Ärztliche Verordnungen, die bereits Gegenstand einer Richtgrößenprüfung waren, können einer Einzelfallprüfung nicht mehr unterzogen werden, soweit es um die Wirtschaftlichkeit und nicht um die Zulässigkeit der Verordnung geht. Neben der Prüfung der Wirtschaftlichkeit der Verordnungsweise eines Arztes nach Maßgabe der Richtgrößenvolumina im Sinne des § 106 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB V a.F. ist eine Einzelfallprüfung unter dem Aspekt der Unwirtschaftlichkeit nach § 4 Abs. 2 und § 7 Abs. 1 PV ausgeschlossen, wenn die Wirtschaftlichkeit der Verordnungsweise des Arztes bereits zuvor nach Richtgrößen geprüft worden und unbeanstandet geblieben ist (Anschluss an BSG, Urteil vom 13.05.2015 - B 6 KA 18/14 R -; Urteil vom 17.02.2016 - B 6 KA 3/15 R -; Urteil vom 11.09.2019 - B 6 KA 21/19 R -; Beschluss vom 19.07.2023 - B 6 KA 31/22 B -, alle in juris).
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 09.03.2023 wird zurückgewiesen.
Der Beklagte trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst tragen.
Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird endgültig auf 13.105,09 € festgesetzt.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten steht die Prüfung der Verordnungsweise im Einzelfall in den Quartalen 1/2014 bis 4/2014 und ein hieraus resultierender Regress in Höhe von 13.105,09 € im Streit.
Der Kläger war im Jahr 2014 als Facharzt für Innere Medizin im hausärztlichen Bereich zur vertragsärztlichen Versorgung in H1 zugelassen.
In den Quartalen 1/2014 bis 4/2014 verordnete er zu Lasten der zu 2) beigeladenen Krankenkasse in 657 Fällen Arzneimittel unter Ausschluss der Substitution auf ein günstigeres Rabattarzneimittel (aut-idem).
Die Wirtschaftlichkeit seiner Verordnungsweise von Arznei- und Verbandmitteln nach Richtgrößen im Jahr 2014 war Gegenstand einer Vorabprüfung. Die Vorabprüfung ergab keine Überschreitung um 25 Prozent oder mehr. Das Verfahren wurde ohne Bescheid beendet. Die zu 1) beigeladene Kassenärztliche Vereinigung Baden-Württemberg informierte regelmäßig über das Ergebnis der durchgeführten Vorabprüfung.
Mit Schreiben vom 22.02.2016 beantragte die Beigeladene zu 2) bei der Prüfungsstelle die Prüfung der Wirtschaftlichkeit der ärztlichen Verordnungsweise des Klägers in 657 Einzelfällen in den Quartalen 1/2014 bis 4/2014. Zur Begründung führte sie aus, der Kläger habe in allen übermittelten Einzelfällen bei Verordnung der Arzneimittel das „aut-idem-Feld" angekreuzt und damit die Substitution des verordneten Arzneimittels durch ein wirkstoffgleiches günstigeres Präparat ausgeschlossen. Damit habe der Kläger gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot verstoßen. In den aufgeführten Fällen sei ihr durch den Ausschluss der Substitution ein unwirtschaftlicher ungerechtfertigter Mehraufwand entstanden. Medizinische Gründe für den Ausschluss der Substitution seien nicht ersichtlich. Sie bitte um Festsetzung eines Regresses gegen den Kläger in der in der beigefügten CD-ROM angeführten Höhe. Für die vom Kläger verordneten Arzneimittel habe sie zum Verordnungszeitpunkt Rabattverträge mit verschiedenen pharmazeutischen Herstellern geschlossen gehabt. Aufgrund bestehender Geheimhaltungsverpflichtungen zu Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen gegenüber den Herstellern sei es ihr nicht möglich, die genaue Höhe des vertraglichen Rabattes mitzuteilen. Als Körperschaft des öffentlichen Rechts sichere sie jedoch zu, dass der jeweils angegebene Rabattbetrag mindestens dem tatsächlichen Rabattbetrag entspreche. Werde der als unwirtschaftlich anzusehende Mehraufwand auf dieser Basis errechnet, sei sichergestellt, dass der Regressbetrag die Höhe ihres effektiv zu tragenden Mehraufwands in keinem Fall übersteige.
Im Rahmen der Anhörung gab der Kläger mit Schreiben vom 24.04.2016 an, der beantragten Festsetzung eines Regresses zu widersprechen. Begründend führte er im Wesentlichen aus, die Regressforderung sei wegen der aut-idem-Regelung weder mit der umfassenden ärztlichen Sorgfaltspflicht noch mit der zivil- und strafrechtlichen Haftung eines Arztes und auch nicht mit der berufsrechtlichen Pflicht zur Mitteilung von unerwünschten Arzneimittelwirkungen vereinbar. Fehlende oder mangelhafte Therapiekontrolle seien als Behandlungsfehler zu qualifizieren. Die Sorgfaltspflichten des Apothekers ersetzten nicht die Sorgfaltspflichten des verordnenden Arztes. Eine unwirtschaftliche Verordnungsweise allein durch das Ankreuzen des aut-idem-Feldes liege nicht vor, weil er die Arzneimittel patientenbezogen, indikationsgerecht und nach wirtschaftlichen Kriterien verordnet habe. Er habe immer Arzneimittel im unteren Preisdrittel verordnet. Die von ihm verordneten Arzneimittel seien meist günstiger gewesen als die rabattierten, weswegen seine Verordnung nicht unwirtschaftlich gewesen sei. Wenn die Höhe des vertraglichen Rabatts der jeweiligen Krankenkasse nicht im Medikamentenpreis der ifap-Datenbank erkennbar sei, könne er nicht einfach im guten Glauben an die Aussagen der Krankenversicherung Verordnungen vornehmen. Die von der Krankenkasse mitgeteilten Preisangaben zum jeweiligen Abgabetag seien ebenso wenig nachvollziehbar wie die Ermittlung des Regresses als Differenz des Nettopreises zum alternativen Nettopreis. Beispielsweise habe der Preis von Ibandronsäure 3mg vor dem Jahr 2016 nie unter 100,00 € gelegen. Der von der Krankenkasse genannte Alternativ-Nettopreis von 22,52 € im Verordnungsfall der Versicherten K1 könne daher nicht stimmen. Unabhängig davon sei in mehreren nicht näher benannten Fällen die Verordnung eines teureren Medikaments patientenbezogen wegen Unverträglichkeit unumgänglich gewesen.
Mit Bescheid vom 10.04.2017 setzte die Prüfungsstelle gegenüber dem Kläger einen Regress in Höhe von 13.105,09 € fest. Zur Begründung legte sie dar, der Antrag für die Quartale 1/2014 bis 4/2014 sei zulässig, auch wenn die Antragstellung erst nach der Ausschlussfrist gemäß § 7 Prüfvereinbarung (PV) erfolgt sei, da er innerhalb der vom Bundessozialgericht (BSG) anerkannten Vierjahresfrist gestellt worden sei. Rechtsgrundlage der Prüfung sei § 106 Abs. 2 Satz 4 und Abs. 3 Satz 3 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V; in der zum Verordnungszeitpunkt geltenden Fassung) i.V.m. § 7 Abs. 1 PV (in Kraft getreten am 01.01.2008). Danach könne die Krankenkasse einen Antrag auf Prüfung im Einzelfall stellen, wenn vermutet werde, dass ihr auf Grund einer unwirtschaftlichen Verordnungsweise ein ungerechtfertigter Mehraufwand entstanden sei. Hierbei sei auch der Ausschluss der aut-idem-Substitution im Einzelfall überprüfbar. Ein grundsätzlich zulässiger Ausschluss nach § 73 Abs. 5 Satz 2 SGB V der Substitution des verordneten Präparates durch den Arzt dürfe unter Berücksichtigung des Wirtschaftlichkeitsgebots nur dann erfolgen, wenn dies aus medizinischen Gründen notwendig sei. Die Therapiefreiheit des Arztes werde dadurch nicht unzulässig eingeschränkt. Das Gesetz habe dem Gemeinsamen Bundesausschuss die Aufgabe übertragen, in den Arzneimittel-Richtlinien zu bestimmen, in welchen Fällen eine Ersetzung ausgeschlossen sei. Im Übrigen entscheide der Vertragsarzt, ob es aus medizinischen Gründen gerechtfertigt sei, von der regelhaften Verordnungsweise abzuweichen und im Ausnahmefall die Substitution auszuschließen. Sinn und Zweck der Substitutionsmöglichkeit sei es, Arzneimittelkosten in der gesetzlichen Krankenversicherung ohne Qualitätsverlust einzusparen. Unabhängig davon, dass der Kläger regelhaft Generika verordnet habe, begründe der Ausschluss der Substitutionsmöglichkeit die Unwirtschaftlichkeit der Verordnung, da im Falle des Vorliegens eines Rabattvertrags für das Originalpräparat stets von noch günstigeren Preisen auszugehen sei. Die Krankenkasse habe in den beanstandeten Einzelfällen konkret dargelegt, dass ein vergleichbares, günstigeres, wirkstoff- und wirkstärkengleiches Präparat hätte abgegeben werden können. In allen 657 Einzelfällen sei von einer unwirtschaftlichen Verordnungsweise auszugehen. In keinem dieser Fälle sei die Ersetzung durch die Substitutionsausschlussliste nach Anlage VII Teil B der Arzneimittel-Richtlinie verboten gewesen. Der Kläger habe auch nicht vorgetragen, warum in den beanstandeten Einzelfällen jeweils konkret eine Ersetzung durch ein rabattiertes Arzneimittel ausgeschlossen gewesen sei.
Hiergegen wandte sich der Kläger mit seinem Widerspruch vom 10.05.2017, mit dem er geltend machte, die von ihm verordneten Präparate seien ausweislich der Preisangaben in der ifap-Datenbank nicht teurer als die rabattierten Arzneimittel gewesen. Außerdem sei die Berechnung und Höhe des von der Krankenkasse vermuteten Mehraufwands nicht darstellbar. Maßgeblich sei insbesondere auch, dass es sich bei den Rabattverträgen der Krankenkassen mit der Pharmaindustrie um geheime Vereinbarungen handle. Im Ergebnis liege keine unwirtschaftliche Verordnungsweise vor.
Mit Widerspruchsbescheid vom 13.11.2019 (Beschluss vom 09.10.2019) wies der Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück und stellte fest, dass die in den Quartalen 1/2014 bis 4/2014 vorgenommenen Verordnungen unter Ausschluss der Substitution auf ein günstigeres Rabattarzneimittel gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot verstießen. Gleichzeitig setzte er als Maßnahme aufgrund der Unwirtschaftlichkeit einen Regress in Höhe von 13.105,09 € gegen den Kläger fest. Die Entscheidung begründend wiederholte er die Ausführungen im Bescheid vom 10.04.2017 und führte teilweise ergänzend aus, die Kennzeichnung des aut-idem-Feldes in den 657 Verordnungsfällen stelle einen Verstoß gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot dar. Unabhängig davon, dass der Kläger regelhaft Generika oder Präparate aus dem niedrigsten Preisdrittel verordnet habe, liege bei einem Ausschluss der Substitutionsmöglichkeit eine Unwirtschaftlichkeit der Verordnung vor, da im Falle des Vorliegens eines Rabattvertrags für das Originalpräparat stets von noch günstigeren Preisen auszugehen sei. Gerade weil im Arzneimittelmarkt im Rahmen von Rabattverträgen sehr hohe Rabatte eingeräumt würden, die weit über die üblichen Preisunterschiede auch im Generikamarkt hinausgingen, sei es unter dem Gesichtspunkt des Wirtschaftlichkeitsgebots unerlässlich, dass Vertragsärzte das gesetzlich vorgesehene Substitutionsregime in den Apotheken nicht durch willkürliche, massenhafte Ausschlüsse der aut-idem-Substitution unterliefen. Denn damit würden erheblich unnötige Zusatzkosten zu Lasten der Versichertengemeinschaft verursacht. Die Orientierung des Klägers an der ifap-Datenbank stelle keine valide Grundlage für einen wirtschaftlichen Vergleich zwischen den verschiedenen Alternativpräparaten her. Der Kläger handle auch dann unwirtschaftlich, wenn er ein nach dem Listenpreis preisgünstiges Arzneimittel aus den Informationen in seiner Praxissoftware auswähle und dann durch das Setzen des Kreuzes die Substitution durch ein rabattiertes Arzneimittel in der Apotheke unterbinde. Das aut-idem-Kreuz sei in dieser Konstellation ungeeignet, das Ziel einer wirtschaftlichen Verordnungsweise zu erreichen, da der krankenkassenspezifische Rabatt und damit die Nettokosten für das Arzneimittel vertraulich und damit dem Arzt unbekannt seien. Die dem Arzt zur Verfügung stehenden Preis- und Rabattinformationen würden grundsätzlich einmal im Quartal mit einem Update der Praxissoftware aktualisiert. Die Stammdaten und insbesondere die Preise der Arzneimittel änderten sich jedoch im Abstand von zwei Wochen. Daher stünden dem Arzt im Laufe des Quartals zunehmend unrichtige Daten zu den Arzneimitteln zur Verfügung. Den lediglich pauschalen Ausführungen des Klägers könne nicht entnommen werden, warum in den beanstandeten Einzelfällen jeweils konkret eine Ersetzung durch ein rabattiertes Arzneimittel ausgeschlossen worden sei. Somit sei davon auszugeben, dass der Apotheker ein wirtschaftlicheres Präparat abgegeben hätte, wenn der Ausschluss der Ersetzung unterblieben wäre. Die Darlegungs- und Feststellungslast obliege dem Vertragsarzt. Es liege an ihm, die für ihn günstigen Tatsachen so genau wie möglich anzugeben und zu belegen. Dies gelte vor allem dann, wenn sie allein ihm bekannt seien oder nur durch seine Mithilfe aufgeklärt werden könnten. Diese Umstände müssten substantiiert und patientenbezogen dargelegt werden. Dieser gesteigerten Mitwirkungspflicht sei der Kläger nicht gerecht geworden. Er habe zu keinem beanstandeten Präparat dargestellt, aus welchem Grund das alternative Präparat für den individuellen Patientenfall nicht möglich gewesen wäre. Die Angaben des Klägers reichten nicht aus, um eine medizinische Begründung nachvollziehen zu können. Die Höhe des Regressbetrags ergebe sich aus den Angaben der Krankenkasse zur Differenz der Kosten des verordneten und des alternativ preisgünstigeren Präparates abzüglich von Rabatten und Zuzahlungen. Daneben seien die Nettoverordnungskosten für die günstigeren rabattierten Arzneimittel aufgeführt. Aufgrund vertraglicher Geheimhaltungspflichten gegenüber den Herstellern sei es der Krankenkasse nicht möglich, die genaue Höhe des vertraglichen Rabattes mitzuteilen. Die Rabattverträge würden im Übrigen auch nicht bewusst von den gesetzlichen Krankenkassen geheim gehalten, verschleiert oder gar in dubiosen Geheimverfahren abgeschlossen. In Wahrheit handle es sich gerade bei den durchgeführten öffentlichen Auftragsvergaben, die dem Vergaberecht unterlägen, um besonders transparente und für jeden pharmazeutischen Unternehmer zugängliche Verfahren. Der Schutz der Vertraulichkeit der Angebotskonditionen der am Vergabeverfahren teilnehmenden pharmazeutischen Unternehmer diene dem Schutz eines auch langfristig funktionierenden Wettbewerbs und der Verhinderung von Preisabsprachen und abgestimmtem Verhalten. Hier habe die Krankenkasse zugesichert, dass der von ihr im einzelnen Verordnungsfall (als Differenz) angegebene Nettobetrag höchstens den tatsächlichen Rabattbetrag enthalte. Dadurch werde bei der Ermittlung des als unwirtschaftlich anzusehenden Mehraufwands im Wege der Differenzberechnung sichergestellt, dass der so ermittelte Regressbetrag die Höhe des von Krankenkasse effektiv zu tragenden Betrags nicht übersteige (Mindestschaden). Dies gelte entsprechend auch für den Wirkstoff Ibandronsäure.
Der Kläger hat am 12.12.2019 Klage beim Sozialgericht Stuttgart (SG) erhoben. Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung (unter Hinweis auf BSG, Urteil vom 11.09.2019 - B 6 KA 21/19 R -, in juris) sei eine Einzelfallprüfung unter dem Aspekt der Unwirtschaftlichkeit neben der Prüfung der Wirtschaftlichkeit der Verordnungsweise eines Arztes nach Maßgabe der Richtgrößenvolumina im Sinne des § 106 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB V ausgeschlossen. Dies gelte dann, wenn im Rahmen der Richtgrößenprüfung kein unwirtschaftliches Verordnungsverhalten festgestellt worden sei. Anders habe das BSG die Situation lediglich dann beurteilt, wenn ein Vertragsarzt Arzneimittel verordne, die er bei Beachtung der maßgeblichen gesetzlichen und untergesetzlichen Vorschriften überhaupt nicht hätte verordnen dürfen (unter Hinweis auf BSG, Urteil vom 11.09.2019 - B 6 KA 15/18 R -, in juris). Da bei ihm im Rahmen der Richtgrößenprüfung der Verordnungsweise im Jahr 2014 keine unwirtschaftliche Verordnungsweise festgestellt worden sei, dürfe nun nicht mehr ein Regress im Wege der Einzelfallprüfung verhängt werden. Unabhängig vom Vorrang der Richtgrößenprüfung gebe es keine ausreichende Rechtsgrundlage für die Festsetzung eines Regresses auch im Rahmen der Einzelfallprüfung. Es gebe – zumindest nach den zum Zeitpunkt des Regresses geltenden Vorschriften – keine Verpflichtung des Vertragsarztes, die Substitution im Sinne eines Regel-Ausnahmeverhältnisses grundsätzlich zuzulassen, sofern keine medizinischen Gründe gegen die Substitution sprächen. Die aut-idem-Regelung des § 73 Abs. 5 Satz 2 SGB V stelle den Ausschluss der Substitution ausschließlich ins Ermessen des Arztes. Die Zulässigkeit eines Ausschlusses der Substitution nur aus medizinisch-therapeutischen Gründen sei erst mit Inkrafttreten des § 29 Abs. 2 Satz 2 Bundesmantelvertrags-Ärzte (BMV-Ä) 2018 geregelt worden. Die Kassenärztliche Vereinigung Baden-Württemberg habe hierauf erst mit Rundschreiben vom September 2018 hingewiesen. Einem unmittelbaren Durchgriff auf das Wirtschaftlichkeitsgebot nach § 12 Abs. 1 SGB V stehe der Vorrang der Wirtschaftlichkeitsprüfung nach Richtgrößen entgegen. Die Verordnung der Präparate sei auch nicht unzulässig gewesen, da im Jahr 2014 kein auf ein bestimmtes Arzneimittel bezogener Verordnungsausschluss bestanden habe. Darüber hinaus verstoße die Festsetzung des Regresses gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Es sei keine dem Regress vorangehende Beratung erfolgt oder auf einen vermeintlichen Verstoß gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot hingewiesen worden. Im Übrigen dürfe die Substitution nur dann zugelassen werden, wenn der verordnende Arzt sicher wisse, dass alle Arzneimittel, die zur Substitution in Frage kämen, in gleicher Weise zur Behandlung des Patienten geeignet seien. Im Jahr 2014 sei ihm nicht bekannt gewesen, welche konkreten rabattierten Arzneimittel zur Verfügung gestanden hätten. Die Darstellung von Substitutionsvorschlägen in der Praxissoftware sei erst im Juli 2018 in den Anforderungskatalog nach § 73 SGB V für Verordnungssoftware aufgenommen worden. In den streitigen Quartalen 1 – 4/2014 dürfe der Spagat zwischen Therapieverantwortlichkeit und Wirtschaftlichkeitsgebot nicht auf seinem Rücken als Vertragsarzt ausgetragen werden. Schließlich genüge die bloße Aufstellung der Differenz zwischen den Nettokosten des rabattierten Arzneimittels und den tatsächlichen Nettokosten des verordneten Arzneimittels den Anforderungen an die Darlegung des entstandenen Mehraufwands nicht.
Der Beklagte ist der Klage entgegengetreten und hält den Widerspruchsbescheid für rechtmäßig. Die hier auf Antrag der Krankenkasse durchgeführte Einzelfallprüfung sei gegenüber einer Richtgrößenprüfung nicht subsidiär. Eine Subsidiarität ergebe sich weder aus dem gesetzlichen Wortlaut des § 106 SGB V und dessen Umsetzung, noch könne eine solche Subsidiarität aus der vom Kläger zitierten Rechtsprechung hergeleitet werden. Auch aus dem Urteil des BSG vom 13.05.2015 (B 6 KA 18/14 R, in juris) ergebe sich dies gerade nicht. Ein von Klägerseite angenommener genereller Ausschluss der Wirtschaftlichkeitsprüfung im Rahmen einer Einzelfallprüfung führe zu prüffreien Räumen. Nur durch eine Einzelfallprüfung der Wirtschaftlichkeit sei gewährleistet, dass Unwirtschaftlichkeiten auch bei den Ärzten, die nicht bereits in der Prüfgruppe des § 106 Abs. 2 Satz 7 SGB V (gemeint wohl Satz 2) erfasst gewesen seien, festgestellt und sanktioniert werden könnten. Im Rahmen der Richtgrößenprüfung werde lediglich geprüft, ob eine statistische Auffälligkeit gemessen an dem durchschnittlichen Ausgabevolumen der Fachgruppe bestehe. Eine Unauffälligkeit im Rahmen dieser statistischen Auffälligkeitsprüfung könne einer Antragsprüfung auf Unwirtschaftlichkeit im Einzelfall aber nicht entgegenstehen, da dies nicht grundsätzlich besage, dass nicht in einzelnen Fällen dennoch unwirtschaftlich verordnet werde und damit weitere Wirtschaftlichkeitspotentiale aus Sicht der Krankenkassen bestehen könnten. Insbesondere auf Grund des Umstands, dass im Rahmen der Richtgrößenprüfungen die Auffälligkeit auf Basis der Bruttoverordnungskosten, d.h. ohne Abzug von gesetzlichen sowie vertraglichen Rabatten und Zuzahlungen, ermittelt werde, führe dies dazu, dass die Frage der Unwirtschaftlichkeit der Nettoverordnungskosten, wie hier, gar nicht Bestandteil der Prüfung sei. Würde man im Rahmen der Konkurrenzregelung damit annehmen, dass die Durchführbarkeit einer Richtgrößenprüfung die Einzelfallprüfung ausschließe, könne der Aspekt der Unwirtschaftlichkeit durch den Ausschluss der Abgabe rabattierter Arzneimittel somit in keiner Form überprüft werden. Bereits mit Rundschreiben vom 16.02.2011 habe das Bundesgesundheitsministerium den Verbänden der Ärzte, der Krankenkassen und der Pharmaindustrie mitgeteilt, dass ein nicht medizinisch notwendiger Ausschluss der Substitutionsmöglichkeit gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot verstoße. Das mögliche Haftungsrisiko des Arztes rechtfertige den Ausschluss der Substitution nicht. Die Substitutionsmöglichkeit erweitere weder die ärztliche Sorgfaltspflicht noch das Haftungsrisiko des Arztes in unzulässiger Weise. Die Ersetzung des verordneten Arzneimittels sei gemäß § 129 Abs. 1 SGB V nur dann möglich, wenn ein preisgünstigeres wirkstoffgleiches Präparat existiere, welches auch in der Wirkstärke identisch sei. Der Verpflichtung zur Substitution liege die Vorstellung zugrunde, dass der therapeutische Nutzen eines Medikaments ausschließlich durch seinen Wirkstoff bestimmt werde, weswegen ein unter seiner Handelsbezeichnung verordnetes Medikament im Interesse der Wirtschaftlichkeit der Versorgung durch ein anderes, wirkstoffgleiches ausgetauscht werden dürfe. Aufgrund der Vergleichbarkeit der austauschbaren Wirkstoffe sei das mögliche Haftungsrisiko für eine etwaige Fehlbehandlung äußerst gering. Die Kann-Regelung des § 73 Abs. 5 Satz 2 SGB V ermögliche, dass ein Ausschluss der Substitution des verordneten Präparats durch den Arzt unter Berücksichtigung des Wirtschaftlichkeitsgebots dann erfolgen dürfe, wenn dies aus medizinischen Gründen notwendig sei. Die pauschale Mitteilung des Klägers, die Substituierbarkeit der von ihm verordneten Präparate widerspreche seiner Fürsorgepflicht gegenüber seinen Patienten, genüge den Anforderungen an die Darlegung eines medizinisch begründeten Einzelfalls für den Ausschluss der Substitutionsmöglichkeit nicht. Der Kläger müsse vielmehr diejenigen Umstände darlegen und dokumentiert haben, aus denen er zum Behandlungszeitpunkt den Schluss ziehe, dass ein Ausschluss der Substitutionsmöglichkeit medizinisch notwendig sei.
Mit Beschluss vom 09.07.2020 hat das SG die Kassenärztliche Vereinigung B1 und die AOK B1 zum Verfahren beigeladen.
Mit Urteil vom 09.03.2023 hat das SG der Klage stattgegeben. Es hat den Widerspruchsbescheid des Beklagten vom 13.11.2019 aufgehoben. Die zulässige Klage sei begründet. Der Widerspruchsbescheid des Beklagten vom 13.11.2019 sei rechtswidrig und verletze den Kläger in seinen Rechten. Der Beklagte habe die Wirtschaftlichkeit der Arzneimittelverordnungen des Klägers im Jahr 2014 nicht mehr im Einzelfall prüfen dürfen, weil die Wirtschaftlichkeit der Verordnungsweise des Klägers im Jahr 2014 bereits zuvor nach Richtgrößen geprüft worden und unbeanstandet geblieben sei. Rechtsgrundlage der Einzelfallprüfung der Verordnungsweise des Klägers in den Quartalen 1/2014 bis 4/2014 sei § 106 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Satz 4 Halbsatz 1 SGB V in der ab 01.01.2008 geltenden Normfassung des GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetzes vom 26.03.2007 i.V.m. § 4 Abs. 2 sowie § 7 Abs. 1 PV in der ab 01.01.2014 geltenden Fassung. Nach § 106 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Satz 4 Halbsatz 1 SGB V könnten durch gemeinsame und einheitliche Vereinbarungen zwischen den Landesverbänden der Krankenkassen, den Ersatzkassen und den Kassenärztlichen Vereinigungen zusätzliche Prüfungsarten eingeführt werden (unter Hinweis auf BSG, Urteil vom 11.09.2019 - B 6 KA 21/19 R -, in juris, Rn. 13 m.w.N.). Die Vertragspartner in Baden-Württemberg hätten von dieser Regelung Gebrauch gemacht und neben der Auffälligkeits- oder Richtgrößenprüfung gemäß § 106 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB V und der Stichproben- oder Zufälligkeitsprüfung gemäß § 106 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SGB V auch Einzelfallprüfungen vorgesehen. Gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 PV finde die Prüfung auf Wirtschaftlichkeit einzelner Behandlungsfälle bzw. Verordnungen nur auf Antrag der Kassenärztlichen Vereinigung B1, eines Verbandes oder einer Krankenkasse statt. Der Antrag sei schriftlich zu begründen und bei der zuständigen Bezirksprüfungsstelle einzureichen (§ 7 Abs. 1 Satz 2 PV). Nach der Rechtsprechung des BSG dürfe eine Verordnung, die bereits Gegenstand einer Richtgrößenprüfung gewesen sei, keiner Einzelfallprüfung unterzogen werden, soweit es um die Wirtschaftlichkeit und nicht um die Zulässigkeit der Verordnung gehe. Neben der Prüfung der Wirtschaftlichkeit der Verordnungsweise eines Arztes nach Maßgabe der Richtgrößenvolumina im Sinne des § 106 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB V sei eine Einzelfallprüfung unter dem Aspekt der Unwirtschaftlichkeit nach § 4 Abs. 2 und § 7 Abs. 1 PV ausgeschlossen (unter Hinweis auf BSG, Urteil vom 11.09.2019 - B 6 KA 21/19 R -, in juris, Rn. 30; Urteil vom 13.05.2015 - B 6 KA 18/14 R -, in juris, Rn. 45). Zwar könne die beigeladene Krankenkasse auf der Grundlage des § 7 Abs. 1 PV die Feststellung der Ersatzpflicht des Klägers für unwirtschaftliche Verordnungen im Einzelfall verlangen, doch habe insoweit die Richtgrößenprüfung Vorrang (unter Hinweis auf BSG, Urteil vom 11.09.2019 - B 6 KA 21/19 R -, in juris, Rn. 31, dazu auch im Folgenden). Dabei werde das gesamte Verordnungsvolumen des Arztes oder der Praxis mit dem Volumen verglichen, das sich aus der Multiplikation der vereinbarten Richtgröße mit der Fallzahl ergebe. Nach Berücksichtigung von Praxisbesonderheiten trete die Ersatzpflicht des Arztes nach § 106 Abs. 5a Satz 3 SGB V erst ein, wenn der Vergleich eine Überschreitung um mehr als 25 Prozent ergebe. Dieser Toleranzbereich bei den Verordnungskosten beruhe auf einer Entscheidung des Gesetzgebers, die von den Prüfgremien und den Gerichten hinzunehmen sei. Deshalb könne die Wirtschaftlichkeit der Verordnungsweise in Einzelfällen - anders als deren Zulässigkeit neben einer Prüfung nach Richtgrößen nicht (mehr) geprüft werden (vgl. BSG, a.a.O.). Diese Sperrwirkung entfalte eine Richtgrößenprüfung nur dann, wenn die in Rede stehende Verordnung auch in das Richtgrößenvolumen nach § 84 Abs. 6 SGB V einbezogen worden sei (unter Hinweis auf BSG, Urteil vom 13.05.2015 - B 6 KA 18/14 R -, in juris, Rn. 46). In Anwendung dieser Maßstäbe habe die Wirtschaftlichkeit der Arzneimittelverordnungen des Klägers im Jahr 2014 nicht mehr im Einzelfall geprüft werden dürfen, weil die Wirtschaftlichkeit der Verordnungsweise des Klägers im Jahr 2014 bereits zuvor nach Richtgrößen geprüft worden und unbeanstandet geblieben sei. Dass der Kläger die von der beigeladenen Krankenkasse beanstandeten Präparate aus Rechtsgründen nicht hätte verordnen dürfen, die Verordnungen mithin wegen Verstößen gegen Vorschriften der Arzneimittelrichtlinien unzulässig seien, hätten weder die Beigeladene zu 2) noch der Beklagte behauptet und sei auch sonst nicht ersichtlich. Gerügt werde nicht die Unzulässigkeit, sondern allein die Unwirtschaftlichkeit der Verordnungen durch Ausschluss der aut-idem-Substitution. Ebenfalls weder vorgetragen noch sonst ersichtlich sei, dass die vom Kläger im Jahr 2014 verordneten Präparate von der Richtgrößenprüfung ausgenommen gewesen seien. Soweit der Beklagte einwende, dass die Sperrwirkung hier nicht greife, weil die Wirtschaftlichkeitsprüfung nach Richtgrößen nach anderen Maßstäben als die Wirtschaftlichkeitsprüfung im Einzelfall erfolge, überzeuge dies nicht. Die bloße Anwendung unterschiedlicher Prüfungsmaßstäbe - während bei einer Richtgrößenprüfung nie ein Einzelfall, sondern eine Auffälligkeit im Vergleich zur Fachgruppe geprüft werde, stelle die Einzelfallprüfung nie auf statistische Vergleiche zur Fachgruppe ab - liege in der Natur der Sache verschiedener Prüfungsarten und könne nicht zum Ausschluss der Sperrwirkung führen, ohne der vorstehenden Rechtsprechung des BSG, die im Ergebnis auf den Schutz des Arztes vor mehrfachen Prüfungen desselben Verordnungsverhaltens ziele (unter Hinweis auf BSG, Urteil vom 13.05.2015 - B 6 KA 18/14 R -, in juris, Rn. 45), jeden Anwendungsbereich zu entziehen. Durch den Eintritt der Sperrwirkung entstünden im vorliegenden Fall auch keine prüffreien Räume. Denn die Einzelfallprüfung von Arzneimittelverordnungen sei dem Beklagten nur dann verwehrt, wenn diese Verordnungen zuvor Gegenstand einer Richtgrößenprüfung gewesen seien. Dies sei hier der Fall. Die vom Kläger im Jahr 2014 ausgestellten Arzneimittelverordnungen seien bereits vor der Einzelfallprüfung Gegenstand einer Richtgrößenprüfung gewesen, die zu keinen Beanstandungen geführt habe.
Gegen das ihm am 27.04.2023 zugestellte Urteil hat der Beklagte am 17.05.2023 Berufung zum Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg erhoben. Der angegriffene Widerspruchsbescheid sei rechtmäßig. Die durch das SG angenommene generelle Sperrwirkung eines vorangegangenen Prüfverfahrens nach Richtgrößen für den Verordnungszeitraum bestehe nicht. Auch aus der in Bezug genommenen BSG-Rechtsprechung lasse sich eine solche nicht herleiten. Aus der Gesetzesbegründung zum Gesundheitsstrukturgesetz zum 01.01.1993 (GSG), mit welchem § 106 SGB V (a.F.) um den neuen Absatz 5a, und damit um die Festlegung des Rechtsfolgengrenzwertes von 25 Prozent für die Festsetzung von Regressen ergänzt wurde, lasse sich lediglich entnehmen, dass eine Kumulation von Durchschnittswerteprüfungen und Richtgrößenprüfungen durch das Gesetz ausgeschlossen werden solle. Ein Ausschluss anderer Prüfarten neben der Richtgrößenprüfung ergebe sich aus der Gesetzesbegründung gerade nicht (BT-Drucks. 12/3608). Vielmehr sei ebenfalls mit dem GSG in § 106 Absatz 3 Satz 6 SGB V ausdrücklich festgelegt worden, dass durch (regionale) Verträge die Voraussetzungen der Durchführung von Einzelfallprüfungen festzulegen seien. Auch mit der Einführung des Gesundheitsmodernisierungsgesetzes (GMG) im Jahr 2004 sei nur der Vorrang der Richtgrößenprüfung gegenüber der Durchschnittswerteprüfung geregelt worden. Ein Ausschluss anderer Prüfarten neben der Richtgrößenprüfung habe auch hier nicht stattgefunden. Hätte der Gesetzgeber einen Vorrang auch gegenüber Einzelfallprüfungen vorgesehen, fände sich eine entsprechende Regelung wieder. Der Gesetzgeber sei daher davon ausgegangen und gehe weiter von der gleichzeitigen Anwendbarkeit beider Prüfarten aus. Die durch das BSG in seinem Urteil vom 11.09.2019 getroffene Annahme, dass dies nicht die vom Gesetzgeber bezweckte Regelungsintention darstelle, lasse sich daher nicht nachvollziehen. Eine Intention des Gesetzgebers, sämtliche Praxen, die statistisch unauffällig seien, von konkreten Prüfungen auf Wirtschaftlichkeit im Einzelfall auszuschließen, sei nicht bezweckt worden. Es handele sich um zwei nicht miteinander vergleichbare Prüfarten, deren Zielrichtungen unterschiedlicher Natur seien. In Baden-Württemberg sei ein doppeltes Regressieren des identischen Sachverhalts ohnehin bereits durch die eigenen Regelungen der Vertragspartner durch Aufnahme entsprechender Konkurrenzbestimmungen auf Rechtsfolgenseite in der Prüfvereinbarung ausgeschlossen. Im Übrigen sei in der Rechtsprechung eine Sperrwirkung lediglich dann angenommen worden, wenn eine andere Prüfmethode auch tatsächlich durchgeführt worden sei. Bezüglich des Verordnungsverhalten des Klägers sei faktisch jedoch keine Prüfung der Wirtschaftlichkeit nach Richtgrößen durchgeführt worden. In Baden-Württemberg werde die von den Vertragspartnern vereinbarte Filtersystematik zugrunde gelegt, die bereits unter dem Begriff der Richtgrößenprüfung laufe. Unter Anwendung der Filter 1 bis 3 des Filterkonzepts würden hierbei ausschließlich formale Kriterien abgeprüft, z.B. ob die Praxis in allen 4 Quartalen des jeweiligen Jahres zugelassen gewesen sei und auch entsprechende Verordnungen getätigt habe. Würde man bereits diesbezüglich eine Sperrwirkung annehmen, obwohl inhaltlich keinerlei Prüfung stattgefunden habe, würde dies dazu führen, dass diese „ungeprüften“ Praxen keiner Einzelfallprüfung zugeführt werden könnten. In Baden-Württemberg unterlägen damit grundsätzlich alle verordnenden Praxen der Wirtschaftlichkeitsprüfung nach Richtgrößen. Die vom SG vertretene generelle Annahme der Sperrwirkung hätte somit zur Folge, dass für sämtliche Vertragsärzte in Baden-Württemberg Einzelfallprüfungen überhaupt nicht möglich wären. Dies entspreche nicht dem gesetzgeberischen Willen, da dieser explizit in § 106 Abs. 3 Satz 3 SGB V (a.F.) die Durchführung von Einzelfallprüfungen vorgesehen habe. Würde man diesen vom BSG aufgestellten Grundsatz des Vorrangs der Richtgrößenprüfung so auslegen, dass damit sämtliche Wirtschaftlichkeitsprüfungen im Einzelfall ausgeschlossen seien, würde die vom Gesetzgeber getroffene Regelung, die ausdrücklich derartige Einzelfallprüfungen zulasse, ins Leere laufen. Entgegen der Auffassung des SG entstünden hieraus also gerade doch prüffreie Räume, nämlich für konkrete Unwirtschaftlichkeiten im Einzelfall, die nur deshalb nicht geahndet werden könnten, weil überhaupt eine Richtgröße für die Fachgruppe vereinbart worden sei. Nicht nachvollziehbar sei außerdem die angenommene Abhängigkeit des Eingreifens der Sperrwirkung davon, ob es sich um einen Einzelfallprüfungsantrag wegen Unwirtschaftlichkeit oder wegen Unzulässigkeit handele. Auch unzulässige Verordnungen würden dem Verordnungsvolumen zugerechnet, welches dem Richtgrößenvolumen gegenübergestellt werde, was entsprechend dazu führe, dass auch für diese Verordnungen eine „doppelte“ Prüfung stattfinde.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 09.03.2023 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Entgegen der Rechtsauffassung des Beklagten könne in Anbetracht des Grundsatzurteils des BSG vom 11.09.2019 kein Zweifel bestehen, dass eine Einzelfallprüfung aus Gründen der (vermeintlichen) Unwirtschaftlichkeit aufgrund des Vorrangs und der Sperrwirkung der Richtgrößenprüfung unzulässig sei, wenn es in bezeichnetem Urteil des BSG - völlig zu Recht - heiße: „Neben der Prüfung der Wirtschaftlichkeit der Verordnungsweise eines Arztes nach Maßgabe der Richtgrößenvolumina i.S.d. § 106 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB V ist eine Einzelfallprüfung unter dem Aspekt der Unwirtschaftlichkeit … ausgeschlossen. … Nach Berücksichtigung von Praxisbesonderheiten tritt die Ersatzpflicht des Arztes nach § 106 Abs. 5a S. 3 SGB V erst ein, wenn der Vergleich eine Überschreitung um mehr als 25% ergibt. Dieser Toleranzbereich bei den Verordnungskosten beruht auf einer Entscheidung des Gesetzgebers, die von den Prüfgremien zu berücksichtigen ist. Deshalb kann die Wirtschaftlichkeit der Verordnungsweise in Einzelfällen … neben einer Prüfung nach Richtgrößen nicht mehr geprüft werden.“ (Hervorhebung durch den Kläger) Hierbei könne es ersichtlich keine Rolle spielen, ob ein Arzt lediglich einer Vorab-Prüfung unterzogen worden sei und sich ergeben habe, dass er sein ihm zugewiesenes Richtgrößenvolumen um weniger als 15% unterschritten habe oder ob er sein Richtgrößenvolumen um mehr als 25% überschritten habe, sich im Rahmen der dann folgenden Wirtschaftlichkeitsprüfung jedoch aufgrund der Anerkennung von Praxisbesonderheiten ergebe, dass er sein Richtgrößenvolumen mit z.B. 20% (unwirtschaftlich) unterschreite, jedoch aufgrund der Regressgrenze von 25% nicht regresspflichtig werde. Würde man die Sperrwirkung auf Fälle der tatsächlichen Durchführung einer Richtgrößenprüfung beschränken, würden diejenigen Ärzte, die in der Vorab-Prüfung auffällig und einer Richtgrößenprüfung unterzogen würden, besser stehen, als Ärzte, bei denen von vorneherein das Aufgreifkriterium der Richtgrößenüberschreitung von mehr als 15% nicht erfüllt sei. Maßgeblich könne vielmehr nur sein, ob sich die Einzelfallprüfung auf Arzneimittel beziehe, die grundsätzlich Gegenstand einer Richtgrößenprüfung sein könnten. Für das Auslösen der Sperrwirkung sei es völlig ausreichend, dass alle Vertragsärzte in Baden-Württemberg regelmäßig und standardisiert einer Richtgrößen- bzw. mittlerweile Richtwertprüfung unterzogen würden. Ergebe sich bei dieser standardmäßigen Vorab-Prüfung eine Überschreitung von weniger als 15%, erfolge keine weitergehende Prüfung. Im Falle einer Überschreitung im Umfang von mehr als 15% bis 25% folge aus der Überschreitung lediglich eine Beratung gemäß gem. § 106 Abs. 1a SGB V a.F. In beiden Fällen sei ein Regress im Rahmen einer Einzelfallprüfung aus Gründen der Unwirtschaftlichkeit unzulässig, andernfalls würde dem Vertragsarzt der vom Gesetzgeber vorgegebene Toleranzbereich aberkannt werden (unter Hinweis auf BSG, Urteil vom 11.09.2019 - B 6 KA 21/19 R -, in juris). Soweit der Beklagte der Auffassung sei, die Einzelfallprüfung liefe bei Annahme der Sperrwirkung letztlich leer, übersehe er, dass es aufgrund der Verordnungsausschlüsse der Arzneimittelrichtlinie noch zahlreiche Anwendungsbereiche für Einzelfallprüfungen, auch aus Gründen der Unwirtschaftlichkeit gebe (z.B. § 16 Arzneimittelrichtlinie).
Die Beigeladenen stellen keine Anträge.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie auf die beigezogene Verwaltungsakte des Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe
I. Der Senat entscheidet über die Berufung in der Besetzung mit ehrenamtlichen Richtern aus dem Kreis der Krankenkassen und der Vertragsärzte, weil es sich vorliegend um eine Angelegenheit des Vertragsarztrechts handelt (§ 12 Abs. 3 Satz 1 Sozialgerichtsbarkeit <SGG>).
II. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des SG Stuttgart vom 09.03.2023 ist gemäß §§ 143, 144 SGG statthaft. Die Berufung ist form- und fristgerecht eingelegt worden und auch im Übrigen zulässig (§ 151 SGG).
III. Gegenstand des Verfahrens ist allein der vom Beklagten erlassene Widerspruchsbescheid vom 13.11.2019, mit dem der Beklagte gegen den Kläger für die Quartale 1/2014 bis 4/2014 eine Nachforderung i.H.v. 13.105,09 € festgesetzt hat. Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG wird der Beschwerdeausschuss mit seiner Anrufung für das weitere Prüfverfahren ausschließlich und endgültig zuständig. Der von ihm erlassene Bescheid ersetzt den ursprünglichen Verwaltungsakt des Prüfungsausschusses bzw. der Prüfungsstelle (vgl. BSG, Urteil vom 29.06.2011 - B 6 KA 16/10 R -, in juris).
IV. Die Berufung des Beklagten hat jedoch keinen Erfolg. Das SG hat der Klage zu Recht stattgegeben. Die als Anfechtungsklage nach § 54 Abs. 1 Var. 1 SGG statthafte Klage (vgl. BSG, Urteil vom 14.07.2021 - B 6 KA 1/20 R -, in juris; BSG, Beschluss vom 10.05.2017 - B 6 KA 58/16 B -, in juris) ist zulässig. Die Klage ist auch begründet. Der Widerspruchsbescheid des Beklagten vom 13.11.2019 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten. Der Beklagte konnte gegenüber dem Kläger keinen Regress in Höhe von 13.105,09 € festsetzen.
Rechtsgrundlage der Einzelfallprüfung der Verordnungsweise des Klägers in den Quartalen 1/2014 bis 4/2014 ist § 106 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Satz 4 Halbsatz 1 und Abs. 3 Satz 3 SGB V in der zum Verordnungszeitpunkt ab 01.01.2008 geltenden Normfassung des GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetzes vom 26.03.2007 (BGBl. I, S. 378 <404>; im Folgenden: a.F.) in Verbindung mit § 4 Abs. 2 sowie § 7 Abs. 1 PV in der ab 01.01.2014 geltenden Fassung. Die Wirtschaftlichkeit der Versorgung wird nach § 106 Abs. 2 Satz 1 SGB V a.F. geprüft durch die arztbezogene Prüfung ärztlich verordneter Leistungen bei Überschreitung der Richtgrößenvolumina nach § 84 SGB V (Auffälligkeitsprüfung; Nr. 1) oder die arztbezogene Prüfung ärztlicher und ärztlich verordneter Leistungen auf der Grundlage von arztbezogenen und versichertenbezogenen Stichproben, die mindestens 2 vom Hundert der Ärzte je Quartal umfassen (Zufälligkeitsprüfung, Nr. 2). Nach § 106 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Satz 4 SGB V a.F. können die Landesverbände der Krankenkassen und die Ersatzkassen gemeinsam und einheitlich mit den Kassenärztlichen Vereinigungen über die in Satz 1 vorgesehenen Prüfungen hinaus Prüfungen ärztlicher und ärztlich verordneter Leistungen nach Durchschnittswerten oder andere arztbezogene Prüfungsarten vereinbaren. In den Verträgen ist auch festzulegen, unter welchen Voraussetzungen Einzelfallprüfungen durchgeführt und pauschale Honorarkürzungen vorgenommen werden; festzulegen ist ferner, dass die Prüfungsstelle auf Antrag der Kassenärztlichen Vereinigung, der Krankenkasse oder ihres Verbandes Einzelfallprüfungen durchführt (Abs. 3). Die Vertragspartner in Baden-Württemberg haben von dieser Regelung Gebrauch gemacht und neben der Auffälligkeits- oder Richtgrößenprüfung gemäß § 106 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB V a.F. und der Stichproben- oder Zufälligkeitsprüfung gemäß § 106 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SGB V a.F. auch Einzelfallprüfungen vorgesehen. Gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 PV findet die Prüfung auf Wirtschaftlichkeit einzelner Behandlungsfälle bzw. Verordnungen nur auf Antrag der Kassenärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg, eines Verbandes oder einer Krankenkasse statt. Der Antrag ist schriftlich zu begründen und bei der zuständigen Bezirksprüfungsstelle einzureichen (§ 7 Abs. 1 Satz 2 PV).
Wie das SG im Anschluss an das BSG in dessen Urteilen vom 11.09.2019 (B 6 KA 21/19 R, in juris, Rn. 30f.) und vom 13.05.2015 (B 6 KA 18/14 R, in juris, Rn. 45) zutreffend festgestellt hat, können Verordnungen, die bereits Gegenstand einer Richtgrößenprüfung waren, keiner Einzelfallprüfung mehr unterzogen werden, soweit es um die Wirtschaftlichkeit und nicht um die Zulässigkeit der Verordnung geht. Neben der Prüfung der Wirtschaftlichkeit der Verordnungsweise eines Arztes nach Maßgabe der Richtgrößenvolumina im Sinne des § 106 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB V a.F. ist eine Einzelfallprüfung unter dem Aspekt der Unwirtschaftlichkeit nach § 4 Abs. 2 und § 7 Abs. 1 PV ausgeschlossen (vgl. BSG, Urteil vom 11.09.2019 - B 6 KA 21/19 R -, in juris, Rn. 30; Urteil vom 13.05.2015 - B 6 KA 18/14 R -, in juris, Rn. 45). Die beigeladene Krankenkasse kann zwar auf der Grundlage des § 7 Abs. 1 PV die Feststellung der Ersatzpflicht des Klägers für unwirtschaftliche Verordnungen im Einzelfall verlangen, allerdings hat in diesem Fall die Richtgrößenprüfung Vorrang (vgl. BSG, Urteil vom 11.09.2019 - B 6 KA 21/19 R -, in juris, Rn. 31, dazu auch im Folgenden). Das BSG führt hierzu weiter aus, dass hierbei das gesamte Verordnungsvolumen des Arztes oder der Praxis mit dem Volumen verglichen werde, das sich aus der Multiplikation der vereinbarten Richtgröße mit der Fallzahl ergebe. Nach Berücksichtigung von Praxisbesonderheiten trete die Ersatzpflicht des Arztes nach § 106 Abs. 5a Satz 3 SGB V a.F. erst ein, wenn der Vergleich eine Überschreitung um mehr als 25 Prozent ergebe. Dieser Toleranzbereich bei den Verordnungskosten beruhe auf einer Entscheidung des Gesetzgebers, die von den Prüfgremien und den Gerichten hinzunehmen sei. Deshalb könne die Wirtschaftlichkeit der Verordnungsweise in Einzelfällen – anders als deren Zulässigkeit – neben einer Prüfung nach Richtgrößen nicht (mehr) geprüft werden (vgl. BSG, Urteil vom 17.02.2016 - B 6 KA 3/15 R, Urteil vom 13.05.2015 - B 6 KA 18/14 R - und Urteil vom 11.09.2019 - B 6 KA 21/19 R -, alle in juris). Hierauf hat das BSG auch in seinem Beschluss vom 19.07.2023 (- B 6 KA 31/22 B -, in juris Rn. 7) Bezug genommen. Zutreffend sei, so das BSG weiter, nur, dass den Urteilen des Senats nicht entnommen werden könne, dass allein die abstrakte Möglichkeit einer Richtgrößenprüfung nach § 106 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB V a.F. eine Einzelfallprüfung wegen unwirtschaftlicher Verordnungsweise stets ausschließe (BSG, Beschluss vom 19.07.2023 - B 6 KA 31/22 B -, in juris Rn. 15).
In Übertragung dieser Grundsätze auf den hier vorliegenden Fall durfte der Beklagte die auf Antrag der zu 1) beigeladenen Krankenkasse erfolgte Prüfung der Wirtschaftlichkeit der Arzneimittelverordnungen des Klägers in den Quartalen 1/2014 bis 4/2014 nicht mehr im Einzelfall durchführen, weil die Wirtschaftlichkeit der Verordnungsweise des Klägers im Jahr 2014 bereits zuvor nach Richtgrößen geprüft worden und unbeanstandet geblieben ist. Hierüber wurde der Kläger auch im Rahmen der regelmäßig von der Beigeladenen zu 1) übersandten Mitteilungen informiert. Der Senat schließt sich den zutreffenden Ausführungen des SG im Urteil vom 09.03.2023 vollumfänglich an und sieht deshalb von einer weiteren eingehenden Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 153 Abs. 2 SGG).
Aus der Berufungsbegründung des Beklagten ergeben sich keine neuen Gesichtspunkte. Die vom Beklagten erhobenen Einwendungen überzeugen den Senat nicht. Lediglich ergänzend ist Folgendes auszuführen:
Nicht gefolgt werden kann dem Beklagten, wenn er meint, für die Einzelfallprüfung nach §§ 4, 7 PV bestehe kein Raum mehr, wenn man vom Eintreten der Sperrwirkung bei vorheriger Prüfung der Wirtschaftlichkeit im Rahmen einer Richtgrößenprüfung ausgeht. Insoweit übersieht er, dass es aufgrund der Verordnungsausschlüsse der Arzneimittelrichtlinie noch zahlreiche Anwendungsbereiche für Einzelfallprüfungen – auch aus Gründen der Unwirtschaftlichkeit – gibt (z.B. § 16 Arzneimittelrichtlinie).
Soweit der Beklagte davon ausgeht, dass die vom SG und dem Senat angenommene generelle Sperrwirkung einer Richtgrößenprüfung gegenüber Einzelfallprüfungen nicht besteht und sich auch aus der in Bezug genommenen BSG-Rechtsprechung eine solche nicht herleiten lasse, ist darauf hinzuweisen, dass das SG nicht entschieden hat, dass eine generelle Sperrwirkung hinsichtlich der Einzelfallprüfung besteht (so aber LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 23.08.2022 - L 5 KA 15/21 -, in juris). Das SG hat in Anwendung der vom BSG in seinen Urteilen vom 17.02.2016 (- B 6 KA 3/15 R -), 13.05.2015 (- B 6 KA 18/14 R -) und 11.09.2019 (- B 6 KA 21/19 R -) dargelegten Maßstäbe „nur“ entschieden, dass die Wirtschaftlichkeit der Arzneimittelverordnungen des Klägers im Jahr 2014 nicht mehr im Einzelfall geprüft werden dürfe, weil die Wirtschaftlichkeit der Verordnungsweise des Klägers im Jahr 2014 bereits zuvor nach Richtgrößen geprüft worden und unbeanstandet geblieben sei. Dies ergibt sich unzweifelhaft aus den Urteilen des BSG. In der Entscheidung des BSG vom 11.09.2019 heißt es: „Neben der Prüfung der Wirtschaftlichkeit der Verordnungsweise eines Arztes nach Maßgabe der Richtgrößenvolumina i.S.d. § 106 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB V ist eine Einzelfallprüfung unter dem Aspekt der Unwirtschaftlichkeit … ausgeschlossen. … Nach Berücksichtigung von Praxisbesonderheiten tritt die Ersatzpflicht des Arztes nach § 106 Abs. 5a S. 3 SGB V erst ein, wenn der Vergleich eine Überschreitung um mehr als 25% ergibt. Dieser Toleranzbereich bei den Verordnungskosten beruht auf einer Entscheidung des Gesetzgebers, die von den Prüfgremien zu berücksichtigen ist. Deshalb kann die Wirtschaftlichkeit der Verordnungsweise in Einzelfällen … neben einer Prüfung nach Richtgrößen nicht mehr geprüft werden.“
Entgegen der Auffassung des Beklagten kann auch nicht maßgeblich sein, ob lediglich eine Vorab-Prüfung mit dem Ergebnis, dass die Verordnungsweise beanstandungsfrei war, stattgefunden hat, oder eine Wirtschaftlichkeitsprüfung nach Richtgrößen durchgeführt wurde, da sich bei der Vorab-Prüfung eine Beanstandung ergeben hat. Denn auch im Rahmen der durchgeführten Wirtschaftlichkeitsprüfung könnte sich aufgrund der Anerkennung von Praxisbesonderheiten ergeben, dass der verordnende Arzt sein Richtgrößenvolumen mit z.B. 20% (unwirtschaftlich) überschreitet, jedoch aufgrund der Regressgrenze von 25% nicht regresspflichtig wird. Würde man die Sperrwirkung auf Fälle der tatsächlichen Durchführung einer Richtgrößenprüfung beschränken, würden diejenigen Ärzte, die in der Vorab-Prüfung auffällig werden und die einer Richtgrößenprüfung unterzogen werden, bessergestellt, als Ärzte, bei denen von vorneherein das Aufgreifkriterium der Richtgrößenüberschreitung von mehr als 15% nicht erfüllt ist. Denn erstere müssten sich keiner Einzelfallprüfung unterziehen, letztere schon.
Für den Eintritt der Sperrwirkung ist alleine entscheidungserheblich, ob sich die Einzelfallprüfung nach §§ 4, 7 PV auf Arzneimittel bezieht, die bereits Gegenstand einer Richtgrößenprüfung waren. Dies war mit der Vorab-Prüfung hier der Fall. Um die Sperrwirkung auszulösen ist damit lediglich ausschlaggebend, dass alle Vertragsärzte in Baden-Württemberg einer regelmäßigen Wirtschaftlichkeitsprüfung nach Richtlinien unterzogen werden, was unstreitig der Fall ist. Ergibt sich bei dieser standardmäßigen Vorab-Prüfung eine Überschreitung von weniger als 15%, erfolgt keine weitergehende Prüfung. Im Falle einer Überschreitung im Umfang von mehr als 15% bis 25% folgt aus der Überschreitung lediglich eine Beratung gem. § 106 Abs. 1a SGB V a.F. In beiden Fällen ist ein Regress im Rahmen einer Einzelfallprüfung aus Gründen der Unwirtschaftlichkeit unzulässig. Wäre dies nicht der Fall, würde dem Vertragsarzt der vom Gesetzgeber vorgegebene Toleranzbereich aberkannt werden (vgl. BSG, Urteil vom 17.02.2016 - B 6 KA 3/15 R, Urteil vom 13.05.2016 - B 6 KA 18/14 R - und Urteil vom 11.09.2019 - B 6 KA 21/19 R -, alle in juris).
Im Übrigen weist der Senat darauf hin, dass die gegen das Urteil des BSG vom 11.09.2019 eingelegte Verfassungsbeschwerde vom Bundesverfassungsgericht (BVerfG) nicht zur Entscheidung angenommen wurde (BVerfG, 1. Senat 2. Kammer, Beschluss vom 08.02.2023 - 1 BvR 63/20 -, nicht veröffentlicht).
V. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. §§ 154 Abs. 2 und 3, 162 Abs. 3 VwGO. Eine Erstattung der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen ist nicht veranlasst, weil diese im Verfahren keine Anträge gestellt haben (§ 162 Abs. 3 VwGO).
VI. Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht (§ 160 Abs. 2 SGG). Abgesehen davon, dass das BSG die streitentscheidende Rechtsfrage zum Vorrang der – durchgeführten – Richtgrößenprüfung gegenüber der Einzelfallprüfung wegen der Unwirtschaftlichkeit der Verordnung von Arzneimitteln bereits entschieden hat, stellt sich seit der Gesetzesänderung zum 01.01.2017 die Rechtsfrage nicht mehr (vgl. BSG, Beschluss vom 19.07.2023 - B 6 KA 31/22 B -, in juris).
VII. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 52 Abs. 3 Satz 1 Gerichtskostengesetz (GKG).