B 8 SO 9/23 R

Land
Bundesrepublik Deutschland
Sozialgericht
Bundessozialgericht
Sachgebiet
Sozialhilfe
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 2 SO 1228/20
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 2 SO 3980/21
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 8 SO 9/23 R
Datum
Kategorie
Urteil

 

Die Revision gegen das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 15. August 2023 wird zurückgewiesen.

Die Beteiligten haben einander keine Kosten des Rechtsstreits zu erstatten.


G r ü n d e :

I

1
Im Streit steht, ob der Beklagte als Eingliederungshilfeträger verpflichtet ist, an die Klägerin als Rechtsnachfolgerin des im Laufe des Revisionsverfahrens verstorbenen W die Kosten des von der Beigeladenen im Rahmen der Tagesstruktur für Senioren erbrachten Mittagessens für den Zeitraum vom 1.4.2020 bis 30.9..2021 in Höhe von monatlich 64,60 Euro zu zahlen.

2
Die Klägerin ist die Schwester und Rechtsnachfolgerin des 1950 geborenen und 2024 verstorbenen W. Dieser lebte seit 1.10.2001 in einer stationären Einrichtung der Eingliederungshilfe der Beigeladenen. Bei ihm bestand eine psychische Erkrankung und eine geistige Behinderung bei einem Grad der Behinderung (GdB) von 100 sowie Anerkennung der Merkzeichen G, H und B. Er bezog eine Altersrente sowie eine Betriebsrente. Für ihn war ein Betreuer bestellt, der im April 2020 einen Vertrag mit der Beigeladenen unter Vorbehalt unterzeichnet hatte, nach dem bei einer Fünftagesarbeitswoche eine monatliche Pauschale in Höhe von 64,40 Euro für die Mittagsverpflegung zu zahlen sei. In einem weiteren, ebenfalls unter Vorbehalt unterzeichneten Vertrag über Leistungen in einer besonderen Wohnform der Eingliederungshilfe war geregelt, dass Lebensmittel und Hauswirtschaftsmittel als Sachkosten von der Einrichtung zur Verfügung gestellt werden sowie Lebensmittel und Getränke in einem Umfang, die die Versorgung mit Frühstück, Mittagsessen, Abendessen und einer Zwischenmahlzeit ermöglichen. Ab dem 1.1.2020 berechnete die Beigeladene gegenüber W die Kosten mit ua pauschal 64,40 Euro für das Mittagessen ab.

3
Der Träger der Grundsicherung bewilligte W zuletzt unter Berücksichtigung eines Mehrbedarfs der Mittagsverpflegung in Höhe von 64,60 Euro und eines Mehrbedarfs nach § 42 iVm § 30 Abs 1 Nr 1 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch  Sozialhilfe  (SGB XII) in Höhe von 66,13 Euro einen einmaligen Zuschuss zur Vermeidung einer Zahlungslücke für den Monat Januar 2020 in Höhe von 985,91 Euro. Für die Zeit ab Februar 2020 lehnte er einen Anspruch auf Grundsicherung ab (Bescheid vom 18.2.2020). Dieser Bescheid wurde bestandskräftig.

4
Der Beklagte bewilligte als Eingliederungshilfeträger unter Aufhebung bisher erteilter Kostenzusagen zum 31.12.2019 als Leistungen der Eingliederungshilfe die Kosten der Fachleistungen in der besonderen Wohnform sowie die Kosten der Tagesstruktur für Senioren in der Einrichtung der Beigeladenen ab 1.1.2020 bis 30.9.2021 in Höhe der vereinbarten und jeweils gültigen Vergütungssätze abzüglich eines ggf zu zahlenden Eigenanteils (Bescheid vom 17.2.2020). Der Betreuer hatte bereits am 31.1.2020 vorsorglich beantragt, die Kosten des Mittagessens in Höhe von monatlich 64,60 Euro im Wege der Eingliederungshilfe zu übernehmen. Dies lehnte der Beklagte ab (Bescheid vom 19.2.2020; Widerspruchsbescheid vom 4.5.2020).

5
Klage und Berufung haben keinen Erfolg gehabt (Urteil des Sozialgerichts <SG> Heilbronn vom 14.12.2021; Urteil des Landessozialgerichts (LSG) Baden-Württemberg vom 15.8.2023). Zur Begründung seiner Entscheidung hat das LSG ausgeführt, Streitgegenstand sei alleine der Bescheid vom 19.2.2020 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 4.5.2020, mit welchem der Beklagte die Übernahme der Kosten des Mittagessens für die Zeit ab 1.1.2020 im Rahmen der Eingliederungshilfe abgelehnt habe, wobei die Beteiligten den streitigen Zeitraum ausdrücklich auf die Zeit April 2020 bis September 2021 begrenzt hätten. Eine Kostenerstattung auf Grundlage von § 18 Abs 6 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch  Rehabilitation und Teilhabe von Menschen mit Behinderungen  (SGB IX) scheide aus. Es könne dahinstehen, ob überhaupt ein wirksamer Zahlungsanspruch des Beigeladenen gegenüber W entstanden sei, weil ein Anspruch des W gegen den Beklagten im Rahmen der Eingliederungshilfe nicht bestehe. Bei ihm hätten zwar die Voraussetzungen für die Gewährung von Eingliederungshilfe vorgelegen. Das Mittagessen sei nach Inkrafttreten der Reformstufe 3 des Bundesteilhabegesetzes (BTHG) zum 1.1.2020 und der daraus resultierenden Trennung der Fachleistungen und der existenzsichernden Leistungen nach dem Willen des Gesetzgebers aber kein Bestandteil der Eingliederungshilfeleistungen nach Teil 2 des SGB IX. Mit Einführung des Mehrbedarfs nach § 42b Abs 2 Satz 3 SGB XII habe der Gesetzgeber im Vergleich zur alten Gesetzeslage einen pauschalierten Mehrbedarf geregelt, welcher neben der Abgeltung des Wareneinsatzes bei auswärtiger Verpflegung auch der Deckung von Aufwendungen, die durch die Zubereitung und Bereitstellung von gemeinschaftlichem Mittagessen außerhalb des persönlichen Wohnumfeldes entstehen, diene. Ein Verstoß gegen Art 3 Grundgesetz (GG) sei nicht gegeben, weil die Anknüpfung an die tatsächliche wirtschaftliche Leistungsfähigkeit bei bedürftigkeitsabhängigen Leistungen ein sachgerechtes Differenzierungskriterium sei. Bei der Kostenentscheidung sei zu berücksichtigen, dass W als Kostenprivilegierter nach § 183 Sozialgerichtsgesetz (SGG) nicht die außergerichtlichen Kosten des Beklagten tragen müsse, wohl aber die der Beigeladenen, die im Berufungsverfahren einen eigenen Antrag auf Zurückweisung der Berufung des Klägers gestellt und begründet habe. Denn nach § 193 Abs 4 SGG seien nur die Aufwendungen der in § 184 Abs 1 SGG genannten Gebührenpflichtigen nicht erstattungsfähig.

6
Hiergegen richtet sich die Revision vom 14.9.2023. Nach wie vor sei das gemeinsame Mittagessen der Sozialen Teilhabe iS des § 113 Abs 2 SGB IX zuzuordnen, wie sich aus der bisherigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) ergebe. Des Weiteren sei man im Rahmen der Umstellung durch das BTHG von einer Budgetneutralität ausgegangen. Der Leistungserbringer solle die gleichen Leistungen wie vor dem 1.1.2020 erbringen und das gleiche Leistungsentgelt erhalten.

7
Nach dem Tod des W hat seine Schwester erklärt, das Verfahren aufnehmen zu wollen.

8
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 15. August 2023 und das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 14. Dezember 2021 sowie den Bescheid des Beklagten vom 19. Februar 2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 4. Mai 2020 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, ihr als Rechtsnachfolgerin des W 387,60 Euro zu zahlen.

9
Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

10
Die Beigeladene beantragt,
die Revision zurückzuweisen.


II

11
Die zulässige Revision ist unbegründet (§ 170 Abs 1 Satz 1 SGG).

12
Mit dem Tod von W im Laufe des Revisionsverfahren hat auf Klägerseite ein Beteiligtenwechsel kraft Gesetzes stattgefunden. Eine Unterbrechung des Verfahrens (vgl § 202 SGG iVm § 239 Zivilprozessordnung <ZPO>) ist hierdurch nicht eingetreten, weil W durch seine Prozessbevollmächtigte vertreten war (§ 246 ZPO). Diese führte den Rechtsstreit zunächst für die noch unbekannten Rechtsnachfolger und zuletzt für die Schwester des W fort (BSG vom 12.5.2017  B 8 SO 14/16 R  BSGE 123, 171 = SozR 43500 § 66 Nr 1, RdNr 12; vgl BGH vom 8.2.1993  II ZR 62/92  BGHZ 121, 263 - juris RdNr 11 unter Hinweis auf BGH vom 5.2.1958  IV ZR 204/57  LM Nr 10 zu § 325 ZPO).

13
Gegenstand des Verfahrens ist der Bescheid vom 19.2.2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 4.5.2020 (§ 95 SGG), mit dem es der Beklagte abgelehnt hat, die Forderung des W zu bezahlen. Die dagegen von W erhobene kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 1 Satz 1, Abs 4, § 56 SGG), mit der er im Rahmen der Eingliederungshilfe für die Zeit ab 1.4.2020 bis 30.9.2021 zusätzlich Kosten in Höhe von monatlich 64,60 Euro begehrt (BSG vom 21.9.2017  B 8 SO 4/16 R  SozR 43500 § 17 Nr 1 RdNr 10), ist statthaft. Eine Verurteilung zur Kostenerstattung wegen denkbarer Grundsicherungsansprüche in dieser Höhe scheidet aus, weil der Beklagte als Träger der Grundsicherung solche Ansprüche bereits bestandskräftig abgelehnt hat. Da die notwendige Beiladung eines anderen Trägers auf Grundlage von § 75 Abs 2 Alt 1 SGG damit nicht in Betracht kommt (vgl BSG vom 4.5.1999  B 2 U 19/98 R  SozR 32200 § 1150 Nr 2 RdNr 28), kann dahin stehen, wie zu verfahren ist, wenn - wie in Baden-Württemberg - Träger der Grundsicherung und Träger der Eingliederungshilfe identisch sind (vgl dazu BSG vom 16.12.2015  B 14 AS 15/14 R  SozR 4-4200 § 7 Nr 48 RdNr 43 f mwN). Die Klage ist jedoch unzulässig geworden, weil der Klägerin als Rechtsnachfolgerin die erforderliche Klagebefugnis fehlt. Für die als Zulässigkeitsvoraussetzung erforderliche Klagebefugnis würde es zwar genügen, wenn die Verletzung subjektiver Rechte eines Erben als möglich erscheint, diese fehlt aber dann, wenn ihm das geltend gemachte Recht unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zustehen kann (stRspr; zuletzt BSG vom 17.5.2023  B 8 SO 12/22 R  BSGE 136, 92 = SozR 43500 § 75 Nr 16, RdNr 12; vgl BSG vom 30.7.2019  B 1 KR 34/18 R  BSGE 129, 10 = SozR 42500 § 53 Nr 3, RdNr 12 mwN; BSG vom 21.3.2018  B 6 KA 46/16 R  SozR 42500 § 311 Nr 2 RdNr 11; BSG vom 28.10.2009  B 6 KA 42/08 R - BSGE 105, 10 = SozR 45520 § 24 Nr 3, RdNr 42; Bundesverwaltungsgericht <BVerwG> vom 27.9.2018  7 C 23.16 NVwZ 2019, 163 RdNr 10; BeckOGK/Bieresborn, 1.11.2024, SGG § 54 RdNr 118). So liegt der Fall hier.

14
Nach der Rechtsprechung des Senats wie bereits des BVerwG (BVerwG vom 5.5.1994  5 C 43.91  BVerwGE 96, 18 = juris RdNr 12) sind Sozialhilfeansprüche nach Maßgabe der §§ 58, 59 Erstes Buch Sozialgesetzbuch  Allgemeiner Teil  (SGB I) nur vererblich, wenn der Hilfebedürftige zu Lebzeiten seinen Bedarf mithilfe eines im Vertrauen auf die spätere Bewilligung von Sozialhilfe vorleistenden Dritten gedeckt hat, weil der Träger der Sozialhilfe nicht rechtzeitig geholfen oder Hilfe abgelehnt hat. In solchen Fällen fließen dem Erben, dem die Begleichung der Nachlassschulden obliegt, die Sozialhilfeleistungen zu, um ihn in den Stand zu setzen, die aus der Hilfe des Dritten entstandenen Schulden des Sozialhilfeempfängers zu tilgen (BSG vom 23.7.2014  B 8 SO 14/13 R  BSGE 116, 210 = SozR 43500 § 28 Nr 9, RdNr 12; so auch für die Grundsicherung für Arbeitssuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch  Bürgergeld, Grundsicherung für Arbeitsuchende  <SGB II>: BSG vom 27.9.2022  B 7/14 AS 59/21 R  BSGE 135, 1 = SozR 44200 § 42 Nr 1, RdNr 20). Dem steht der Fall gleich, dass im Zeitpunkt des Todes wegen einer bereits vor dem Tod gedeckten Bedarfslage noch Schulden gegenüber dem Erbringer der Leistung bestehen, die aus dem Nachlass zu begleichen sind (BSG vom 12.5.2017  B 8 SO 14/16 R  BSGE 123, 171 = SozR 43500 § 66 Nr 1, RdNr 14; für den Fall, dass die Einrichtung Erbe ist und noch offene Forderungen hat BSG vom 5.7.2018  B 8 SO 30/16 R  BSGE 126, 166 = SozR 43500 § 9 Nr 1, RdNr 12). Wurde hingegen die vorhanden gewesene Notlage in der Person des Verstorbenen bereits aus dessen Einkommen oder Vermögen gedeckt, besteht auch nach seinem Tod keine Bedarfslage mehr, die sich im Nachhinein durch Sozialhilfeleistungen beheben ließe. Dies ist auch vorliegend der Fall: Nach dem Vortrag der Revision sind keine Leistungen eines Dritten  zB des Betreuers  darlehensweise vorgestreckt worden, sondern das Mittagessen wurde aus dem Vermögen von W unter Vorbehalt gezahlt. Damit war es diesem aber möglich  wenn auch unter dem rechtlichen Vorbehalt der Rückforderung  seinen Bedarf aus eigenen Mitteln zu decken. Die Anerkennung eines Rückzahlungsanspruches des oder der Erben wegen des erklärten Vorbehaltes würde die generelle Vererblichkeit höchstpersönlicher Sozialhilfeansprüche bewirken, die gerade nicht besteht. Eine Sozialhilfeleistung, die der Deckung einer nicht anderweit zu behebenden akuten Notlage des Hilfesuchenden dient und gerade keine Schadensausgleichsfunktion hat, verliert ihren Charakter nicht dadurch, dass sie zum Gegenstand eines Gerichtsverfahrens gemacht wird (vgl bereits BVerwG vom 10.5.1979  V C 79.77  BVerwGE 58, 68 - juris RdNr 15).

15
Dies gilt selbst dann, wenn - wie es die Revisionsbegründung andeutet - der Beigeladene offenstehende Forderungen  aus dem Barbetrag des W gedeckt haben sollte. Unabhängig davon, ob in dem hier nicht im Streit stehenden Rechtsverhältnis zwischen Beigeladenem und W ersterer dazu berechtigt war und insofern in diesem Rechtsverhältnis noch vererbbare Rückforderungsansprüche bestehen könnten, wurde nach dem Revisionsvortrag der Barbetrag lediglich buchhalterisch und damit gänzlich in der Verfügungsmacht des Beigeladenen stehend verwaltet, womit eine Verwendung zur Bedarfsdeckung lediglich einer internen Verschiebung des bereits beim Beigeladenen vorhandenen Vermögens gleichkam. Hingegen wurde nicht über ein bei einer Bank als Drittem im Rahmen eines Girovertrages (§ 675 Abs 1, § 675f Bürgerliches Gesetzbuch <BGB>), eines Sparvertrags oder einer unregelmäßigen Verwahrung (§ 700 BGB, §§ 488 ff BGB; s Bundesgerichtshof <BGH> vom 14.5.2019 - XI ZR 345/18 - BGHZ 222, 74 RdNr 23) geführtes Konto verfügt und damit nicht in eine  bei einem Guthaben als abstraktes Schuldanerkenntnis (§ 781 BGB) existierende  Forderung gegenüber der Bank eingegriffen, die dem Nachlass hätte zufallen können (s zB BGH vom 16.4.1991  XI ZR 68/90  juris RdNr 8; BGH vom 21.12.1981  II ZR 270/79  WM 1982, 291 juris RdNr 8).

16
Diese für die Sozialhilfe entwickelten Grundsätze gelten auch über den 31.12.2019 hinaus für die Eingliederungshilfe. Die Eingliederungshilfe wurde zwar mit dem Gesetz zur Stärkung der Teilhabe und Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderungen (BTHG vom 23.12.2016, BGBl I 3234) zum 1.1.2020 aus dem SGB XII in der bis zum 31.12.2019 geltenden Fassung herausgelöst und ist seitdem in Teil 2 des SGB IX im Rahmen eines vom Gesetzgeber neu geschaffenen Leistungssystems mit verändertem begünstigten Personenkreis und Leistungsumfang geregelt (dazu zuletzt BSG vom 18.12.2024  B 8 SO 14/22 R <zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen>; s BTDrucks 18/9522, S 198). Seitdem ist die "neue" Eingliederungshilfe keine materielle Sozialhilfe im Sinne einer existenzsichernden Leistung mehr, jedoch nach wie vor steuerfinanziert und gegenüber anderen Sozialleistungen weitgehend nachrangig (§ 91 SGB IX). Obwohl sie im Vergleich zur Sozialhilfe günstigere Anrechnungsvorschriften mit anderen Freigrenzen in unterschiedlicher Höhe nach Einkommensart und Familienstatus aufweist (§ 135 SGB IX, § 139 SGB IX; s BTDrucks 18/9522 S 5; Eicher, jurisPRSozR 18/2022 Anm 5), dient sie alleine dazu, aktuelle Teilhabebedürfnisse von behinderten Menschen zu decken, um eine individuelle Lebensführung zu ermöglichen, die der Würde des Menschen entspricht (§ 90 SGB IX). Dem damit verfolgten Zweck der Eingliederungshilfe, einer möglichst weitgehenden Selbstbestimmung und individuellen Lebensplanung der Menschen mit Behinderung Rechnung tragen (BTDrucks 18/9522, S 269), kann die begehrte Leistung nach dem Tod des Hilfesuchenden nicht mehr dienen (so auch LSG Nordrhein-Westfalen vom 18.11.2024  L 20 SO 409/22  juris RdNr 25; Becker, jurisPRSozR 4/2025 Anm 5). Die Höchstpersönlichkeit der Ansprüche aus dem Recht der Eingliederungshilfe wird normativ nicht zuletzt dadurch bestätigt, dass Leistungsansprüche ebenso wie im Recht der Sozialhilfe (§ 17 SGB XII) nicht übertragen, verpfändet oder gepfändet werden können (§ 107 SGB IX; vgl Gutzler in Hauck/Noftz SGB IX, 4. Ergänzungslieferung 2024, § 107 SGB IX 2018, RdNr 16; Wehrhahn in Schlegel/Voelzke, jurisPKSGB IX, 4. Aufl, § 107 SGB IX RdNr 9, Stand 9.9.2019).

17
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Soweit das LSG dem verstorbenen Kläger die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen auferlegt hat, hat der Senat die Entscheidung geändert. Die Kostengrundentscheidung, ob und ggf in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben, ergeht nach pflichtgemäßem bzw billigem Ermessen des Gerichts (BeckOGK/Evers, 1.11.2024, SGG § 193 RdNr 28). Grundsätzlich ist bei der Billigkeitsentscheidung vorrangig auf den Ausgang des Verfahrens bzw den mutmaßlichen Ausgang abzustellen. Danach ist es in der Regel billig, dass derjenige die Kosten trägt, der unterliegt (vgl BSG vom 13.12.2016  B 4 AS 14/15 R  RdNr 7; BSG vom 1.4.2010  B 13 R 233/09 B  RdNr 8; BSG vom 16.5.2007  B 7b AS 40/06 R  SozR 44200 § 22 Nr 4 RdNr 5; s den Rechtsgedanken aus § 91 Abs 1 Satz 1 ZPO, § 91a Abs 1 Satz 1 ZPO, § 92 Abs 1 Satz 1 ZPO, § 154 Abs 1, 2 und 4 Verwaltungsgerichtsordnung <VwGO>, § 155 Abs 1, 2 VwGO). Vorliegend ist bei dieser Billigkeitsentscheidung zu berücksichtigen, dass das Erstattungsbegehren des verstorbenen W hinsichtlich der Kosten für das Mittagessen gegenüber dem Beklagten als Eingliederungshilfeträger zu keinem Zeitpunkt eine nennenswerte Erfolgsaussicht hatte. Aus § 93 SGB IX (in der Fassung des Gesetzes zur Stärkung der Teilhabe und Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderungen  BTHG vom 23.12.2016, BGBl I 3234) ergibt sich der zentrale Grundsatz der Trennung der Fachleistungen der Eingliederungshilfe und der Leistungen für den Lebensunterhalt (vgl nur Frerichs in Hauck/Noftz SGB IX, 2. Ergänzungslieferung 2024, § 93 SGB IX 2018, RdNr 16; Eicher in jurisPKSGB XII, 4. Aufl, Anhang zu § 19 SGB XII RdNr 47, Stand 21.10.2024). Der zum 1.1.2020 neu eingeführte § 42b SGB XII mit seiner neuen Mehrbedarfsregelung für Personen mit Behinderungen spricht ebenfalls dafür, dass die reinen Verpflegungskosten dem SGB XII unterfallen. Weder liegt eine der in § 134 SGB IX (in der Fassung des Gesetzes zur Entlastung unterhaltsverpflichteter Angehöriger in der Sozialhilfe und in der Eingliederungshilfe <Angehörigen-Entlastungsgesetz> vom 10.12.2019 <BGBl I 2135>) normierten Ausnahmen vor noch lässt sich aus § 113 Abs 4 SGB IX, der keine individuelle Sozialleistung iS des § 11 SGB I, sondern eine zwingende institutionelle Projektförderung zur Subventionierung der Leistungserbringer normiert (Eicher, NDV 2022, 290), ableiten, dass das Mittagessen selbst Leistung der Eingliederungshilfe ist.

18
Dies rechtfertigt grundsätzlich, der Klägerin einen Anspruch auf Erstattung ihrer außergerichtlichen Kosten nicht zuzubilligen und ihr zudem die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen als obsiegender Verfahrensbeteiligten aufzuerlegen (BSG vom 27.6.2012  B 12 KR 28/10 R  SozR 42400 § 8 Nr 5 RdNr 29). Diese Kostenfolge ist indes nicht zwingend und starr zu handhaben und schließt nicht aus, dass im Einzelfall auch der im Ergebnis erfolgreich gebliebene Prozessbeteiligte die ihm entstandenen Kosten selbst zu tragen hat (BSG vom 3.3.1993  11 RAr 57/92  SozR 34100 § 117 Nr 10 - juris RdNr 33; s bereits BSG vom 20.6.1962  1 RA 66/59  BSGE 17, 124 = SozR Nr 1 zu Art 2 § 1 AnVNG - juris RdNr 26). Hier ist unter keinem Gesichtspunkt erkennbar, dass mit der Klageerhebung ein Kostenrisiko für den Beigeladenen entstanden sein könnte, das die Klägerin wegen der Erfolglosigkeit des Rechtsmittels tragen müsste. Es handelte sich lediglich um eine einfache Beiladung, eine notwendige rechtliche Betroffenheit bestand in einem Rechtsstreit gerichtet auf nachträgliche Kostenerstattung durch den Beklagten von vornherein nicht. Es ist auch nicht erkennbar, welchen wirtschaftlichen Vorteil die anwaltlich vertretene Beigeladene, die nach eigenem Bekunden keinerlei offene Forderungen wegen des W geleisteten Mittagessens hat, von ihren vor dem LSG wie in der Revisionsinstanz gestellten Anträge, die Rechtsmittel zurückzuweisen, haben könnte. Deshalb wäre es unbillig, der Klägerin als Rechtsnachfolgerin des W die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen aufzuerlegen. Der Beklagte kann ohnehin keine Erstattung seiner Aufwendungen verlangen (§ 193 Abs 4 SGG iVm § 184 Abs 1 SGG).

 

Rechtskraft
Aus
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