Az.: S 30 SF 104/24
( S 2 KR 2183/22 KH / zuvor S 6 KR 2183/22 KH
|
|
Beschluss
Auf die Erinnerung der Sachverständigen Frau Dr. U. wird die Kostenfestsetzung der Kostenbeamtin des Sozialgerichts T. vom 27.06.2024 teilweise geändert. Die Vergütung der Erinnerungsführerin für das Gutachten vom 17.06.2024 wird auf 2.447,83 Euro herauf- und festgesetzt. Abzüglich bereits überwiesener 1.856,40 Euro sind der Erinnerungsführerin mithin noch 591,43 Euro als Sachverständigenvergütung gem. § 4 JVEG von Amts wegen auszahlen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Streitig war im Ausgangsverfahren, einer sog. Krankenhauskosterstattungsklage zu den Azen. S 6 KR 2183/22 KH bzw. nach bloßer Änderung der Kammerzuständigkeit identisch als S 2 KR 2183/22 KH, jeweils SG T., die Erstattung/Zahlung des zutreffenden Krankenhausbehandlungsentgelts anlässlich der stationären Behandlung des Versicherten J. , geb. am 00.00.1945, im Krankenhaus der Ausgangs-Klägerin , dem Universitätsklinikum T., vom 08.11.2017 bis 17.11.2017.
Dabei war zwischen den Ursprungs-Beteiligten (Klinik und Krankenkasse) streitig, ob die Voraussetzungen des OPS 8-810.w6 im obigen Behandlungsfall vorlagen und das damit einhergehende Zusatzentgelt ZE93.07 abzurechnen war. Durch Beweisanordnung vom 19.12.2023 (Bl. 70 bis Bl. 77 der dort elektronisch geführten Gerichtsakte S 6 KR 2183/22 KH ) wurde Frau Dr. U., R., zur Sachverständigen nach §§ 103, 106 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ernannt. Hauptaufgabe der Sachverständigen war es nach dieser Beweisanordnung, herauszufinden, welche Erkrankung des Versicherten bei seinem Krankenhausaufenthalt in der Zeit vom 08.11.2017 bis 17.11.2017 vorlag und welche spezifische Therapie dafür angewandt und abzurechnen war. Das Gutachten von Frau Dr. U. datiert vom 17.06.2024, Bl.110 bis Bl. 142 der elektronisch geführten Gerichtsakte und stützte letztlich die noch offene Teil-Forderung des Universitätsklinikums T. (UKM) vollauf. Wegen der gutachterlichen Einschätzung im Einzelnen wird auf die Gutachteninhalte verwiesen. Die Klage S 6 KR 2183/22 KH bzw. dann S 2 KR 2183/22 KH endete schließlich darauf basierend mit Nachzahlung und darauf bezogenen Erledigungserklärungen der beiden Ausgangs-Beteiligten vom 12.08.2024 bzw. 03.09.2024.
Mit ihrer am 19.06.2024 vorgelegten Rechnung machte Frau Dr. U. dafür einen Vergütungsanspruch in Höhe von 2.429,51 € wie folgt geltend: 1.980,- € für Zeitaufwand von insgesamt 16,5 Stunden (in der Rechnung näher aufgeschlüsselt) zu einem Stundensatz von 120,- € aufgrund Honorargruppe M 3, Schreibgebühren 44,10 €, für Kopien insgesamt 17,50 € , 2,00 € für Lichtbilder/Farbausdrucke, addierte Zwischensumme : 2.41,60 €, zuzüglich 19 % Umsatzsteuer nach UStG = 387,90 € , Gesamtsumme rechnerisch 2.429,51 €.
Die Kostenbeamtin des hiesigen SG bewilligte laut Schreiben vom 27.06.2024 1.856,40 €, wobei sich die Reduzierung der Forderung der Antragstellerin im Wesentlichen aus der Zugrundelegung der Honorargruppe M 2 (90,- €) statt der beantragten Honorargruppe M 3 (120,- €) ergab. Die Anwendung der Honorargruppe M 2 begründete die Kostenbeamtin wie folgt: „Gekürzt wurde unter Beachtung der einschlägigen Rechtsprechung des Beschwerdesenats des Landessozialgerichts NRW, Essen, die aus Gründen der Einheitlichkeit des Entschädigungsrechts in der Sozialgerichtsbarkeit des Landes NRW als richtungsweisend betrachtet wird der Stundensatz und die Kopien.“ Das Gutachten sei der Honorargruppe M2 der Anlage 1 Teil 2 zu § 9 Abs. 1 Satz 1 JVEG mit einem Stundensatz von 90,00 € zuzuordnen. Nur die Sachgebiete wie SB, R, VG und U habe Gesetzgeber selbst schon einzelnen Honorargruppen zugewiesen. Alle anderen Sachgebiete würden in der Regel M2 zugeordnet. Gutachten werden grundsätzlich einfach vom Gericht angefordert. Kopien seien dem Gutachten nicht beigefügt gewesen, vgl. Beweisanordnung vom 19.12.2023. Gekürzt worden war daher die „Zwischensumme“ in Höhe von 17,50 € für sonstige Aufwendungen. Dagegen angehoben wurden die Schreibgebühren auf 1,50 Euro pro 1.000 Anschläge (hier 50 x 1,50 Euro = 75,--Euro). Beantragt waren von der Erinnerungsführerin ursprünglich 44,10 €.
Die Sachverständige Frau Dr. U. hat sich mit Schreiben vom 07.07.2024 sowie vom 20.08.2024 vehement gegen die Abrechnung nach der Honorargruppe M 2 gewandt. Die Einstufung nach der Honorargruppe M 3 richte sich nicht nur nach dem Schwierigkeitsgrad der Kausalitätsbeurteilung, sondern in zumindest gleicher Weise nach der Komplexität der medizinischen Problematik. Bei dem zu Begutachtenden habe eine hochkomplexe medizinische Ausgangslage vorgelegen, die sie bei einer höchst problematischen, letztendlich vitalgefährdenden Gegebenheit angemessen beurteilen und Alternativen vorschlagen habe müssen.
Namentlich heißt es im Schriftsatz von Frau Dr. U. vom 07.07.2024: „Gemäß Ihres Schreibens vom 27.06.2024 wird die Einstufung für obiges Gutachten infrage gestellt und eine Herabstufung auf die Honorargruppe M2 vorgenommen. Die Beteiligten streiten über die Erstattung/Zahlung des Krankenhausbehandlungsentgelts anlässlich der stationären Behandlung des Patienten, welcher 2013 im Universitätsklinikum T. ailogen nierentransplantiert wurde. Es sind über 20 Beweisfragen gefordert, die unter anderem darauf abzielen, ob der Patient eine antikörpervermittelte Rejektion des Transplantats erlitten hat, wie diese zu behandeln ist und ob die Behandlung den Leitlinien der Fachgesellschaften entsprechend korrekt war. Es handelt sich hier um einen multipel und komplex vorerkrankten Patienten mit zahlreichen differenzialdiagnostischen Problemen und einem dementsprechend hohen Schwierigkeitsgrad was die Beurteilung der Kausalzusammenhänge betrifft. Daher erfordert es zur Beantwortung der geforderten Fragestellung mehr als durchschnittliche ärztliche Befähigung und Erfahrung, also mindestens einen Facharzt/Fachärztin für Innere Medizin und Nephrologie und zusätzlich mehrjähriger Praxiserfahrung auf dem Gebiet der Transplantationsmedizin. Über diese verfügt nicht einmal ein Drittel der knapp 1200 Ärztinnen und Ärzte mit der Spezialisierung „Innere Medizin und Nephrologie". Daher entspricht die geforderte Leistung nach JVEG Anlage 1 (zu § 9 Absatz 1 Satz 1), Teil 2 einer Vergütung nach der Honorarstufe M3. Die Einordnung in die Honorargruppe M2 bildet die tatsächlich Leistung und erforderliche Qualifikation nicht ab. Ich bitte daher um zeitnahe Überweisung des beigefügten Differenzbetrags von 573,11€ auf mein beigefügtes Konto.“
Dem ist der Erinnerungsgegner ,der Bezirksrevisor für die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit NRW, für die Landeskasse mit Schreiben vom 08.10.2024 entgegen getreten. Nach Durchsicht der Streitakte und des Kostenheftes unter Würdigung aller Gesamtumstände komme auch er zu dem Ergebnis, dass vorliegend allein die Honorargruppe M2 in Betracht komme. Er halte die Festsetzung der Kostenbeamtin vom 27.06.2024 in ihrem Ergebnis für zutreffend. Die Begründung lautet sodann wörtlich wie folgt: „ In ihrem Gutachten geht die Sachverständige den Fragestellungen folgend vor und beleuchtet in allen Einzelheiten die Erkrankung des/der Versicherten sowie die vorliegenden Auswirkungen. Dazu genommen werden vorliegende Befundberichte und Aussagen sowie die einschlägige Literatur. Damit sind auf jeden Fall die Voraussetzungen der Honorargruppe M2 erfüllt. Fraglich bleibt aber noch, ob durch die Tätigkeit auch die Voraussetzungen der Honorargruppe M3 erfüllt werden. Dafür ist Voraussetzung, dass ein hoher Schwierigkeitsgrad vorliegt. Dieser wird erreicht, wenn der Sachverständige umfassende und vielseitige, vielschichtige und verwickelte Überlegungen anstellen und schwierige Zusammenhangsfragen beantworten muss. Dies ist vorliegend nicht gegeben, da der Sachverständige allein die humorale Rejektion zu beleuchten hatte. Die für die Honorargruppe M3 geforderten besonderen vielschichtigen Überlegungen sind damit nicht gegeben und es verbleibt im Ergebnis zu Recht bei der Zuordnung zur Honorargruppe M2.
Dier Erinnerungsführerin hingegen hat abschließend mit Schriftsatz vom 31.01.2025 wie folgt zur „Herabstufung auf die Honorargruppe M2“ in der Sache nochmals ausgeführt: „ Zur Beantwortung der geforderten Fragestellung erfordert es weiterhin mehr als durchschnittliche ärztliche Befähigung und Erfahrung, also mindestens einen Facharzt/Fachärztin für Innere Medizin und Nephrologie und zusätzlich mehrjähriger Praxiserfahrung auf dem Gebiet der Transplantationsmedizin. Über diese verfügt nicht einmal ein Drittel der knapp 1.200 Ärztinnen und Ärzte mit der Spezialisierung „Innere Medizin und Nephrologie". Daher entspricht die geforderte Leistung nach JVEG Anlage 1(zu § 9 Absatz 1 Satz 1), Teil 2 einer Vergütung nach der Honorarstufe M3. Ich stelle somit einen Antrag auf gerichtliche Feststellung gern. §4 JVEG. Für den ursprünglichen Gutachtenauftrag wurde bewusst die Leitung des Transplantationszentrums UKW kontaktiert, also erging dieser in der obigen Fragestellung bereits an einen Facharzt mit weit über das durchschnittliche Maß hinausgehender Expertise auf dem Gebiet. Eine Herunterstufung der Vergütung nach der erbrachten fachärztlichen Leistung ist nicht nachzuvollziehen, daher fordere ich Sie erneut auf, den ausstehenden Restbetrag von 573,11€ auf mein Konto ….. zu überweisen.“
Wegen des Sachstandes im Übrigen und insbes. zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf den Inhalt dieser Kostenkammer-Akte S 30 SF 104/24 ( alleinige E Akte) , des Kostenheftes zu S 6 KR 2183/22 KH bzw. S 2 KR 2183/22 KH ( elektronische Form) sowie der Ausgangs-Streitakte an sich, S 6 KR 2183/22 KH bzw. S 2 KR 2183/22 KH /S 18 KR 2660/21 KH, SG T. ( ebenso elektronisch ), Bezug genommen. Sämtliche vorgenannten Akten bzw. ihre Bestandteile lagen der Überprüfung und Entscheidungsfindung der Kammer zugrunde.
II.
Über den Antrag bzw. die Erinnerung entscheidet die 30. Kammer durch den erkennenden Richter als Vorsitzenden. Als Kostenkammer ist diese aufgrund der Geschäftsverteilung bei dem Sozialgericht T. in Gestalt des Präsidiumsbeschlusses Nr. 1/2024 und ab 01.04.2024 durch Beschluss Nr. 2/2024 zuständig für alle ab dem 01.04.2024 eingehenden Verfahren betreffend die Vergütung von Sachverständigen, Dolmetscher*innen, Übersetzer*innen, ehrenamtlichen Richter*innen, Zeug*innen (JVEG) (Kostenkammer) sowie für alle diesbezüglich ab dem 01.01.2024 in Kammer 14 eingegangen (gewesenen) Verfahren, mithin auch diese am 27.08.2024 dem erkennenden Vorsitzenden von der Kostenbeamtin mit deren eigenen Nichtabhilfe-Vermerk zur Entscheidung vorgelegte Gutachten-Kostensache.
Der Antrag auf richterliche Festsetzung gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 Justizvergütungs- und Entschädigungs-Gesetz (JVEG) ist zulässig. Gemäß § 4 Abs. 1 JVEG erfolgt die Festsetzung durch gerichtlichen Beschluss, wenn der Berechtigte oder die Staatskasse die gerichtliche Festsetzung beantragt. Dies hat die Erinnerungsführerin mit Schriftsatz vom 07.07.2024 und nochmals explizit am 20.08.2024 hier beantragt. Der zugleich erhobenen Erinnerung wurde zudem von der Kostenbeamtin am 27.08.2024 nicht abgeholfen.
Prüfungsumfang im Verfahren der gerichtlichen Festsetzung, § 4 Abs. 1 JVEG
Die gerichtliche Festsetzung gemäß § 4 Abs. 1 JVEG stellt keine Überprüfung der vom Kostenbeamten vorgenommenen Berechnung dar, sondern ist eine davon unabhängige erstmalige Festsetzung. Bei der Kostenfestsetzung durch den Kostenbeamten handelt es sich um eine lediglich vorläufige Regelung, die durch den Antrag auf gerichtliche Kostenfestsetzung hinfällig wird (vgl. Bundesgerichtshof - Entscheidung vom 05.11.1968 - RiZ (R) 4/68, juris). Damit wird eine vorherige Berechnung der Beträge im Verwaltungsweg sowohl bei den Einzelpositionen als auch im Gesamtergebnis gegenstandslos (ständige Rechtsprechung, vgl. Meyer/Höver/Bach/Oberlack, JVEG, 26. Aufl. 2014, § 4, Rdnr. 12 - m.w.N.). Das Gericht hat daher eine vollumfassende Prüfung des Vergütungs- oder Entschädigungsanspruchs vorzunehmen, ohne auf Einwände gegen die im Verwaltungsweg erfolgte Kostenfestsetzung beschränkt zu sein. Die vom Gericht festgesetzte Entschädigung kann deshalb auch niedriger ausfallen, als sie zuvor vom Kostenbeamten festgesetzt worden ist; das Verbot der reformatio in peius gilt nicht (ständige Rechtsprechung u.a. des Landessozialgerichts –LSG- Bayern, vgl. z.B. Beschluss vom 08.05.2014, Az.: L 15 SF 42/12; vgl. auch Meyer/Höver/Bach/Oberlack, a.a.O., § 4, Rn. 12 - m.w.N.).
Berechnung der Vergütung :
Die Erinnerungsführerin hat einen Vergütungsanspruch in Höhe von insgesamt 2.447,83 €. Die Vergütung einer Sachverständigen setzt sich gemäß § 8 Abs. 1 JVEG aus dem Honorar für die Leistungen, dem Ersatz von Fahrtkosten, der Entschädigung für Aufwand und dem Ersatz für sonstige und besondere Aufwendungen zusammen.
Das Honorar bestimmt sich nach dem JVEG .
Das Honorar eines Sachverständigen ist nach Stundensätzen zu bemessen. Es wird gemäß § 8 Abs. 2 JVEG für jede Stunde der erforderlichen Zeit gewährt, wobei die letzte bereits begonnene Stunde voll gerechnet wird, wenn sie zu mehr als 30 Minuten für die Erbringung der Leistung erforderlich war; andernfalls beträgt das Honorar die Hälfte des sich für eine volle Stunde ergebenden Betrags. Die Höhe des Stundensatzes variiert je nach der Zugehörigkeit des Gutachtens zu einer bestimmten Honorargruppe (§ 9 Abs. 1 JVEG i.V.m. der Anlage 1 zu § 9 Abs. 1).
Zeitaufwand
Der objektiv erforderliche Zeitaufwand beträgt hier 16,5 Stunden (unstreitig und ab Rechnungstellung allseitig unverändert zugrunde gelegt). Der von Frau Dr. U. angegebene Zeitaufwand von 16,5 Stunden begegnet angesichts der Komplexität und anspruchsvollen sowohl fachmedizinischen wie auch fachjuristischen Fragestellungen keinen Bedenken und ist daher der Abrechnung zugrunde zu legen.
Honorargruppe
Die Berechnung des Honorars ist antragsgemäß für die Erinnerungsführerin nach der Honorargruppe M 3 (Stundensatz: 120,- €) vorzunehmen. Die Zuordnung eines Gutachtens zu einer Honorargruppe bestimmt sich gemäß § 9 Abs. 1 Satz 2 JVEG nach der Anlage 1 zum JVEG. Für medizinische (und psychologische) Gutachten sind die drei Honorargruppen M 1 bis M 3 vorgesehen.
Im Rahmen der Entscheidung zu diskutieren ist, ob das im Bereich eines krankenversicherungsrechtlichen Rechtsstreits erstellte Gutachten der Erinnerungsführerin der Honorargruppe M 2, wie dies die Kostenbeamtin und der ihr folgende Erinnerungsgegner annehmen, oder M 3, wie dies die Erinnerungsführerin begehrt, unterfällt.
Es gibt insoweit keine ausdrückliche Zuordnung von im Bereich des Rechts der gesetzlichen Krankenversicherung (SGB V) erstellten Gutachten im JVEG. Krankenversicherungsrechtliche Gutachten finden in den Honorargruppen M 1 bis M 3 der Anlage 1 zum JVEG keine explizite Erwähnung. Hingegen sind bloß beschreibende Ist-/ Zustands-Begutachtungen nach standardisiertem Schema ohne Erörterung spezieller Kausalzusammenhänge mit einer medizinischen Verlaufsprognose und mit durchschnittlichem Schwierigkeitsgrad der Honorargruppe M 2 zuzurechnen. Beispielhaft hat der Gesetzgeber der Honorargruppe M 2 Gutachten in sog. GdB-Höhe-Verfahren nach dem Neunten Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) zugeordnet.
Gutachten mit hohem Schwierigkeitsgrad (Begutachtung spezieller Kausalzusammenhänge und/oder differenzialdiagnostischer Probleme und/oder Beurteilung der Prognose und/oder Beurteilung strittiger Kausalitätsfragen), insbesondere Gutachten zum Kausalzusammenhang bei problematischen Verletzungsfolgen, zu ärztlichen Behandlungsfehlern, in Verfahren nach dem Opferentschädigungsgesetz (OEG) oder in Verfahren nach dem (früheren) Häftlingshilfegesetz ( heute: StrRehaG bzw. mittlerweile sämtlich : SGB XIV) , sind nach der Honorargruppe M 3 zu vergüten.
Eine explizite Zuordnung von Gutachten aus dem Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung, wie es das Gutachten der Erinnerungsführerin darstellt, hat der Gesetzgeber in den einzelnen Spiegelstrichen bei den Honorargruppen M 1 bis M 3 der Anlage 1 nicht vorgenommen. Im Übrigen hat sich der Gesetzgeber an den verschiedenen Gegenständen medizinischer Gutachten und ihrem Umfang orientiert: die Vergütung will er qua legem damit aufwandsbezogen ausgestalten (BTDrs. 15/1971 Seite 186).
Als Vorgehen bei nicht vom Gesetzgeber explizit einer Honorargruppe zugeordneten Gutachten bieten sich Überlegungen zu der Ermittlung der Zuordnung zu einer Honorargruppe wie folgt an :
Für den Fall, dass die sachverständige Leistung auf einem Sachgebiet erbracht wird, das in keiner Honorargruppe explizit genannt wird, ist das Gutachten gemäß § 9 Abs. 1 Satz 3, 1. Halbsatz JVEG unter Berücksichtigung der allgemein für Leistungen dieser Art außergerichtlich und außerbehördlich vereinbarten Stundensätze einer Honorargruppe nach billigem Ermessen zuzuordnen. Dies gilt gemäß § 9 Abs. 1 Satz 3, 2. Halbsatz JVEG entsprechend, wenn ein medizinisches Gutachten einen Gegenstand betrifft, der in keiner Honorargruppe aufgeführt wird, wobei diese Regelung nur so interpretiert werden kann, dass die dort gegebenen Hinweise zur Zuordnung dann zu beachten sind, wenn der konkrete Gutachten-Gegenstand nicht in den einzelnen Spiegelstrichen bei den Honorargruppen M 1 bis M 3 der Anlage 1 enthalten ist.
Die gesetzgeberischen Vorgaben bzw. auch das hier nun jedenfalls in Teilbereichen festzustellende mehr oder weniger beredete, jedenfalls auffüllungsbedürftige, Schweigen des Gesetzgebers zugrunde gelegt, ist die im System an sich ermessensgerechte Honorargruppe nunmehr per Auslegung der Abrechnung zugrunde zu legen. Danach wiederum hat die Erinnerungsführerin Sachverständige hier Anspruch auf
Festsetzung der Vergütungsgruppe M 3 in diesem besonders gelagerten Einzelfall.
Konkret dafür bezieht sich die erkennende Kostenkammer insbesondere auf sehr spezifische Judikatur mit dem Beschluss des Bayerischen LSG vom 03.11.2014 –L 15 SFG 254/12 , juris bzw. beck-online. Danach gilt - jeweils in Gestalt amtlicher Leitsätze - – für die Kostenkammer plausibel und überzeugend, angemessen und sachgerecht, rechtsähnlich dem Erkenntnisgrad entsprechend § 128 Abs. 1 Satz 1 SGG, hiermit Folgendes:
Auf dem Gebiet der gesetzlichen Krankenversicherung erstellte Gutachten sind jedenfalls dann nach der Honorargruppe M 3 zu vergüten, wenn drei Kriterien kumulativ erfüllt sind:
- Beurteilung einer Erkrankung einschließlich einer Prognosebeurteilung, sofern es nicht auf der Hand liegt, dass die Erkrankung ganz leicht zu beurteilen und die Prognose ganz einfach ist.
- Erforderlichkeit der Erörterung alternativer Behandlung(smethod)en einer Erkrankung, sofern es nicht auf der Hand liegt, dass die Frage ganz leicht zu beantworten ist.
-- Erforderlichkeit der Erörterung des aktuellen Stands der wissenschaftlichen Diskussion bzw. Auswertung der medizinisch wissenschaftlichen Studien zur Beantwortung der gerichtlichen Fragen.
Und namentlich indiziert ist die Vergütungsgruppe M 3 hiernach durch die Überlegung, dass von der Erfüllung der Kriterien der Honorargruppe M 3 immer dann ausgegangen werden kann , wenn die dem Sachverständigen gestellten gerichtlichen Beweisfragen - alternativ - auf die Rechtsprechung zum sogenannten off label use ( BSG Urteil vom 19.03.2002 - B 1 KR 37/00 R, juris) Bezug nehmen.
Hier ging es in der Ausgangsklage ( S 6 KR 2183/22 KH bzw. S 2 KR 2183/22 KH) um die Behandlung mit dem Intratect (humanes Immunglobulin) bei Verdacht auf humorale Abstoßungsreaktion bei Zustand nach Nierentransplantation. Wie den Gutachten des Medizinischen Dienstes (MD) dazu entnehmbar, war das Arzneimittel für die hier durchgeführte Behandlung weder indiziert noch zugelassen. Mithin lag ein sog. Off-Label-Use des Arzneimittels vor.
Genau dem entspricht auch exakt die Struktur der Beweisfragen der erkennenden Kammer des Sozialgerichts in Gestalt der richterlichen Beweisanordnung vom 19.12.2023 zu S 6 KR 2183/22 , Bl. 70 bis Bl. 77 elektronisch geführte Gerichtsakte. Dazu schreibt auch die Erinnerungsführerin plastisch und nachvollziehbar in der schriftlichen Erinnerungsbegründung vom 07.07.2024 wie folgt: „Es sind über 20 Beweisfragen gefordert, die unter anderem darauf abzielen, ob der Patient eine antikörpervermittelte Rejektion des Transplantats erlitten hat, wie diese zu behandeln ist und ob die Behandlung den Leitlinien der Fachgesellschaften entsprechend korrekt war. Es handelt sich hier um einen multipel und komplex vorerkrankten Patienten mit zahlreichen differenzialdiagnostischen Problemen und einem dementsprechend hohen Schwierigkeitsgrad, was die Beurteilung der Kausalzusammenhänge betrifft. Daher erfordert es zur Beantwortung der geforderten Fragestellung mehr als durchschnittliche ärztliche Befähigung und Erfahrung, also mindestens einen Facharzt/Fachärztin für Innere Medizin und Nephrologie und zusätzlich mehrjähriger Praxiserfahrung auf dem Gebiet der Transplantationsmedizin. Über diese verfügt nicht einmal ein Drittel der knapp 1200 Ärztinnen und Ärzte mit der Spezialisierung „Innere Medizin und Nephrologie". Daher entspricht die geforderte Leistung nach JVEG Anlage 1 (zu § 9 Absatz 1 Satz 1), Teil 2 einer Vergütung nach der Honorarstufe M3. Die Einordnung in die Honorargruppe M2 bildet die tatsächlich Leistung und erforderliche Qualifikation nicht ab.“
Dem schließt sich die Kostenkammer nach eigener Überprüfung vollumfänglich an. Es ist ein ausgesprochen spezieller Sonderfall von Frau Dr. U. begutachtet worden, in der Schwierigkeit und medizinischen Komplexität weit jenseits der typischen „M 2“-Gutachten etwa im Schwerbehinderten- bzw- Rentenversicherungsrecht. Und angesichts der Begründungsdichte und Tiefe der Argumentation ist es vollauf gerechtfertigt, hier ausnahmsweise auch den Differenzbetrag von 573,11 € antragsgemäß auf die Erinnerung der Sachverständigen hin fest zu setzen. Letztlich ist dies auch vor dem Hintergrund geboten, dass anderenfalls gerade in den KR-KH-Streitsachen absehbar kaum noch (hochqualifizierte) Hochschulmediziner/innen zu finden wäre, die dann die Gutachtenfragen auf speziellem Fachniveau – erkennbar keine einfachen Zustandsbegutachtungen – sachgerecht beantworten möchten, würde dies nicht - wie hier angesichts des speziellen Sonderfalls des sog. off label use – überhaupt nicht angemessen mit der Vergütungsstufe M3 anerkannt werden.
Damit errechnet sich der Vergütungsanspruch der Erinnerungsführerin wie folgt :
1.980,- € für Zeitaufwand von insgesamt 16,5 Stunden (in der Rechnung näher aufgeschlüsselt) zu einem Stundensatz von 120,- € aufgrund Honorargruppe M 3,
Gekürzt wird die „Zwischensumme“ in Höhe von 17,50 € für sonstige Aufwendungen/Kopien.
Angehoben wurden Schreibgebühren auf 1,50 Euro pro 1.000 Anschläge (hier 50 x 1,50 Euro = 75,--Euro).
Hinzukommen 2,00 € für Lichtbilder/Farbausdrucke,
addierte Zwischensumme : 2.057 €
zuzüglich 19 % Umsatzsteuer nach UStG = 390,830 €
Gesamtsumme rechnerisch 2.447,83 €.
Abzüglich bereits gezahlter 1.856,40 €.
Von der Landeskasse noch zu zahlende offene Restforderung: 591,43 €.
Der Kostenausspruch beruht auf § 4 Abs. 8 JVEG.