbar wäre. Vorliegend kann diese Frage jedoch dahinstehen, da bereits § 10 Abs. 1 Nr. 3 SGB II greift. Es ist auch nicht entscheidend, ob die Klägerin zu 1. beim Beklagten Elternzeit für den Kläger zu 4. beantragt hat und bewilligt bekommen hat. Die Vorschrift des § 10 Abs. 1 Nr. 3 SGB II knüpft nicht an die formelle Bewilligung der Elternzeit, sondern an die tatsächliche Lage an. Aus der expliziten Regelung, dass die Erziehung eines Kindes, das das 3. Lebensjahr vollendet hat, in der Regel nicht gefährdet ist, soweit die Betreuung in einer Tageseinrichtung oder ähnlichen Einrichtung sichergestellt ist, kann geschlossen werden, dass umgekehrt die Ausübung einer Arbeit bei Kindern unter 3 Jahren in der Regel unzumutbar ist (Böttiger in: Eicher/Luik/Harich, SGB II, 5. Auflage 2021, § 10, Rn. 59). Auf die Frage, ob die Klägerin zu 1. wirksam Elternzeit beim Beklagten beantragt hat, insbesondere, wer das Antragsformular unterzeichnet hat, kommt es deshalb vorliegend nicht an.

Da eine Vermittlung der Klägerin in Arbeit im streitgegenständlichen Zeitraum wegen der Erziehung des Klägers zu 4. gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 3 SGB II von vornherein nicht in Betracht kam, findet § 7 Abs. 4 Buchst. a SGB II vorliegend keine Anwendung. Für die Klägerin bestand im streitigen Zeitraum keine Verpflichtung zur Aufnahme einer Arbeit. Der gesetzgeberische Zweck des § 7 Abs. 4 Buchst. a SGB II konnte also von vorneherein nicht erfüllt werden. Deshalb fehlt es an einem rechtfertigenden Grund dafür, die Klägerin den Einschränkungen der allgemeinen Handlungsfreiheit aus Art. 2 Abs. 1 GG durch die Anforderungen der Erreichbarkeit-Anordnung zu unterwerfen.

Andere Umstände, die vorliegend eine Aufhebung der Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II begründen könnten, wurden von Beklagte nicht vorgebracht und sind vorliegend auch nicht ersichtlich. Insbesondere hatten die Kläger trotz des Aufenthalts in Bosnien-Herzegowina im streitgegenständlichen Zeitraum ihren gewöhnlichen Aufenthalt weiterhin in der Bundesrepublik Deutschland, so dass auch die Voraussetzung für den Leistungsbezug nach dem SGB II gemäß § 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 SGB II erfüllt war. Gemäß § 30 Abs. 3 S. 2 Sozialgesetzbuch Erstes Buch, Allgemeiner Teil (SGB I) hat jemand den gewöhnlichen Aufenthalt dort, wo er sich unter Umständen aufhält, die erkennen lassen, dass er an diesem Ort oder in diesem Gebiet nicht nur vorübergehend verweilt. Während des Auslandsaufenthaltes in Bosnien-Herzegowina haben die Kläger ihre Wohnung unter der der Adresse A-Straße, A-Stadt beibehalten. Auch in der Kommunikation mit dem Beklagten wurde stets deutlich, dass die sich die Kläger nur vorübergehend während der Rehabilitationsmaßnahme des Herrn E. A. in Bosnien-Herzegowina aufzuhalten gedachten und durchgehend eine Rückkehr nach Deutschland beabsichtigten. Aus den Umständen wurde insgesamt deutlich, dass der vorübergehende Auslandsaufenthalt den gewöhnlichen Aufenthalt der Kläger in Deutschland unter der angegebenen Adresse nicht beenden sollte. Das BSG hat zwar angenommen, dass keinen Wohnsitz im Inland mehr hat, wer sich bei einer mehrjährigen Auslandsbeschäftigung in seiner beibehaltenen Wohnung nur noch im Urlaub aufhält (BSG, Urt. v. 20.12.2012 – B 10 EG 16/11 R, Rn. 18). Der vorübergehende Auslandsaufenthalt der Kläger ist von einem solchen Fall jedoch weit entfernt. Die Familie wohnt bereits seit langer Zeit im Zuständigkeitsbereich des Beklagten und aufgrund der Gesamtumstände besteht kein Zweifel daran, dass dies auch im Zeitpunkt der Ausreise nach Bosnien-Herzegowina für die Zukunft beabsichtigt wurde. Diese Einschätzung wird durch die Rückkehr der Kläger an ihren bisherigen Wohnort und ihren Aufenthalt an diesem Ort seither bestätigt.

Auch die Kläger zu 2.-4. hatten durchgehend Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II. Der Leistungsanspruch der Kläger zu 2.-4. ergibt sich aus § 7 Abs. 2 S. 1 SGB II. Danach erhalten Leistungen nach dem SGB II auch Personen, die mit erwerbsfähigen Leistungsberechtigten in einer Bedarfsgemeinschaft leben. Nach § 7 Abs. 3 Nr. 4 SGB II gehören zur Bedarfsgemeinschaft die dem Haushalt angehörenden unverheirateten Kinder der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten, wenn sie das 65. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, soweit sie die Leistungen zur Sicherung ihres Lebensunterhaltes nicht aus eigenem Einkommen oder Vermögen beschaffen können. Die Kläger zu 2.-4. sind minderjährige Kinder der Klägerin zu 1. Sie können ihren Lebensunterhalt nicht aus eigenem Einkommen oder Vermögen bestreiten. Daher bilden sie gemeinsam mit der Klägerin zu 1. einer Bedarfsgemeinschaft und haben Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II gemäß § 7 Abs. 2 S. 1 SGB II. Da der Beklagte die Ansicht vertritt, dass bei einem Leistungsausschluss der Klägerin zu 1. eine erwerbsfähige leistungsberechtigte Person zur Bildung einer Bedarfsgemeinschaft fehlen würde, so dass auch ein Leistungsanspruch der Kläger zu 2.-4. entfiele, erlaubt sich die Kammer den Hinweis, dass ein Leistungsausschluss gemäß § 7 Abs. 4a SGB II nicht zum Verlust der Eigenschaft als erwerbsfähige leistungsberechtigte Person führt, so dass auch im Falle eines Leistungsausschlusses der erwerbsfähigen leistungsberechtigten Person mit dieser Personen Bedarfsgemeinschaft lebende Personen weiterhin einen Leistungsanspruch haben können. Ein Leistungsausschluss der erwerbsfähigen leistungsfähigen Person hat nicht zur Folge, dass eine Bedarfsgemeinschaft nicht mehr gebildet werden kann.

Die Zahlungsverpflichtung im Tenor wurde aus Gründen der Klarstellung und Verständlichkeit aufgenommen. Aufgrund des Erfolgs der Anfechtungsklage haben die Kläger wieder einen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II aufgrund des Bescheids des Beklagten vom 2. September 2021.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
 

Rechtskraft
Aus
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