L 8 AY 8/25 B ER

Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Asylbewerberleistungsgesetz
1. Instanz
SG Magdeburg (SAN)
Aktenzeichen
S 25 AY 7/25 ER
Datum
2. Instanz
-
Aktenzeichen
L 8 AY 8/25 B ER
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze

1. Werden Leistungen nach §§ 3, 3a AsylbLG bis auf Weiteres gewährt, so handelt es sich um einen Dauerverwaltungsakt. Um in der Folgezeit eine Anspruchseinschränkung nach § 1a AsylbLG zu verfügen, ist dieser Dauerverwaltungsakt nach § 9 Abs 4 Nr 1 AsylbLG iVm §§ 44 ff. SGB X aufzuheben oder zurückzunehmen. Da Widerspruch und Klage gegen die Aufhebung bzw. Rücknahme des Dauerverwaltungsakts keine aufschiebende Wirkung entfalten, genügt es bei einer Folgeleistungseinschränkung nach § 1a AsylbLG im Einstweiligen Rechtsschutzverfahren nicht, den Rechtsschutz nur über die reine Anfechtungsklage zu verfolgen, da nach Aufhebung des angegriffenen Kürzungsbescheids zwar die Anspruchseinschränkung beseitigt werden kann. Gleichwohl ist der Antragsteller aber ex nunc auf eine Leistungsbewilligung angewiesen, da die vormalige dauerhafte Leistungsbewilligung (noch) nicht wiederauflebt. Wer über eine Duldung iSv von § 1 Abs 1 Nr 4 AsylbLG verfügt, gehört nicht zum Personenkreis, der von der Leistungseinschränkung von § 1a Abs 4 Satz 2 AsylbLG erfasst wird. Wenn ein den Vertrauensschutz ausschließender Fall des § 45 Abs. 2 Satz 3 SGB X nicht vorliegt, handelt es sich bei der Rücknahme der Bewilligungsentscheidung um eine Ermessensentscheidung. Suchworte: Anordnung der aufschiebenden Wirkung, Anspruchseinschränkung, Ausländer, Dauerverwaltungsakt, Duldung, einstweilige Anordnung, Ermessen, Subsidiärer Schutz, Normen: AsylbLG § 1 Abs 1 Nr 4, AsylbLG § 1a Abs 4, AsylbLG § 3, AsylbLG § 3a, AsylbLG § 9 Abs 4 Nr 1, SGB X § 45, SGG § 86b Abs 1, SGG § 86b Abs 2 Satz 1, Dateiname :

Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Sozialgerichts Magdeburg vom 3. März 2025 aufgehoben und der Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, dem Antragsteller ab dem 30. Januar 2025 bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache, längstens bis zum 29. Juli 2025, ungekürzte Grundleistungen nach §§ 3, 3a Asylbewerberleistungsgesetz zu gewähren.

Der Antragsgegner hat dem Antragsteller seine notwendigen außergerichtlichen Kosten für beide Rechtszüge zu erstatten.

Dem Antragsteller wird Prozesskostenhilfe für das Antrags- und Beschwerdeverfahren ohne Ratenzahlungsverpflichtung unter Beiordnung von Rechtsanwalt A., G., bewilligt.

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten im einstweiligen Rechtsschutz über höhere Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG). Weiter wendet sich der Antragsteller gegen die Ablehnung von Prozesskostenhilfe (PKH) für die Durchführung des erstinstanzlichen Verfahrens.

Der am ... 2004 geborene Antragsteller (alias M. B. , M. I.  B., M. B.  oder M. B. ) ist syrischer Staatsangehöriger, kurdischer Volkszugehörigkeit. Auf seinen in Bulgarien gestellten Asylantrag wurde ihm dort unter dem Namen „M. I. B. “ am 7. Oktober 2021 internationaler Schutz im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 2 Asylgesetz (AsylG) gewährt.

Der Antragsteller reiste am 6. September 2022 mit seinen Eltern und vier weiteren Geschwistern nach Deutschland ein. In der Zentralen Anlaufstelle für Asylbewerber des Landes Sachsen-Anhalt (ZASt) in H. legte er Personenstands- und Ausweisdokumente der Arabischen Republik Syrien vor und beantragte in der dortigen Außenstelle des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF), ihm Asyl in der Bundesrepublik Deutschland zu gewähren. Von dort erfolgte mit Schreiben vom 20. September 2022 ein Übernahmeersuchen an Bulgarien im Rahmen des sog. „Dublin-Verfahrens“. Daraufhin informierte die Staatliche Flüchtlingsagentur von Bulgarien darüber, dass der Antragsteller dort bereits am 7. Oktober 2021 subsidiären Schutz erhalten hätte, weshalb das Übernahmeersuchen nicht akzeptiert werden könne (Schreiben vom 3. Oktober 2022). Das BAMF wandte sich sodann am 8. November 2022 an den Landkreis H.  - Ausländerbehörde - und teilte mit, dass das Übernahmeersuchen abgelehnt worden sei, da der Antragsteller in Bulgarien internationalen Schutz erhalten habe. Die Abschiebung in diesen Mitgliedstaat erfolge außerhalb des Dublin-Verfahrens in eigener Zuständigkeit der Ausländerbehörde. Es ergehe ein neuer Bescheid im nationalen Verfahren. Der Antragsteller wurde mit Verfügung der ZASt vom 14. November 2022 dem Antragsgegner gemäß § 50 Abs. 2 und 6 AsylG zur Durchführung des Asylverfahrens zugewiesen und erhielt eine Aufenthaltsgestattung.

Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) lehnte den in Deutschland am 13. Oktober 2022 gestellten Asylantrag des Antragstellers nach persönlicher Anhörung am 3. November 2022 mit Bescheid vom 30. Mai 2023 als unzulässig ab und stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) nicht vorlägen. Der Antragsteller wurde aufgefordert, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb einer Woche zu verlassen. Im Falle des Verstreichens der Ausreisefrist werde er nach Bulgarien abgeschoben. Er dürfe nicht nach Syrien abgeschoben werden.

Gegen diesen Bescheid erhob der Antragsteller am 13. Juni 2023 Klage zum Verwaltungsgericht (VG) Magdeburg und stellte gleichzeitig einen Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage nach § 80 Abs. 5 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Mit Beschluss vom 20. Juni 2023 lehnte das VG (2 B 171/23 MD) die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes gegen die Abschiebungsanordnung nach Bulgarien rechtskräftig ab. Nach Auswertung der aktuellen Berichte und Stellungnahmen könne von einer Verletzung des Art. 4 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GRC) bzw. Art. 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) - bei Zugrundelegung der „harten EuGH-Maßstäbe“ - mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit derzeit nicht ausgegangen werden. Es könne (weiterhin) nicht festgestellt werden, dass die Lebensumstände in Bulgarien für erwerbsfähige Personen wie dem Antragsteller mit Art. 4 GRC/Art. 3 EMRK unvereinbar seien. Für eine Abschiebeschutzberechtigung des Antragstellers lägen keine Anhaltspunkte vor.

Daraufhin erläuterte der Antragsgegner in seinem an den Antragsteller gerichteten Schreiben vom 28. Juni 2023, dass die Aufenthaltsgestattungen zum 5. Juli 2023 zum Eintritt der Vollziehbarkeit der Abschiebungsandrohung erlöschen würden. Wegen rechtlicher und tatsächlicher Abschiebungshindernisse erhielt der Antragsteller eine Duldung nach § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG, die mehrfach verlängert worden ist, zuletzt bis zum 28. März 2025.

Am 5. März 2025 scheiterte der Versuch, den Antragsteller nach Bulgarien abzuschieben. Am 10. März 2025 stellte das VG Magdeburg das am 28. Februar 2025 ergangene Urteil (2 A 172/23 MD) auf die erwähnte Klage zu. Es wies die Klage des Antragstellers gegen den Bescheid des BAMF vom 30. Mai 2023 ab. Die angefochtene Unzulässigkeitsentscheidung sei rechtmäßig und finde ihre Grundlage in § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG. Es bestehe für den Antragsteller keine ernsthafte Gefahr, bei einer Rückkehr nach Bulgarien eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne von Art. 4 GRC/Art. 3 EMRK zu erfahren. Das Gericht schließe sich bei seiner Bewertung insbesondere den Ausführungen des Oberverwaltungsgerichts (OVG) für das Land Nordrhein-Westfalen in seinem Beschluss vom 22. August 2023 (11 A 3374/20.A) an. Der Antragsteller werde in Bulgarien mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Unterstützung bei der Integration erhalten und in der Lage sein, seine Arbeit aufzunehmen und Wohnraum zu finden.

Nach der oben erwähnten Zuweisung durch die ZASt bewilligte der Antragsgegner dem Antragsteller mit Bescheid vom 30. November 2022 Leistungen nach §§ 3, 3a AsylbLG ab dem 14. November 2022 (Regelbedarfsstufe 2) bis auf Weiteres. Den gegen die Leistungshöhe gerichteten Widerspruch des Antragstellers mit dem Begehren der Gewährung von Leistungen nach der Regelbedarfsstufe 1 wies das Landesverwaltungsamt Sachsen-Anhalt mit Widerspruchsbescheid vom 5. Januar 2024 zurück. Über die dagegen gerichtete Klage S 25 AY 8/24 beim Sozialgericht (SG) Magdeburg ist bislang nicht entschieden.

Nachdem das BAMF den Asylantrag des Antragstellers als unzulässig abgelehnt hatte (Bescheid vom 30. Mai 2023), erließ der Antragsgegner den Bescheid vom 25. Juli 2023. Er hob damit die Entscheidung über die Bewilligung von Grundleistungen nach § 3 AsylbLG vom 30. November 2022 mit Wirkung ab dem 26. Juli 2023 auf und gewährte nur noch eingeschränkte Leistungen nach § 1a Abs. 4 AsylbLG unter Hinweis auf die Vollziehbarkeit der Abschiebungsandrohung. Die Anspruchseinschränkung befriste er unter Bezugnahme auf § 14 Abs. 1 AsylbLG auf sechs Monate.

Dagegen legte der Antragsteller mit Schriftsatz vom 8. September 2023 (Eingang beim Antragsgegner am 10. September 2023) Widerspruch ein und stellte hilfsweise einen Überprüfungsantrag. Da ihm bereits vor seiner Einreise nach Deutschland internationaler Schutz durch Bulgarien eingeräumt worden sei, hätte der Antragsgegner allenfalls die Rücknahme dieses Bescheids in Betracht ziehen dürfen, solange er sich im Zeitpunkt seines Erlasses als rechtswidrig erweisen sollte. Eine Änderung der tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse bestehe jedoch nicht. Der auf höhere Leistungen nach dem AsylbLG gerichtete Antrag des Antragstellers im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes blieb ohne Erfolg (Beschluss des SG vom 20. Dezember 2023 - S 31 AY 65/23 ER; Beschluss des Landessozialgerichts [LSG] Sachsen-Anhalt vom 18. April 2024 - L 8 AY 3/24 B ER).

Mit Widerspruchsbescheid vom 3. Januar 2024 wies das Landesverwaltungsamt den Widerspruch gegen den Bescheid vom 25. Juli 2023 als unzulässig zurück. Zugleich wies das Landesverwaltungsamt den Antragsgegner mit Schreiben vom 10. Januar 2024 darauf hin, dass dieser über den Überprüfungsantrag in eigener Zuständigkeit zu entscheiden habe. Dabei sei zu beachten, dass es im vorliegenden Fall an einer Rechtsgrundlage für die Rücknahme des Dauerverwaltungsakts vom 30. November 2022 fehle. Die ursprünglich ungekürzte Leistungsbewilligung könne nur unter den Voraussetzungen des § 45 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) zurückgenommen werden. Die vom Antragsgegner geltend gemachte konkludente Aufhebung nach § 48 SGB X lasse sich nicht in eine Rücknahme nach § 45 SGB X umdeuten. Weder seien die Voraussetzungen des § 45 SGB X geprüft worden, noch enthalte der Bescheid Ermessenerwägungen. Ausweislich der Verwaltungsakte des Antragsgegners ist über den Überprüfungsantrag bislang nicht entschieden.

Am 2. Februar 2024 hörte der Antragsgegner den Antragsteller zur Leistungseinschränkung nach § 1a Abs. 4 AsylbLG an. Mit Bescheid vom 20. Februar 2024 bewilligte er ihm für die Zeit vom 26. Januar bis zum 25. Juli 2024 Leistungen mit einer Anspruchseinschränkung nach § 1a Abs. 4 AsylbLG. Auch der zweite Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz hatte keinen Erfolg (SG Magdeburg, Beschluss vom 11. April 2024 - S 25 AY 14/24 ER; LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 11. Juli 2024 - L 8 AY 9/24 B ER). Den Widerspruch des Antragstellers gegen den Bescheid vom 20. Februar 2024 wies das Landesverwaltungsamt Sachsen-Anhalt mit Widerspruchsbescheid vom 24. Mai 2024 als unbegründet zurück. Die Tatbestandsmerkmale des § 1a Abs. 4 AsylbLG seien erfüllt und der Leistungsanspruch ab dem 1. Oktober 2023 entsprechend einzuschränken. Der Antragsteller erhalte internationalen Schutz in Bulgarien, welcher auch fortdauere. Dagegen erhob der Antragsteller am 26. Juni 2024 Klage beim SG M. (S 25 AY 33/24), über die bislang nicht entschieden worden ist.

Am 1. Juli 2024 hörte der Antragsgegner den Antragsteller zur Leistungseinschränkung nach § 1a Abs. 4 AsylbLG an. Mit Bescheid vom 19. Juli 2024 in der Fassung des Änderungsbescheids vom 30. Dezember 2024 bewilligte er ihm für die Zeit vom 26. Juli 2024 bis zum 25. Januar 2025 erneut Leistungen mit einer Anspruchseinschränkung nach § 1a Abs. 4 AsylbLG. Den Widerspruch des Antragstellers gegen den Bescheid vom 19. Juli 2024 wies das Landesverwaltungsamt Sachsen-Anhalt mit Widerspruchsbescheid vom 18. Dezember 2024 als unbegründet zurück. Über die dagegen gerichtete Klage beim SG M. (S 25 AY 1/25) ist bislang nicht entschieden.

Mit Beschluss vom 16. Dezember 2024 (L 8 AY 14/24 B ER) ordnete das LSG Sachsen-Anhalt die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 19. Juli 2024 bezogen auf Leistungen vom 26. November 2024 bis zum 25. Januar 2025 an, da der Antragsteller als Inhaber einer Duldung nach § 60a AufenthG nicht zum von § 1a Abs. 4 AsylbLG erfassten Personenkreis zählten.

Am 16. Dezember 2024 hörte der Antragsgegner den Antragsteller zur Leistungseinschränkung nach § 1a Abs. 4 AsylbLG an. Mit Bescheid vom 16. Januar 2025 bewilligte er ihm für die Zeit vom 26. Januar bis zum 25. Juli 2025 erneut Leistungen mit einer Anspruchseinschränkung nach § 1a Abs. 4 AsylbLG.

Dagegen erhob der Antragsteller am 28. Januar 2025 Widerspruch, über den der Antragsgegner bislang nicht entschieden hat.Am 30. Januar 2025 hat der Antragsteller beim SG Magdeburg erneut um einstweiligen Rechtsschutz ersucht und die Bewilligung von PKH beantragt. Die Regelung des § 1a AsylbLG sei evident verfassungswidrig, da sie das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums (Art. 1 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 1 Grundgesetz [GG]) verletze. § 1a Abs. 4 AsylbLG sei teleologisch dahingehend zu reduzieren, dass eine Anspruchseinschränkung nur dann zulässig sei, wenn Leistungsberechtigten ein pflichtwidriges Verhalten vorwerfbar sei (Hinweis auf LSG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 15. Juni 2020 - L 9 AY 78/20 B ER). Auch eine starre Sanktionsdauer von sechs Monaten, wie sie in § 14 Abs. 1 AsylbLG vorgesehen sei, sei verfassungswidrig. Im Übrigen verstoße § 1a Abs. 4 AsylbLG auch gegen Unionsrecht. Darüber hinaus falle der Antragsteller auch nach Auffassung des LSG nicht unter den Anwendungsbereich des § 1a Abs. 4 AsylbLG. Ein Anordnungsgrund ergebe sich daraus, dass sein verfassungsrechtliches Existenzminimum aktuell nicht mehr gesichert sei.

Der Antragsgegner hat erwidert, an der Verfassungsmäßigkeit der Norm des § 1a Abs. 4 AsylbLG bestünden keine Bedenken. Beim Antragsteller werde die Leistungsberechtigung nach § 1 Abs. 1 Nr. 5 AsylbLG gesehen. Dementsprechend würden die Leistungen nach § 1a Abs. 4 AsylbLG gekürzt. Selbst im Falle einer Leistungsberechtigung nach § 1 Abs. 1 Nr. 4 AsylbLG (Duldung) ergebe sich eine Anspruchseinschränkung aus § 1a Abs. 2 AsylbLG.

Das SG hat mit Beschluss vom 3. März 2025 den Antrag des Antragstellers und auch die Bewilligung von PKH abgelehnt. Der Eilantrag sei als Antrag nach § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) auszulegen und statthaft. Die Voraussetzungen für eine Anordnung der aufschiebenden Wirkung lägen jedoch nicht vor. Nach summarischer Prüfung erweise sich der Bescheid vom 16. Januar 2025 als rechtmäßig. Die Kammer habe keine Bedenken hinsichtlich der Verfassungsmäßigkeit der hier einschlägigen Norm des § 1a Abs. 4 AsylbLG. Dem Antragsteller sei es zumutbar und ohne weiteres möglich, die Leistungseinschränkungen aufgrund einer bestehenden Rückkehrmöglichkeit in den Staat, in dem ihm bereits internationaler Schutz gewährt worden sei, zu beseitigen, was diesem bereits in den Beschlüssen des Gerichts vom 20. Dezember 2023 und 11. April 2024 aufgezeigt worden sei. In Bulgarien herrschten keine handgreiflich eklatanten Missstände, die den Schluss zuließen, anerkannte Schutzberechtigte, die keinem vulnerablen Personenkreis angehörten, seien bei ihrer Rückkehr dorthin einer erniedrigenden oder unmenschlichen Behandlung ausgesetzt. Es sei insoweit davon auszugehen, dass auch im Rahmen einer teleologischen Reduktion der Regelung in § 1a Abs. 4 AsylbLG ein pflichtwidriges Verhalten des Antragstellers gegeben sei (Hinweis auf Bayerisches LSG, Urteil vom 9. März 2023 - L 8 AY 135/22). Die Anspruchseinschränkung sei auch ordnungsgemäß auf sechs Monate befristet worden, da der Antragsgegner bei fortbestehender Pflichtverletzung und nach Ablauf der vorherigen Anspruchseinschränkung nach § 14 Abs. 2 AsylbLG berechtigt gewesen sei, eine erneute Leistungskürzung vorzunehmen.

Gegen den ihm am 4. März 2025 zugestellten Beschluss hat der Antragsteller am selben Tag Beschwerde beim SG hinsichtlich der Ablehnung von einstweiligem Rechtsschutz (L 8 AY 8/25 B ER) und hinsichtlich der Ablehnung von PKH (L 8 AY 9/25 B) eingelegt sowie PKH für das Beschwerdeverfahren beantragt. Dieses hat die Beschwerde an das LSG Sachsen-Anhalt weitergeleitet. Zur Begründung führt der Antragsteller aus, einer Anspruchseinschränkung auf der Grundlage von § 1a Abs. 4 AsylbLG stehe bereits entgegen, dass er aufgrund der ihm erteilten Duldung nach § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG anspruchsberechtigt nach § 1 Abs. 1 Nr. 4 AsylbLG sei und somit dem Wortlaut nach nicht zum erfassten Personenkreis gehöre. Zudem erhalte er nunmehr seit Jahren eine Leistungskürzung, die verfassungsrechtlich nicht zu rechtfertigen sei (Hinweis auf Sächsisches LSG, Beschluss vom 22. Februar 2021 - L 8 AY 9/20 B ER).

Der Antragsteller beantragt,

unter Aufhebung des Beschlusses des SG M.s vom 3. März 2025 die aufschiebende Wirkung seines Widerspruchs vom 28. Januar 2025 gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 16. Januar 2025 anzuordnen und

(hilfsweise) den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihm vorläufig und unter dem Vorbehalt der Rückforderung bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung über den Widerspruch der Antragsteller vom 28. Januar 2025 gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 16. Januar 2025 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts die beantragten Leistungen in gesetzlicher Höhe ab dem 30. Januar 2025 zu gewähren.

Der Antragsgegner beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Er verweist zur Begründung auf sein Vorbringen in der ersten Instanz.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten und die als Datei übermittelten Verwaltungsakten des Antragsgegners sowie der Ausländerbehörde des Antragsgegners verwiesen. Diese haben bei der Entscheidungsfindung des Senats vorgelegen.

II.

Die Beschwerde des Antragstellers hat Erfolg.

1.

Die im Hinblick auf die Ablehnung einstweiligen Rechtsschutzes nach § 173 SGG form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde des Antragstellers (L 8 AY 8/25 B ER) ist nach § 172 Abs. 1 und 3 Nr. 1 SGG statthaft. Der Wert des Beschwerdegegenstands überschreitet 750 €, denn der Antrag zielt auf die Differenz zwischen den mit Bescheid vom 16. Januar 2025 nur in abgesenkter Höhe bewilligten Leistungen und Grundleistungen nach § 3 AsylbLG für einen Zeitraum von sechs Monaten. 

Die Beschwerde ist auch begründet. Der Antragsgegner ist für die Zeit vom 30. Januar bis zum 29. Juli 2025 vorläufig zur Zahlung von Grundleistungen nach §§ 3, 3a AsylbLG zu verpflichten.

Sein Rechtsschutzziel, ungekürzte Leistungen nach §§ 3, 3a AsylbLG zu erhalten, verfolgt der Antragsteller im Beschwerdeverfahren richtigerweise mit seinem Hilfsantrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung. Nach § 86b Abs. 2 Satz 1 SGG ist Erlass einer einstweiligen Anordnung nur in den Fällen zulässig, in denen ein Fall des § 86b Abs. 1 SGG nicht vorliegt. § 86b Abs. 1 SGG erfasst einstweiligen Rechtsschutz bei reinen Anfechtungssituation. Dagegen ist eine einstweilige Anordnung in den Fällen zulässig, in denen in der Hauptsache eine kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage statthaft ist. Hier kann der Antragsteller sein Rechtschutzziel nur mit einer kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage verfolgen, die auf Aufhebung des die Leistungen einschränkenden Bescheids vom 16. Januar 2025 und auf Gewährung von Leistungen gemäß §§ 3, 3a AsylbLG gerichtet ist.

Eine reine Anfechtungsklage in der Hauptsache würde das Rechtschutzbegehren des Antragstellers nicht in vollem Umfang erfassen. Zwar sind dem Antragsteller mit dem Bescheid vom 30. November 2022 Leistungen ab dem 14. November 2022 bis auf Weiteres - also auf Dauer - bewilligt worden. Anders als im Fall einer lediglich begrenzten (z.B. monatsweisen) oder konkludenten Leistungsbewilligung käme damit grundsätzlich eine reine Anfechtungssituation mit der Folge der Statthaftigkeit eines Antrags auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung nach § 86b Abs. 1 Nr. 2 SGG in Betracht. Dieser Dauerverwaltungsakt ist jedoch vom Antragsgegner mit Bescheid vom 25. Juli 2023 aufgehoben worden. Zwar hat der Antragsteller diesen Bescheid nach erfolglosem Widerspruchsverfahren (Widerspruchsbescheid vom 3. Januar 2024) mit seiner Klage S 25 AY 9/24 angegriffen und der Ausgang des Verfahrens ist bislang offen. Aber die Klage hat gemäß § 11 Abs. 4 Nr. 2 AsylbLG keine aufschiebende Wirkung und die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ist sowohl vom SG mit Beschluss vom 20. Dezember 2023 (S 31 AY 65/23 ER) als auch vom LSG Sachsen-Anhalt mit Beschluss vom 18. April 2024 (L 8 AY 3/24 B ER) abgelehnt worden. Über den mit dem Widerspruch gestellten Überprüfungsantrag hat der Antragsgegner - soweit ersichtlich - bislang nicht entschieden. Es reicht also nicht aus, den Rechtsschutz nur über die reine Anfechtungsklage zu verfolgen, da nach Aufhebung des hier angegriffenen Kürzungsbescheids vom 16. Januar 2025 zwar die Anspruchseinschränkung beseitigt werden kann. Der Antragsteller ist aber ex nunc auf eine Leistungsbewilligung angewiesen, da die dauerhafte Leistungsbewilligung vom 30. November 2022 aktuell nicht wiederauflebt.

Das Gericht kann nach § 86b Abs. 2 SGG eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Voraussetzung einer Regelungsanordnung ist gemäß § 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO) die Glaubhaftmachung eines Anordnungsgrunds (die Eilbedürftigkeit der Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile) und eines Anordnungsanspruchs (die hinreichende Wahrscheinlichkeit eines in der Hauptsache gegebenen materiellen Leistungsanspruchs). Grundsätzlich soll wegen des vorläufigen Charakters der einstweiligen Anordnung die endgültige Entscheidung der Hauptsache nicht vorweggenommen werden. Der Beweismaßstab im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes erfordert im Gegensatz zu einem Hauptsacheverfahren für das Vorliegen der anspruchsbegründenden Tatsachen nicht die volle richterliche Überzeugung. Dies erklärt sich mit dem Wesen dieses Verfahrens, das wegen der Dringlichkeit der Entscheidung regelmäßig keine eingehenden, unter Umständen langwierigen Ermittlungen zulässt. Deshalb kann im einstweiligen Rechtsschutzverfahren nur eine vorläufige Regelung längstens für die Dauer des Klageverfahrens getroffen werden, die das Gericht der Hauptsache nicht bindet.

Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund sind glaubhaft gemacht, wenn die tatsächlichen Voraussetzungen überwiegend wahrscheinlich sind. Dies erfordert, dass mehr für als gegen die Richtigkeit der Angaben spricht (vgl. Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Schmidt, SGG, 14. Auflage 2023, § 86b Rn. 27, 41). Soweit mit einer einstweiligen Anordnung zugleich eine Vorwegnahme der Entscheidung in der Hauptsache verbunden ist, sind erhöhte Anforderungen an die Glaubhaftmachung des Anordnungsanspruchs und des Anordnungsgrunds zu stellen, weil der einstweilige Rechtsschutz trotz des berechtigten Interesses des Rechtsuchenden an unaufschiebbaren gerichtlichen Entscheidungen nicht zu einer Verlagerung in das Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes führen darf. Erforderlich ist das Vorliegen einer gegenwärtigen und dringenden Notlage, die eine sofortige Entscheidung unumgänglich macht. Soweit es um die Sicherung einer menschenwürdigen Existenz geht, müssen die Gerichte die Sach- und Rechtslage abschließend prüfen, bzw., wenn dies nicht möglich ist, auf der Basis einer Folgenabwägung auf Grundlage der bei summarischer Prüfung bekannten Sachlage entscheiden (vgl. Bundesverfassungsgericht [BVerfG], Beschluss vom 12. Mai 2005 - 1 BvR 569/05 - juris).

Davon ausgehend kann sich der Antragsteller nach summarischer Prüfung auf der Grundlage des gegenwärtigen Sach- und Streitstands sowohl auf einen Anordnungsanspruch als auch auf einen Anordnungsgrund berufen.

Es besteht ein Anordnungsanspruch. Die Voraussetzungen des Anspruchs auf Leistungen nach §§ 3, 3a AsylbLG liegen nach summarischer Prüfung vor.

Der Antragsteller gehört zum leistungsberechtigten Personenkreis des § 1 Abs. 1 Nr. 4 AsylbLG. Er ist Ausländer, hält sich tatsächlich im Bundesgebiet auf und besaß zum Zeitpunkt des Bescheiderlasses am 16. Januar 2025 und darüber hinaus eine Duldung nach § 60a des AufenthG.

Der Antragsgegner ist die zuständige Behörde für die Bewilligung von Leistungen nach dem AsylbLG (§§ 10, 10a Abs. 1 AsylbLG, § 1 Abs. 1 Nr. 7 Allgemeine Zuständigkeitsverordnung für die Gemeinden und Landkreise zur Ausführung von Bundesrecht [AllgZustVO-Kom] vom 7. Mai 1994, zuletzt geändert durch Verordnung vom 12. Mai 2021 [GVBl. LSA S. 284, 285]).

Der Senat geht nach vorläufiger Auffassung davon aus, dass der Antragsgegner seinen Bescheid vom 30. November 2022, mit dem Leistungen nach §§ 3, 3a AsylbLG dauerhaft gewährt wurden, mit dem Bescheid vom 25. Juli 2023 wohl nicht rechtmäßig zurückgenommen hat (vgl. insoweit auch die Ausführungen des Landesverwaltungsamts Sachsen-Anhalt in seinem Schreiben an den Antragsgegner vom 10. Januar 2024). Zu berücksichtigen ist jedoch, dass der Bescheid vom 25. Juli 2023 bestandskräftig geworden sein könnte, da sich der Antragsteller vermutlich nicht fristgerecht mit einem Widerspruch dagegen gewandt hat. Zwar hat der Antragsteller zugleich einen Überprüfungsantrag gestellt. Über diesen ist jedoch bislang nicht entschieden und eine Rücknahme vom Antragsgegner nicht veranlasst worden. Er wird bei der Höhe der Leistungen („Regelbedarfsstufe 2“) den Beschluss des BVerfG vom 19. Oktober 2022 (Az.: 1 BvL 3/21 - juris Rn. 67 ff.) zu beachten haben. 

Gleichwohl hat der Senat erhebliche Zweifel daran, ob die Voraussetzungen für die in dem hier angegriffenen Bescheid vom 16. Januar 2025 ausdrücklich auf § 1a Abs. 4 Satz 2 Nr. 1 AsylbLG gestützte Leistungseinschränkung vorliegen.

Gemäß § 1a Abs. 4 Satz 2 AsylbLG (in der Fassung vom 25. Oktober 2024) erhalten Leistungsberechtigte nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 oder 1a, denen bereits von einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder von einem am Verteilmechanismus teilnehmenden Drittstaat im Sinne von Satz 1

1. internationaler Schutz oder

2. aus anderen Gründen ein Aufenthaltsrecht gewährt worden ist,

nur reduzierte Leistungen entsprechend § 1a Abs. 1. AsylbLG, wenn der internationale Schutz oder das aus anderen Gründen gewährte Aufenthaltsrecht fortbesteht.

Bereits nach dem eindeutigen Wortlaut der Vorschrift ist der Antragsteller hiervon nicht erfasst. Denn er war zum Zeitpunkt des Bescheiderlasses im Besitz einer gültigen Aussetzung der Abschiebung (Duldung) nach § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG, die monatlich verlängert wurde, aktuell bis zum 28. März 2025. Damit war er Leistungsberechtigter nach § 1 Abs. 1 Nr. 4 AsylbLG. Dieser Personenkreis wird jedoch von § 1a Abs. 4 Satz 2 AsylbLG nicht erfasst. Darauf ist der Antragsgegner auch bereits in den Beschlüssen des Senats vom 11. Juli 2024 (L 8 AY 9/24 B ER) und 16. Dezember 2024 (L 8 AY 14/24 B ER) hingewiesen worden.

Es kann dahingestellt bleiben, ob beim Antragsteller auch eine Leistungsberechtigung nach § 1 Abs. 1 Nr. 5 AsylbLG (vollziehbare Ausreisepflicht) vorliegt. Denn gemäß § 1a Abs. 4 Satz 3 AsylbLG gilt nur die Leistungseinschränkung nach § 1a Abs. 4 Satz 2 Nr. 2 AsylbLG für Leistungsberechtigte nach § 1 Abs. 1 Nr. 5 AsylbLG entsprechend. Dem Antragsteller ist hier jedoch in Bulgarien als anderem Mitgliedstaat der Europäischen Union internationaler Schutz (§ 1a Abs. 4 Satz 2 Nr. 1 AsylbLG) gewährt worden, so dass auch nach dem Verständnis des Antragsgegners eine Leistungseinschränkung nach § 1a Abs. 4 Satz 3 AsylbLG nicht in Betracht kommen kann.

Soweit der Antragsgegner im Rahmen der Antragserwiderung auch eine Leistungseinschränkung nach § 1a Abs. 2 AsylbLG für möglich hält, ist der Senat nicht gehalten, den Bescheid umzudeuten.

Gemäß § 43 Abs. 1 SGB X kann ein fehlerhafter Verwaltungsakt in einen anderen Verwaltungsakt umgedeutet werden, wenn er auf das gleiche Ziel gerichtet ist, von der erlassenden Behörde in der geschehenen Verfahrensweise und Form rechtmäßig hätte erlassen werden können und wenn die Voraussetzungen für dessen Erlass erfüllt sind. Zwar wäre der Antragsteller als Leistungsberechtigter nach § 1 Abs. 1 Nr. 4 AsylbLG vom Personenkreis der Norm erfasst, sodass die Voraussetzungen für den Erlass erfüllt sein könnten. Ob eine Einreise des Antragstellers zur Leistungserlangung als prägendes Motiv als weitere Voraussetzung des § 1a Abs. 2 AsylbLG vorlag, für die der Leistungsträger die Beweislast trägt und er zur erforderlichen Einzelfallprüfung eine vollständige Sachverhaltsermittlung vorzunehmen hat (Leopold in: Grube/Wahrendorf/Flint, SGB XII, 8. Auflage 2024, § 1a AsylbLG Rn. 52, 54), braucht hier jedoch vom Senat nicht weiter geprüft zu werden. Denn gemäß § 43 Abs. 2 Satz 1 SGB X darf ein Verwaltungsakt nicht umgedeutet werden, wenn er der erkennbaren Absicht der erlassenden Behörde widerspräche. Der Antragsgegner hat weder in der erforderlichen Anhörung noch in seinem Bescheid vom 16. Januar 2025 auf diese Norm abgestellt. Da er seinen Bescheid trotz des Hinweises des Senats bereits im Beschluss vom 11. Juli 2024 (L 8 AY 9/24 B ER) erneut ausdrücklich auf § 1a Abs. 4 Satz 2 Nr. 1 AsylbLG gestützt hat, widerspräche eine Umdeutung erkennbar seiner Absicht.

Dies gilt auch für eine Leistungseinschränkung nach § 1 Abs. 4 AsylbLG. Das Vorliegen von dessen Tatbestandsvoraussetzungen hat der Antragsgegner - konsequent - nicht geprüft. So bleibt offen, ob der internationale Schutz in Bulgarien fortbesteht (§ 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 AsylbLG) bzw. ob die Ausreise nach Bulgarien nach den Feststellungen des BAMF rechtlich und tatsächlich möglich ist (§ 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 AsylbLG). Auch die Rechtsfolgen gehen deutlich weiter, was eine Umdeutung nicht zulässt.

Aufgrund der Nichtgewährung existenzsichernder Leistungen und fehlenden weiteren finanziellen Mitteln ist von der Eilbedürftigkeit auszugehen.

Die vorläufige Leistungsgewährung war hier bis zum 29. Juli 2025 zu begrenzen, da im einstweiligen Rechtsschutzverfahren nur eine gegenwärtige Notlage zu beseitigen ist (vgl. Keller, a.a.O., § 86b Rn. 35b).

Die Kostenentscheidung für das ER-Beschwerdeverfahren beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 Abs. 1 SGG.

2.

Auch die Beschwerde bezüglich der Ablehnung von PKH (L 8 AY 9/25 B) ist nach § 172 Abs. 1 SGG statthaft. Das SG hat die Bewilligung von PKH ausschließlich wegen der mangelnden Erfolgsaussicht verneint, sodass kein Fall des Ausschlusses der Beschwerde nach § 172 Abs. 3 Nr. 2a) SGG vorliegt. Der nach § 172 Abs. 3 Nr. 2b) SGG i.V.m. § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG für die Zulässigkeit notwendige Beschwerdewert von 750 € ist aus den oben genannten Gründen überschritten.

Die Beschwerde ist auch begründet.

Nach § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO ist auf Antrag PKH zu bewilligen, soweit der Antragsteller nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder -verteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. In Anbetracht des Verfahrensergebnisses sind die Voraussetzungen erfüllt. Der Antragsteller ist auch mittellos.

Kosten sind für das PKH-Beschwerdeverfahren nach § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 127 Abs. 4 ZPO nicht zu erstatten.

3.

Die Voraussetzungen der Bewilligung von PKH für das Beschwerdeverfahren im Sinne des § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO sind erfüllt.

Der Beschluss ist mit der Beschwerde nicht anfechtbar (§ 177 SGG).

Rechtskraft
Aus
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