Das beklagte Land wird verurteilt, an die Klägerin eine Entschädigung in Höhe von 400,00 € nebst Zinsen i.H.v. von fünf Prozentpunkten über dem Basiszins ab dem 12. April 2024 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Das beklagte Land hat 1/3 und die Klägerin hat 2/3 der Kosten des Verfahrens zu tragen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Streitwert wird auf 1.200,00 € festgesetzt.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt Entschädigung wegen unangemessener Dauer des vor dem Sozialgericht (SG) Lüneburg unter den Aktenzeichen S 13 R 324/18 geführten Klageverfahrens.
Streitgegenstand des Verfahrens war die Frage, ob die Erwerbsminderungsrente der Klägerin auf Dauer statt auf Zeit zu gewähren war und ob bei dieser Rente Beitragszeiten für Kindererziehung zu berücksichtigen waren.
Das Verfahren gestaltete sich im Einzelnen wie folgt:
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Datum Schreiben bzw. Verfügung des Gerichts |
Datum Eingang bei Gericht |
Bl. GA |
Was? |
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2.10.2018 |
1 |
Klageerhebung zur Fristwahrung; Klagebegründung soll mit separatem Schreiben erfolgen.
Übersendung an Bekl. z.K.; Anforderung der Verwaltungsunterlagen (VA) |
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28.10.2018 |
7 |
Bekl. übersendet VA und weist darauf hin, dass Rücksendung der VA während des laufenden Verfahrens nicht erforderlich ist. |
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9.1.2019 |
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8 |
Gericht erinnert Klägerin an Klagebegründung und Rücksendung Fragebogen; Frist: 4 Wochen |
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6.2.2019 |
9 |
Klägerin teilt mit, dass ihr PB erkrankt sei; beantragt Fristverlängerung |
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13.2.2019 |
10 |
PB d. Kl. zeigt unter Vorlage der Vollmacht an, die Klägerin zu vertreten. Antrag auf Akteneinsicht (AE)
SG veranlasst AE an PB d. Kl.; Erinnerung an Klagebegründung binnen 4 Wochen nach AE. |
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28.2.2019 |
23 |
PB d. Kl. beantragt Fristverlängerung für AE |
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9.4.2019 |
24 |
PB d. Kl. beantragt nochmals Fristverlängerung für AE |
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8.5.2019 |
25 |
Klagebegründung
Übersendung an Bekl. z.K. und St.; Frist: 4 Wochen |
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29.5.2019 |
28 |
Bekl. fordert VA vom SG zurück, um St. abgeben zu können. |
31.5.2019 |
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29 |
SG übersendet VA an Bekl. gegen baldige Rückgabe |
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20.6.2019 |
31 |
Bekl. übersendet St. und VA
Übersendung an PB. d. Kl. z.K. und St; Frist: 4 Wochen |
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26.7.2019 |
63 |
PB. d. Kl. beantragt Fristverlängerung zur St. |
16.10.2019 |
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64 |
SG erinnert PB d. Kl. an St. |
7.2.2019 |
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64 RS |
SG erinnert PB d. Kl. erneut an St. |
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7.1.2020 |
65 |
PB d. Kl. übersendet St.
Übersendung an Bekl. z.K. und St; Frist: 4 Wochen |
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20.1.2020 |
67 |
Bekl. übersendet St. Erklärt Einverständnis mit Entscheidung omV
Übersendung an PB d. Kl. z.K. und St; Frist: 4 Wochen |
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31.1.2020 |
68 |
PB d. Kl. übersendet St. und bittet um gerichtlichen Hinweis
Übersendung an Bekl. z.K. und St; Frist: 4 Wochen |
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13.2.2020 |
69 |
Bekl. übersendet St. Erklärt Einverständnis mit Entscheidung omV
Übersendung an PB d. Kl. z.K. und freigestellten St; Frist: 4 Wochen |
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25.3.2020 |
70 |
PB d. Kl. übersendet St. und bittet um gerichtlichen Hinweis
Übersendung an Bekl. z.K. |
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22.12.2020 |
71 |
PB d. Kl. legt Mandat nieder |
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25.1.2021 |
72 |
Neuer PB d. Kl. zeigt an, das Mandat zu führen und beantragt AE.
SG veranlasst AE an PB d. Kl |
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11.2.2021 |
79 |
Schreiben d. Bekl. |
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12.2.2021 |
80 |
PB d. Kl. reicht Akten zurück an das SG |
15.2.2021 |
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81 |
Hinweisverfügung des SG an Bekl. wegen Probeberechnung. |
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19.2.2021 |
82 |
Bekl. übersendet Rentenauskunft
Übersendung an PB d. Kl. z.K. und St; Frist: 4 Wochen |
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25.3.3021 |
101 |
PB d. Kl. beantragt die Übersendung weiterer Verwaltungsunterlagen
Übersendung an Bekl. z.K. und St sowie Übersendung der entsprechenden Unterlagen; Frist: 4 Wochen |
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7.4.2021 |
103 |
Bekl. übersendet Unterlagen
Übersendung an PB d. Kl. z.K. und St; Frist: 4 Wochen |
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26.5.2021 |
138 |
PB d. Kl. beantragt Fristverlängerung |
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25.6.2021 |
140 |
PB d. Kl. beantragt Fristverlängerung |
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23.7.2021 |
142 |
PB d. Kl. beantragt Fristverlängerung |
30.9.2021 |
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143 RS |
Gericht erinnert PB d. Kl. an ergänzende Klagebegründung |
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3.11.2021 |
144 |
PB d. Kl. übersendet ergänzende Klagebegründung
Übersendung an Bekl. z.K. und St; Frist: 4 Wochen |
3.1.2022 |
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149 |
Gericht erinnert Bekl. an Stellungnahme |
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4.1.2022 |
150 |
Bekl. fordert VA zurück, weil nicht alle Unterlagen für St. vorhanden. |
4.1.2022 |
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151 |
SG übersendet VA an Bekl. gegen Rückgabe innerhalb von 3 Wochen |
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25.1.2022 |
155 |
Bekl. übersendet St.
Übersendung an PB d.Kl.. z.K. und freigestellten St |
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2.2.2022 |
158 |
Bekl. übersendet VA |
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9.6.2022 |
159 |
PB d. Kl. erhebt Verzögerungsrüge |
13.7.2022 |
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161 |
Hinweisverfügung des SG an Beteiligte |
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31.7.2022 |
163 |
PB d. Kl. beantragt Fristverlängerung |
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15.8.2022 |
165 |
Bekl. beantwortet Hinweisverfügung und fordert VA zurück, weil nicht alle Unterlagen für St. vorhanden. |
17.8.2022 |
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168 |
SG übersendet VA an Bekl. gegen Rückgabe innerhalb von 4 Wochen
VA wird jedoch versehentlich nicht rausgeschickt |
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31.8.2022 |
169 |
Bekl. teilt mit, dass keine VA angekommen ist. |
12.9.2022 |
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171 |
SG übersendet VA an Bekl. gegen Rückgabe bis 12.10.2022
VA wird jedoch versehentlich an falsche Behörde geschickt |
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6.9.2022 |
172 |
PB d. Kl. übersendet ergänzende Klagebegründung |
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20.9.2022 |
175 |
Bekl. teilt mit, dass keine VA angekommen ist.
SG fordert VA von falscher Behörde zurück. |
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22.9.2022 |
177 |
VA kommt von falscher Behörde zurück zum SG |
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29.9.2022 |
182 |
VA geht bei Bekl. ein |
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19.10.2022 |
183 |
Bekl. beantragt Fristverlängerung, auch zur Rücksendung der VA |
19.10.2022 |
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185 |
Hinweisverfügung des SG |
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26.10.2022 |
186 |
PB d. Kl. teilt mit, mit verzögerter Rückgabe der VA einverstanden zu sein. |
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30.11.2022 |
188 |
Bekl. beantragt Fristverlängerung, auch zur Rücksendung der VA |
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27.12.2022 |
190 |
Bekl. übersendet ergänzende St.
Übersendung an PB d. Kl. z.K. und St; Frist: 4 Wochen |
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30.12.2022 |
221 |
Bekl. übersendet VA |
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5.1.2023 |
222 |
PB. d. Kl.: Bittet um Entscheidung |
8.5.2023 |
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224 |
SG lädt zum Termin zur mündlichen Verhandlung auf 13.6.2023 |
13.6.2023 |
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235 |
Termin zur mündlichen Verhandlung |
13.6.2023 |
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252 |
Urteil des SG Zustellung an Bekl.: 28.6.2023 Zustellung an PB d. Kl: 29.6.2023 |
Am 6. Dezember 2023 hat die Klägerin Klage auf Entschädigung wegen unangemessener Dauer des Klageverfahrens S 13 R 324/18 erhoben und einen Schadensersatzanspruch in Höhe von € 1.200,00 geltend gemacht. Sie rügt, dass das SG das Verfahren nicht stringent geführt habe und geht von einer Verzögerung von 12 Monaten aus. Die Klageschrift ist dem beklagten Land am 12. April 2024 zugegangen.
Die Klägerin beantragt nach ihrem schriftlichen Vorbringen sinngemäß,
das beklagte Land zu verurteilen, ihr eine angemessene Entschädigung wegen der Überlänge des unter dem Az.: S 13 R 324/18 bei dem Sozialgericht Lüneburg geführten Klageverfahrens für insgesamt 12 Monate zu je € 100,00, mithin € 1.200,00 nebst Zinsen von fünf Prozentpunkten über dem Basiszins ab Rechtshängigkeit zu zahlen.
Das beklagte Land beantragt nach seinem schriftlichen Vorbringen,
die Klage abzuweisen.
Es ist der Auffassung, es seien zwar Zeiten von gerichtlicher Inaktivität eingetreten. Die unangemessene Verfahrensdauer betrage aber nur einen Monat. Insbesondere könne die Zeit zwischen März und Mai 2020 aufgrund der Corona-Pandemie nicht als gerichtliche Inaktivität bewertet werden. Im Übrigen fehle es an einer wirksamen Verzögerungsrüge der Klägerin: Die mit Schreiben vom 8. Juni 2022 erhobene Verzögerungsrüge sei verfrüht erhoben worden und damit unwirksam. Zu diesem Zeitpunkt hätten lediglich neun Monate inaktiver Zeiten des SG vorgelegen, die durch die nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) den Gerichten regelmäßig zuzubilligenden 12 Monate Überlegungs- und Bedenkzeit gedeckt gewesen seien. Vor Ablauf der 12-monatigen Vorbereitungs- und Bedenkzeit könne eine Verzögerungsrüge nicht wirksam erhoben werden. Für seine Rechtsansicht hat sich das beklagte Land auf die Entscheidung des BSG vom 9. März 2023, B 10 ÜG 2/21 R bezogen.
Die Beteiligten sind zu einer beabsichtigten Entscheidung des Senats durch Gerichtsbescheid angehört worden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie auf die beigezogene Gerichtsakte des Ausgangsverfahrens S 13 R 324/18 (SG Lüneburg) Bezug genommen. Diese Unterlagen sind Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen.
Entscheidungsgründe
Der Senat entscheidet nach Anhörung der Beteiligten gemäß § 105 Abs. 1 SGG durch Gerichtsbescheid ohne mündliche Verhandlung, da der Rechtsstreit keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist.
Die Klage ist zulässig und in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet. Im Übrigen ist sie unbegründet.
Der Klägerin steht wegen der unangemessenen Dauer des beim SG Lüneburg unter dem Aktenzeichen S 13 R 324/18 geführten Verfahrens eine Entschädigung in Höhe von 400,00 € gemäß § 198 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) zu.
1. Die Klägerin hat mit Schriftsatz vom 8. Juni 2022, bei Gericht eingegangen am 9. Juni 2022, wirksam Verzögerungsrüge erhoben. Nach § 198 Abs. 3 S. 2 GVG kann die Verzögerungsrüge erst erhoben werden, wenn Anlass zur Besorgnis besteht, dass das Verfahren nicht in einer angemessenen Zeit abgeschlossen wird. Die Vorschrift stellt für den frühestmöglichen Termin auf die Wahrscheinlichkeit ab, mit der eine Überlänge des Verfahrens eintreten wird und erfordert damit eine Prognose. Es genügt, wenn der Betroffene erstmals objektive Anhaltspunkte dafür hat, das Verfahren nehme keinen angemessen zügigen Fortgang und der Verfahrensabschluss werde sich deshalb verzögern. Maßgeblich ist die konkrete Möglichkeit einer Verzögerung aus der ex-ante-Perspektive eines vernünftigen Dritten in der Person des Klägers. Eine vor diesem Zeitpunkt verfrüht erhobene Rüge ist wirkungslos und geht ins Leere. Eine verfrühte Rüge wird auch nicht nachträglich wirksam, wenn im Nachgang die konkrete Möglichkeit einer Verzögerung entsteht. Dies widerspräche der vom Gesetz gewollten Warnfunktion der Rüge.
Vorliegend war die Klage im Oktober 2018 erhoben worden, so dass die Verfahrenslaufzeit des erstinstanzlichen Klageverfahrens im Frühjahr 2022 bereits mehr als drei Jahre betragen hatte; mit zunehmender Verfahrenslaufzeit verdichtet sich die Verpflichtung des Gerichts, auf einen zügigen Verfahrensabschluss hinzuwirken bzw. das Verfahren zeitnah zu fördern. Vor diesem Hintergrund durfte aus der ex-ante-Perspektive eines vernünftigen Dritten in der Person der Klägerin im Juni 2022 der Eindruck entstanden sein, das Verfahren nehme keinen angemessenen zügigen Fortgang, nachdem sie die letzte Verfahrenshandlung des Gerichts im Januar 2022 hat wahrnehmen können. Dass die Klägerin für das wirksame Erheben der Verzögerungsrüge zunächst die dem Sozialgericht durch die Rechtsprechung zugestandene „Vorbereitungs- und Bedenkzeit“ von 12 Monaten hätte abwarten müssen, wie das beklagte Land es annimmt und vorträgt, ergibt sich nicht aus § 198 Abs. 3 S. 2 GVG oder einer anderen gesetzlichen Regelung. Auch Rechtsprechung, aus der sich diese Ansicht ableiten ließe, ist dem Senat unbekannt. Jedenfalls lässt sich aus dem Urteil des BSG, das das beklagte Land für seine Ansicht zitiert, nichts für die vom beklagten Land vertretene Auffassung ableiten. Das BSG hat einen solchen Rechtssatz in seiner Entscheidung gerade nicht aufgestellt. Das BSG gelangt in Rn. 28 ff. seiner Entscheidung lediglich zu dem Schluss, die im dortigen Rechtsstreit (nur) vier Monate nach Einleitung eines gerichtlichen Verfahrens (hier: Verfahren über die Wirksamkeit der Klagerücknahme) erhobene Verzögerungsrüge sei verfrüht erhoben worden (Urteil vom 9. März 2023, B 10 ÜG 2/21 R, zitiert nach Juris). Dieser Sachverhalt ist mit dem vorliegenden Verfahren indes nicht vergleichbar: In dem hier streitgegenständlichen Hauptsacheverfahren S 13 R 324/18 ist die Klage im Oktober 2018 erhoben worden, so dass die Verfahrenslaufzeit des erstinstanzlichen Gerichtsverfahrens zum Zeitpunkt der Verzögerungsrüge im Juni 2022 mehr als 3 ½ Jahre, nämlich 45 Monate betragen hatte.
2. Das Ausgangsverfahren S 13 R 324/18 war auch von unangemessener Dauer i.S. des § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG. Nach § 198 Abs. 1 GVG wird angemessen entschädigt, wer infolge unangemessener Dauer eines Gerichtsverfahrens als Verfahrensbeteiligter einen Nachteil erleidet (Satz 1). Die Angemessenheit der Verfahrensdauer richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls, insbesondere nach der Schwierigkeit und Bedeutung des Verfahrens und nach dem Verhalten der Verfahrensbeteiligten und Dritter (Satz 2).
Die Angemessenheitsprüfung erfolgt in drei Schritten (vgl. BSG, Urteil vom 3. September 2014, B 10 ÜG 12/13 R, veröffentlich in juris, Rn. 29 ff.):
- Ausgangspunkt und erster Schritt der Angemessenheitsprüfung bildet die Feststellung der in § 198 Abs. 6 Nr. 1 GVG definierten Gesamtdauer des Gerichtsverfahrens von der Einleitung des Verfahrens in erster Instanz bis zur Zustellung der endgültigen rechtskräftigen Entscheidung (vgl. BSG, Urteil vom 12. Februar 2015, B 10 ÜG 7/14 R, veröffentlicht in juris, Rn. 26).
- In einem zweiten Schritt ist - monatsgenau - der Ablauf des Verfahrens an den von § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG genannten Kriterien zu messen. Dabei ist zu beachten, dass die Verfahrensführung des Ausgangsgerichts vom Entschädigungsgericht nicht auf ihre Richtigkeit, sondern nur auf ihre Vertretbarkeit zu überprüfen ist (BGH, Urteil vom 12. Februar 2015, III ZR 141/14, veröffentlicht in juris, Rn. 26; Urteil vom 13. März 2014, III ZR 91/13, veröffentlicht in juris, Rn. 34; ähnlich BSG Urteil vom 3. September 2014, B 10 ÜG 2/13 R, veröffentlicht in juris, Rn. 43).
- Auf dieser Grundlage ergibt erst die wertende Gesamtbetrachtung und Abwägung aller Einzelfallumstände in einem dritten Schritt, ob die Verfahrensdauer die äußerste Grenze des Angemessenen deutlich überschritten und deshalb das Recht auf Rechtschutz in angemessener Zeit verletzt hat. Dabei billigt das BSG den Ausgangsgerichten eine Vorbereitungs- und Bedenkzeit von bis zu 12 Monaten je Instanz zu, die für sich genommen noch nicht zu einer unangemessenen Verfahrensdauer führt, so dass insoweit „inaktive Zeiten“ unschädlich sind (dazu näher: BSG, Urteil vom 3. September 2014, B 10 ÜG 2/13 R, veröffentlicht in juris, Rn. 43 ff.).
Bei Zugrundelegung der vorstehenden Maßstäbe weist das Ausgangsverfahren eine unangemessene Verfahrensdauer von vier Monaten auf.
Die Gesamtverfahrensdauer erstreckte sich von der Klageerhebung am 2. Oktober 2018 bis zur Zustellung des Urteils im Juni 2023. Im Einzelnen lassen sich dabei Zeiten fehlender Förderung des Verfahrens feststellen für die Zeiträume von April bis einschließlich November 2020 (8 Monate), März bis einschließlich Juni 2022 (4 Monate), September bis einschließlich November 2022 (3 Monate) sowie Februar bis April 2023 (3 Monate). In der Zeit von September bis einschließlich November 2022 ist es deshalb zu einer Verzögerung des Verfahrens gekommen, weil das SG die Verwaltungsakte der verfahrensbeteiligten Rentenversicherung zunächst versehentlich gar nicht und sodann an eine falsche Behörde verschickt hatte. Den hierdurch verursachten Stillstand des Verfahrens muss sich das SG zurechnen lassen. Daraus ergibt sich eine Inaktivität des SG für einen Gesamtzeitraum von 18 Monaten; dabei ist allerdings der Zeitraum von März bis einschließlich Mai 2020 wegen der Corona-Pandemie nach der Rechtsprechung des BSG nicht als inaktive Zeit des SG zu werten (vgl. B 10 ÜG 3/23 R, RdNrn. 23, 36), so dass die beiden Monate April und Mai 2020 aus der Betrachtung auszuklammern sind. Im Ergebnis verblieben 16 Monate inaktiver Zeit des SG.
Demgegenüber kann die Zeit seit der Klageerhebung von Oktober 2018 bis einschließlich März 2020 nicht als Inaktivität des SG bewertet werden, weil das SG in dieser Zeit sachgerecht zunächst auf die Übersendung der Klagebegründung (Eingang bei Gericht im Mai 2019) und sodann den wechselseitigen Vortrag der Beteiligten gewartet und hieran auch erinnert hat. In der Zeit von Dezember 2020 bis Februar 2022 ist es zu einem Wechsel des Prozessbevollmächtigten der Klägerin mit erneutem Schriftsatzwechsel der Beteiligten, Erinnerungen des Gerichts und wiederholten Fristverlängerungsanträgen seitens der Klägerin gekommen. Eine Inaktivität des Gerichts kann während dieser Zeit nicht erkannt werden. Im Juli 2022 hat sich das SG mit einer Hinweisverfügung an einen der Verfahrensbeteiligten gewandt und durfte die entsprechende Rückmeldung hierzu auch abwarten, so dass Juli und August 2022 nicht als inaktive Zeit des SG angesehen werden können.
Abzüglich der nach der Rechtsprechung des BSG (vgl. insoweit die eingehende Begründung des Bundessozialgerichts, die sich der Senat nach eigener Prüfung zu eigen macht: BSG, Urteil vom 3. September 2014, B 10 ÜG 2/13 R, juris, RdNr. 43 ff.) regelmäßig jeder Instanz zuzubilligenden Vorbereitungs- und Bedenkzeit von 12 Monaten verbleibt somit eine unangemessene Verfahrensdauer des erstinstanzlichen Verfahrens von vier Monaten.
3. Der Klägerin ist gemäß § 198 Abs. 2 Satz 3 GVG für jeden Monat der unangemessenen Verfahrensdauer für die von ihr erlittenen immateriellen Nachteile eine Entschädigung in Geld in Höhe von 100,00 € monatlich zuzusprechen, da weder eine Abweichung von dieser gesetzlichen Pauschale geboten ist (§ 198 Abs. 2 Satz 4 GVG) noch die Nachteile auf andere Weise wiedergutgemacht werden können (§ 198 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Abs. 4 GVG). Eine Wiedergutmachung auf andere Weise gemäß § 198 Abs. 4 GVG, insbesondere durch die Feststellung des Entschädigungsgerichts, dass die Verfahrensdauer unangemessen war, ist vorliegend nicht ausreichend (§ 198 Abs. 2 Satz 2 i. V. m. Abs. 4 GVG). Eine Wiedergutmachung auf andere Weise kommt nach der Rechtsprechung des BSG bei festgestellter Überlänge des Gerichtsverfahrens – mit Blick auf die Rechtsprechung des EGMR zu Artikel 6 und Artikel 41 EMRK – allenfalls ausnahmsweise in Betracht, wenn das Verfahren beispielsweise für den Entschädigungskläger aus Sicht eines verständigen Dritten in der Lage des Klägers keine besondere Bedeutung hatte oder dieser durch sein Verhalten erheblich zur Verlängerung des Klageverfahrens beigetragen hat (vgl. BSG, Urteil vom 12. Februar 2015, B 10 ÜG 7/14 R, juris, Rdnr.43). Ein solcher Ausnahmefall liegt nicht vor. Hat schon das beklagte Land keine Gründe dafür vorgetragen, weshalb hier ein solcher Ausnahmefall angenommen werden könnte, so hat auch der Senat insoweit keinen Anlass für weitere Ausführungen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a SGG i.V.m. § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO und entspricht dem Verhältnis des Obsiegens und Unterliegens der Beteiligten.
Gründe, die Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.
Die Festsetzung des Streitwertes ergibt sich aus § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 52 Abse. 1 und 3 GKG und entspricht der von der Klägerin begehrten Entschädigung.