Der zum ehrenamtlichen Richter beim Bundessozialgericht berufene K wird auf seinen Antrag hin aus seinem Amt entlassen.
G r ü n d e :
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Die Amtszeit des ehrenamtlichen Richters K ist zum 1.5.2024 bis zum 30.4.2029 verlängert worden. Er ist nach dem Geschäftsverteilungsplan des BSG dessen 6. Senat als ehrenamtlicher Richter aus dem Kreis der Krankenkassen zugewiesen. Aus seinem Amt als Vorstand des G ist er zum 1.7.2024 ausgeschieden und in den Ruhestand eingetreten. Er hat beantragt, ihn aus seinem Amt als ehrenamtlicher Richter am BSG zu entlassen. Seit dem Eintritt in den Ruhestand halte er sich rund die Hälfte des Jahres in seinem Haus im Ausland auf. Er verfolge die Absicht, seinen Lebensmittelpunkt im Herbst 2025 dorthin zu verlegen. Aufgrund der Entfernung von 1300 km zum BSG sei die weitere Ausübung des Amtes unzumutbar erschwert.
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1. Das Ausscheiden aus dem Amt als Vorstand des G stellt keinen Grund für eine Amtsentbindung dar. Zwar ist damit eine der Berufungsvoraussetzungen die Zugehörigkeit zum Kreis der Krankenkassen entfallen. Dies führt nach § 22 Abs 1 Satz 3 SGG aber nur dann zur Amtsentbindung, wenn eine paritätische Besetzung nach § 12 Abs 2 bis 4 SGG nicht gewährleistet werden kann (vgl BSG vom 6.5.2022 B 1 SF 1/22 S juris RdNr 5). Dies ist nicht der Fall.
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2. Allein der Eintritt in den Ruhestand ist ebenfalls nicht geeignet, eine Amtsentbindung zu begründen. Nach § 47 Satz 2 iVm § 18 Abs 3 Satz 1 SGG ist eine Entlassung auf Antrag nur aus den in § 18 Abs 1 Nr 3 bis 5 SGG genannten Gründen vorgesehen. Auf das Erreichen der Regelaltersgrenze als Grund für die Ablehnung der Übernahme des Amtes als ehrenamtlicher Richter nach § 18 Abs 1 Nr 1 SGG wird schon deswegen nicht verwiesen, weil es um die Beendigung eines bestehenden Amtes geht und der absehbare Eintritt der Regelaltersgrenze im Laufe der Amtszeit die Berufung in das Amt nicht ausschließt. Ein Ablehnungsgrund besteht nach § 18 Abs 1 Nr 1 SGG ausdrücklich nur bei Erreichen der Regelaltersgrenze bei der Berufung in das Amt. Ob es dabei auf den Zeitpunkt der Berufungsentscheidung oder des Beginns der Amtszeit ankommt, bedarf hier keiner Vertiefung.
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3. Nach § 47 Satz 2 iVm § 18 Abs 3 Satz 1 und Abs 1 Nr 5 SGG kann ein ehrenamtlicher Richter auf Antrag aus seinem Amt entlassen werden, wenn er glaubhaft macht, dass wichtige Gründe ihm die Ausübung des Amtes in besonderem Maße erschweren. Dabei muss es sich um Erschwernisse von ähnlichem Gewicht wie die in § 18 Abs 1 Nr 1 bis 4 SGG genannten Gründe handeln (Keller in MeyerLadewig/Keller/Schmidt, SGG, 14. Aufl 2023, § 18 RdNr 3d; Adams in jurisPKSGG, UpdateStand 7.8.2024, § 18 RdNr 26). Diese Gründe müssen nachträglich eingetreten sein. Sie müssen dauerhaft vorliegen und dürfen nicht nur einer Teilnahme an einzelnen Sitzungen entgegenstehen (Keller, aaO; Adams, aaO, RdNr 28). Mit der Verlegung des Wohnsitzes aus dem Gerichtsbezirk nennt § 18 Abs 3 Satz 2 SGG einen wichtigen Grund für die Entlassung aus dem Amt des ehrenamtlichen Richters.
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a) Diese unmittelbar nur für das SG geltende Regelung, die in erster Linie dem Schutz der Funktionsfähigkeit des SG selbst dient (vgl Adams in jurisPKSGG, § 18 RdNr 41), weshalb die Entlassung antragsunabhängig erfolgen kann, bedeutet in ihrer entsprechenden Anwendung auf das BSG, dass ein ehrenamtlicher Richter zwar aufgrund von durch die Wegstrecke zwischen Wohnsitz und BSG nachträglich eingetretenen zusätzlichen Belastungen einen beachtlichen Grund für seinen Antrag auf Entlassung aus dem Richteramt haben kann. Die dabei zu stellenden Anforderungen an die Belastungsgrenze sind jedoch regelhaft deutlich höher als bei der Entlassung auf SGEbene. Im Falle des BSG kann es auf die Verlegung des Wohnsitzes aus dem Gerichtsbezirk nicht ankommen, da die Berufung in das Amt eines ehrenamtlichen Richters beim BSG von vornherein bundesweit erfolgt. Der "Gerichtsbezirk" ist das Bundesgebiet. Auf eine Verlegung des Wohnsitzes in das Ausland kann es ebenfalls nicht ankommen. Wer an der Bundesgrenze bislang seinen Wohnsitzes hatte und diesen wenige Kilometer von der Bundesgrenze im Ausland neu begründet, ist keiner nennenswerten zusätzlichen Erschwernis ausgesetzt. Im Inland können sich im Einzelfall bei einer Wohnsitzverlegung dagegen sogar viel größere Entfernungen zum BSG ergeben. Vielmehr muss es sich um nachträglich eingetretene Umstände handeln, die entweder die bisherige Wegstrecke deutlich verlängern oder bei unveränderter Wegstrecke aus anderen Gründen eine besondere Erschwernis der Amtsausübung bedeuten.
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b) Die Beurteilung weiterer Gründe als besonderer Härtefall ist wegen der verfassungsrechtlichen Gewährleistung des gesetzlichen Richters (Art 101 Abs 1 Satz 2 GG) an einem strengen Maßstab zu messen (vgl OVG Lüneburg vom 6.11.2003 2 PS 354/03 NVwZRR 2004, 84, juris RdNr 1). Der verfassungsrechtlichen Gewährleistung des gesetzlichen Richters (Art 101 Abs 1 Satz 2 GG) steht die grundrechtlich geschützte allgemeine Handlungsfreit (Art 2 Abs 1 GG) gegenüber. Beschränkungen der allgemeinen Handlungsfreiheit müssen verhältnismäßig sein (vgl nur BVerfG vom 6.6.1989 1 BvR 921/85 BVerfGE 80, 137, 153 = juris RdNr 64).
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c) Die vorgetragenen länger dauernden Auslandsaufentenhalte an einem etwa 1300 km vom Gerichtssitz entfernten Ort stellen einen wichtigen Grund dar, der dem ehrenamtlichen Richter K die weitere Ausübung des Amtes in besonderem Maße erschwert.
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Die Anreise zu einem Sitzungstag von einem 1300 km entfernten Aufenthaltsort bedeutet wegen der damit verbundenen Reisezeit unabhängig vom gewählten Verkehrsmittel eine regelmäßige Abwesenheit an drei Tagen. Dieser Zeitaufwand stünde außer Verhältnis zur tatsächlichen Heranziehung zur Sitzung für regelhaft wenige Stunden. Der zeitliche Aufwand würde auch durch die nach dem JVEG zustehende Entschädigung nicht kompensiert.
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Allerdings hat der ehrenamtliche Richter K bislang seinen Wohnsitz nicht an den vom BSG 1300 km entfernten Ort im Ausland verlegt. Weder der Wunsch, sich aus nichtberuflichen Gründen für mehrere Monate im Jahr im Ausland aufzuhalten (vgl zum Fall von nicht beruflich veranlassten, längeren Reisen OVG Lüneburg vom 6.11.2003 2 PS 354/03 NVwZRR 2004, 84, juris RdNr 2) noch der Eintritt in den Ruhestand (siehe oben RdNr 3) sind für sich genommen wichtige Gründe im Sinne des § 18 Abs 1 Nr 5 SGG. Der ehrenamtliche Richter hat aber glaubhaft dargelegt, dass er bereits jetzt seinen gewöhnlichen Aufenthaltsort für längere zusammenhängende Zeiträume in seinem eigenen Haus im Ausland hat und beabsichtigt, diese auszubauen und den "Lebensmittelpunkt ab Herbst dieses Jahres weit überwiegend <dorthin> zu verlegen". Ob er auch seinen Wohnsitz dorthin verlegen möchte, kann offenbleiben, weil der geplante überwiegende Aufenthalt im eigenen Haus im Ausland zumindest in seinen realen Auswirkungen einer Wohnsitzverlagerung nahekommt (vgl § 30 Abs 3 SGB I).
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Der Eintritt in den Ruhestand verleiht dem vorgebrachten Grund längerer zusammenhängender Auslandsaufenthalte im eigenen Haus zudem ein besonderes Gewicht. Der mit dem Eintritt in den Ruhestand verbundene Zugewinn an persönlicher Freiheit, ua den Aufenthaltsort nicht mehr beruflichen Erfordernissen unterwerfen zu müssen, würde durch eine noch weitere vier Jahre andauernde Wahrnehmung des Amtes als ehrenamtlicher Richter auch bei nur sporadischer Heranziehung zu Sitzungen spürbar eingeschränkt. Dies gilt jedenfalls dann, wenn damit regelhaft eine mehrtägige Ortsabwesenheit verbunden ist. Anders mag es sich verhalten, wenn der ehrenamtliche Richter ohnehin in hoher Frequenz zwischen zwei Wohn und Aufenthaltsorten hin und herpendelt. Dann wäre es wohl widersprüchlich, sich auf die mit der Wahrnehmung des Amtes als ehrenamtlicher Richter verbundene Erschwernis zu berufen.
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4. Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 47 Satz 2 iVm § 18 Abs 4 SGG).