Die Klage wird abgewiesen.
Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Tatbestand
Der Kläger begehrt die Gewährung einer Beschädigtenversorgung nach dem Soldatenversorgungsgesetz (SVG).
Der Kläger ist 1952 geboren. Er leistete zwischen dem 04.01.1972 und dem 31.03.1973 Wehrdienst bei der Bundeswehr. Im Rahmen der Musterung am 16.04.1971 gab er ein Schwindelgefühl des Herzens, Bronchitisneigung und eine Verletzung des rechten Fingers als Vorerkrankungen an (Bl. 3 d. WDB-Akte) und ist als wehrdiensttauglich eingestuft worden.
Bei dem ersten Nachtmarsch zu Beginn der Grundausbildung klagte der Kläger über Herzklopfen und Luftnot. Es erfolgte eine Vorstellung bei der medizinischen Ambulanz des Bundeswehrkrankenhauses Koblenz am 12.01.1972 mit den Beschwerden: Schwarzwerden vor den Augen, Luftnot, Herzklopfen und Herzstiche bei Belastung (Bericht vom 20.01.1972, Bl. 15 der WDB-Akte). Es wurde die Diagnose „vegetative Dysregulation bei Adipositas und Trainingsmangel“ gestellt, der Kläger erschien den behandelnden Arzt Dr. J. „belastbar und trainierbar“. Im Anschluss setzte der Kläger seine Ausbildung fort. Nach der Grundausbildung arbeitete er bei der Bundeswehr in seinem Beruf als Kfz-Schlosser. Zwischen Januar 1972 und Juli 1972 erfolgten weitere ambulante Vorstellungen und Krankschreibungen des Klägers wegen Dystonie, Distorsion der linken Hand, Marschblasen beider Fersen, Stauchung des Mittelfußes und Polypen in der Nase; zwischen dem 27.11. und 10.12.1972 erfolgte eine Krankschreibung aufgrund einer Schädelprellung nach einem Autounfall auf dem Weg zur Kaserne (Bl. 8 d. WDB-Akte). Aufgrund zunehmender Belastungsdyspnoe erfolgte ein stationärer Aufenthalt im Bundeswehrkrankenhaus Koblenz, Abteilung Innere Medizin vom 11.12.1972 bis zum 23.03.1973 (Bl. 16 der WDB-Akte). Es wurde die Diagnose Myokarditis, vermutlich fokal-toxisch, gestellt. Bei chronischer Tonsillitis wurden am 08.02.1973 die Tonsillen entfernt sowie drei hochkariöse und fraglich devitale Zähne entfernt. Bereits am 03.01.1973 konnte röntgenologisch eine Verkleinerung des Herzens bis zur Normalisierung festgestellt werden, im EKG zeigte sich kein pathologischer Befund. Der Kläger wurde am 23.03.21973 arbeitsunfähig entlassen und beendete zum 31.03.1973 den Dienst bei der Bundeswehr.
Am 28.03.1973 stellte er einen Antrag auf Beschädigtenversorgung nach dem SVG beim Beklagten. Er führte die Myokarditis und die damit verbundenen Beschwerden auf die Belastungen während des Wehrdienstes zurück. Vor der Einberufung sei der Kläger gesund gewesen und habe keine Herzprobleme gehabt, diese seien erst bei dem Nachtmarsch mit Gepäck im Rahmen seiner Grundausbildung bei der Bundeswehr aufgetreten.
Ein weiterer stationärer Aufenthalt im Bundeswehrkrankenhaus Koblenz fand in der Zeit vom 15.05. bis zum 28.05.1973 statt (Bl. 46 d. Rentenakte). Es wurde die Diagnose „im Winter 1972 abgelaufene, wahrscheinlich fokal-toxische Myokarditis“ gestellt. Unter Belastung zeigten sich geringfügige Repolarisierungsstörungen im Ergometer-EKG, in Ruhe und nach Belastung zeigten sich unauffällige Ergebnisse, sodass von einer völligen Restitution ausgegangen worden ist. Der Kläger verließ das Krankenhaus arbeitsunfähig und begann im August 1973 als Lagerarbeiter in einem Teppichgeschäft zu arbeiten.
Der Beklagte holte einen Befundbericht des Hausarztes des Klägers, Dr. E. vom 22.06.1973 (Bl. 25 d. Rentenakte) sowie Berichte über die stationären Aufenthalte des Klägers in dem Bundeswehrkrankenhaus in Koblenz ein. Sodann holte er ein Gutachten bei dem Sachverständigen Facharzt für Innere Medizin Dr. G. vom 28.01.1974 ein. Dieser führte die Beschwerden Herzrasen, Luftnot, Schwindel, vermehrtes Schwitzen und Schlafstörungen auf die Herzschädigung nach fokal-toxischer Herzmuskelentzündung zurück und schlug vor, diese mit einer MdE von 30% als Schädigungsfolge anzuerkennen. Insgesamt sei die Herz-Kreislauf-Schädigung des Klägers mit der MdE von 60% zu bewerten, die weiteren 30% seien jedoch auf die Nicht-Schädigungsfolgen (Nikotinabusus, Alkoholkonsum und Adipositas) zurückzuführen. Er empfahl eine Nachuntersuchung in einem Jahr. Hierzu holte der Beklagte eine Stellungnahme des Versorgungsarztes Dr. H. vom 03.04.1974 ein, welcher die Anerkennung der Herzmuskelentzündung mit der MdE von 30% bis zum 31.01.1974 ohne eine weitere Nachuntersuchung empfahl.
Mit Bescheid vom 03.05.1974 erkannte der Beklagte die Herzmuskelentzündung als Schädigungsfolge an (Bl. 88 d. Rentenakte). Er stellte eine MdE mit 30% zwischen dem 01.04.1973 und dem 31.01.1974 fest und gewährte dem Kläger für diese Zeit Beschädigtenversorgung in Form von Heil- und Behandlungskosten sowie einer Grundrente. Ab dem 01.02.1974 sei keine Rente mehr zu gewähren, weil die Herzmuskelentzündung angeklungen sei und keine MdE mehr vorläge.
Dagegen legte der Kläger am 20.05.1974 Widerspruch ein und legte zur Begründung eine Bescheinigung seines Arbeitgebers vom 20.05.1974 vor (Bl. 90f. d. Rentenakte). Seit dem 20.03.1974 arbeite der Kläger demnach als Kfz-Mechaniker bei der Firma „P. Bauunternehmung“. Laut der Bescheinigung des Arbeitgebers habe er in dem Betrieb als Kfz-Meister angefangen, war jedoch aufgrund seiner Behinderung auf Hilfestellung anderer Mitarbeiter bei Ausbau von Getrieben, Federn usw. angewiesen, sodass er in das Lohnbüro versetzt wurde, bis er sich nach einer anderen Stelle in einem neuen Betrieb umsehen könne.
Mit Widerspruchsbescheid vom 19.09.1974 wies der Beklagte den Widerspruch des Klägers mit der Begründung zurück, die Herzmuskelentzündung sei bereits ausgeheilt und die aktuellen Herzprobleme laut dem Gutachten des Sachverständigen Dr. G. nicht auf die Bundeswehrtätigkeit zurückzuführen (Bl. 96 d. Rentenakte). Dagegen erhob der Kläger keine Klage.
Am 12.01.1983 erlitt der Kläger im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeiten als Busfahrer einen Unfall. Beim Wechseln eines Reserverades ist das Rad auf sein rechtes Schienbein gestürzt, der Kläger erlitt ein Hämatom. In der Folgezeit sind aufgrund sehr langsamer Wundheilung Stauungsödeme und beginnende Krampfaderbildung festgestellt worden. Auf Antrag des Klägers bei seiner Berufsgenossenschaft stellte diese mit Bescheid vom 13.12.1983 eine MdE von 20 % bis zum 17.11.1983 fest und gewährte dem Kläger eine BG-Rente. Danach sei keine MdE von mindestens 10% festzustellen. Als Folgen des Unfalls erkannte die Berufsgenossenschaft die Schwellneigung und Belastungsbeschwerden sowie die herabgesetzte Hautempfindlichkeit in Bereich des rechten Unterschenkels an. Dagegen ging der Kläger mit Widerspruch und Klage vor. Im späteren Klageverfahren (Az.: S 6 VS 56/86) holte das Gericht ein Gutachten bei dem Facharzt für Innere Medizin Dr. K. vom 04.07.1986 ein (Bl. 32 d. Gerichtsakte). Der Sachverständige ist gefragt worden, ob die bei dem Kläger vorliegenden Gesundheitsstörungen auf den Arbeitsunfall vom 12.01.1983, die anerkannte Wehrdienstschädigung oder andere Ursachen zurückzuführen ist. Er diagnostizierte bei dem Kläger posttraumatische Sensibilitätsstörungen und Schwellneigung des rechten Unterschenkels, Adipositas und Hypertriglyzeridämie und teilte mit, dass die posttraumatischen Sensibilitätsstörungen und die Schwellneigungen des rechten Unterschenkels mit hoher Wahrscheinlichkeit unmittelbar auf den Arbeitsunfall vom 12.01.1983 zurückzuführen seien; keine der von dem Sachverständigen feststellten Erkrankungen sei auf die anerkannte Wehrdienstbeschädigung zurückzuführen.
Unter dem 19.07.1985 stellte der Kläger beim Beklagten einen Antrag auf Überprüfung der Entscheidung aus dem Bescheid vom 03.05.1974 (Bl. 88 d. Rentenakte). Die heute bestehende Schwellung der Beine mit Schmerzen und Taubheitsgefühl, welche den Kläger in seinen Beruf als Busfahrer hinderten, seien auf die Wehrdienstbeschädigung zurückzuführen. Dies ergäbe sich aus dem eingereichten Befundbericht der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik Frankfurt am Main vom 25.03.1983 (Bl. 102 d. Rentenakte). Demnach bestünden die Beschwerden aufgrund geschwollener Beine seit der Wehrdienstzeit.
Der Beklagte holte eine ärztliche Stellungnahme bei Dr. L. vom 27.11.1985 ein und lehnte mit Bescheid vom 03.01.1986 den Antrag des Klägers ab (Bl. 118 d. Rentenakte). Die eine Rücknahme des Bescheides vom 03.05.1974 rechtfertigende Beweisunterlagen seien vom Kläger nicht vorgelegt worden. In dem eingereichten Befundbericht der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik Frankfurt am Main vom 25.03.1983 wird von einer eventuellen „latenten Herzinsuffizienz bei Zustand nach Endocarditis mit Stauungsödemen beider Unterschenkel“ berichtet; dieser eventuelle Herzschaden stünde nach der ärztlichen Stellungnahme des Dr. L. nicht im ursächlichen Zusammenhang mit der während der Dienstzeit erfolgten Erkrankung im Jahre 1973. Die dagegen gerichtete Klage nahm der Kläger am 30.12.1986 zurück (Bl. 124 d. Rentenakte).
Am 13.01.2015 stellte der Kläger erneut einen Antrag auf Überprüfung der Entscheidung des Beklagten im Bescheid vom 03.05.1974 (Bl. 136 d. Rentenakte). Zur Begründung führte er aus, bereits Dr. G. sei in seinem Gutachten vom 28.01.1974 von einer nicht völligen Ausheilung der Herzmuskelentzündung ausgegangen; der Sachverständige berichtete vielmehr von einem Dauerschaden, welcher mit einer MdE von 30 % zu bewerten sei.
Mit Bescheid vom 20.05.2016 lehnte der Beklagte den Antrag mit der Begründung ab, der Bescheid sei bereits in den Jahren 1984-1985 überprüft worden (Bl. 152 d. Rentenakte). Die Überprüfung ergab, dass die Herzmuskelentzündung folgenlos angeklungen sei und ein heute noch bestehender Herzschaden nicht folge der Wehrdienstbeschädigung, sondern außerdienstlicher Faktoren sei.
Dagegen legte der Kläger am 13.06.2016 Widerspruch ein und wiederholte seine Argumentation aus dem Antrag (Bl. 156 d. Rentenakte). Mit Widerspruchbescheid vom 23.01.2018 wies der Beklagte den Widerspruch zurück (Bl. 56 der Widerspruchsakte).
Am 12.02.20218 hat der Kläger Klage erhoben.
Er ist der Ansicht, die bei ihm mittlerweile vorliegende ausgeprägte Herzerkrankung sei auf die im Rahmen des Wehrdienstes erlittene Herzmuskelentzündung zurückzuführen. Dies ergäbe sich aus dem Gutachten des Dr. G.
Der Kläger beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, unter Aufhebung des Bescheides vom 20.05.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.01.2018 den Bescheid vom 03.05.1974 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.09.1974 zurückzunehmen und dem Kläger eine Beschädigtenrente nach einem Grad der Schädigungsfolgen von 30 ab dem 01.02.1974 zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Kläger hat Befundberichte des Facharztes für Innere Medizin und Kardiologie Dr. F. vom 07.05.2019 und 19.12.2019 vorgelegt. Sodann ist auf Antrag des Klägers ein Gutachten bei den Sachverständigen Dr. R. und Dr. M. vom 15.03.2022 und eine ergänzende Stellungnahme der Ärzte vom 20.12.2023 eingeholt worden. Bezüglich des Inhalts des Gutachtens und der Stellungnahme wird auf Bl. 166-174 und 269-272 Bezug genommen.
Wegen des übrigen Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichts- und Verwaltungsakten, die der Kammer zum Zeitpunkt der Entscheidung vorlagen, verwiesen und inhaltlich Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist unbegründet.
Die streitgegenständlichen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten. Er hat keinen Anspruch auf die Rücknahme des zur Überprüfung gestellten Bescheides vom 03.05.1974 in Gestalt des Widerspruchbescheides vom 19.09.1974.
Anspruchsgrundlage für die begehrte Zurücknahme der Bescheide ist § 44 SGB X. Hiernach ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind (Abs. 1 Satz 1). Die hier in Betracht kommenden Tatbestandsvarianten der unrichtigen Sachverhaltsermittlung und der daraus folgenden Nichterbringung von Leistungen nach dem SVG sind nicht erfüllt. Der insoweit beweisbelastete Kläger hat nicht dargelegt, dass die bei ihm vorliegenden Herzerkrankungen kausal auf die Wehrdienstschädigung zurückzuführen sind.
Gemäß § 80 Abs. 1 SVG erhält ein Soldat, der eine Wehrdienstbeschädigung erlitten hat, nach Beendigung des Wehrdienstverhältnisses wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen der Wehrdienstbeschädigung auf Antrag Versorgung in entsprechender Anwendung der Vorschriften des BVG. Wehrdienstbeschädigung ist nach § 81 SVG eine gesundheitliche Schädigung, die durch eine Wehrdienstverrichtung, durch einen während der Ausübung des Wehrdienstes erlittenen Unfall oder durch die dem Wehrdienst eigentümlichen Verhältnisse herbeigeführt worden ist. Die Versorgung umfasst nach dem insoweit entsprechend anwendbaren § 9 Abs. 1 Nr. 3 BVG die Beschädigtenrente (§§ 29 ff. BVG). Nach § 30 Abs. 1 S. 1 BVG ist der Grad der Schädigungsfolgen (GdS) - bis zum Inkrafttreten des Gesetzes zur Änderung des BVG und anderer Vorschriften des Sozialen Entschädigungsrechts vom 13. Dezember 2007 (BGBl I S. 2904) am 21. Dezember 2007 als Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) bezeichnet - nach den allgemeinen Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen, welche durch die als Schädigungsfolge anerkannten körperlichen, geistigen, seelischen Gesundheitsstörungen bedingt sind, in allen Lebensbereichen zu beurteilen. Der GdS ist nach Zehnergraden von 10 bis 100 zu bemessen (§ 30 Abs. 1 S. 2 BVG). Beschädigte erhalten gemäß § 31 Abs. 1 BVG eine monatliche Grundrente ab einem GdS von 30. Liegt der GdS unter 25 besteht kein Anspruch auf eine Rentenentschädigung (vgl. LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 18.12.2014, Az.: L 6 VS 413/13).
Für die Anerkennung von Schädigungsfolgen, welche eine Beschädigtenrente stützen können, ist eine dreigliedrige Kausalkette vorgegeben: Ein mit dem Wehrdienst zusammenhängender schädigender Vorgang (1. Glied) muss zu einer primären Schädigung (2. Glied) geführt haben, die wiederum die geltend gemachten Schädigungsfolgen (3. Glied) bedingt. Die drei Glieder der Kausalkette müssen im Vollbeweis, das heißt mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, nachgewiesen sein (vgl. BSG, Urteil vom 15.12.1999, Az. B 9 VS 2/98 R). Demgegenüber reicht es für den ursächlichen Zusammenhang der drei Glieder aus, wenn dieser jeweils mit hinreichender Wahrscheinlichkeit gegeben ist, § 81 Abs. 6 S. 1 SVG (vgl. BSG, Urteil vom 16.12.2014, Az.: B 9 V 3/13 R; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 23.06.2016, Az.: L 6 VS 1095/14; Bayerisches Landessozialgericht, Urteil vom 26.01.2016, Az.: L 15 VK 1/12; Bayerisches LSG, Urteil vom 15.12.2015, Az.: L 15 VS 19/09).
Diese Grundsätze haben ihren Niederschlag auch in den „Anhaltspunkten für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertengesetz“ in ihrer am 1. Oktober 1998 geltenden Fassung der Ausgabe 1996 (AHP 1996) und nachfolgend - seit Juli 2004 - den „Anhaltspunkten für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht (Teil 2 SGB IX)“ in ihrer jeweils geltenden Fassung (AHP 2005 und 2008) gefunden, welche zum 1. Januar 2009 durch die Anlage zu § 2 Versorgungsmedizin-Verordnung (VersMedV) vom 10. Dezember 2008 (Teil C, Nrn. 1 - 3 und 12 der Anlage zu § 2 VersMedV; vgl. BR-Drucks. 767/1/08, S. 3 f.) inhaltsgleich ersetzt worden ist (vgl. BSG, Urteil vom 16.12.2014, Az.: B 9 V 6/13 R). Die Bewertung der Höhe des GdS richtet sich nach diesen Vorgaben.
Ausgehend von diesen rechtlichen Vorgaben ist kein Nachweis des ursächlichen Zusammenhangs zwischen den heutigen Erkrankungen des Herzens des Klägers und der Wehrdienstschädigung erbracht worden. Die Kammer stützt sich dabei auf die vorgelegten Befundberichte mit den überlassenen weiteren medizinischen Berichten sowie auf die medizinischen Unterlagen der Verwaltungsakte, insbesondere das Gutachten des Sachverständigen Dr. G. vom 28.01.1974 und das im Verfahren S 6 VS 56/86 eingeholte Gutachten des Sachverständigen Dr. K. vom 04.07.1986.
In den über die Jahre eingeholten Gutachten und Befundberichten lassen sich keine eindeutigen Hinweise auf eine dauerhafte Herzerkrankung finden, die mit hinreichender Wahrscheinlichkeit überwiegend auf die während des Wehrdienstes erlittene Schädigung zurückzuführen wären. Aufgrund der bereits vor dem Wehrdienst bestehender Erkrankungen (Schwindelgefühl des Herzens, Bronchitisneigung, Nikotin- und Alkoholkonsum, Adipositas) und während des Wehrdienstes hinzugetretener, aber von diesem unabhängiger Erkrankungen (Tonsillitis, Zahnkaries) kann nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit von einem kausalen Zusammenhang zwischen der heutigen Herzerkrankungen des Klägers und dem Wehrdienst ausgegangen werden.
Der Sachverständige Dr. G. hat in seinem Gutachten aus 1974 bei dem Kläger eine auf den Wehrdienst zurückzuführende Herzschädigung nach fokal-toxischer Herzmuskelentzündung festgestellt (S. 17 d. Gutachtens). Der Kläger hat dem Sachverständigen von Beschwerden in Form von Herzrasen und Luftnot bei kleinen Anstrengungen (wie Treppensteigen), manchmal leichten Schwindel und vermehrten Schwitzen berichtet. Sonst bestanden keine Herzbeschwerden (S. 4 d. Gutachtens). Bei den durch den Sachverständigen durchgeführten Untersuchungen wurde ein etwas nach links verbreitetes Herz festgestellt, die Herzaktion war regelmäßig bis auf einzelne Extraschläge; das EKG hat sowohl in Ruhe als auch bei Belastung keine krankhaften Veränderungen gezeigt (S. 13 d. Gutachtens). Der Sachverständige hat von weiteren Untersuchungsergebnissen gesprochen, die ihn zu der Annahme geführt haben, dass sich das das Herz-Kreislauf-System des Klägers „an der Grenze zur Unausgeglichenheit befindet“: der Blutdruck schwankte und es bestand eine Neigung zur Blutdrucksteigerung sowie ein „leicht verdichtetes“ Gefäßband, was dem Alter des Klägers nicht entsprach; zudem war eine Verfärbung der Lippen zu beobachten (S. 13 d. Gutachtens). Der Sachverständige analysierte zudem die Ergebnisse der Untersuchungen des Klägers aus Mitte September 1973 bei dem Hausarzt Dr. E., bei welchen sich bei fast normalem klinischen Befund eine „weitgehende Abheilung“ zeigte. Der Sachverständige ordnete die sich aus seiner Untersuchung ergebende Ergebnisse einer Verschlechterung des Herz-Kreislauf-Geschehens zu, die aus seiner Sicht mit großer Wahrscheinlichkeit ihre Ursache in der erheblichen Fettleibigkeit bei erneutem Nikotin- und Alkoholabusus habe (S. 13 d. Gutachtens). Dieses Ergebnis wiederholte der Sachverständige auf Seite 16 seines Gutachtens, in dem er von einem Abklingen „des Krankheitsgeschehens“ (gemeint war wohl die Herzmuskelentzündung), jedoch keiner völligen Ausheilung und einer durch den Lebensstill des Klägers aufgetretenen Verschlechterung sprach, die nicht mehr den Gegebenheiten des Wehrdienstes angelastet werden könne. Der Sachverständige teilte im Ergebnis die bei dem Kläger insgesamt zu einer MdE von 60% vorliegende Herz-Kreislauf-Schädigung in einen Teil, welcher auf die wehrdienstliche Schädigung zurückzuführen sei (MdE 30%) und einen, welcher nicht darauf zurückzuführen sei (ebenfalls MdE 30%).
Dieser Bewertung folgte der Versorgungsarzt des Beklagten, Dr. H., in seiner Stellungnahme vom 03.04.1974 aber nur bis zum 31.01.1974. Dr. H. ging danach aufgrund eines durch den Sachverständigen bestätigten Abklingens der Herzmuskelentzündung und der späteren Verschlimmerung aufgrund nicht wehrdienstlich bedingter Faktoren von keiner MdE mehr aus. Die Stellungnahme des Versorgungsarztes ist für die Kammer nachvollziehbar. Dr. H. war insoweit auch berechtigt, von der durch den Sachverständigen Dr. G. vorgeschlagenen Bewertung der Höhe der MdE abzuweichen. Im Ergebnis hat Dr. G. zwar von einer nicht völligen Ausheilung der Herzmuskelentzündung und einer erstmaligen Entwicklung dieser Erkrankung durch die im Wehrdienst erfolgte körperliche Beanspruchung gesprochen; er hat jedoch überzeugend anhand der vorliegenden Untersuchungsergebnisse dargelegt, dass zwischenzeitlich eine Besserung eingetreten ist und eine Verschlimmerung „auf der völligen Uneinsichtigkeit des Herrn S. trotz entsprechender Aufklärung“ in Form von Wiederaufnahme des Nikotin- und Alkoholkonsums eingetreten ist (S. 16 d. Gutachtens). Diese Verschlimmerung kann aus Sicht der Kammer nicht mehr auf den Wehrdienst zurückgeführt werden.
Dieses Ergebnis wird durch das im späteren Klageverfahren des Klägers gegen seine Berufsgenossenschaft eingeholte Gutachten des Sachverständigen Dr. K. von 1986 bestätigt: er hält einen Zusammenhang der Herzerkrankung des Klägers mit dem Wehrdienst für ausgeschlossen (S. 12 d. Gutachten) und bewertet das Ergebnis des Beklagten im Bescheid vom 03.05.1974 auf der Grundlage der Stellungnahme des Dr. H. als „nach mehr als zwölf Jahren absolut korrekt“ (S. 10 d. Gutachtens). Bei den durch Dr. K. im 1986 durchgeführten Untersuchungen des Herzens des Klägers zeigten sich keine Auffälligkeiten, er sprach von regelrechter Ergometrie bei sehr geringer Leistungsbreite des Kreislaufs ohne Hinweise auf eine koronare Herzerkrankung und ohne Rhythmusstörungen (S. 8 d. Gutachtens). Der Kläger berichtete im Rahmen der Untersuchung bei Dr. K. von keinen Herzbeschwerden, im Vergleich zu der Untersuchung durch Dr. G. wurde nicht mehr von Herzrasen und Luftnot berichtet, sondern von abendlichen Schmerzen und Stauungsgefühl am rechten Bein mit Neigung zum Anschwellen sowie rascher Ermüdung und Schlappheitsgefühl (S. 5 d. Gutachtens).
Erst in den Befundberichten des Kardiologen Dr. F. aus 2019 werden die Diagnosen „kompensierte Herzinsuffizienz, permanentes Vorhofflimmern und Mitralklappeninsuffizienz“ mit entsprechenden Beschwerden des Klägers in Form von Dyspnoe bei mittleren und starken Anstrengungen gestellt (Befundbericht vom 07.05.2019). Bezüglich der Herzinsuffizienz mit leicht reduzierter linksventrikulärer Funktion kann aus Sicht des Dr. F. in seinem Befundbericht vom 07.05.2019 nicht ausgeschlossen werden, dass dies auch ein residualer Zustand einer Defektheilung nach früherer Myokarditis sei. In seinem Befundbericht vom 19.12.2019 führt Dr. F. weiter aus, dass der definitive Nachweis einer Kausalität nach so vielen Jahren kaum noch machbar sei, weil insbesondere für den Nachweis bzw. Ausschluss einer Myokarditis ein Röntgenbild der Thorax keine geeignete Untersuchungsmethode sei. Auf der Grundlage dieser Angaben hielt die Kammer die Einholung eines Sachverständigengutachtens von Amts wegen für nicht erforderlich.
Das auf Antrag des Klägers eingeholte Gutachten der Sachverständigen Dr. R. und Dr. M. hat im Ergebnis diese Ausführungen bestätigt und keine neuen Erkenntnisse gebracht. Auf die Frage, ab das Gutachten aufgrund formeller Mängel überhaupt verwertbar war, kommt es daher nicht mehr an.
Die Klage war daher abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.