L 6 U 67/21

Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Unfallversicherung
1. Instanz
SG Dessau-Roßlau (SAN)
Aktenzeichen
S 8 U 76/18
Datum
2. Instanz
-
Aktenzeichen
L 6 U 67/21
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze

Bestehen Zweifel an einem abgrenzbaren Teil des Unfallhergangs, lässt dieser sich allein aus medizinischen Befunden nur ableiten, wenn diese mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit den Schluss auf den Hergang zulassen.

Die Berufung wird zurückgewiesen.

 Kosten sind im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

 Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Anerkennung weiterer Schäden eines Arbeitsunfalls.

Der damals 51-jährige Kläger erlitt am 15. November 2017 einen dem Grunde nach anerkannten Arbeitsunfall. Nach der Wiedergabe im Durchgangsarztbericht vom Folgetag rutschte er beim Entfernen von Bodenbelag aus und stürzte auf die linke Schulter. Nach der Unfallanzeige des Arbeitgebers vom 20. November 2017 zerrte er sich die Schulter beim Herausreißen von Belag. Der Kläger selbst gab gegenüber der Beklagten nach einem Telefonvermerk vom 23. November 2017 an, er habe mit einer Kralle PVC-Belag vom Boden entfernt, im Ziehen einige Schritte rückwärts gemacht und sich durch den Widerstand den linken, ausgestreckten Arm verdreht. Plötzlich spürte er einen stechenden Schmerz im Bereich des linken Armes und der Schulter. Erst danach sei er nach hinten gefallen, eventuell auch auf Arm und Schulter.

Bei der Erstbehandlung im G. B.-W., Klinikum B., gab der Kläger Schmerzen und einen Kraftverlust des linken Armes, hauptsächlich im Ellenbogengelenk, an. Es wurde ein Druckschmerz über der körpernahen Speiche, aber kein Bluterguss oder eine Schwellung erhoben. Röntgen der Schulter und des Ellenbogens links erbrachte keine sicheren Frakturzeichen.

Ein Magnetresonanztomogramm (MRT) des linken Ellenbogens vom 22. November 2017 ergab keinen Nachweis eines körperfernen Bizepssehnenrisses, jedoch einen geringen Erguss im Ellenbogengelenk bei einem schmalen dreiecksförmigen Knochenmarködem im Oberarmköpfchen als ellenbogennahem Ende des Oberarmknochens. Am 28. November 2017 vermerkten die Ärzte klinisch Schmerzen im Ellenbogengelenk und einen Kraftverlust auf Janda 3. Am 18. Dezember 2017 gab der Kläger zusätzlich Schmerzen und Bewegungseinschränkungen in der linken Schulter, so eine Abführung bis 75 Grad, an. Beim kräftigen Zufassen zögen Schmerzen vom Ellenbogengelenk bis in die Schulter.

Nach dem Befund eines MRT der Schulter vom 19. Dezember 2017 fanden sich Zeichen einer chronischen Tendinitis der Supraspinatussehne mit frischem und ansatznahen Sehneneinriss im vorderen und teilweise mittleren Drittel der Sehne. Weiter bestand der Verdacht auf eine akute Pulley-Läsion mit Distanzierung der Sehnenenden im Rotatorenintervall. Es zeigte sich eine kleinzystische Resorption am Humeruskopf als Ausdruck der chronischen Tendinitis mit teilweise begleitendem Knochenmarködem. Ein geringer Erguss lag in der Bursa subacromialis subdeltoidea vor. Eine chronische Tendinitis diagnostizierte die Radiologin auch für die Subscapularissehne; den Befund des Schultergelenks schätzte sie ansonsten als altersentsprechend ein. Am 4. Januar 2018 hatte sich unter Therapie der Bewegungsumfang der Schulter in der Abführung auf 90 Grad verbessert. Im Ellenbogengelenk lagen Schmerzen, Bewegungseinschränkung (0/20/90 Grad) und Schwellung sowie ein sonographisch erhobener Reizerguss weiterhin vor.

Nach einer Auskunft der Krankenkasse des Klägers vom 16. Januar 2018 hatte Arbeitsunfähigkeit bereits am 19./20. Juli 2012 wegen eines Impingementsyndroms der linken Schulter, vom 4. bis 8. September 2017 wegen einer Tendinitis des Musculus biceps brachii links, vom 8. bis 23. September 2017 wegen einer nicht näher bezeichneten Schulterläsion ohne Seitenangabe und vom 22. September bis 3. Oktober 2017 wiederum wegen der Tendinitis links vorgelegen.

Entsprechend ihrer in einer beratungsärztlichen Stellungnahme mit „ja“ bestätigten Vorstellungen erkannte die Beklagte mit Bescheid vom 31. Januar 2018 den Arbeitsunfall mit einer Verstauchung und Zerrung der linken Schulter an. Unfallbedingte Behandlungsbedürftigkeit und Arbeitsunfähigkeit habe bis zum 27. Dezember 2017 (sechs Wochen) bestanden. Die ansatznahe Läsion im Bereich der Supraspinatussehne und die Veränderungen im MRT stellten keine Unfallfolgen dar. In der Begründung bezeichnete die Beklagte die MRT-Befunde vom 22. November und 19. Dezember 2017 als Ausdruck anlagebedingter Veränderungen.

Den von der Beklagten ohne Zugangsnachweis abgesandten Bescheid erhielt der Kläger nach seinen Angaben nicht. Nach erneuter Absendung des Bescheides am 16. März 2018 erhob der Kläger jedenfalls am 19. April 2018 dagegen Widerspruch.

Am 8. Februar 2018 berichteten die Durchgangsärzte über zunehmende Missempfindungen des Klägers, vorübergehende Schwächegefühle im linken Arm und ein wiederkehrendes Taubheitsgefühl bis in die linke Hand. Danach hatte sich in einem MRT der Halswirbelsäule (vom 24. Januar 2018) ein Bandscheibenvorfall zwischen den Halswirbelkörpern 6/7 mit Reizung der C7-Wurzel gezeigt. Daneben lägen Bandscheibenvorwölbungen zwischen den Halswirbelkörpern 3 - 5 vor. Nach dem MRT-Befund handelte es sich um insgesamt degenerative Veränderungen aller Bandscheibenfächer der Halswirbelsäule. Die umgebenden Strukturen stellten sich unauffällig dar.

In seinem Behandlungsbericht vom 14. Februar 2018 berichtete das Neurozentrum des BG K.  B. in H., nach dem Unfall sei es im weiteren Verlauf zur Ausbildung einer Missempfindung des Ring- und kleinen Fingers links gekommen. Sonst hätten sich neurologische Störungen nicht gezeigt. Motorik und Muskeleigenreflexe seien seitengleich regelrecht. Das MRT zeige eine minimale Degeneration des Bandscheibenfaches zwischen Halswirbelkörpern 6/7 mit einer geringen Vorwölbung.

In Beantwortung einer Anfrage der Beklagten teilten die Ärzte mit Schreiben vom 15. März 2018 nunmehr Missempfindungen der Finger 3 und 4 linksseitig bei ansonsten regelrechten Verhältnissen mit. Aus neurochirurgischer Sicht sei die Behandlung abgeschlossen. Physiotherapie sei weiterhin zu empfehlen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 12. September 2018 wies der Widerspruchsausschuss der Beklagten den Widerspruch zurück. Nach der Gesamtheit der medizinischen Befunde sei es bei dem Unfall im Wesentlichen zu einer Verstauchung und Zerrung der linken Schulter gekommen. Alles Weitere sei durch die radiologischen Aufnahmen auszuschließen und klinisch nicht gestützt.

Mit seiner am 12. Oktober 2018 beim Sozialgericht Dessau-Roßlau erhobenen Klage hat der Kläger weitere Unfallschäden geltend gemacht.

Das Sozialgericht hat ein Gutachten des Sachverständigen Dr. G., Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie und Chefarzt der entsprechenden Klinik am C.-v.-B.-K. M., vom 26. Juni 2020 eingeholt, wegen dessen Inhalt im Einzelnen auf Bl. 65 – 97 d. A. verwiesen wird. Im Wesentlichen hat Dr. G. die Diagnosen eines Supraspinatusdefektes links, einer Tendinitis der langen Bizepssehne links, eines wiederkehrenden lokalen Halswirbelsäulensyndroms bei Degeneration mehrerer Abschnitte, Handgelenksarthrose rechts, Daumengelenksarthrose beidseits und Verdacht auf Karpaltunnelsyndrom links gestellt. Einzig sicher nachweisbare Unfallfolge sei eine vorübergehend – mit Arbeitsunfähigkeit von sechs Wochen und Notwendigkeit physiotherapeutischer Behandlung – bestehende Kontusion des linken Ellenbogengelenkes, die durch das erste MRT belegt und folgenlos ausgeheilt sei.

Die zeitweilig beklagten Beschwerden von Seiten der Halswirbelsäule seien allein degenerativer Natur. In der Halswirbelsäule seien durch MRT vielerorts degenerative Veränderungen nachgewiesen, jedoch keine spezifischen Verletzungsfolgen. Nach dem Unfall seien keine klinischen Ausgangsbefunde von Seiten der Halswirbelsäule verzeichnet. Die aktuell im Vordergrund stehenden Beschwerden im Bereich der linken Schulter gingen aus einem Rotatorenmanschettendefekt im Bereich des Supraspinatus und einer Tendinitis der langen Bizepssehne hervor, die nicht einmal wesentlich teilursächlich auf das Unfallereignis zurück zu führen seien. Der Unfall sei dafür unerheblich. Es seien keine Begleitverletzungen wie Brüche, Auskugelung, Gelenk- oder Bluterguss in der Gelenkhöhle vorhanden gewesen. Die Schulter sei anfänglich symptomarm gewesen. Sowohl eine axiale Stauchung als auch eine exzentrische Belastung seien anzunehmen und mögliche Ursache einer Verletzung der Rotatorenmanschette und einer Pulley-Läsion. Entscheidend dagegen sprächen der MRT-Befund mit dem ansatznahen Verlauf des Risses, die Signalanhebung auch im Bereich der Subskapularissehne, degenerative Veränderungen mit zystischen Läsionen im Bereich des Tuberculum majus und das Fehlen von unfalltypischen Begleitbefunden. Klinische Zeichen eines traumatischen Rotatorenmanschettenrisses seien zu keiner Zeit dokumentiert. Spezifisch darauf hindeutende Blutansammlungen hätten sich auch später nicht gezeigt. Der danach vorliegende Verdacht auf Vorschäden werde durch die 2012 vermerkte Arbeitsunfähigkeitsdiagnose eines Impingementsyndroms bestätigt.

Auf Einwand des Klägers hat der Sachverständige mitgeteilt, er habe die MRT-Aufnahmen nicht selbst ausgewertet, sondern halte die Befundung des jeweiligen Radiologen für vorrangig.

In der mündlichen Verhandlung hat die Beklagte als Folge des Arbeitsunfalls eine folgenlos ausgeheilte Kontusion des linken Ellenbogengelenkes mit Knochenmarködem anerkannt; das Anerkenntnis hat der Kläger angenommen.

Er hat im Übrigen die Verpflichtung der Beklagten zur Anerkennung des Einrisses der Supraspinatussehne links, eines körperfernen Bizepssehnenabrisses links, von Bandscheibenvorfällen zwischen den Halswirbelkörpern 3 - 5, 6 und 7 und Schwächung des linken Armes mit Taubheitsgefühl bis in die linke Hand weiterverfolgt.

Mit Urteil vom 22. Juni 2021 hat das Sozialgericht die verbliebene Klage abgewiesen. Es hat ausgeführt, die Klage sei unbegründet, weil der angefochtene Bescheid in der Gestalt des Teilanerkenntnisses rechtmäßig sei. Der Teilriss der Supraspinatussehne im linken Schultergelenk sei keine Unfallfolge, weil er nicht wesentlich durch das Verdrehen des Armes und den Sturz auf die linke Schulter im Rahmen der versicherten Tätigkeit verursacht worden sei. Dies ergebe sich insbesondere aus dem Gutachten des Sachverständigen Dr. G. Eines radiologischen Zusatzgutachtens habe es nicht bedurft, weil kein Anhaltspunkt für eine Fehlerhaftigkeit der Befundbeschreibung im darüber erstellten Bericht bestehe.

Ein körperferner Bizepssehnenabriss sei nicht belegt. Die lediglich anfängliche Verdachtsdiagnose sei danach niemals bestätigt oder wiederholt worden.

Die Bandscheibenvorfälle der Halswirbelsäule ließen sich mit der Einschätzung des Sachverständigen nicht auf einen abgrenzbaren Ablauf des Unfalls zurückführen; weiterhin fehle es an spezifischen Verletzungshinweisen im MRT.

Die Schwäche des linken Armes mit Taubheitsgefühl der linken Hand sei jedenfalls nicht Unfallfolge, weil sie erst nach Abheilung der Unfallfolgen aufgetreten seien. Die genaue Ursache könne dahinstehen.

Gegen das ihm am 20. Juli 2021 zugestellte Urteil hat der Kläger am 17. August 2021 Berufung eingelegt. Er weist gegen den Sachverständigen darauf hin, schon bei der Erstuntersuchung seien Röntgenaufnahmen der Schulter veranlasst worden. Auf den späteren Eintritt von Beschwerden könne er sich daher nicht stützen. Auch das MRT habe der erstbehandelnde Arzt veranlasst; es sei lediglich aus Termingründen einen Monat nach dem Unfall durchgeführt worden. Abweichend aufgenommene Unfallschilderungen gingen nicht zu seinen – des Klägers – Lasten, weil er sie nicht habe gegenzeichnen können. Der Sachverständige beziehe sich auf die radiologische Auswertung, ohne diese selbst hinterfragen zu können. Auf Seite 27 des Gutachtens führe seine eigene Analyse der Auswertung von MRT- und Erstbefunden zu der Einschätzung, die Veränderungen im Bereich des Schultergelenkes seien unfallabhängig. Diesen Schluss greife er danach nicht mehr auf. Inwieweit die in engem zeitlichen Zusammenhang mit dem Unfallgeschehen aufgetretenen Missempfindungen auf den Bandscheibenvorfall zurück zu führen seien, führe der Sachverständige nicht näher aus und ordne diesen ohne nähere Begründung als Ausdruck degenerativer Veränderungen ein.

Das Gericht hat einen Befundbericht der Klinik für Unfallchirurgie und Orthopädie B.-W. vom 2. August 2022 eingeholt. Die dortigen Ärzte haben mitgeteilt, die Feststellung der Arbeitsunfähigkeit im September 2017 wegen einer Trizepstendinitis links und einer nicht näher bezeichneten Schulterläsion links habe nach einer Röntgenuntersuchung nicht auf knöchernen Läsionen beruht. Der Zustand sei als Reizzustand der subacromialen Bursa gewertet worden. Sie könne durch den damals längeren Gebrauch von Unterarmgehstützen hervorgerufen worden sein. Genauere Aussagen ließen sich aber aus den vorliegenden Unterlagen nicht gewinnen.

Das Gericht hat auf Antrag des Klägers gem. § 109 SGG ein Gutachten des Facharztes für Chirurgie Dr. med. R. S., leitender Oberarzt am Endoprothetik-Zentrum B. des Gesundheitszentrums B.-W., vom 24. September 2024 eingeholt, wegen dessen Einzelheiten auf Bl. 274 – 281 d. A. Bezug genommen wird. Dr. S. ist im Wesentlichen zu dem Ergebnis gelangt, es sei dem Umstand mehr Gewicht zu verleihen, dass der Kläger zuerst und hauptsächlich über Schmerzen im Ellenbogengelenk geklagt habe. Insofern müsse man mit hoher Wahrscheinlichkeit davon ausgehen, dass der Kläger auch auf den linken Ellenbogen gestürzt sei. Dafür spreche weiter die frühe Befundbeschreibung eines Knochenmarködems als wahrscheinlichen Kontusionsödems. Dies setze eine nicht nur unerhebliche axiale Krafteinwirkung auf das gebeugte Ellenbogengelenk voraus. Die Kontusion selbst sei folgenlos ausgeheilt. Im weiteren Verlauf sei es zu keiner wesentlichen Besserung des Beschwerdebildes im gesamten linken Arm gekommen und hätten sich die Beschwerden jetzt zunehmend auf die Schulter projiziert, wo im MRT ein frischer ansatznaher Sehneneinriss als Befund beschrieben sei. Der anzunehmende Unfallmechanismus führe bei vorgespannter Bizepssehne durch den Zug an der Kralle bei gebeugtem Ellenbogengelenk mit exzentrischer Belastung der Rotatorenmanschette und nachfolgend axialer Belastung von Arm und Körper nach Aufprall des gebeugten Ellenbogengelenkes zu einem akuten Einreißen der Manschette. Dabei könnten sowohl die Einrisse der Supraspinatussehne als auch die Pulley-Läsion entstehen. In Abwägung mit den sicher vorbestehenden degenerativen Veränderungen bleibe das Ereignis als wesentliche Teilursache. Die Schulter selbst sei bis zu dem Unfall vollständig belastbar gewesen. Der nachfolgende Symptomverlauf stelle sich als wesentliche Verschlimmerung dar. Auch der nachfolgende Verlauf der Tendinitis der Bizepssehne sei durch die unmittelbar entstandene Pulley-Läsion verursacht. Die Abweichung in der Beurteilung zu dem Sachverständigen Dr. G. ergebe sich aus der unterschiedlichen Bewertung des Unfallhergangs.

Der Kläger beantragt noch,

das Urteil des Sozialgerichts Dessau-Roßlau vom 22. Juni 2021 und den Bescheid der Beklagten vom 31. Januar 2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. September 2018 und des Teilanerkenntnisses vom 22. Juni 2021 abzuändern

 und

festzustellen, dass ein ansatznaher Einriss im vorderen und teilweise mittleren Drittel der Supraspinatussehne und eine Läsion mit Distanzierung der Sehnenenden im Rotatorenintervall mit einer Schwächung des linken Armes mit wiederkehrendem Taubheitsgefühl der linken Hand Schäden bzw. Folgen des Arbeitsunfalls vom 15. November 2017 sind.

Die Beklagte beantragt,

 die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das Gutachten von Dr. G. für nachvollziehbar und überzeugend und vom Sozialgericht für zutreffend ausgewertet. In der Auseinandersetzung mit dem Gutachten von Dr. S. bezieht sie sich auf eine beratungsärztliche Stellungnahme von Prof. Dr. W. vom 16. Dezember 2024, wegen deren Einzelheiten auf Bl. 288 - 292 d. A. verwiesen wird. Prof. Dr. W. hält die Annahmen des Sachverständigen Dr. S. zum Unfallhergang für spekulativ. Ein plötzliches Nachgeben des abgerissenen Bodenbelags könne hingegen die erforderliche Krafteinwirkung auf die Rotatorenmanschette nicht erklären. Eine Zerrung der Gelenkkapsel könne er insoweit nicht ausschließen, wohl aber einen Sehnenriss. Hinweise auf eine Subluxation der Schulter seien dem MRT auch nicht zu entnehmen. Für das Knochenmarködem im Ellenbogen gebe es eine Vielzahl von denkbaren Erklärungen, zu denen ein Sturz auf das gebeugte Gelenk eher nicht gehöre. Auch das Knochenmarködem am Oberarmkopf und der Erguss in der Bursa subacromialis seien Folge der vorbestehenden schweren Abnutzung des Schultergelenks und nicht des Unfalls. Eine frische Zerreißung von Teilen der Rotatorenmanschette führe sofort zu dortigen Beschwerden. Demgegenüber ergäben die Befunde klinischer Untersuchungen vom November 2017 keine Funktionseinschränkungen der Schulter. Der Konzentration auf die Beschwerden im linken Ellenbogengelenk entspräche auch die ursprüngliche Verdachtsdiagnose eines körperfernen Bizepssehnenrisses. Die beschriebene Pulley-Läsion würde im Falle einer Verletzung einen Bluterguss, Flüssigkeitsaustritt und eine Verlagerung der Bizepssehne nach sich ziehen, die hier nicht nachweisbar gewesen seien.

Das Gericht hat auf Antrag des Klägers in der mündlichen Verhandlung vom 30. April 2025 den Sachverständigen Dr. S. gehört. Er hat im Wesentlichen ausgeführt, die Veränderungen im linken Ellenbogengelenk des Klägers seien durch muskuläre Verspannungserscheinungen nicht zu erklären, ließen allerdings einen Schluss auf einen Sturz auf das Gelenk auch nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu. Dies sei lediglich gegenüber allen anderen Ursachen überwiegend wahrscheinlich. Das Fehlen von unfalltypischen Weichteilveränderungen im MRT sei durch den Zeitablauf nach dem Unfall zu erklären. Die im weiteren Behandlungsverlauf aufgetretenen Befunde wie Oberarmkopfhochstand links und Muskelschwächen im Armbereich seien Ausdruck degenerativer Veränderungen.

Neben der Gerichtsakte hat in der mündlichen Verhandlung die Akte der Beklagten zum Arbeitsunfall – Az. L XXX – vorgelegen und war Gegenstand der Entscheidung.

Entscheidungsgründe:

Die gem. § 143 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte Berufung hat keinen Erfolg.

Der Bescheid der Beklagten vom 31. Januar 2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. September 2018 und des Teilanerkenntnisses vom 22. Juni 2021 beschwert den Kläger im Umfang der Anfechtung nicht im Sinne von § 157 S. 1, § 54 Abs. 2 S. 1 SGG, weil er rechtmäßig ist.

Die vom Kläger nach § 55 Abs. 3 S. 1 SGG zur Feststellung als Unfallschäden bzw. folgen – vgl. § 26 Abs. 2 Nr. 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) – erhobene Klage ist unbegründet.

Der Teilriss der linken Supraspinatussehne und die Läsion im Rotatorenintervall bzw. eine Pulley-Läsion sind entgegen der Beurteilung von Dr. S. keine Unfallschäden, weil sie nicht mit der erforderlichen hinreichenden Wahrscheinlichkeit wesentlich (ständige Rechtsprechung zum Beweismaßstab, vgl. BSG, Urt. v. 6. Mai 2021 – B 2 U 15/19 R – juris, Rn. 13) durch den Unfallablauf verursacht worden sind.

Durch einen Sturz auf die Schulter ist der Schaden schon deshalb nicht entstanden, weil ein solcher Sturz – erst recht vor dem Eintritt eines Schmerzes als Ausdruck eines Erstschadens – nicht feststellbar ist. Denn in den Angaben, die dem ausführlichen Telefonvermerk der Beklagten zu Grunde liegen, hat der Kläger geschildert, er sei „eventuell“ auch auf den linken Arm bzw. die Schulter gefallen. Diese Andeutung einer Möglichkeit bietet keinen Ansatz für eine Überzeugung des Senates, dass der Kläger mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auf die Schulter gestürzt ist. Andererseits kommt es darauf aber nicht an, weil der Kläger bei dieser Gelegenheit einen plötzlichen stechenden Schmerz im Bereich des linken Armes und der linken Schulter wahrgenommen hat, bevor er ggf. auf Gesäß und Rücken und vielleicht weitere Körperteile gestürzt ist. Ein Ablauf mit einem Sturz ergibt sich auch nicht aus der Unfallanzeige des Arbeitgebers, wonach der Kläger sich beim Rausreißen des Bodenbelags die linke Schulter (nur) gezerrt hat.

Ungeachtet der Zweifel an einem Sturz im maßgeblichen Unfallgeschehen begründet er jedenfalls keinen Zusammenhang, weil der Durchgangsarzt des Gesundheitszentrums B.-W. einen solchen nicht hat herstellen können. Das ist deshalb von Bedeutung, weil er bei der Erstbehandlung gerade von einem Ausrutschen auf die Schulter ausgegangen ist. Dass der Arzt diesen Ablauf tatsächlich zu Grunde gelegt hat, zeigt seine Veranlassung eines Röntgenbildes der Schulter, obwohl Beschwerden hinsichtlich der Schulter aus seinem Bericht nicht hervorgehen und auch jegliche krankhaften klinischen Befunde im Hinblick auf die Schulter fehlen. Ein Zusammenhang ist allerdings medizinisch auch nicht möglich, nachdem sich im Röntgenbild bereits kein Bruch im Schulterbereich gezeigt hat. Der Sachverständige Dr. G. hat nämlich die Sehnenschädigung durch direkten Sturz auf die Schulter überzeugend als ausgeschlossen bezeichnet: Ein direkter Sturz auf die Schulter könne nämlich allgemein nicht zu den Sehnenschädigungen, sondern nur zu einer Prellung der Schulter führen. Auf den Hintergrund dieser Einschätzung, wonach sich bei einem Aufprall vor den Sehnen schützende Gewebeteile befinden, hatte bereits das Sozialgericht in dem angefochtenen Urteil hingewiesen. Entsprechend erörtert auch der Sachverständige Dr. S. keine Schädigung durch einen Sturz auf die Schulter und widerspricht Dr. G. insoweit ausdrücklich nicht.

Eine Verdrehung des linken, ausgestreckten Armes ist nach der überzeugenden Einschätzung der Sachverständigen keine wesentliche Ursache für die Sehnenschäden in der linken Schulter des Klägers. Diesen Ablauf hält der Senat nach den Angaben des Klägers, die im Telefonvermerk der Beklagten niedergelegt sind, für allein noch feststehend. Ob Grundlage der Verdrehung dabei – wie der Kläger gegenüber dem Sachverständigen Dr. G. angegeben hat – ein plötzliches Lösen des Zuges mit der Kralle war, kann insoweit dahinstehen. Der Senat schließt sich der Einschätzung des Sachverständigen Dr. G. an, wonach der Unfall keine wesentliche Teilursache der Sehnenerkrankung beim Kläger war.

Neben einer Einwirkung durch den Unfall benennt der Sachverständige Dr. G. als weitere Ursache des danach bestehenden Krankheitsbildes Vorschäden der Schulter, die sich bereits 2012 in einem Impingementsyndrom der linken Schulter gezeigt hätten. Bei dieser an sich schon nachvollziehbaren Bewertung hat er noch nicht berücksichtigen können, dass eine Erkrankung der linken Schulter zu einer einmonatigen Arbeitsunfähigkeit geführt hatte, die erst sechs Wochen vor dem Unfall geendet hat. Dies betrifft die Diagnose einer nicht näher bezeichneten Schulterläsion wie auch diejenige der Trizepssehnentendinitis links. Denn beide Diagnosen betrafen die linke Seite und auch die Trizepssehnentendinitis den Schulterbereich. Letzteres ergibt sich aus der einheitlichen Antwort der Ärzte des Gesundheitszentrums B./W. auf die Anfrage des Senats, Hintergrund der Arbeitsunfähigkeit sei (insoweit) ein Reizzustand der subacromialen Bursa gewesen. Dabei spricht es nicht gegen diese Erkrankung als Beleg eines für den späteren Verlauf zumindest mitursächlichen Vorschadens, dass die damals behandelnden Ärzte die Ursache des Reizzustandes „möglicherweise“ im Gebrauch von Unterarmgehstützen wegen einer damaligen Knieerkrankung sehen. Daraus lässt sich jedenfalls nicht schließen, dieser länger andauernde Reizzustand könne keine Schäden in der Schulter hinterlassen haben, die zum Zeitpunkt des Unfalls bzw. kurz danach nachweisbar waren.

Der Sachverständige Dr. G. gibt dem Vorschaden gegenüber einer möglichen Unfalleinwirkung überzeugend das entscheidend höhere Gewicht, weil die unfallnahen Befunde keine Hinweise für eine Verletzung von Schultersehnen enthalten. Der Sehnenschaden findet sich ansatznah, was nach seiner überzeugenden Differenzierung eher für einen degenerativen Schaden spricht, während ein Riss mit verbleibendem Stumpf eher für einen Unfallschaden spräche.

Weiterhin fehlt es an Unfallhinweisen im MRT-Befund, die im zeitlichen Abstand zum Unfall noch zu erwarten wären. Solche Zeichen wie die vom Sachverständigen Dr. G. benannten Gelenkerguss, Hämarthros oder Bone bruise fehlen vollständig. Insoweit unterscheidet der Sachverständige Dr. G. überzeugend stärker als Dr. S. zwischen Knochenödemen überhaupt und einem Bone bruise als Ausdruck punktueller Schäden. Denn es gibt Befunde, die nach Einschätzung des Sachverständigen Dr. G. wiederum für eine Degeneration sprechen. Dazu zählen Signalanhebungen in der Supraspinatussehne, aber auch der im Zusammenhang mit Unfallschäden nicht zur Diskussion stehenden Subskapularissehne sowie eine kleinzystische Flüssigkeitsaufnahme am Humeruskopf als Ausdruck einer chronischen Tendinitis, teilweise mit begleitendem Knochenödem. Insgesamt überzeugt es, dass der Sachverständige Dr. G. aus den genannten Anzeichen auf eine allenfalls unwesentliche Bedeutung des Unfalls für die Veränderungen im Schultergelenk schließt. Diese Auffassung bringt er trotz des vom Kläger hervorgehobenen Wortes „unfallabhängig“ für die Veränderungen im Bereich des linken Schultergelenkes deutlich zum Ausdruck, weshalb der Senat einen einfachen Schreibfehler für erwiesen ansieht. Denn er erwähnt als Beleg für seinen Satz sowohl den MRT-Befund als auch den (klinischen) Erstbefund, die er beide in der vorherigen Erläuterung ausführlich als gegen ein Trauma sprechend bewertet und im vorherigen Absatz auch ausführlich so zusammenfasst. Dort beschreibt er wörtlich, es sei „weder der anteriore Defekt der Supraspinatussehne noch eine Läsion im Bereich des Pulley-Systems durch das … Ereignis vom 15.11.17 verursacht oder im Sinne einer wesentlichen Teilursache entstanden“. Dieser Einschätzung schließt sich der Senat im Hinblick auf die zeitlichen Abläufe auch gegen die abweichende Auffassung Dr. S.s an.

Der Senat folgt der Einschätzung Dr. S.s auch nicht, soweit er die Verursachung von Schulterveränderungen aus der axialen Weiterleitung eines Aufpralls auf den gebeugten Ellenbogen in die Schulter ableitet. Einen solchen Einwirkungsvorgang hat der Kläger selbst nicht behauptet. In seinem Telefonat mit der Beklagten hat er nach dem Gesprächsvermerk einen Sturz auf den Ellenbogen lediglich als möglich zu einem Zeitpunkt geschildert, als die Schmerzen im Bereich des ganzen Armes schon eingesetzt hatten. Umgekehrt lassen die Befunde am Ellenbogen nicht den Rückschluss mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auf einen erfolgten Sturz auf den Ellenbogen zu. Dies ergibt sich schon aus den verbleibenden anderweitigen Möglichkeiten, die in der Beurteilung des MRT vom 22. November 2017 durch die Radiologen liegen. Denn wenn danach das Knochenmarködem im Oberarmköpfchen „am ehesten“ einem Kontusionsödem entspricht, folgt daraus keine an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit des besagten Sturzes. Diese Schlussfolgerung hat auch der Sachverständige Dr. S. in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat aus seiner Auswertung ausdrücklich und folgerichtig gezogen. Auch insoweit steht zudem einer Symptomarmut im Bereich der Schulter kurz nach dem Unfall die Deutlichkeit der degenerativen Veränderungen bereits zum Unfallzeitpunkt entgegen. Durch diese sieht sich Dr. G. an einer Abwägung von Schulterveränderungen als unfallbedingt nachvollziehbar gehindert.

Die vom Kläger als Unfallfolge geltend gemachte näher eingegrenzte Schwäche des linken Arms kann jedenfalls nicht den Veränderungen in der linken Schulter des Klägers als mittelbare Unfallfolge zugeordnet werden. Soweit Dr. S. im Rahmen der Behandlung im Zwischenbericht vom 8. Februar 2018 für diese Erscheinungen eine Ursache in Halswirbelsäulenveränderungen erwogen hat, wären diese funktionellen Folgen nicht durch den Unfall verursacht. Denn Halswirbelsäulenveränderungen sind entsprechend der übereinstimmenden Einschätzung der Sachverständigen bestandskräftig als Unfallfolgen abgelehnt. Auch der Verdacht Dr. G.s, es könne sich um Beschwerden und Funktionsstörungen durch ein Karpaltunnelsyndrom handeln, beträfe nach dessen Einschätzung, der Dr. S. nicht entgegengetreten ist, keine Unfallfolge. Dies überzeugt schon deshalb, weil das Handgelenk kein Bereich ist, für den Unfallschäden bzw. -folgen benannt werden bzw. ersichtlich sind. Denn weder ist eine Einbeziehung in den Unfallablauf vorgetragen oder ersichtlich noch sind in zeitlicher Nähe zum Unfall in diesem Bereich Beschwerden geäußert worden.

Die Kostenentscheidung nach § 193 Abs. 1 S. 1 SGG richtet sich hier nach dem Unterliegen des Klägers im Berufungsverfahren.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen gem. § 160 Abs. 2 Nr. 1, 2 SGG nicht vor, weil die Entscheidung auf der tatsächlichen Würdigung eines Einzelfalls beruht.

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