L 5 P 121/24

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Pflegeversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Gelsenkirchen (NRW)
Aktenzeichen
S 14 P 353/23
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 5 P 121/24
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 03.07.2024 wird zurückgewiesen.

Kosten sind auch Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Gewährung von Leistungen der Pflegeversicherung mindestens nach dem Pflegegrad 2.

Der am 00.00.0000 geborene Kläger ist bei der Beklagten gesetzlich pflegeversichert. Er leidet im Wesentlichen an einer Adipositas mit Beeinträchtigung der Mobilität und der Selbsthilfefähigkeit kombiniert mit einer Herzinsuffizienz, Lungenfunktionsstörungen und Beinödemen beidseits, zudem an einem Schlafapnoesyndrom (SAS) mit nächtlicher CPAP-Therapie.

Seit Januar 2018 bezieht der Kläger auf Grundlage des Bescheides vom 15.02.2018 Leistungen der Pflegeversicherung nach Pflegegrad 1. Grundlage hierfür war das Gutachten des Sozialmedizinischen Dienstes (SMD) vom 14.02.2018, in dem folgende Diagnosen festgestellt wurden: Grenzwertig kompensierte Herzinsuffizienz, am ehesten als Folge einer hypertensiven Herzkrankheit, Lymphödeme beidseits mit Zustand nach Erysipel links am Unterschenkel, ferner hochgradige Adipositas, Verdacht auf therapiebedürftiges SAS sowie nicht optimal eingestellter Hypertonus. Im Begutachtungsinstrument wurden in den Modulen 1, 2 und 3 keine Hilfebedarfe bzw. Defizite festgestellt. In Modul 4 wurden 10 gewichtete Punkte (im Folgenden: GP) vergeben (überwiegend selbstständig beim Duschen und Baden, überwiegend unselbstständig beim Kleiden des Unterkörpers), im Modul 5 wurden für Hilfestellung bei körpernahen Hilfsmitteln, konkret Kompressionsstrümpfen, 5GP vergeben, so dass bei insgesamt 15 GP Pflegegrad 1 festgestellt wurde.

Am 06.02.2020 stellte der Kläger einen ersten Höherstufungsantrag. Nachdem der SMD mit Gutachten vom 14.09.2020 eine Verbesserung angenommen hatte, hob die Beklagte mit Bescheid vom 12.01.2021 in Gestalt des Widerspruchbescheids vom 31.03.2021 die Bewilligung von Pflegeleistungen nach Pflegegrad 1 auf. Im Rahmen des hiergegen vom Kläger angestrengten Klageverfahrens vor dem Sozialgericht Gelsenkirchen (S 3 P 155/21) holte das Gericht von Amts wegen ein Gutachten von dem Facharzt für Innere Medizin/Geriatrie R. Y. vom 09.07.2021 ein, der in seinem Gutachten nach Hausbesuch am 08.07.2021 zu der Beurteilung gelangte, die Voraussetzungen für Pflegegrad 2 seien mit 33,75 GP gegeben. Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt des Gutachtens (Bl. 36 ff. der Akte S 3 P 155/21) Bezug genommen. Die Beklagte hob daraufhin den Bescheid vom 12.01.2021 in Gestalt des Widerspruchbescheids vom 31.03.2021 auf.

Am 02.03.2022 beantragte der Kläger erneut Leistungen nach einem höheren Pflegegrad „rückwirkend und bis auf weiteres“.

Der SMD stellte in einem Gutachten nach persönlicher Befunderhebung im häuslichen Umfeld vom 23.09.2022 durch Frau Z. folgende pflegerelevante Diagnosen fest: Adipositas mit Beeinträchtigung der Mobilität und der Selbsthilfefähigkeit kombiniert mit einer Herzinsuffizienz, Lungenfunktionsstörungen und Beinödemen beidseits. Im Modul 1 sei der Kläger überwiegend selbständig beim Fortbewegen innerhalb des Wohnbereichs (1 Einzelpunkt – im Folgenden: EP) und überwiegend unselbständig beim Treppensteigen (3 EP, 2,5 GP). Im Modul 4 sei er beim Waschen des Intimbereichs überwiegend selbständig (1 EP) und beim Duschen und Baden einschließlich Waschen der Haare (2 EP) und beim An- und Auskleiden des Unterkörpers überwiegend unselbständig (2 EP), bei den übrigen Aktivitäten selbständig. Bei 5 EP sei von 10 GP auszugehen. Bei Modul 5 benötige der Kläger zweimal täglich Hilfe bei körpernahen Hilfsmitteln (1 EP, 5 GP). Bei Modul 6 vergab der SMD 1 EP für das nur überwiegend selbständige Ruhen und Schlafen (3,75 EP). Bei insgesamt 21,25 GP liege Pflegegrad 1 vor.

Mit Bescheid vom 06.10.2022 lehnte die Beklagte die „Zuordnung in einen höheren Pflegegrad“ ab. Der Pflegebedarf habe sich nicht in dem Maße geändert, wie es für die Einstufung in einen höheren Pflegegrad erforderlich sei.

Hiergegen erhob der Kläger mit Schreiben vom 13.10.2022 Widerspruch, den er damit begründete, er sei in vielen Bereichen nicht selbständig. Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt des Schreibens Bezug genommen.

Im Rahmen des Widerspruchsverfahren begutachtete der SMD den Kläger durch die Pflegefachkraft W. im Rahmen einer persönlichen Befunderhebung am 08.02.2023. Diese gelangte zu der Beurteilung, die Vorgutachterin habe die Situation plausibel dargestellt, der Hilfebedarf entspreche dem Pflegegrad 1. Die Mobilitätsprüfung habe der Kläger verweigert, weitere Hilfebedarfe seien nicht festzustellen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 11.07.2023 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers gegen den Bescheid vom 06.10.2022 zurück. Ein höherer Pflegegrad sei nicht feststellbar.

Am 09.08.2023 hat der Kläger beim Sozialgericht Gelsenkirchen Klage erhoben und sich zur Begründung auf das im Verfahren S 3 P 155/21 eingeholte Gutachten von R. Y. berufen.

Das Sozialgericht hat nach Einholung von Befundberichten der Fachärztin für Allgemeinmedizin E. und der Fachärztin für Innere Medizin und Kardiologie G. sowie der Behandlungsunterlagen des F. Hospitals X. und des C.-Hospitals V. Beweis erhoben durch Einholung eines Gutachtens von Q., Facharzt für Orthopädie, Spezielle Orthopädische Chirurgie, Facharzt für Chirurgie, Unfallchirurgie, Spezielle Unfallchirurgie, X. I., vom 20.02.2024. Dieser hat die Vorgutachten des SMD und das Vorliegen von Pflegegrad 1 bei insgesamt 21,25 gewichteten Punkten bestätigt unter Berücksichtigung folgender Diagnosen:

  • Einschränkung der Mobilität, der Beweglichkeit und der allgemeinen Leistungsfähigkeit durch massive Adipositas
  • Lungenfunktionsstörung mit zeitweiser Sauerstoffpflichtigkeit
  • Herzinsuffizienz
  • Bluthochdruck mit hypertensiver Herzerkrankung
  • Beinödeme beidseits (multifaktoriell) mit aktuell nässender Wunde an der linken Wade
  • Schlafapnoesyndrom
  • Hautleiden (Schuppenflechte)
  • Rückenschmerzen bei Adipositas

 

Pflegebegründend seien im Wesentlichen die Einschränkung der Mobilität und der körperlichen Leistungsfähigkeit durch die massive Adipositas sowie die Lungenfunktionsstörung mit zumindest zeitweiser Sauerstoffpflichtigkeit und die Herzinsuffizienz. Der Kläger habe keine Luftnot mehr gezeigt. Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt des Gutachtens (Bl. 281 ff. der erstinstanzlichen Gerichtsakte) Bezug genommen.

Mit Urteil vom 03.07.2024, dem Kläger zugestellt am 27.07.2024, hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es sich auf das Gutachten von Q. gestützt. Der Hilfebedarf bei der hauswirtschaftlichen Versorgung, etwa beim Zubereiten einfacher Mahlzeiten, Aufräum- und Reinigungsarbeiten, Umgang mit finanziellen Angelegenheiten und Behördenangelegenheiten, sei bei der Ermittlung des Pflegegrades nicht zu berücksichtigen. Das Gutachten von R. Y. sei aufgrund einer persönlichen Untersuchung am 08.07.2021 erfolgt und damit für die Zeit ab 02.03.2022 nicht relevant.

Am 31.07.2024 hat der Kläger Berufung eingelegt, mit der er sein Begehren weiterverfolgt.

Der Kläger beantragt schriftsätzlich sinngemäß,

das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 03.07.2024 abzuändern und die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 06.10.2022 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.07.2023 zu verurteilen, ihm Pflegeleistungen mindestens nach einem Pflegegrad 2 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Senat hat eine ergänzende Stellungnahme von Q. eingeholt. Dieser hat unter dem 27.12.2024 an seiner Beurteilung festgehalten. Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt der Stellungnahme (Bl. 19 ff. der zweitinstanzlichen Gerichtsakten) Bezug genommen.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Prozessakten, der beigezogenen Gerichtsakte des Sozialgerichts Gelsenkirchen (S 3 P 155/21) sowie der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung des Klägers ist unbegründet.

Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht mit Urteil vom 03.07.2024 abgewiesen.

Der Kläger wird durch den streitgegenständlichen Bescheid vom 06.10.2022 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.07.2023 nicht beschwert i.S.d. § 54 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG), denn dieser ist insgesamt rechtmäßig.

Rechtsgrundlage für die Gewährung höherer Pflegeleistungen ist § 48 Abs. 1 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X). Danach ist, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Soweit die Änderung zu Gunsten des Betroffenen erfolgt, soll der Verwaltungsakt mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden. Die Entscheidung über die Bewilligung von Leistungen der Sozialen Pflegeversicherung nach einem bestimmten Pflegegrad ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung (vgl. BSG, Urteil vom 07.07.2005 - B 3 P 8/04 R). Es geht um eine Dauerleistung, die sich auf einen voraussichtlich mindestens sechs Monate andauernden, die Pflegebedürftigkeit auslösenden Gesundheitszustand bezieht (§ 14 Abs. 1 Satz 3 SGB XI).

Der Senat kann dahinstehen lassen, ob § 33 Abs. 1 Satz 2 und Satz 3 Sozialgesetzbuch Elftes Buch (SGB XI) auch bei der Entscheidung über einen Antrag auf Einstufung in einen höheren Pflegegrad Anwendung finden mit der Konsequenz, dass der Umfang des Pflegebedarfs vor dem Beginn des Monats des Höherstufungsantrags, hier März 2022, nicht zu berücksichtigen wäre (vgl. nur BSG, Beschluss vom 25.02.2015 – B 3 P 15/14 B – Rn. 15 nach juris; LSG NRW, Urteil vom 20.05.2015 – L 10 P 134/14 – Rn. 24 nach juris; a.A. Baumeister in BeckOK-SozR, § 33 SGB XI Rn. 11-11.4; Trésoret in jurisPK-SGB XI, § 33 SGB XI Rn. 59). Denn eine wesentliche Änderung in den tatsächlichen Verhältnissen, wie sie bei Erlass des Dauerverwaltungsaktes vom 15.02.2018 vorlagen, ist zu keinem Zeitpunkt anzunehmen. Dem Kläger gelingt der Nachweis, dass er zu einem späteren Zeitpunkt einen Anspruch auf Leistungen nach einem Pflegegrad 2 hatte, nicht. Die Beklagte war daher auch nicht zu verpflichten, den Bescheid vom 15.02.2018 aufzuheben und höhere Leistungen zu gewähren.

Nach § 14 Abs. 1 SGB XI in der seit dem 01.01.2017 gül­tigen Fassung sind pflegebedürftig im Sinne des SGB XI solche Personen, die gesund­heitlich bedingte Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten aufweisen und deshalb der Hilfe durch andere bedürfen. Es muss sich um Personen handeln, die körperliche, kognitive oder psychische Beeinträchtigungen oder gesundheitlich bedingte Belastungen oder Anforderungen nicht selbständig kompensieren oder bewältigen kön­nen.

Die Pflegebedürftigkeit muss auf Dauer, voraussichtlich für sechs Monate, und mit min­destens der im § 15 SGB XI festgelegten Schwere bestehen. Maßgeblich sind nach § 14 Abs. 2 SGB XI für das Vorliegen von gesundheitlich bedingten Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten die in den 6 folgenden Bereichen genannten pflege­fachlich begründeten Kriterien:

  1. Mobilität
  2. Kognitive und kommunikative Fähigkeiten
  3. Verhaltensweisen und psychische Problemlagen
  4. Selbstversorgung
  5. Bewältigung von und selbständiger Umgang mit krankheits- oder therapiebedingten Anforderungen und Belastungen
  6. Gestaltung des Alltagslebens und sozialer Kontakte

Nach § 15 SGB XI erhalten Pflegebedürftige nach der Schwere der Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten einen Pflegegrad, welcher mit Hilfe eines pflege­fachlich begründeten Begutachtungsinstrumentes ermittelt wird. Dieses ist in 6 Module gegliedert, die den 6 Bereichen in § 14 Abs. 2 SGB XI entsprechen. In jedem Modul wer­den die jeweils erreichbaren Summen aus Einzelpunkten gegliedert. Jedem Punktebe­reich in einem Modul werden unter Berücksichtigung der in ihm zum Ausdruck kommen­den Schwere der Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten sowie der Gewichtung der Module nach § 15 Abs. 2 SGB XI gewichteten Punkte zugeordnet. Mobili­tät wird mit 10 % gewichtet, kognitive und kommunikative Fähigkeiten sowie Verhaltens­weisen und psychische Problemlagen zusammen mit 15 %, Selbstversorgung mit 40 %, Bewältigung von und selbständiger Umgang mit krankheits- und therapiebedingten Anfor­derungen und Belastungen mit 20 % und Gestaltung des Alltagslebens und sozialer Kon­takte mit 15 %. Zur Ermittlung des Pflegegrades sind nach § 15 Abs. 3 SGB XI die bei der Begutachtung festgestellten Einzelpunkte in jedem Modul zu addieren und dem Punktebe­reich und den sich daraus gewichteten Punkten zuzuordnen. Den Modulen 2 und 3 ist ein gemeinsamer gewichteter Punkt zuzuordnen, der aus den höchsten gewichteten Punkten entweder des Moduls 2 oder des Moduls 3 besteht. Aus den gewichteten Punkten aller Module sind durch Addition Gesamtpunkte zu bilden.

Nach § 15 Abs. 3 Satz 4 Nr. 2 SGB XI liegt der Pflegegrad 2 bei einer Gesamtzahl der gewichteten Punkte ab 27 bis unter 47,5 (erhebliche Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten) vor.

 

Zur Überzeugung des Senats ist zu keinem Zeitpunkt nachgewiesen, dass die Beeinträchtigungen des Klägers zu dem erforderlichen Wert von zumindest 27 gewichteten Punkten führen.

 

Der Senat folgt insoweit den überzeugenden Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen Q.. Dieser hat nachvollziehbar dargelegt, dass die Voraussetzungen für die Gewährung von Leistungen nach dem Pflegegrad 2 nicht nachgewiesen sind. Beim Kläger bestehen danach folgende Beeinträchtigungen:

 

  • Einschränkung der Mobilität, der Beweglichkeit und der allgemeinen Leistungsfähigkeit durch massive Adipositas, Lungenfunktionsstörung mit zeitweiser Sauerstoffpflichtigkeit, Herzinsuffizienz, Bluthochdruck mit hypertensiver Herzerkrankung, Beinödemen beidseits (multifaktoriell) mit aktuell nässender Wunde an der linken Wade
  • Schlafapnoesyndrom
  • Hautleiden (Schuppenflechte)
  • Rückenschmerzen bei Adipositas

 

Aufgrund dieser Einschränkungen hat der Sachverständige zutreffend insgesamt 21,25 GP ermittelt, davon im Modul 1 2,5 GP, im Modul 2 und 3 jeweils 0 GP, im Modul 4 10 GP, im Modul 5 5 GP und im Modul 6 3,75 GP.

 

In den Modulen 2 und 3 des Begutachtungsinstruments sind keine GP zu berücksichtigen, denn beim Kläger liegen keine Beeinträchtigungen der kognitiven und kommunikativen Fähigkeiten vor, ferner keine Verhaltensweisen und psychische Problemlagen, die personellen Hilfebedarf erfordern. Der Senat stützt seine Feststellung auf die schlüssigen und überzeugenden Ausführungen von Q.. Soweit der Kläger im Rahmen des Begutachtungstermins ausgeführt hat, unter depressiven Phasen zu leiden, lässt sich hieraus kein Hilfebedarf ableiten.

 

Bei Modul 1 sind für den Kläger 2 EP und damit 2,5 GP zu berücksichtigen. Auch diesbezüglich stützt der Senat die Feststellung auf die Ausführungen des Sachverständigen Q.. Dieser hat überzeugend dargelegt, dass Positionswechsel im Bett, das Halten einer stabilen Sitzposition, das Umsetzen und das Fortbewegen innerhalb des Wohnbereiches beim Kläger selbständig gelingen. Soweit der Kläger hier von Hilfebedarfen bzw. sogar von einer Unselbständigkeit ausgeht, wird diese Annahme von keinem der vorliegenden Befunde gestützt. Q. legt nachvollziehbar dar, dass keine Anhaltspunkte für einen Fremdhilfebedarf beim Positionswechsel im Bett vorliegen. Auch ein Fremdhilfebedarf beim Umsetzen ist nicht gegeben. Darunter ist nach den Begutachtungsrichtlinien 2024 (S. 55) das Aufstehen von einer üblich hohen Sitzgelegenheit (etwa 45 cm) und sich auf eine andere umsetzen zu verstehen. Grundsätzlich haben die Begutachtungsrichtlinien zwar nicht den Rang eines Gesetzes, soweit sich diese untergesetzlichen Regelungen aber innerhalb des durch Gesetz und Verfassung vorgegebenen Rahmens halten, sind sie als Konkretisierung des Gesetzes zur Vermeidung von Ungleichbehandlungen zu beachten (LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 18.12.2023 – L 4 P 1914/19 –, Rn. 56, juris; Urteil des Senats vom 18.07.2024 – L 5 P 51/24). Q. hat nachvollziehbar dargelegt, dass der Kläger sich selbständig in einen normal hohen Sessel setzen und aus diesem wieder aufstehen kann. Auf die Frage, ob der Kläger ggf. aus seinem niedrigeren Bett nicht aufstehen kann, kommt es bei der Beurteilung des Hilfebedarfs beim Umsetzen nicht an. Der Kläger war auch in der Lage, mithilfe eines Rollators zügig in der Wohnung zu gehen. Dass hierfür die Zuhilfenahme von Hilfsmitteln erforderlich ist, ist für die Beurteilung der Selbständigkeit nicht relevant. Der Senat vermag daher auch nicht den Ausführungen des Sachverständigen R. Y. zu folgen, der ausführt, der Kläger sei hier nur teilweise selbständig, weil ihm ein Rollator bereitgestellt werden müsse. Es ist für den Senat nicht erkennbar, inwieweit der Kläger beim Bereitstellen des Rollators auf fremde Hilfe angewiesen ist. Eine diesbezügliche Einschränkung liegt beim Kläger nicht vor. Damit sind Einzelpunkte im Modul 1 allein für das Treppensteigen zu berücksichtigen. Zwar konnte das Treppensteigen vom Sachverständigen nicht beobachtet werden, da der Kläger dies im Rahmen der Begutachtung nicht vorführen wollte, jedoch liegen keine erkennbaren medizinischen Gründe vor, dass der Kläger nicht mit Stützen, Festhalten und Pausen eine Treppe bewältigen können sollte. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus den Feststellungen des Sachverständigen R. Y., der zwar von einer Unselbständigkeit ausgeht, in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 25.08.2021 aber eingeräumt hat, den Kläger dabei nicht beobachtet zu haben, weil dieser das Treppensteigen nicht habe demonstrieren wollen. Damit ist eine vollständige Unselbständigkeit zur Überzeugung des Senats nicht nachgewiesen.

 

Bei Modul 4 sind mindestens 5, maximal 7 EP und damit 10 GP zu berücksichtigen. Die massive Adipositas, die Lungenfunktionsstörung und die Kreislaufproblematik des Klägers führen zu Beeinträchtigungen beim Vorbeugen, beim Erreichen der Füße, beim Duschen und Baden, bei der Intimhygiene und beim Kleidevorgang der unteren Gliedmaßen. Dies rechtfertigt die Annahme einer überwiegenden Selbständigkeit beim Waschen des Intimbereichs (1 EP), einer überwiegenden Unselbständigkeit beim Duschen und Baden (2 EP) und beim An- und Auskleiden des Unterkörpers (2 EP). Das Waschen des vorderen Oberkörpers und die Körperpflege im Bereich des Kopfes gelingt selbständig. Q. bestätigt, dass der Kläger beide Arme weit nach oben strecken und den Nackengriff durchführen kann, der Schürzengriff ist bis zur mittleren Lendenwirbelsäule möglich. Es ist daher kein Befund erkennbar, der einen Fremdhilfebedarf beim Waschen des vorderen Oberkörpers rechtfertigen könnte. Das Benutzen einer Toilette oder eines Toilettenstuhls wird von Q. als selbständig beschrieben. Nach den Begutachtungsrichtlinien 2024 (S. 77) ist hiervon das Gehen zur Toilette, Hinsetzen und Aufstehen, Sitzen während der Blasen- oder Darmentleerung, Intimhygiene und Richten der Kleidung erfasst. Nach den Feststellungen von Q., denen sich der Senat anschließt, kann der Kläger mithilfe des Rollators selbständig zur Toilette gehen, sich hinsetzen und aufstehen und selbständig sitzen. Bei der Intimhygiene ergeben sich allenfalls leichte Einschränkungen in Bezug auf den hinteren Intimbereich wegen der durch die Adipositas bedingten Bewegungseinschränkungen. Auch beim Richten der Bekleidung sind zumindest leichte Hilfebedarfe aufgrund der Bewegungseinschränkung plausibel. Der Kläger kann damit den überwiegenden Anteil der Aktivität selbst durchführen, sodass maximal 2 EP zu berücksichtigen sind. Die abweichende Einschätzung des Sachverständigen R. Y. ist hingegen nicht überzeugend. Er begründet die überwiegende Unselbständigkeit damit, dass der Kläger beim Richten der Bekleidung Hilfe benötigt und zudem ein Rollator bereitgestellt werden muss. Letzteres ist jedoch – wie bereits oben ausgeführt – nicht nachvollziehbar, der Kläger kann, wie Q. plausibel darlegt, selbständig aufstehen.

 

Bei Modul 5 führt der bewegungseinschränkungsbedingte zweimal täglich erforderliche Hilfebedarf beim Anlegen der Kompressionsstrümpfe zur Berücksichtigung von einem EP und damit 5 GP. Weitere Punkte sind nicht zu vergeben, insbesondere die vom Kläger vorgetragenen Hilfebedarfe bei Arztbesuchen sind nicht zu berücksichtigen, denn diese erfolgen seltener als einmal wöchentlich.

 

Im Rahmen von Modul 6 (Gestaltung des Alltagslebens und sozialer Kontakte) ist bei Ruhen und Schlafen maximal ein EP zu berücksichtigen, der zu 3,75 GP führt, da der Kläger, wie Q. darlegt, Hilfe beim Aufstehen aus seinem sehr niedrigen Bett benötigt, von dem er, anders als von einem normal hohen Sitzmöbel, nicht alleine aufstehen kann. Zur gleichen Beurteilung gelangt man auch, wenn man die Feststellungen von R. Y. zugrunde legt, der ausführt, bei gelegentlichem nächtlichen Wasserlassen benötige der Kläger Hilfe beim Gang zur Toilette. Nach den Ausführungen beider Sachverständiger ist hier auf den Fremdhilfebedarf des Klägers beim Aufstehen aus dem Bett abzustellen.

 

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor, § 160 Abs. 2 Nrn. 1 oder 2 SGG.

Rechtskraft
Aus
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