L 8 BA 72/25 B ER

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Betriebsprüfungen
Abteilung
8
1. Instanz
SG Köln (NRW)
Aktenzeichen
S 33 BA 53/25 ER
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 8 BA 72/25 B ER
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Köln vom 18.06.2025 wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerin trägt auch die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 18.396,88 Euro festgesetzt.

Gründe

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts (SG) Köln vom 18.06.2025 ist nicht begründet. Das SG hat den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des vom 07.05.2025 datierenden Widerspruchs gegen den Bescheid vom 23.04.2025 zu Recht abgelehnt.

Gemäß § 86b Abs. 1 S. 1 Nr. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) kann das Gericht der Hauptsache in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, diese auf Antrag ganz oder teilweise anordnen. Widerspruch und Anfechtungsklage gegen eine – wie hier erfolgte – Entscheidung über Beitragspflichten und die Anforderung von Beiträgen sowie der darauf entfallenden Nebenkosten haben gem. § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG keine aufschiebende Wirkung.

Die Entscheidung, ob eine aufschiebende Wirkung ausnahmsweise gem. § 86b Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGG durch das Gericht angeordnet wird, erfolgt aufgrund einer umfassenden Abwägung des Suspensivinteresses des Antragstellers einerseits und des öffentlichen Interesses an der Vollziehung des Verwaltungsakts andererseits (st. Rspr., vgl. z.B. Senatsbeschl. v. 15.05.2023 – L 8 BA 32/23 B ER – juris Rn. 3 m.w.N.). Im Rahmen dieser Interessenabwägung ist in Anlehnung an § 86a Abs. 3 S. 2 SGG zu berücksichtigen, in welchem Ausmaß Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen (hierzu unter 1.) oder ob die Vollziehung für den Antragsteller eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte (hierzu unter 2.).

1. Da § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG das Vollzugsrisiko bei Beitragsbescheiden grundsätzlich auf den Adressaten verlagert, können nur solche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheides ein überwiegendes Suspensivinteresse begründen, die einen Erfolg des Rechtsbehelfs wahrscheinlich erscheinen lassen. Hierfür reicht es nicht schon aus, dass im Rechtsbehelfsverfahren möglicherweise noch ergänzende Tatsachenfeststellungen zu treffen sind. Maßgebend ist vielmehr, ob nach der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der Eilentscheidung mehr für als gegen die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides spricht (st. Rspr. des Senats, vgl. z.B. Beschl. v. 15.05.2023 – L 8 BA 32/23 B ER – juris Rn. 4 m.w.N.).

Nach diesen Maßstäben ist die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs nicht anzuordnen, da dessen Erfolg nicht wahrscheinlich ist. Es spricht nach der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gebotenen summarischen Prüfung derzeit nicht mehr dafür als dagegen, dass sich der von der Antragsgegnerin erlassene Bescheid vom 23.04.2025, mit dem sie von der Antragstellerin für die Tätigkeit der Gesellschafter-Geschäftsführerin J. (im Folgenden: P) für den Zeitraum vom 01.01.2020 bis 21.05.2024 Sozialversicherungsbeiträge in Höhe von 73.587,53 Euro nachfordert, als rechtswidrig erweisen wird.

Der Senat nimmt zur Vermeidung von Wiederholungen zunächst auf die zutreffenden Gründe der angefochtenen Entscheidung des SG sowie des streitigen Bescheides Bezug, denen er sich nach eigener Prüfung anschließt (§ 142 Abs. 2 S. 3 SGG; § 142 Abs. 1 i.V.m. § 136 Abs. 3 SGG).

Das (erneute) Vorbringen der Beschwerdeführerin zu Säumnissen des Notars und dessen Stellung rechtfertigt keine andere Beurteilung. Entgegen ihrer Auffassung kommt es für die sozialversicherungsrechtliche Statusbeurteilung ihrer Gesellschafter-Geschäfts­führerin allein auf die im Handelsregister (tatsächlich) hinterlegte Gesellschafterliste an, die im streitigen Zeitraum für P – lediglich – einen Minderheitsanteil von 48,15% auswies. Eine nicht zum Register gelangte (andere) Liste ist hingegen – unabhängig von der Frage, ob und wer dies verschuldet hat – unmaßgeblich.

Die für die sozialversicherungsrechtliche Statusbeurteilung relevante Höhe des Gesellschaftsanteils richtet sich nach (dem Zeitpunkt) der Aufnahme einer (geänderten) Gesellschafterliste (§ 40 Handelsgesetzbuch - HGB) im Handelsregister (vgl. BSG Urt. v. 20.02.2024 – B 12 KR 3/22 R – juris Rn. 27; Urt. v. 13.03.2023 – B 12 R 4/21 R – juris Rn. 18 m.w.N.). Nach § 16 Abs. 1 S. 1 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbHG) gilt – unabhängig von der materiellen Rechtslage – im Verhältnis zur Gesellschaft im Fall einer Veränderung in den Personen der Gesellschafter oder des Umfangs ihrer Beteiligung als Inhaber eines Geschäftsanteils nur, wer als solcher in der im Handelsregister aufgenommenen Gesellschafterliste (§ 40 GmbHG) eingetragen ist (vgl. BSG Urt. v. 13.03.2023 – B 12 R 4/21 R – juris Rn. 18: st. Rspr. m.w.N.; Urt. v. 10.12.2019 – B 12 KR 9/18 R – juris Rn. 25 f.). Das BSG legt diese vor unsicheren gesellschaftsrechtlichen Verhältnissen schützende Vorschrift bei der Prüfung der Rechtsmacht regelmäßig zugrunde und stellt daher für den Umfang der Beteiligung nicht auf den Kauf und die Übertragung eines Geschäftsanteils, sondern allein auf den Zeitpunkt der Aufnahme der geänderten Gesellschafterliste (§ 40 GmbHG) in das Handelsregister ab (vgl. BSG Urt. v. 13.03.2023 – B 12 R 4/21 R – juris Rn. 18: st. Rspr m.w.N.; vgl. BSG Urt. v. 10.12.2019 – B 12 KR 9/18 R – juris Rn. 31: Anteilserwerb).

Die Eintragung begründet eine gesetzliche Fiktion oder unwiderlegbare Vermutung. Die Legitimationswirkung des § 16 GmbHG gilt zugunsten wie auch zulasten des Eingetragenen. Materiell-rechtliche Beteiligung und formell-rechtliche Legitimation können somit auseinanderfallen und sind grundsätzlich unabhängig voneinander. Die Eintragung ist keine Wirksamkeitsvoraussetzung für den Erwerb eines Geschäftsanteils; ohne die Eintragung und die Aufnahme der Liste in das Handelsregister bleibt dem Gesellschafter aber die Ausübung seiner Mitgliedschaftsrechte verwehrt. Gegenüber der GmbH gilt allein der Eingetragene als Inhaber des Geschäftsanteils. Die Legitimationswirkung entfällt erst nach der Einreichung einer neuen oder berichtigten Gesellschafterliste ex nunc (vgl. BSG Urt. v. 13.03.2023 – B 12 R 4/21 R – juris Rn. 19 m.w.N.). Eine solche neue Liste ist hier (erst) am 22.05.2025 und damit nach dem streitigen Zeitraum zum Handelsregister gegeben worden.

Ist aber allein die – tatsächlich – hinterlegte Gesellschafterliste maßgeblich, vermögen die Ausführungen der Antragstellerin zur Unrichtigkeit dieser Liste für die statusrechtliche Beurteilung der P keine Relevanz zu entfalten. Entsprechend kann dahinstehen, ob der (frühere) Notar (verschuldet) versäumt hatte, beim Handelsregister die aus einem (bisher noch nicht in unterschriebener Fassung vorgelegten) Anteilsübertragungsvertrag vom 02.09.2019 resultierende materiell-rechtliche Änderung der Gesellschaftsanteile anzumelden. Auch die von der Antragstellerin aufgeworfene Frage, ob ihr ein Versäumnis des Notars zuzurechnen sei, stellt sich nicht. Selbst wenn die Mitwirkung eines Notars an gesellschaftsrechtlichen Veränderungen in den Personen der Gesellschafter oder ihren Anteilen gem. § 40 Abs. 2 GmbHG bewirkt, dass (wie die Antragstellerin geltend macht) allein dieser (anstelle der Geschäftsführer, § 40 Abs. 1 GmbHG) die geänderte Gesellschafterliste an das Handelsregister zu übermitteln hat, wird die Gesellschaft hierdurch keinen sozialversicherungsrechtlichen Risiken ausgesetzt. Vielmehr haben die Geschäftsführer es stets in der Hand, die Aktualität der Gesellschafterliste selbst zu prüfen (vgl. BSG Urt. v. 13.03.2023 – B 12 R 4/21 R – juris Rn. 26 m.w.N.). Weist das Handelsregister eine (neu vereinbarte) relevante Änderung nicht aus, kann der Notar (frühzeitig) auf (fortbestehende) Unrichtigkeiten hingewiesen und – sofern diese ihm anzulasten sind – zur Erledigung der Anmeldung angehalten werden. Etwaige zwischenzeitliche Schäden können – worauf die Antragstellerin dem Grunde nach selbst hinweist – im Wege des Amtshaftungsanspruchs gem. §§ 839 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) i.V.m Art. 34 Grundgesetz (GG) gegenüber dem Notar geltend gemacht werden. Einer generellen Abkehr von der dargelegten höchstrichterlichen Rechtsprechung zur Bedeutung der im Handelsregister hinterlegten Gesellschafterlisten bedarf es (auch unter dem von der Antragstellerin angeführten Grundsatz von Treu und Glauben) nicht.

2. Die Voraussetzungen einer unbilligen Härte sind von der Antragstellerin auch im Beschwerdeverfahren nicht geltend gemacht worden.

 Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 S. 1 SGG i. V. m. §§ 161 Abs. 1, 154 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).

Die Festsetzung des Streitwerts folgt aus §§ 197a Abs. 1 S. 1 SGG i.V.m. §§ 47 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 4, 52 GKG und berücksichtigt, dass in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes, die Beitragsangelegenheiten betreffen, regelmäßig nur ein Viertel des Wertes der Hauptsache einschließlich etwaiger Säumniszuschläge als Streitwert anzusetzen ist (st. Rspr. des Senats, z.B. Beschl. v. 15.05.2023 – L 8 BA 32/23 B ER – juris Rn. 23 m.w.N.).

Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).

Rechtskraft
Aus
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