L 13 R 2963/24

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
13
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 11 R 1505/19
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 13 R 2963/24
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil

Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlingen vom 02.09.2024 wird zurückgewiesen. 

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten. 



Tatbestand

Der Kläger begehrt von der Beklagten die Weitergewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung über Oktober 2018 hinaus.

Der Kläger ist 1973 geboren und hat eine Ausbildung zum Zweiradmechaniker durchlaufen.

Aufgrund eines Antrages auf Rehabilitation vom 05.04.2012 gewährte die Beklagte dem Kläger eine medizinische Maßnahme zur Rehabilitation in der Reha-Klinik K1 vom 12.09. bis 10.10.2012. Die behandelnden Ärzte gelangten im ärztlichen Entlassungsbericht vom 16.11.2012 zu der Auffassung, dass der Kläger wegen einer ausgeprägten depressiven Episode ohne psychotische Symptome, Panikstörung, Schmerzstörung mit Verdacht auf somatoforme Komponente bei Zustand nach LWK-4 Fraktur (vor 20 Jahren) und LWK-Ersatz, Adipositas und gemischter Hyperlipidämie unter 3 Stunden leistungsfähig sei. Schweres Heben und Tragen sowie einseitige Arbeitshaltung sei zu vermeiden.

Am 13.03.2013 beantragte der Kläger Rente wegen Erwerbsminderung. Die Beklagte veranlasste eine Begutachtung durch P1 der im Gutachten vom 10.04.2013 zu der Auffassung gelangte, der Kläger leide unter einer depressiven Störung, derzeit leichtgradige Episode, Panikstörungen und Verschleißerscheinungen der Wirbelsäule, Verblockungsoperation L3-5 nach LWK 4-Trümmerbruch 1992, erhebliches Übergewicht, Asthma bronchiale, derzeit unbehandelt, sowie unter einer Oberschenkelluxationsfraktur links, folgenlos verheilt. Anamnestisch bestehe ein zeitweiliger Alkoholmehrgebrauch und THC-Konsum, derzeit negativ sowie eine Schulterverrenkung rechts 1998. Der Kläger könne noch leichte bis mittelschwere Tätigkeiten vollschichtig verrichten. Tätigkeiten mit erheblichem Zeitdruck und Nachtschicht, Zwangshaltungen der Wirbelsäule, Exposition gegen Nässe, Kälte, Zugluft und inhalative Belastungen sowie Allergene seien zu vermeiden.

Mit Bescheid vom 26.04.2013 lehnte die Beklagte sodann den Rentenantrag ab. Am 27.05.2013 erhob der Kläger hiergegen Widerspruch. Aufgrund einer beratungsärztlichen Stellungnahme der M1, wonach ein unter 6-stündiges Leistungsvermögen bestehe, gewährte die Beklagte mit Bescheid vom 08.01.2014 eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung vom 01.05.2012 bis 31.10.2012. Die Anspruchsvoraussetzungen seien ab dem 05.04.2012 (Antrag auf Rehabilitation) erfüllt. Mit Bescheid vom 13.01.2014 gewährte die Beklagte eine Rente wegen voller Erwerbsminderung von November 2012 bis Oktober 2015, verlängert durch Rentenbescheid vom 28.07.2015 bis Oktober 2018.

Am 22.05.2018 beantragte der Kläger die Weitergewährung der Rente wegen voller Erwerbsminderung. Die Beklagte holte ärztliche Befundberichte der behandelnden Ärzte D1 vom 24.11.2018 und E1 (vom 03.12.2018 ein. Sie veranlasste eine Begutachtung durch die S1. Im Gutachten vom 20.12.2018 gelangte sie zu den Diagnosen einer Minderbelastbarkeit der Wirbelsäule nach operativer Versteifung LWK 3-5 und Ersatz des 4. LWK durch Titankorb 08/92 bei LWK 4-Trümmerbruch, mäßige, teils deutliche Verschleißerscheinungen in den Anschlusssegmenten L2/3 und L5/S1 sowie leichte Keilwirbelbildung BWK 12 und LWK 1 bei zum Untersuchungszeitpunkt freier Beweglichkeit ohne Nervenwurzelreizzeichen, sensibles Defizit an der Außenseite des linken Beines, unverändert seit Unfall 1992, Kniegelenksarthrose links mit freier Beweglichkeit, aktuell keine Reizzeichen, mäßige posttraumatische Sprunggelenksarthrose links nach 2007 operiertem Knöchelbruch (Privatunfall) mit leichten Bewegungseinschränkungen, deutliches Übergewicht mit Diabetes mellitus, aktuell ohne medikamentöse Therapie bei normalen Blutzuckerwerten, Depressionen mit Angst- und Panikstörung, aktuell unter medizinischer Therapie remittiert. Anamnestisch bestehe ein allergisches Asthma bronchiale, derzeit unbehandelt, ohne Asthmaanfälle und vor über 20 Jahren wiederkehrende Schulterverrenkungen rechts, seit 20 Jahren komplett beschwerdefrei mit leichter Funktionsminderung. Der Kläger könne leichte körperliche Tätigkeiten überwiegend im Sitzen, zeitweise stehend, zeitweise gehend vollschichtig verrichten. Häufige Zwangshaltungen der Wirbelsäule, häufiges Bücken, Heben, Tragen und Bewegen von Lasten über 10 kg sollten vermieden werden wie auch Arbeiten im Knien und Hocken sowie das Ersteigen von Leitern und Gerüsten, Tätigkeiten mit erheblichem Zeitdruck und Nachtschicht und Tätigkeiten mit inhalativen Belastungen. Mit Bescheid vom 07.01.2019 lehnte die Beklagte den Antrag auf Weiterzahlung der Rente wegen Erwerbsminderung für die Zeit ab 01.11.2018 ab.

Am 24.01.2019 erhob der Kläger hiergegen Widerspruch. Er legte ein ärztliches Attest des D1 vom 20.03.2019 vor, wonach der Kläger seit 1992 nie mehr beschwerdefrei oder gar arbeitsfähig geworden sei. Mit Widerspruchsbescheid vom 23.05.2019 wies die Beklagte den Widerspruch zurück.

Am 24.06.2019 hat der Kläger hiergegen Klage zum Sozialgericht Reutlingen (SG) erhoben.

Das SG hat die behandelnden Ärzte D1, K2 und E1 schriftlich als sachverständige Zeugen befragt. D1 hat unter dem 16.11.2019 Bedenken gegen eine vollschichtige Tätigkeit geäußert. E1 hat in seiner Aussage vom 13.03.2020 eine vollschichtige Tätigkeit nicht für möglich erachtet. K2 (hat unter dem 18.11.2019 ausgeführt, aus orthopädischer Sicht bestünden keine Bedenken gegen eine vollschichtige leichte Tätigkeit.


Ferner hat das SG ein Gutachten des über die Zusatzbezeichnung spezielle Schmerztherapie verfügenden B1 vom 28.09.2021 eingeholt. Hiernach bestehe der Verdacht auf eine Dysthymie, fragliche Panikattacken mit niedriger Frequenz, chronische Schmerzen des Rückens und der Kniegelenke links > rechts, ein Zustand nach Trümmerfraktur LWK 4, operiert 1992, Spondylodese LWK 3-5, Korporektomie LWK 4 (Wirbelkörperentfernung - Titankorb-Implantation), Luxationsfraktur des oberen Sprunggelenks links, 2007, Adipositas permagna, Fettstoffwechselstörung und subklinischer Diabetes mellitus, derzeit nicht behandlungsbedürftig. Auf neurologischem Fachgebiet seien keine Ausfälle nachzuweisen. Eine radikuläre Symptomatik bestehe nicht. Eine psychiatrische Erkrankung, die eine quantitative Leistungseinschränkung begründen würde, liege gegenwärtig ebenfalls nicht vor. In der Vergangenheit sei von Fachärzten die Diagnose Angst und Depression gestellt worden, was bedeute, dass keine der beiden Störungen ein Ausmaß erreicht habe, die eine entsprechende einzelne Diagnose rechtfertige. Auch die Panikattacken, die eine sogenannte Rescue Medikation (Lorazepam) nicht notwendig gemacht hätten, erlaubten ein vollschichtiges Leistungsvermögen. Der Kläger sei in der Lage, leichte bis mittelschwere Arbeiten vollschichtig zu verrichten. Die Tätigkeiten sollten in wechselnder Körperhaltung, im Sitzen, Stehen und/oder Gehen erfolgen; ausschließlich stehende oder sitzende Tätigkeiten seien nicht leidensgerecht.

Den Antrag des Klägers vom 09.02.2022 auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe hat das SG mit ausführlichem Beschluss vom 12.08.2023 abgelehnt; die Beschwerde ist vom Landessozialgericht Baden-Württemberg mit Beschluss vom 25.06.2024 (L 4 R 2632/23 B) zurückgewiesen worden.

Mit Gerichtsbescheid vom 02.09.2024 hat das SG die Klage abgewiesen und auf die Beschlüsse vom 12.08.2023 und 25.06.2024 verwiesen. Eine wesentliche Verschlechterung seit der Begutachtung habe der Kläger nicht substantiiert geltend gemacht.

Gegen den am 13.09.2024 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 08.10.2024 Berufung eingelegt. Er hat einen Bericht des G1 vom 18.12.2024 - auch in übersetzter Version - vorgelegt.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlingen vom 02.09.2024 sowie den Bescheid der Beklagten vom 07.01.2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.05.2019 aufzuheben, und die Beklagte zu verurteilen ihm über Oktober 2018 hinaus Rente wegen voller, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung zu gewähren.

Die Beklagte beantragt sinngemäß,

die Berufung zurückzuweisen.


Sie hält die angefochtene Entscheidung des SG für zutreffend.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Verwaltungsakten der Beklagten sowie die Gerichtsakten beider Rechtszüge ergänzend verwiesen.


Entscheidungsgründe 


Die nach den §§ 143, 144 und 151 SGG zulässige Berufung des Klägers ist unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 07.01.2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.05.2019 ist rechtmäßig. Die Beklagte hat zu Recht den Antrag auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung ab 01.11.2018 abgelehnt.


Rechtsgrundlage für die hier begehrte Rente wegen Erwerbsminderung ist § 43 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI).

Nach § 43 Abs. 1 Satz 1 SGB VI haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie
teilweise erwerbsgemindert sind,
in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und
vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.
Teilweise erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§ 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI).

Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze nach § 43 Abs. 2 Satz 1 SGB VI, wenn sie
voll erwerbsgemindert sind,
in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und
vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.
Voll erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden erwerbstätig zu sein (§ 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI). Voll erwerbsgemindert sind gemäß § 43 Abs. 2 Satz 3 SGB VI auch
Versicherte nach § 1 Satz 1 Nr. 2, die wegen Art oder Schwere der Behinderung nicht auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tätig sein können und
Versicherte, die bereits vor Erfüllung der allgemeinen Wartezeit voll erwerbsgemindert waren, in der Zeit einer nicht erfolgreichen Eingliederung in den allgemeinen Arbeitsmarkt.
Nicht erwerbsgemindert ist gemäß § 43 Abs. 3 SGB VI, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann, wobei die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen ist. Der Kläger trägt für das Vorliegen der Erwerbsminderung die Feststellungslast, da aus einer vorangegangenen Rentengewährung keine Bindungswirkung resultiert, worauf bereits das SG und das LSG in seinen Beschlüssen hingewiesen hat.

Gemessen hieran ist der Kläger ab November 2018 nicht erwerbsgemindert. Auf orthopädischem Fachgebiet hat die Sachverständige S1 für den Senat überzeugend dargelegt, dass der Kläger
unter den Diagnosen einer Minderbelastbarkeit der Wirbelsäule nach operativer Versteifung LWK 3-5 und Ersatz des 4. LWK durch Titankorb 08/92 bei LWK 4-Trümmerbruch, mäßige, teils deutliche Verschleißerscheinungen in den Anschlusssegmenten L2/3 und L5/S1 sowie leichte Keilwirbelbildung BWK 12 und LWK 1 bei zum Untersuchungszeitpunkt freier Beweglichkeit ohne Nervenwurzelreizzeichen, sensibles Defizit an der Außenseite des linken Beines, unverändert seit Unfall 1992, Kniegelenksarthrose links mit freier Beweglichkeit, aktuell keine Reizzeichen, mäßige posttraumatische Sprunggelenksarthrose links nach 2007 operiertem Knöchelbruch (Privatunfall) mit leichten Bewegungseinschränkungen, deutliches Übergewicht mit Diabetes mellitus, aktuell ohne medikamentöse Therapie bei normalen Blutzuckerwerten, Depressionen mit Angst- und Panikstörung, aktuell unter medizinischer Therapie remittiert, leidet. Anamnestisch besteht eine Asthmaerkrankung und der Kläger erlitt vor über 20 Jahren wiederkehrende Schulterverrenkungen rechts, seit 20 Jahren komplett beschwerdefrei, mit leichter Funktionsminderung. Die Untersuchungsbefunde waren nicht schwergradig. Der Kläger zeigte sich bei der Untersuchung in einem guten altersentsprechenden Allgemein- und Kräftezustand mit erheblichem Übergewicht. Er hat insgesamt eine kräftige Muskulatur aufgewiesen. Auffallend waren bei der Untersuchung raue rechtsbetont schwielige Hände mit Arbeitsspuren in Form von schwarzen Verfärbungen in den Rillen der Fingerkuppen und der Schwielen beugeseits über den Fingergrundgelenken und im Bereich des Kleinfingerballens. Bei der klinischen Untersuchung fand sich bezüglich der Wirbelsäule ein deutliches Hohlkreuz. Trotz der ausgeprägten Adipositas war die Beweglichkeit erstaunlich gut. Im Stehen konnte der Kläger einen FBA von 10 cm erreichen; im Langsitz war sogar eine Berührung der Zehen mit den Fingern möglich. Das Aufrichten aus der Rückenlage in den Langsitz erfolgte relativ zügig mit Abstützen der Hände und hierbei Angabe von Schmerzen im LWS-Bereich beim nach vorne Beugen. Eine Schmerzausstrahlung in die Beine wurde aber verneint. Insgesamt war die Beweglichkeit der Rumpfwirbelsäule frei, das nach vorn Beugen und die Seitneigung beidseits jeweils nur endgradig schmerzhaft. Aktuelle Röntgenbilder der LWS haben keinen Hinweis auf Materialbruch oder Schraubenrückläufigkeit im Bereich der Spondylodese gezeigt. Es bestehe der Verdacht, dass der Titankorb etwas in die Deckplatte von LWK 5 ein gesunken ist, woraus sich aber kein Handlungsbedarf ableitet. BWK 12 und LWK 1 wiesen eine leichte Keilwirbelform auf, ohne dass ein Trauma bekannt ist. In den Anschlusssegmenten L2/3 und L5/S1 fanden sich mäßige bis deutliche degenerative Veränderungen. Die Funktionsminderung der LWS besteht auf Dauer, Beschwerden können aber durch Krankengymnastik und bedarfsweise Schmerzmittel gelindert werden. Für die vom Kläger im Vordergrund stehenden Schmerzen im Bereich des linken Kniegelenkes ergab eine orthopädische Untersuchung eine aktivierte Gonarthrose links ohne OP-Indikation. Eine weitere Diagnostik ist bisher nicht erfolgt. Bei der Untersuchung hat der Kläger über Schmerzen beim vielen Gehen, insbesondere auch Anlaufschmerzen und Schmerz nach längerem Gehen berichtet. Der Kläger gehe regelmäßig zweimal täglich spazieren unabhängig vom Wetter, wobei er jeweils mindestens 5 km, gelegentlich bis zu 10 km zurücklege. Beim Gehen auf der Ebene hat der Kläger eher wenig Beschwerden, zur Schmerzzunahme kommt es beim Treppen steigen, insbesondere treppab. Außerdem hat der Kläger über wiederkehrendes Anschwellen des linken Kniegelenkes berichtet. Bei der klinischen Untersuchung fand sich links andeutungsweise ein etwas verplumptes Kniegelenk, ein Kniegelenkserguss oder eine Kapselschwellung haben sich aber nicht tasten lassen. Es fand sich lediglich ein mäßiger Druckschmerz über dem medialen Gelenksspalt sowie ein leichter Patelladruck- und -verschiebeschmerz. Das rechte Kniegelenk war klinisch völlig unauffällig. Die Beweglichkeit beider Kniegelenke war seitengleich frei. Die Beugung war beidseits bis 120° möglich; dann kam es zur Weichteilhemmung durch die Adipositas. Eine Streckdefizit fand sich nicht. Aktuell bestand keine OP-Indikation. Des Weiteren bestand eine Minderbelastbarkeit des linken Sprunggelenks. 2007 hatte sich der Kläger eine Luxationsfraktur des linken OSG zugezogen, die operativ versorgt wurde. Das Metall wurde nicht entfernt. Der Kläger hat sich diesbezüglich nicht beim Chirurgen oder Orthopäden vorgestellt. Der Kläger berichtete bei der Untersuchung über Schmerzen im linken Sprunggelenk beim längeren Gehen, vor allem aber bei Wetterumschwüngen. Bei der klinischen Untersuchung zeigte sich ein verplumptes linkes Sprunggelenk, das diffus druckschmerzhaft war. Dorsalextension und Plantarflexion waren lediglich endgradig schmerzhaft, im Seitenvergleich ist die Dorsalextension eingeschränkt, aus der Neutral -0- Stellung heraus nicht möglich. Die Beweglichkeit im unteren Sprunggelenk links war frei. Bei Senk-Spreiz-Füßen beidseits war eine deutliche Knick-Fuß-Komponente links auffällig. Aktuelle Röntgenbilder zeigten eine mäßige posttraumatische Arthrose im oberen Sprunggelenk. Der Kläger ist nicht mit Einlagen versorgt gewesen. Des Weiteren bestand ein massives Übergewicht. Sämtliche vom Kläger geschilderte Schmerzen und Beschwerden sind anhand der objektivierbaren Befunde nachvollziehbar, weshalb eine Schmerzstörung mit körperlichen und seelischen Faktoren nicht vorliegt.
In Anbetracht der erhobenen Befunde hat die Sachverständige S1 überzeugend ausgeführt, dass der Kläger hiernach leichte körperliche Tätigkeiten überwiegend im Sitzen, zeitweise stehend, zeitweise gehend vollschichtig verrichten kann. Häufige Zwangshaltungen der Wirbelsäule, häufiges Bücken, Heben, Tragen und Bewegen von Lasten über 10 kg sollten vermieden werden wie auch Arbeiten im Knien und Hocken sowie das Ersteigen von Leitern und Gerüsten, Tätigkeiten mit erheblichem Zeitdruck und Nachtschicht und Tätigkeiten mit inhalativen Belastungen. Auch der behandelnde K2 hat eine vollschichtige Leistungsfähigkeit des Klägers für sein Fachgebiet bestätigt.

Auch auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet liegen keine Erkrankungen vor, die den Kläger daran hindern, eine leichte körperliche Tätigkeit vollschichtig zu verrichten. Der gerichtliche Sachverständige B1 konnte zwar morose, dysthyme sowie subtil vorwurfsvolle Gedanken erkennen. Eine depressive Störung nach den Kriterien der ICD-10 hat er aber überzeugend nicht diagnostizieren können. Die Kernsymptome in Form von Schwermut, Schuldgefühlen, Wertlosigkeit, negativen Zukunftsgedanken und Tagesschwankungen waren nicht nachweisbar. Der Kläger erschien wach, zeitlich, örtlich und situativ und zur Person voll orientiert. Im Gespräch war der Kläger ernst, angespannt, jedoch kooperativ und auskunftsbereit. Hinweise auf das Vorliegen einer formalen oder inhaltlichen Denkstörung zeigten sich nicht. Das inhaltliche Denken war sehr auf die Beschwerdesymptomatik und die hieraus resultierenden Konsequenzen fokussiert; der Gedankengang war dabei flüssig und präzise. Es fanden sich keine Hinweise auf alltagsrelevante Konzentrations- oder Auffassungsstörungen. Die Stimmung war zum Zeitpunkt der Untersuchung moros, dysthym, mit vorwurfsvoller Grundhaltung. Der Kläger äußerte mehrfach Verärgerung aufgrund seiner Erfahrungen mit Institutionen und öffentlichen Einrichtungen der Sozialversicherung. Der Kläger hat sich zwar selbst als depressiv eingeschätzt. Der Kläger war in Abhängigkeit der Gesprächsinhalte aber affektiv modulationsfähig und auslenkbar. So zeigte der Kläger auch positive Gemütsäußerungen und Stolz, als er über seinen Sohn berichtete. Es bestanden keine Hinweise auf eine Antriebsverminderung; die Intentionalität war an Rückzugswünschen orientiert. Es fanden sich keine Hinweise auf Wahrnehmungsstörungen. Mnestik, höhere kognitive Funktionen erschienen ungestört. Es gab auch keine Hinweise auf bewusstseinsnahe Simulation oder Aggravation. Der gerichtliche Sachverständige hat hiernach überzeugend dargelegt, dass sich damit ein weitgehend regelrechter psychischer Befund ohne Hinweise auf das Vorliegen einer depressiven Störung bei erhaltenen Alltagskompetenzen (siehe Seiten 5, 7 des Gutachtens) gezeigt hat. Ebenso bestanden keine Angstsymptome, sodass sich auch die Diagnose Depression und Angst, gemischt, nicht stellen lässt. Auch während der einjährigen Haft war weder eine fachärztliche psychiatrische Behandlung noch eine Krisenintervention notwendig geworden. Die therapeutischen Maßnahmen beschränken sich auf die Einnahme eines Serotonin-Wiederaufnahmehemmers, wobei der Wirkspiegel für Sertralin im unteren therapeutischen Bereich gelegen ist. Auch die wiederkehrenden Zustände mit passagerem Engegefühl im Hals und Atemnot, die mit seltener Frequenz auftreten und als Panikattacken eingeschätzt wurden, stehen einer vollschichtigen Tätigkeit im allgemeinen Arbeitsmarkt nicht entgegen. Unter Berücksichtigung der Aktenlage, des bisherigen Verlaufs und des derzeitigen Befundes kann allerdings eine Dysthymie vorliegen, die aber einer vollschichtigen Tätigkeit nicht entgegensteht. Die im Vordergrund der Beschwerden stehende ausgeprägte Adipositas mit einem Body-Maß-Index von 43 schränkt den Kläger erheblich in seiner Leistungsfähigkeit, aber auch in seiner Beweglichkeit ein. Der gerichtliche Sachverständige hat aber überzeugend ausgeführt, dass auch unter Berücksichtigung der Rückenschmerzen ohne radikuläre Symptome und ohne anderweitige neurologische Ausfälle leichte bis sogar mittelschwere körperliche Tätigkeiten vollschichtig zumutbar sind.
Nicht folgen konnte der Senat den Aussagen und Attesten der B2 und E1, da diese für ihre Leistungsbeurteilung keine schlüssig und nachvollziehbare Begründung anhand selbst erhobener Befunde dargelegt haben, was auch die der Beklagten J1 in ihrer Stellungnahme vom 02.04.2020 ausgeführt hat. Auch dem Bericht des G1 vom 18.12.2024 kann der Senat nicht folgen. Aufgrund einer langjährigen chronischen Erkrankung hält er den Kläger dauerhaft für vermindert „arbeitsfähig“. Eine Darlegung anhand selbst erhobener Befunde ist dem Bericht aber nicht zu entnehmen. Der behandelnde Arzt hat sich auf die Angaben des Klägers gestützt und eine kritische Überprüfung nicht vorgenommen bzw. dargelegt. Zudem spricht eine langjährige chronische Erkrankung für die von B1 diagnostizierte Dysthymie und gegen eine schwere Episode einer rezidivierenden depressiven Störung.

Mit den von B1 und S1 überzeugend festgestellten qualitativen Leistungseinschränkungen liegt eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder eine schwere spezifische Leistungsbehinderung nicht vor. Dem Kläger sind beispielsweise leichte Sortier-, Montier- oder Verpackungstätigkeiten leichter Industrie-und Handelsprodukten (vgl. BSG, Urteil vom 24.02.1999, B 5 RJ 30/98 R, juris) vollschichtig möglich, weshalb es der Benennung einer Verweisungstätigkeit nicht bedarf. Die Wegefähigkeit ist nach diesen Sachverständigen ebenfalls nicht rentenrelevant (BSG, Urteil vom 17.12.1991,13/5 RJ 73/90, juris) eingeschränkt. Der Kläger kann hiernach täglich viermal die Wegstrecke von etwas über 500 m zu Fuß und 500 m in 15 Minuten zurücklegen und täglich zweimal öffentliche Verkehrsmittel während der Hauptverkehrszeiten benutzen.

Eine Rente wegen Berufsunfähigkeit gemäß § 240 SGB VI scheidet aufgrund des Geburtsdatums des Klägers von vornherein aus.


Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Im Rahmen des den Gerichten danach eingeräumten Ermessens sind alle Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen, insbesondere die Sach- und Rechtslage bzw. der Ausgang des Verfahrens (s. Meyer-Ladewig/Keller/Schmidt, Kommentar zum SGG, 14. Auflage, § 193 SGG Rdnr. 12 ff.). Hiernach war für den Senat maßgeblich, dass der Kläger mit der Rechtsverfolgung ohne Erfolg geblieben ist und die Beklagte keinen Anlass zur Klageerhebung gegeben hat. Der Senat hält es im Falle einer Zurückweisung des Rechtsmittels nach dem Grundsatz der Einheitlichkeit der Kostenentscheidung für erforderlich, nicht nur über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zu entscheiden, sondern auch über die Kosten der vorausgehenden Instanz (so Lüdtke/Berchtold, Kommentar zum SGG, 5. Aufl., § 193 Rdnr. 8; ausführlich erkennender Senat, Urteil vom 19. November 2013, L 13 R 1662/12, juris; a.A. Meyer-Ladewig/Keller/Schmidt, a. a. O., § 193 Rdnr. 2a; Hintz/Lowe, Kommentar zum SGG, § 193 Rdnr. 11; Jansen, Kommentar zum SGG, 4. Auflage, § 193 Rdnr. 4).

Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor. Es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung auf gesicherter Rechtsgrundlage, ohne dass der Senat von einer Entscheidung der in § 160 Abs. 2 Nr. 2 SGG genannten Gerichte abweicht.



 

Rechtskraft
Aus
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