L 7 SO 273/24

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
7.
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 14 SO 491/22
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 7 SO 273/24
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil

Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 20. Dezember 2023 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.



Tatbestand

Der Kläger begehrt von dem Beklagten Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung im Zeitraum vom 1. Oktober 2021 bis zum 30. September 2022 unter Berücksichtigung von Kosten der Unterkunft und Heizung.

Der 1944 geborene, verheiratete, aber nach eigenen Angaben getrenntlebende Kläger bezieht seit dem 1. Oktober 2009 eine Regelaltersrente mit einem Zahlbetrag von monatlich 40,42 Euro ab 1. März 2021 (Rentenbezugsbescheinigung vom 5. Juli 2021). Er war jedenfalls zu Beginn des streitgegenständlichen Zeitraums in U1-straße, in S2, wohnhaft.

Das Haus, in dem sich die von dem Kläger genutzte Wohnung befindet, stand ausweislich des Grundbuchs von S2 (Nr.) im streitgegenständlichen Zeitraum im Eigentum der C1 (abgekürzt als p8) aus L1 (D1, s. Vermieterbescheinigung vom 29. September 2021), Frankreich, zugunsten einer Tochter des Klägers war eine Grundschuld von 50.000 Euro eingetragen. Nach der dem Beklagten am 17. Januar 2011 mitgeteilten Einschätzung der Steuerfahndungsstelle des Finanzamtes D2 sei der Verein p8 von dem Kläger als Käufer des Hauses U2-, dem Elternhaus seiner Ehefrau, eingesetzt worden, um dieses vor dem Zugriff der Vollstreckungsstelle des Finanzamtes B2 zu schützen. Es gebe Hinweise darauf, dass es sich um einen Verein des Klägers handele; Beweise gebe es aber nicht. Auf die Berichte der Steuerfahndungsstelle des Finanzamts D2 vom 6. und 12. Juli 2010 wird ergänzend Bezug genommen.

Unter der Anschrift U2-straße in S2 finden sich u.a. auch die Vereine L2 Deutschland –I1 e.V., H1 Deutschland e.V. und C2 e.V. (jeweils eingetragen im Vereinsregister des Amtsgerichts [AG] B3 mit den Nrn. VR xxxxx, VR xxxxxx und VR xxxxxx) sowie die U3 (eingetragen im Handelsregister des AG B3 seit 16. Januar 2024 mit der Nr. HRB xxxxxx). Vorstandsvorsitzender bzw. Geschäftsführer ist jeweils der Kläger bzw. im Falle des C2 e.V. der L2 Deutschland –I1 e.V. Auf der Internetseite www. S1 (abgerufen am 12. Juni 2022 im Verfahren L 7 SO 1412/22, zwischenzeitlich nicht mehr online, s. eBeiheft der SG-Akte S 14 SO 491/22) ist eine Spendenauktion zur Ukrainehilfe ersichtlich gewesen, in welcher ein „original Schwarzwald-Haus[…]“ ersteigert werden könne. Hierzu waren als Fotografien verschiedene Innen- und Außenansichten des Hauses sowie die Aussicht von einem Balkon des Hauses wiedergegeben. In dem dortigen Impressum ist zum einen für die Schweiz ein C2 e.V. – vertreten durch den Geschäftsführer „K1“ bzw. zuvor „K2“ (Bl. 18 SG-Akte) – und für Deutschland der in S2 ansässige C2 e.V. aufgeführt. Zweck der U3 ist nach dem Handelsregistereintrag „[d]er Wiederaufbau des Schwarzwaldhauses, U2-straße, in S2, welche[s] sich im Eigentum der L3“ befinde. Hierbei handelt es sich um eine in L1 (P1 D3), Frankreich, ansässige Kulturorganisation (https://www. P2).

Bereits mit Bescheid vom 12. Oktober 2009 in Gestalt des Teilabhilfe- und Widerspruchsbescheids vom 15. Dezember 2009 bewilligte der Beklagte dem zuvor im Bezug von Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) stehenden und schon nach eigenen damaligen Angaben in der U2-, in S2, zur Miete wohnhaften Kläger ab dem
1. Oktober 2009 Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung (Weitergewährung mit Bescheid vom 9. Februar 2010). Nachdem der Beklagte davon Kenntnis erlangte, dass gegen den Kläger ein Steuerstrafverfahren anhängig sei, und dieser im Jahr 2008 Einkünfte aus Kapitalvermögen in Höhe von 16.520 Euro gehabt habe, stellte er die Gewährung von Grundsicherungsleistungen mit Wirkung ab 31. Oktober 2010 ein (Bescheid vom 23. November 2010). Dieser Bescheid wurde bestandskräftig.

Den Antrag des Klägers auf Weitergewährung von Grundsicherungsleistungen lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 17. Mai 2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. Juli 2011 ab, da die Bedürftigkeit des Klägers nicht hinreichend nachgewiesen sei und zudem erhebliche Zweifel an seinem gewöhnlichen Aufenthalt im Landkreis W1 bestünden. Die diesbezüglich bei dem Sozialgericht Freiburg (SG) erhobene Klage blieb erfolglos (Gerichtsbescheid des SG vom 1. August 2011 – S 12 SO 2862/11 –), die bei dem Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg eingelegte Berufung nahm der Kläger zurück (– L 2 SO 2467/11 –). Ab dem 1. April 2011 war der Kläger in H2 gemeldet.

Am 1. August 2021 reichte der zwischenzeitlich nach H3 verzogene Kläger bei dem Beklagten einen vereinfachten Antrag auf Leistungen nach dem SGB II ein, welcher als Anschrift wiederum die U2-str. in S2 und einen Mietbeginn am 1. August 2021 auswies (Grundmiete 486,08 Euro, Nebenkosten 98,60 Euro, Heizkosten 79,50 Euro). Nach dem beigefügten, auf den 1. August 2021 datierten, von dem Kläger selbst ausgefüllten (s. Bl. 2 SG-Akte S 14 SO 491/22) und auf Vermieterseite mit „H4“ unterzeichneten Mietvertrag sei Vermieterin die p8 – hier mit der Wohnanschrift des Klägers versehen – und beginne das Mietverhältnis am 1. September 2021 (Grundmiete 498,20 Euro, Nebenkostenvorauszahlungen 100,70 Euro, Heizung 83,20 Euro). Nach einer von dem Beklagten eingeholten Meldeauskunft vom 12. August 2021 war der Kläger mit Hauptwohnung in H3 und mit Nebenwohnung in der U2-str, in S2, wohnhaft, wo auch die Ehefrau des Klägers mit alleiniger Wohnung erfasst war. Der Kläger legte im Weiteren einen auf den 14. August 2021 datierten Antrag auf Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung vor.

Am 26. August 2021 hat der Kläger in einem Eilverfahren vor dem SG die Verpflichtung des Beklagten zur vorläufigen Gewährung von Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes beantragt (– S 10 SO 2617/21 ER –), diesen Antrag aber im Weiteren zurückgenommen, da er erst zum 1. Oktober 2021 nach S2 ziehen werde. Im Nachgang erklärte er gegenüber dem Antragsgegner, seinen Leistungsantrag zurückziehen zu wollen.

Mit auf den 25. September 2021 datiertem, am 5. Oktober 2021 bei dem Beklagten eingegangenem Antrag begehrte der Kläger erneut, u.a. unter Vorlage von Kontoauszügen eines bei der P9bank geführten Kontos (Kto.-Nr.: xxxxxxxxxxx) und des Mietvertrages vom 1. August 2021, die Gewährung von Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung. Als Vermögen gab er 75 Euro Bargeld und 290,47 Euro Kontoguthaben bei der P9bank an. Auf Nachfrage des Beklagten teilte er mit Schreiben vom 19. Oktober 2021 insbesondere mit, dass seine Frau und er seit mehreren Jahren getrennt lebten, er in H3, sie in S2. Vor ca. einem Jahr sei sie aus S2 ins Ausland und teilweise zu den Kindern gezogen, um die Enkelkinder zu betreuen. Eine von dem Beklagten angeforderte Übersicht über sein Gesamtengagement bei dem von ihm genutzten Kreditinstitut legte der Kläger nicht vor und führte hierzu an, dies ginge nicht, da er darauf nur für einen begrenzten Zeitraum Zugriff habe. Alle anderen Zugriffe kosteten Geld. Wenn der Beklagte auf weitere Einsichtnahme in das Konto bei der P9bank bestehe, sollten 100 Euro auf sein P9bankkonto zur Deckung der nötigen Kosten überwiesen werden. Werde dies nicht innerhalb von acht Tagen gezahlt, gehe er davon aus, dass der Beklagte auf diese Auskunft keinen Wert lege. Auf eine Frage nach dem – während des Leistungsbezugs 2010 genutzten (Bl. 101 Senatsakte L 7 SO 1412/22 ER-B) – Konto bei der S8kasse H5 (Kto.-Nr. xxxxxxxxxxx) führte er aus, er könne dazu keine Auskunft geben. Ohne vollständige Kontonummer gebe die Bank keine Auskunft. Er kenne das Konto nicht. Die diesem Schreiben beigefügte, auf den 29. September 2021 datierte Vermieterbescheinigung bestätigte die dem Mietvertrag vom 1. August 2021 zu entnehmenden Angaben und war erneut mit „H4“ unterzeichnet. Auf eine weitere Nachfrage übersandte der Kläger mit Schreiben vom 24. November 2021 eine auf den 15. Juni 2021 datierte „Bestätigung für das Landratsamt“. Nach diesem mit dem Namen der Ehefrau des Klägers als Ausstellerin versehenen, jedoch nicht unterschriebenen Schriftstück habe sie – die Ehefrau – den Schwerpunkt ihres Lebens in die Schweiz und nach H3 verlagert und sei sie seit Ende 2019 nicht mehr in S2 gewesen. Dort habe sie sich aufgrund ihres abgelaufenen Personalausweises noch nicht abmelden können. Weiter legte der Kläger erneut eine auf den 29. September 2021 datierte, mit „H4“ unterzeichnete (Ausstellungsort: L1), aber in anderer Handschrift ausgefüllte Mietbescheinigung vor, welche den bereits mit der vorherigen Mietbescheinigung mitgeteilten Inhalt wiederholte.

Nachdem der Beklagte mit Bescheid vom 8. November 2021 die Gewährung von Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung ablehnte, da die Anspruchsvoraussetzungen nicht nachgewiesen seien, legte der Kläger am 8. Dezember 2021 Widerspruch ein, beantragte diesbezüglich am 20. Dezember 2021 bei dem SG unter Vorlage einer eidesstattlichen Versicherung den Erlass einer einstweiligen Anordnung (– S 10 SO 3899/21 ER –) und legte die Abmeldebestätigung der Stadt S2 vom 4. Januar 2022 vor, nach welcher seine Ehefrau als Tag des Auszugs den 21. Dezember 2021 angegeben hatte.

Mit Beschluss vom 10. Januar 2022 verpflichtete das SG den Beklagten, dem Kläger ab dem 20. Dezember 2021 und längstens bis zum 30. April 2022 vorläufig den Regelbedarf nach Regelbedarfsstufe 1 nach § 42 Nr. 1 SGB XII zu gewähren. Hinsichtlich der Bedarfe für Unterkunft und Heizung sei kein Anordnungsgrund glaubhaft gemacht. Mit Bescheid vom 15. Januar 2022 bewilligte der Beklagte die entsprechenden Leistungen unter Bezugnahme auf den vorgenannten Beschluss. Mit Bescheid vom 26. April 2022 gewährte der Beklagte dem Kläger Grundsicherungsleistungen auch für den Mai 2022 vorläufig gemäß § 44a SGB XII und mit Bescheid vom 31. Mai 2022 für die Monate Juni und Juli 2022. Den nachfolgenden Weitergewährungsantrag des Klägers vom 27. Juli 2022 lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 29. Oktober 2022 ab.

Den gegen den Bescheid vom 8. November 2021 eingelegten Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 10. Februar 2022 zurück.

Am 8. März 2022 hat der Kläger erneut bei dem SG den Erlass einer einstweiligen Anordnung, nunmehr gerichtet auf die vorläufige Berücksichtigung von monatlichen Bedarfen der Kosten der Unterkunft und Heizung, beantragt (– S 14 SO 645/22 ER –). Hierzu hat er das überwiegend in Französisch gehaltene Schreiben der p8 vom 7. Februar 2022 vorgelegt, welches die Internetadresse www. P3.de – unter welcher sich der Internetauftritt einer Firma E1 (P3) findet – und die E-Mail-Adresse P4 ausweist sowie S3 als „Président“ und C3 als „Aufsichtsrat“ anführt (Bl. 7 SG-Akte S 14 SO 645/22 ER). Er habe vor vielen Jahren in Geschäftsbeziehung mit der Firma p9 gestanden, die Geschäftsbeziehung sei aber seit Langem beendet und die Firma p9 gebe es auch nicht mehr, nur noch deren Internetauftritt. Soweit ihm bekannt sei, unterhielten die Unternehmen p9 und p8 keine Geschäftsbeziehungen. Er erhalte vom C2 keine Zuwendungen und sei nicht Vorstand des C2 Deutschland. Zu der Auktion zugunsten der Ukrainehilfe könne er persönlich keine Auskunft geben und sei in diesem Projekt nicht involviert.

Das SG hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung mit Beschluss vom 12. April 2022 abgelehnt, da weder ein Anordnungsanspruch noch ein Anordnungsgrund glaubhaft gemacht worden sei. Für die Anerkennung von Bedarfen für Unterkunft und Heizung gemäß §§ 42 Nr. 4, 42a SGB XII sei erforderlich, dass das Bestehen eines wirksamen Mietvertrages glaubhaft gemacht sei. Denn ein tatsächlicher Bedarf für Kosten der Unterkunft und Heizung bestehe nur dann, wenn der Antragsteller einer Mietzinsforderung ernsthaft ausgesetzt sei. Hieran fehle es vorliegend, da aufgrund der tatsächlichen Umstände des Einzelfalles Hinweise für einen nur zum Schein abgeschlossenen und damit gemäß § 117 Abs. 1 BGB nichtigen Mietvertrag vorliegen dürften.

Hiergegen hat der Kläger am 12. Mai 2022 Beschwerde beim LSG Baden-Württemberg (L 7 SO 1412/22 ER-B) eingelegt und u. a. vorgetragen, dass das Mietverhältnis am 4. Mai 2022 vermieterseitig gekündigt worden sei. Nach dem beigefügten Kündigungsschreiben des p8 vom 4. Mai 2022 erfolge die Kündigung zum 31. Mai 2022.

Mit Beschluss vom 21. Juni 2022 hat der Senat die Beschwerde zurückgewiesen. Der Kläger habe hinsichtlich der begehrten Leistungen für Bedarfe der Unterkunft und Heizung weder einen Anordnungsanspruch noch einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht.

Bereits am 22. Februar 2022 hat der Kläger bei dem SG gegen die Ablehnung der Gewährung von Grundsicherungsleistungen unter Berücksichtigung von Bedarfen der Unterkunft und Heizung mit Bescheid vom 8. November 2021 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Februar 2022 Klage erhoben.

Nach Anhörung der Beteiligten hat das SG die Klage mit Gerichtsbescheid vom 20. Dezember 2023 abgewiesen. Die Klage sei unzulässig, soweit der Kläger die Verurteilung des Beklagten zur Gewährung von Leistungen auch für die Zeit vom 1. August 2022 bis zum 30. September 2022 begehre. Denn der Beklagte habe den Fortzahlungsantrag des Klägers vom 27. Juli 2022 mit Bescheid vom 29. Oktober 2022 für die Zeit ab dem 1. August 2022 abgelehnt. Damit habe er eine Entscheidung über einen neuen Bewilligungszeitraum getroffen, so dass der Bescheid den hier streitgegenständlichen Bescheid vom 8. November 2021 in Gestalt des Widerspruchsbescheides weder abändere noch ersetze und damit nicht Gegenstand des Klageverfahrens geworden sei. Hinsichtlich des Zeitraums vom 1. Oktober 2021 bis 31. Juli 2022 sei die Klage zulässig, aber unbegründet. Dem Kläger stehe kein Anspruch auf die Gewährung von Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung zu. Es lasse sich bereits nicht mit der erforderlichen Gewissheit das Bestehen eines Bedarfs des Klägers für Unterkunft und Heizung feststellen. Denn aufgrund der tatsächlichen Umstände des Einzelfalles lägen Hinweise für einen nur zum Schein abgeschlossenen und damit nichtigen Mietvertrag vor. Ein Anhaltspunkt hierfür ergebe sich daraus, dass der Kläger sowohl den Mietvertrag als auch eine der Mietbescheinigungen eigenhändig ausgefüllt habe. Er habe hierzu zwar angegeben, dass dies erfolgt sei, damit er den Vertrag bei deutschen Behörden vorlegen könne. Dies sei für das Gericht aber bereits nicht nachvollziehbar. Ausweislich des Mietvertrages befinde sich der Unternehmenssitz der Firma p8 als angeblicher Vermieterin in dem vom Kläger bewohnten Haus. Hinzu komme, dass die Firma p8 in ihren Schreiben an den Kläger jeweils im Briefkopf auf die Internetadresse der deutschen Firma p9 verweise (www. P3.de, Bl. 7 und Bl. 21 SG-Akte S 14 SO 645/22 ER). Als Repräsentant in Deutschland für die Firma p9 e.V. werde dort ein Herr T1 unter der Anschrift des Klägers angegeben (
www.1.de/I2.htm, abgerufen am 20. Dezember 2023). Es sei angesichts dessen nicht ersichtlich, welche Gründe einer Ausfertigung des Mietvertrages durch die Firma p8 als angeblicher Vermieterin hätten entgegenstehen können. Im Übrigen habe dies auch von einem Unternehmenssitz im Ausland aus erfolgen können. Zudem stellten diese Aspekte Hinweise auf eine enge Verflechtung zwischen dem Kläger und der Firma p8 als seiner angeblichen Vermieterin dar. Darüber hinaus befinde sich im Impressum der Homepage der Firma p9 ein Foto des Klägers. Seine hierzu abgegebene Erläuterung, wonach er seit Jahren nicht mehr in Verbindung zur Firma p9 stehe, erscheine angesichts dieser Umstände weder nachvollziehbar noch überzeugend. Auch die zugunsten einer Tochter des Klägers auf dem Grundstück der p8 eingetragene Grundschuld über 50.000 EUR deute auf eine Verbindung der Familie des Klägers zur p8 hin. Gegen ein ernsthaftes Mietzahlungsverlangen der Firma p8 sprächen zudem weitere Auffälligkeiten. So sei der Kläger vertraglich nicht zur Zahlung einer Kaution für die Wohnung verpflichtet gewesen. Auch seien seinem Leistungsantrag vom 5. Oktober 2021 andere Beträge hinsichtlich Grundmiete, Nebenkosten und Heizkosten zu entnehmen als dem dazu im Weiteren vorgelegten Mietvertrag, ohne dass diese Abweichungen vom Kläger erläutert worden wären. Des Weiteren sei der Mietvertrag wegen der Mietrückstände des Klägers zwar angeblich von der p8 gekündigt worden. Allerdings sei offenbar bis zum heutigen Tag keine Räumungsklage erhoben worden. Dies sei angesichts der behaupteten Mietrückstände über einen Zeitraum von zwei Jahren hinweg nicht nachvollziehbar und stelle ein starkes Indiz dafür dar, dass der Kläger mit der Firma p8 lediglich zum Schein einen Mietvertrag abgeschlossen habe und tatsächlich keiner Mietzahlungspflicht ausgesetzt sei. Hinzu komme, dass auch die Schreiben der Firma p8 vom 7. Februar 2022 (Androhung der Kündigung) und vom 4. Mai 2022 (Kündigung) Auffälligkeiten beinhalteten. Denn diese Schreiben stimmten bereits in ihrer Gestaltung (Schriftart, Form der Datumsangabe und Gestaltung der Anschrift) nicht überein. Hinzu komme, dass in den im Übrigen auf Französisch gehaltenen Schreiben in deutscher Sprache auf einen Aufsichtsrat verwiesen und eine Schweizer E-Mailadresse sowie eine deutsche Internetadresse, nämlich diejenige der p9, auf deren Internetauftritt ein Bild des Klägers aufzufinden sei, angeführt werde. Auch diese Umstände sprächen gegen die Glaubhaftigkeit seiner Angaben. Hinzu komme, dass der Kläger als früheres Vorstandsmitglied und alleiniger Geschäftsführer des Vereins C2 Schweiz in direkter Verbindung zu einer angeblichen Spendenauktion des Vereins stehe, mit der das von ihm bewohnte Haus habe versteigert werden sollen. Es sei für das Gericht nicht nachvollziehbar, dass der Kläger von der Spendenauktion in seiner Eigenschaft als alleiniger Geschäftsführer des Vereins keine Kenntnis haben wolle. Zudem sei auch in der am 3. Juni 2022 beim LSG Baden-Württemberg eingegangenen E-Mail mit P5@gmx.xx als Absender bestätigt, dass der Kläger altruistisch bei der optimalen Vermarktung des von ihm bewohnten Hauses helfe. Unter anderem aufgrund dieser Umstände habe das LSG Baden-Württemberg die Beschwerde des Klägers gegen den ablehnenden Beschluss des SG im Verfahren zurückgewiesen. Der Kläger habe sich hierzu im Laufe des Hauptsacheverfahrens lediglich dahingehend geäußert, dass er die Vernehmung von Herrn S4, der als Präsident der Firma p8 im Impressum aufgeführt werde, als Zeuge für das Mietverhältnis benannt habe. Einer Zeugenvernehmung habe es allerdings nicht bedurft, da weder vorgetragen noch ersichtlich sei, inwieweit hierdurch eine weitere Aufklärung des Sachverhalts hätte erfolgen können. Der Mietvertrag sei von Herrn H4 und dem Kläger unterzeichnet worden, auch das Schreiben vom 7. Februar 2022 trage die Unterschrift von Herrn H4. Ob und inwieweit der Kläger überhaupt Kontakt zu Herrn S4 als Präsident der p8 gehabt habe, erschließe sich dem Gericht nicht. Anhaltspunkte für die Durchführung weiterer Ermittlungen von Amts wegen seien angesichts dessen nicht gegeben gewesen. Es fehle zudem auch am Nachweis der Hilfebedürftigkeit des Klägers. Hierfür genügten die von ihm abgegebene eidesstattliche Versicherung im Verfahren S 10 SO 3899/21 ER und die vorgelegten Kontoauszüge seines Girokontos bei der P9bank nicht. Der Kläger habe insbesondere trotz des Umstandes, dass er bereits seit dem 1. August 2022 keine Leistungen mehr vom Beklagten erhalte, keine weiteren Angaben zu seinen wirtschaftlichen Verhältnissen gemacht. Hierzu sei ihm zuletzt mit gerichtlicher Verfügung vom 28. September 2023 Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben worden, wovon er trotz anwaltlicher Vertretung keinen Gebrauch gemacht habe. Hinzu kämen die dargelegten Ungereimtheiten und Widersprüche in seinen Behauptungen bezüglich des Mietvertrages und seinen Beziehungen zu der Firma p9, bzw. p8 und der Spendenaktion bezüglich des von ihm bewohnten Wohnhauses. Auf Fragen des Gerichts zum Sachstand der Hausversteigerung und der Nachfrage, ob es sich bei dem im Impressum des C2 genannten Geschäftsführer K3 in S5 um den Kläger selbst oder einen seiner Verwandten handele sowie ob und gegebenenfalls in welcher Verbindung er zum L2 e.V. mit einer Geschäftsstelle unter seiner Wohnanschrift stehe, habe der Kläger trotz mehrfacher Erinnerung nicht geantwortet.

Gegen diese seinem Bevollmächtigten am 21. Dezember 2023 zugestellte Entscheidung hat der Kläger am Freitag 19. Januar 2024 mit einem per Fax beim SG um 18:18 Uhr eingegangenen Schreiben, welches u.a. die Angabe „P6 Fax“, eine IP-Adresse, aber keine Faxnummer enthält, Berufung („Einspruch“) zum LSG Baden-Württemberg eingelegt. Als Adressangaben weist das Berufungsschreiben im Briefkopf eine Anschrift in W2 und in der Fußzeile eine Anschrift in K4 auf. Nachdem der Kläger unter der im Schreiben vom 19. Januar 2024 angegebenen Anschrift S6- in H6 nicht erreichbar gewesen ist (Postrücklauf vom 5. Februar 2024: Empfänger unter der angegebenen Anschrift nicht zu ermitteln; Bl. 25 Senatsakten), hat eine Einwohnermeldeamtsabfrage eine aktuelle Adresse in H3 als alleinige Wohnung seit dem 1. August 2022 ergeben, eine weitere jedoch die Wohnung in der U2-straße in S2 als Nebenwohnung vom 26. März 2021 bis 1. August 2022 und als Hauptwohnung vom 22. September 2022 bis 11. November 2022. Zur Begründung trägt der Kläger – neben Ausführungen, dass die Entscheidung des SG ihn „an die Zeit [s]einer Jugend, die Rechtsprechung der Nazizeit“ erinnere und der Frage, ob der Richter aus der DDR komme – im Wesentlichen vor, in diesem Prozess gehe es um einen rechtsgültigen Mietvertrag, abgeschlossen über den Vorstand, den gesetzlichen Vertreter des Eigentümers des vermieteten Objekts und ihm. Seine Rente belaufe sich auf 45 Euro, davon könne man nicht leben. Eine ordnungsgemäße Verteidigung sei auch aus dem Grund nicht möglich, da seine Wohnung, in der er gewohnt habe, abgebrannt sei. Ergänzend hat der Kläger unter anderem ein Schreiben der P7, Niederlassung B4, Frankreich, vom 30. April 2024 vorgelegt, in dem er auf eine Unterdeckung seines dortigen Kontos mit einem Soll von 73,27 Euro hingewiesen worden ist. Als Anschrift des Klägers ist auf dem Schreiben D4, L1 angeführt, mithin die Adresse auch der im Handelsregistereintrag der U3 als Eigentümerin des Hauses U2-straße, in S2, angegebenen L3.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 20. Dezember 2023 aufzuheben und den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 8. November 2021 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Februar 2022 in der Fassung des Bescheides vom 29. Oktober 2022 zu verurteilen, ihm Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem Vierten Kapitel des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch unter Berücksichtigung von Bedarfen der Unterkunft und Heizung in Höhe von monatlich 682,10 Euro für die Zeit vom 1. Oktober 2021 bis zum 30. September 2022 zu gewähren.

Der Beklagte beantragt,

            die Berufung zurückzuweisen.

Er erachtet die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend.

Der Kläger ist in der mündlichen Verhandlung vom 27. Februar 2025 darauf hingewiesen worden, dass die Berufung verfristet sein dürfte, da innerhalb der einmonatigen Berufungsfrist keine formgerechte Berufung eingelegt worden sein dürfte.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die beigezogene Verwaltungsakte des Beklagten und die Prozessakten beider Instanzen sowie der Verfahren S 14 SO 645/22 ER, S 10 SO 3899/21 ER und L 7 SO 1412/22 ER-B Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die statthafte, insbesondere nicht zulassungsbedürftige (§§ 143, 144 Sozialgerichtsgesetz [SGG]) Berufung des Klägers gegen den mit einer ordnungsgemäßen Rechtsmittelbelehrung versehenen Gerichtsbescheid des SG vom 20. Dezember 2023 ist bereits unzulässig, da sie nicht formgerecht im Rahmen der einmonatigen Berufungsfrist eingelegt worden ist.

Gemäß § 151 Abs. 1 SGG ist die Berufung bei dem Landessozialgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen. Die Berufungsfrist ist auch gewahrt, wenn die Berufung innerhalb der Frist bei dem Sozialgericht schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle eingelegt wird (§ 151 Abs. 2 Satz 1 SGG). Unter Berücksichtigung der Vorgaben des § 65a SGG ist auch eine Einlegung mittels eines elektronischen Dokuments möglich.

Vorliegend hat der Kläger sich zur Berufungseinlegung eines sog. E-Mail-to-Fax-Dienstes bedient, wie der Senat der Angabe des genutzten Dienstes „P6 Fax“ und einer IP-Adresse, aber keiner Faxnummer auf dem übersandten Schreiben entnimmt. Das E-Mail-to-Fax-Verfahren wahrt – anders als ein Tele- oder ein Computerfax – die Schriftform jedenfalls dann nicht, wenn das übersandte Dokument keine die Erreichbarkeit des Absenders gewährleistende Faxnummer ausweist. Denn die Einreichung eines Schriftsatzes im E-Mail-to-Fax-Verfahren gewährleistet die Zuordnung des Schreibens zu einer bestimmten Person nicht besser als eine gewöhnliche E-Mail, die der Schriftform nicht genügt. Andernfalls würden die Vorgaben des § 65a SGG zur Einreichung von vorbereitenden Schriftsätzen, schriftlich einzureichenden Anträgen und Erklärungen der Beteiligten als elektronische Dokumenten umgangen, nach welchen das elektronische Dokument mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der verantwortenden Person versehen sein oder von der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg im Sinne des § 65a Abs. 4 SGG eingereicht werden muss (s. zum Ganzen Beschluss des Senats vom 11. Januar 2024 – L 7 SO 3301/23 B – juris Rdnr. 3 ff. m.w.N.).

Dies belegt der vorliegende Fall in eindrücklicher Weise. Im Klageschriftsatz vom 22. Februar 2022 wurde als Anschrift des Klägers U2-, S2 angegeben. Unter dieser Anschrift wurde der Kläger während des ganzen Klageverfahrens und noch im Gerichtsbescheid vom 22. Dezember 2023 unter dieser Anschrift geführt. In dem Berufungs-Computerfax wird im Briefkopf als Anschrift W2, S7 und in der Fußzeile K4, S6-straße angegeben und damit Anschriften, die der Kläger nie als seine Aufenthaltsorte genannt hat. Denn auch in der Folgezeit hat er den Rechtsstreit unter seiner Anschrift in H3 geführt.

Dem Kläger ist auch nicht Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Nach § 67 Abs. 1 SGG ist auf Antrag – oder gegebenenfalls von Amts wegen (§ 67 Abs. 2 Satz 4 SGG) – Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn jemand ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Verfahrensfrist – hier die Berufungsfrist nach § 151 SGG – einzuhalten. Zwar ist grundsätzlich Wiedereinsetzung zu gewähren, wenn das Gericht nicht unverzüglich auf die Formunwirksamkeit des eingelegten Rechtsmittels hingewiesen hat (vgl. BSG, Beschluss vom 27. Juni 2019 - B 5 RE 10/18 B – juris Rdnr. 10). Allerdings setzt dies voraus, dass der Beteiligte den Fehler bei entsprechendem Hinweis des Gerichts noch innerhalb der Frist hätte berichtigen können (HK-SGG/Littmann, 6. Aufl. 2021, § 67 Rdnr. 9).

Der angefochtene Gerichtsbescheid ist dem Bevollmächtigten des Klägers am 21. Dezember 2023 zugestellt worden, so dass die Berufungsfrist mit Ablauf des 22. Januar 2024, einem Montag, endete (§ 64 SGG). Das (formunwirksame) Berufungsschreiben ging am Freitag, den
19. Januar, um 18:18 Uhr beim SG ein, von dort wurde es am Montag, den 22. Januar 2024 an das LSG weitergeleitet. Ein Hinweis an den Kläger auf die Formunwirksamkeit der Berufung noch am 22. Januar 2024 war nicht möglich, da die Anschrift des Klägers nicht bekannt war. Im Klageverfahren wurde er unter der Anschrift in S2 geführt, unter der er sich jedoch zumindest im Januar 2024 nicht mehr aufhielt. Ein Aufenthalt unter den im Berufungsschreiben angegebenen Anschriften lag gleichfalls nicht vor. Denn die an die angegebene Anschrift S6-straße in H6 versandte Eingangsbestätigung kam am 5. Februar 2024 und damit nach Ablauf der Berufungsfrist an das Gericht zurück mit dem Vermerk “Empfänger unter der angegebenen Anschrift nicht zu ermitteln“. Innerhalb der Berufungsfrist konnte der Kläger somit nicht auf die Formunwirksamkeit der Berufungseinlegung hingewiesen werden. Zudem kommt zwischenzeitlich eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ohnehin nicht mehr in Betracht (§ 67 Abs. 3 SGG).

Die Berufung des Klägers ist des Weiteren auch nicht begründet. Das SG hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen.

Gegenstand des Berufungsverfahrens ist zunächst – neben der erstinstanzlichen Entscheidung – der Bescheid vom 8. November 2021 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Februar 2022, mit dem der Beklagte den am 5. Oktober 2021 eingegangenen Antrag des Klägers auf die Bewilligung von Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung abgelehnt hat.

Der aufgrund des Eilbeschlusses des SG vom 10. Januar 2022 ergangene Bescheid vom 15. Januar 2022, mit dem der Beklagte dem Kläger einstweilen vorläufige Leistungen für den Zeitraum vom 20. Dezember 2021 und bis zum 30. April 2022 gewährt hat, ist nicht Gegenstand des Verfahrens geworden. Gemäß § 96 Abs. 1 SGG wird ein neuer Verwaltungsakt nach Klageerhebung nur dann Gegenstand des Klageverfahrens, wenn er nach Erlass des Widerspruchsbescheides ergangen ist und den angefochtenen Verwaltungsakt abändert oder ersetzt. Zwar handelt es sich bei diesem Bescheid nicht um einen Ausführungsbescheid, mit dem die Behörde ausschließlich eine gerichtlich auferlegte Verpflichtung umgesetzt hat und der daher mangels Regelungscharakter schon kein Verwaltungsakt im Sinne des § 31 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) ist (vgl. Klein in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, 2. Aufl., § 96 SGG, Stand 14. Januar 2025). Denn mit dem Bescheid vom 15. Januar 2022 musste der Beklagte die in dem Beschluss des SG vom 10. Januar 2022 vorgegebene Leistungsbewilligung noch hinsichtlich der Leistungshöhe konkretisieren und insoweit eine eigene Regelung treffen (Urteil des Senats vom 23. April 2020 – L 7 AS 1145/19 – juris Rdnr. 42 f.). Allerdings werden auch sonstige vorläufige Bescheide, die nach Erlass des Ausgangsbescheides nur „vorsorglich“ ergehen, weil noch nicht alle Voraussetzungen für eine endgültige Entscheidung vorliegen oder diese für den Fall getroffen werden, dass ein früherer Bescheid gerichtlich aufgehoben wird und der neue Verwaltungsakt erst dann Rechtswirkungen entfalten soll, nicht nach § 96 Abs. 1 SGG zum Verfahrensgegenstand. Denn sonst würde ein Verwaltungsakt einbezogen werden, dessen Rechtswirksamkeit nach dem erklärten Willen der ihn erlassenden Behörde im Zeitpunkt seines Erlasses gerade noch nicht feststeht (Klein, a.a.O., Rn. 44). Um eben solche vorsorglich erlassenen und gemäß § 44a SGB XII vorläufigen Bescheide handelt es sich sowohl bei dem Bescheid vom 15. Januar 2022 als auch bei den Bewilligungsbescheiden für die Zeit bis zum 31. Juli 2022. Denn der Beklagte hat diese ausdrücklich nur im Hinblick auf das Ausstehen einer bestandskräftigen Entscheidung im Klageverfahren und unter Bezugnahme auf den Beschluss des SG vom 10. Januar 2022 nur als vorläufig erlassen. Aufgrund des unterschiedlichen Gegenstands ist ebenso durch die von dem Beklagten geforderten Antragstellungen zur Weitergewährung der (nur) vorsorglich bewilligten Leistungen keine Zäsur hinsichtlich des von dem dem Ablehnungsbescheid vom 8. November 2021 zugrundeliegenden Antrag vom 5. Oktober 2021 erfassten Leistungszeitraums eingetreten (s. zur grundsätzlich eintretenden Zäsurwirkung einer neuen Antragstellung BSG, Urteil vom 6. Juni 2023 – B 4 AS 4/22 R – juris Rdnr. 35 ff.).

Nachdem der Beklagte die Weitergewährung für die Zeit ab dem 1. August 2022 ohne Einschränkung abgelehnt hat, ist diese (erneute) Ablehnungsbescheid vom 29. Oktober 2022 Gegenstand des Klageverfahrens geworden; denn diese Ablehnung ersetzt für den späteren Zeitraum den früheren Ablehnungsbescheid (BSG, Urteil vom 7. November 2006 – B 7b AS 14/06 R – juris Rdnr. 30). Daher ist – entgegen der Auffassung des SG – auch die Zeit ab August 2022 zulässiger Gegenstand des Klageverfahrens geworden. Grundsätzlich ist bei Klagen gegen leistungsablehnende Bescheide, die keine zeitliche Beschränkung enthalten, der gesamte Zeitraum bis zur letzten mündlichen Verhandlung bzw. Entscheidung der (letzten) Tatsacheninstanz streitgegenständlich (st. Rspr., s. etwa BSG, Urteil vom 22. März 2012 – B 4 AS 99/11 R – juris Rdnr. 11). Vorliegend hat der in erster Instanz anwaltlich vertretene Kläger jedoch ausdrücklich nur den Zeitraum bis 30. September 2022 zur gerichtlichen Überprüfung gestellt.

Da die vorläufigen Bewilligungsbescheide für die Zeit vom 20. Dezember 2021 bis zum 31. Juli 2022 nicht Gegenstand des Verfahrens geworden sind, ist klarzustellen, dass streitgegenständlich auch für diesen Zeitraum nicht lediglich die Bewilligung höherer Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung – nämlich unter Berücksichtigung von Bedarfen der Unterkunft und Heizung – geworden ist, sondern die von dem Beklagten mit dem Bescheid vom 8. November 2021 umfassend abgelehnte Bewilligung von Grundsicherungsleistungen überhaupt. Hierüber hat das SG auch jedenfalls insoweit entschieden, in dem es die Hilfebedürftigkeit des Klägers als Leistungsvoraussetzung der begehrten Leistungen als nicht nachgewiesen verneint hat.

Die form- und fristgerechte erhobene und auch hinsichtlich des Zeitraums August und September 2022 zulässige kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 und 4 SGG) des Klägers ist jedoch unbegründet.

Denn der Kläger hat für die Zeit von Oktober 2021 bis September 2022 keinen Anspruch auf die Gewährung von Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung gemäß § 19 Abs. 3, §§ 41 ff. SGB XII gegen den Beklagten. Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem Vierten Kapitel des SGB XII ist nach § 19 Abs. 3 Satz 1 i. V. m. § 41 Abs. 1 und 2 SGB XII u.a. Personen mit gewöhnlichem Aufenthalt im Inland zu leisten, die die Altersgrenze nach § 41 Absatz 2 SGB XII erreicht haben, sofern sie ihren notwendigen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, insbesondere aus ihrem Einkommen und Vermögen, bestreiten können.

Der 1944 geborene Kläger hatte zwar bereits vor der Antragstellung im Oktober 2021 die maßgebliche Altersgrenze von 65 Lebensjahren (§ 41 Abs. 2 Satz 1 SGB XII) erreicht, es ist jedoch nicht nachgewiesen, dass er nicht in der Lage ist, seinen notwendigen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus eigenem Einkommen und Vermögen zu bestreiten. Denn die im behördlichen und gerichtlichen Verfahren getätigten Angaben des Klägers sind auch unter Einbeziehung der von ihm und für ihn eingereichten Unterlagen unvollständig und insbesondere auch in einem solchen Umfang widersprüchlich bzw. ersichtlich unzutreffend, dass diese erhebliche Bedenken gegen die Glaubwürdigkeit des Klägers bedingen, jedenfalls aber keine taugliche Grundlage für die erforderliche Überzeugung des Senats (§ 128 SGG) von der Hilfebedürftigkeit des Klägers bilden.

So hat der Kläger etwa auf die Nachfrage des Beklagten zu dem Konto mit der Nummer xxxxxxxxxxx bei der S8kasse H5 – das der Kläger nutzte, als er bis Oktober 2010 Leistungen von dem Beklagten erhielt – unter Wiederholung der vollständigen Kontonummer angegeben, dass die Bank ohne vollständige Kontonummer keine Auskunft erteile und erst im Anschluss daran – widersinnig, wenn ihm das Konto tatsächlich unbekannt wäre – angegeben, dass er das Konto nicht kenne. Hinsichtlich seiner damals ebenfalls als in der U2-straße in S2 wohnhaft gemeldeten Ehefrau hat der Kläger dem Beklagten zunächst im Oktober 2021 mitgeteilt, im Rahmen des Eilverfahrens S 10 SO 3899/21 ER dann aber eine Abmeldebestätigung der Stadt S2 vorgelegt, nach welcher der Wegzug der Ehefrau erst am
21. Dezember 2021 erfolgt ist. Für seine eigene Wohnungsnahme hat er ursprünglich einen Mietbeginn am 1. August 2021 benannt, später dann, dass sich dieser auf den 1. Oktober 2021 verzögert habe. Ausweislich der im Berufungsverfahren eingeholten Einwohnermeldeamtsauskunft ist er aber bereits ab dem 26. März 2021 mit Nebenwohnsitz in der U2-straße in S2 gemeldet gewesen. Wie es dem vor dem streitigen Zeitraum in H3 im Bezug von Grundsicherungsleistungen stehenden Kläger möglich gewesen ist, neben seinem H7 Hauptwohnsitz noch einen Nebenwohnsitz in S2 zu unterhalten, ist ebenso unklar, wie die Frage, weswegen er für die Wohnung in S2 erst nach dem Wegzug aus H3 angeblich eine Mietverbindlichkeit hat eingehen müssen. Nicht seriös erklärbar erscheinen auch die auf den selben Tag datierten und mit H4 unterschriebenen, jedoch in unterschiedlicher Handschrift ausgefüllten Vermieterbescheinigungen. Zu den zahlreichen weiteren Unstimmigkeiten in der vorliegenden Sache – insbesondere, jedoch nicht ausschließlich bezüglich des Mietverhältnisses – wird zur Vermeidung von Wiederholungen ergänzend und ohne Anspruch auf Vollständigkeit auf die diesbezüglichen Ausführungen des SG in dem angefochtenen Gerichtsbescheid Bezug genommen (§ 153 Abs. 2 SGG).

In Anbetracht dessen, dass der Kläger im Beschwerdeverfahren L 7 SO 1412/22 ER-B mitgeteilt hat, sein Mietverhältnis sei zum 31. Mai 2022 gekündigt worden und er auch auf Nachfrage des Senats keine Angaben dazu gemacht hat, bis wann er in S2 seinen gewöhnlichen Aufenthalt gehabt hat, ist weiter nicht davon auszugehen, dass der Beklagte für den gesamten streitigen Zeitraum der örtlich zuständige Leistungsträger (§ 46b Abs. 1 SGB XII i.V.m. § 2a Gesetz zur Ausführung des SGB XII) gewesen ist, was insoweit dem geltend gemachten Anspruch ebenso entgegensteht. Im Hinblick auf die von dem Kläger vor, während und nach dem streitigen Zeitraum unterhaltenen geschäftlichen Beziehungen nach Frankreich und die dargestellte Unzuverlässigkeit seiner Angaben erscheint es vielmehr nicht ohne weiteres zwingend, von einem gewöhnlichen Aufenthalt des Klägers im Inland (§ 41 Abs. 1 Satz 1 SGB XII) auszugehen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision (§160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.





 

Rechtskraft
Aus
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