L 8 AL 3077/24

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
8.
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 13 AL 732/21
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 AL 3077/24
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil

Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 18.09.2024 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.


Tatbestand


Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung von Insolvenzgeld und die Zahlung eines Vorschusses hierauf streitig.

Am 15.05.2020 meldete sich der Kläger ab dem Folgetag arbeitslos und beantragte die Gewährung von Arbeitslosengeld. Mit Bescheid vom 12.10.2020 in der Fassung des Bescheides vom 07.12.2020 bewilligte die Beklagte dem Kläger Arbeitslosengeld für 300 Kalendertage ab dem 16.05.2020 in Höhe von 24,24 € täglich.

Am 08.09.2020 stellte der Kläger einen Antrag auf Insolvenzgeld. Er habe vom 01.03.2019 bis 15.05.2020 von der Firma D1 kein Arbeitsentgelt erhalten. Nach dem vorgelegten Protokoll des Arbeitsgerichts S1 im Verfahren xxx053/20 vom 10.07.2020, das der Kläger gegen den Inhaber der Firma D1 A1 B1 C1 geführt hat, wurde ein Vergleich geschlossen, dass das Arbeitsverhältnis zum 15.05.2020 beendet wurde und der Kläger eine rückständige Vergütung für die Monate September 2019, Oktober 2019, November 2019 sowie März, April und Mai 2020 erhält. Im Urteil im Verfahren xx386/19 hat das Arbeitsgericht S1 am 23.01.2020 in einem weiteren Verfahren des Klägers gegen den Inhaber der Firma D1 entschieden, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigungen vom 29.03.2019 und 06.04.2019 nicht aufgelöst worden ist und dem Kläger für Februar 2019, März 2019, April 2019, Mai 2019, Juni 2019 und Juli 2019 rückständige Vergütung zugesprochen. Das Gehalt wurde jedoch von dem Arbeitgeber auch nach dem Urteil nicht gezahlt, die Zwangsvollstreckung blieb erfolglos. Es liegt ein Vermögensverzeichnis des Inhabers A1 B1 C1 vom 22.10.2018 vor. In diesem gab er hinsichtlich des Gewerbetriebes an, dass er keine Außenstände habe und Aufträge vorliegen.

Die Stadt E1 gab in ihrer Auskunft aus dem Gewerberegister vom 25.08.2020 an, dass das Gewerbe Kleintransporte bis 3,5 t sowie Logistik zum 24.04.2018 an und zum 26.08.2019 abgemeldet worden sei.

Nach einer von der Beklagten am 11.09.2020 eingeholten Firmenauskunft bei der C2 existierte die inhabergeführte Firma A1 1 Kleintransporte D1 noch.

Das Amtsgericht E1 teilte auf eine Anfrage der Beklagten vom 02.10.2020 am 08.10.2020 mit, dass für die Firma D1 bzw. deren Inhaber kein Insolvenzantrag und kein Eintrag nach § 26 Insolvenzordnung über eine Abweisung mangels Masse vorliege.

Mit Bescheid vom 29.10.2020 lehnte die Beklagte den Antrag auf Insolvenzgeld ab.

Am 04.01.2021 beantragte der Kläger erneut die Zahlung von Insolvenzgeld aufgrund der Nichtzahlung von Arbeitsentgelt der Firma D1 für die Zeit vom 01.03.2019 bis 15.05.2020. Weiterhin beantragte er die Zahlung eines Vorschusses.

Die Beklagte befragte mit Schreiben vom 20.01.2021 den Arbeitgeber über das Vorliegen einer Insolvenz. Dieser teilte in einer Email vom 23.01.2021 mit, dass er mit einer Insolvenz nichts zu tun habe. In dem von der Beklagten übersandten Fragebogen vom 25.01.2021 gab er an, dass die Betriebstätigkeit nicht eingestellt wurde und die Nichtzahlung des Arbeitsentgelts nicht auf Zahlungsunfähigkeit beruhe.

Mit Bescheid vom 22.01.2021 lehnte die Beklagte die Gewährung eines Vorschusses mit der Begründung ab, dass ein Anspruch auf Insolvenzgeld nicht bestehe.

Hiergegen legte der Kläger am 11.02.2021 Widerspruch mit der Begründung ein, dass der Arbeitgeber ab 16.02.2019 keine Lohnabrechnungen erstellt und keine Sozialversicherungsbeiträge gezahlt habe.

Mit Widerspruchsbescheid vom 17.02.2021 wies die Beklagte den Widerspruch gegen den Bescheid vom 22.01.2021 zurück.
Voraussetzung für einen Anspruch auf Insolvenzgeld sei nach § 165 SGB III u.a. das Vorliegen eines Insolvenzereignisses. Dieses liege vor, wenn entweder das Insolvenzverfahren eröffnet oder der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse abgelehnt oder die Betriebstätigkeit vollständig eingestellt worden sei, bevor der Antrag auf Insolvenzgeld gestellt worden sei und die Eröffnung des Insolvenzverfahren offensichtlich mangels Masse nicht in Betracht komme. Ein Insolvenzereignis liege nicht vor. Es werde auch auf den Bescheid vom 29.10.2020 verwiesen. Eine Vorschusszahlung auf Insolvenzgeld sei daher ausgeschlossen.

Hiergegen hat der Kläger am 24.02.2021 Klage zum Sozialgericht (SG) Stuttgart erhoben (Az. S 13 AL 732/21). Er hat zur Begründung vorgetragen, dass Fehler bei der Berechnung des Insolvenzgeldes vorlägen. Es seien keine Beiträge zur Pflichtversicherung und keine Sozialversicherungsbeiträge vom Arbeitgeber gezahlt worden.

Mit Bescheid vom 01.03.2021 lehnte die Beklagte die Gewährung von Insolvenzgeld mit der Begründung ab, dass kein Insolvenzereignis vorliege.
Der Arbeitgeber habe erklärt, seinen Gewerbebetrieb nicht eingestellt zu haben.

Hiergegen legte der Kläger am 09.03.2021 Widerspruch ein. Der Arbeitgeber habe keine Sozialversicherungsbeiträge gezahlt und keine Versicherungszeiten angegeben. Es fehlten jede Beweise über die Lohnabrechnungen vom 01.03.2019 bis zum 15.05.2020. Er bitte um eine Überprüfung der Angelegenheit.

Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 17.03.2021 als unbegründet zurück.
Anhaltspunkte für eine falsche Entscheidung seien weder genannt noch aus den Unterlagen ersichtlich. Der Bescheid entspreche den gesetzlichen Bestimmungen.

Hiergegen hat der Kläger am 23.03.2021 Klage zum SG erhoben (Az. S 13 AL 1199/21) und zur Begründung sein bisheriges Vorbringen wiederholt.

Das SG hat im Verfahren S 13 AL 732/21 mit Schreiben vom 20.04.2021 darauf hingewiesen, dass die Klage nach vorläufiger Prüfung der Sach- und Rechtslage keine Aussicht auf Erfolg haben dürfte. Bereits am 08.09.2020 habe der Kläger bei der Beklagten einen Antrag auf Insolvenzgeld aufgrund nicht gezahlten Arbeitsentgelts für die bis 15.05.2020 ausgeübte Tätigkeit bei der Firma D1 gestellt. Diesen Antrag habe die Beklagte mit Bescheid vom 29.10.2020 abgelehnt. Am 04.01.2021 habe der Kläger erneut einen – identischen - Antrag auf Insolvenzgeld für die selbe Tätigkeit bei der Firma D1 gestellt und die Gewährung eines Vorschusses beantragt. Mit dem vorliegend streitigen Bescheid vom 22.01.2021 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.02.2021 habe die Beklagte die Gewährung eines Vorschusses auf Insolvenzgeld abgelehnt. Dies dürfte rechtmäßig sein. Die Gewährung eines Vorschusses nach § 42 Abs. 1 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) dürfte nicht möglich sein, da dieser voraussetze, dass ein Anspruch auf Geldleistungen dem Grunde nach bestehe und zur Feststellung seiner Höhe voraussichtlich längere Zeit erforderlich sei. Diese Voraussetzungen dürften nicht vorliegen. Ein Anspruch auf Insolvenzgeld dürfte nicht bestehen, da nach Aktenlage kein Insolvenzereignis nach § 165 Abs. 1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) vorliegen dürfte. Es bestünden keine Anhaltspunkte dafür, dass ein Insolvenzverfahren über das Vermögen des Arbeitgebers eröffnet oder dass ein entsprechender Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzerfahrens mangels Masse abgelehnt worden sei. Auch eine vollständige Einstellung der Betriebstätigkeit dürfte nicht vorliegen. Eine Vorschusszahlung nach § 168 SGB III dürfte ebenfalls nicht möglich sein, da weder ein Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens vorliegen dürfte, noch die Voraussetzungen für den Anspruch auf Insolvenzgeld mit hinreichender Wahrscheinlichkeit erfüllt seien. Entsprechend habe die Beklagte den ersten Antrag auf Insolvenzgeld bereits mit Bescheid vom 29.10.2020 abgelehnt.

Der Kläger hat mit Schreiben vom 10.05.2021 im Verfahren S 13 AL 732/21 mitgeteilt, dass er die Klage nicht zurücknehme und keine Lohnabrechnungen für den Zeitraum vom 16.01.2019 bis zum 15.05.2021 vorlägen. Laut dem Urteil des Arbeitsgerichts S1 im Verfahren xx386/18 habe ein Arbeitsverhältnis bestanden.

Mit Beschluss vom 25.06.2021 hat das SG die Verfahren S 13 AL 732/21 und S 13 AL 1199/21 unter dem Aktenzeichen S 13 AL 732/21 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden.

Mit Verfügung vom 09.09.2021 hat das SG die Beteiligten zur beabsichtigten Entscheidung durch Gerichtsbescheid nach § 105 SGG angehört.

Das SG hat mit Gerichtsbescheid vom 18.09.2024 die Klagen abgewiesen. Da die Beklagte sich nicht auf die bestandskräftige Ablehnung des Antrags auf Insolvenzgeld durch Bescheid vom 29.10.2020 berufen habe, sondern die Gewährung von Insolvenzgeld für dieselbe Tätigkeit des Klägers erneut in der Sache geprüft und beschieden habe, sei der Anspruch auf Insolvenzgeld durch das Gericht aufgrund der streitgegenständlichen Bescheide in vollem Umfang überprüfbar. Es liege ein Zweitbescheid und keine wiederholende Verfügung vor, so dass Bestandskraft nicht eingetreten sei. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Insolvenzgeld und damit auch keinen Anspruch auf Zahlung eines Vorschusses. Die Bescheide vom 22.01.2021 (in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.02.2021) sowie vom 01.03.2021 (in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.03.2021) seien rechtmäßig und verletzten den Kläger nicht in seinen Rechten.
Ein Anspruch auf Insolvenzgeld bestehe nicht, da kein Insolvenzereignis nach § 165 Abs. 1 SGB III vorliege. Nach § 165 Abs. 1 S. 1 SGB III hätten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer Anspruch auf Insolvenzgeld, wenn sie im Inland beschäftigt gewesen seien und bei einem Insolvenzereignis für die vorausgegangenen drei Monate des Arbeitsverhältnisses noch Ansprüche auf Arbeitsentgelt gehabt hätten. Als Insolvenzereignis gelte 1. die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Arbeitgebers, 2. die Abweisung des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse oder 3. die vollständige Beendigung der Betriebstätigkeit im Inland, wenn ein Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht gestellt worden sei und ein Insolvenzverfahren offensichtlich mangels Masse nicht in Betracht komme. Diese Voraussetzungen lägen in dem vom Kläger geltend gemachten Zeitraum vom 01.03.2019 bis 15.05.2020 nicht vor. Nach Auskunft des Amtsgerichts E1 sei kein Insolvenzantrag gestellt worden. Es sei kein Insolvenzverfahren eröffnet worden und es habe auch keine Abweisung mangels Masse vorgelegen. Es gebe auch keine Anhaltspunkte für eine vollständige Einstellung der Betriebstätigkeit. Der Arbeitgeber habe mitgeteilt, dass die Betriebstätigkeit nicht eingestellt worden sei und der Kläger habe keine Belege für eine solche vorgelegt oder auch nur nachvollziehbar vorgetragen, dass eine Einstellung der Betriebstätigkeit vorgelegen habe. Da ein Anspruch auf Insolvenzgeld nicht bestehe, komme auch keine Vorschusszahlung in Betracht. Die Gewährung eines Vorschusses nach § 42 Abs. 1 SGB I setze voraus, dass ein Anspruch auf Geldleistungen dem Grunde nach bestehe und zur Feststellung seiner Höhe voraussichtlich längere Zeit erforderlich sei. Diese Voraussetzungen lägen nicht vor, da der Anspruch auf Insolvenzgeld bereits dem Grunde nach nicht bestehe. Eine Vorschusszahlung nach § 168 SGB III sei ebenfalls nicht möglich. Nach § 168 SGB III könne die Beklagte einen Vorschuss auf das Insolvenzgeld leisten, wenn die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Arbeitgebers beantragt sei, das Arbeitsverhältnis beendet sei und die Voraussetzungen für den Anspruch auf Insolvenzgeld mit hinreichender Wahrscheinlichkeit erfüllt würden. Da weder ein Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens vorliege, noch die Voraussetzungen für den Anspruch auf Insolvenzgeld mit hinreichender Wahrscheinlichkeit erfüllt seien, komme eine Vorschusszahlung nach § 168 SGB III nicht in Betracht.

Der Kläger hat gegen den ihm am 02.10.2024 zugestellten Gerichtsbescheid am 23.10.2024 Berufung beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg eingelegt.

Der Kläger beantragt, sachdienlich gefasst,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 18.09.2024 sowie den Bescheid vom 22.01.2021 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.02.2021 und den Bescheid vom 01.03.2021 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.03.2021 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm Insolvenzgeld aufgrund der Nichtzahlung von Arbeitsentgelt durch die Firma D1 für die Zeit vom 01.03.2019 bis zum 15.05.2020 sowie einen Vorschuss zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

            die Berufung zurückzuweisen.

Die Berichterstatterin hat den Rechtsstreit nichtöffentlich mit den Beteiligten am 27.01.2025 erörtert. Die Berichterstatterin hat darauf hingewiesen, dass die Anträge des Klägers auf Gewährung von Insolvenzgeld nach vorläufiger Prüfung und Rechtsauffassung von der Beklagten zu Recht abgelehnt worden seien. Die Voraussetzungen nach § 165 Abs. 1 Satz 1 SGB III seien im Zeitpunkt der Antragstellungen am 08.09.2020 sowie am 14.01.2021 nicht erfüllt gewesen, da kein Insolvenzereignis nach § 165 Abs. 1 Satz 2 SGB III vorgelegen habe. Ein Insolvenzantrag der Firma D1 habe nicht bestätigt werden können. Sofern der Kläger die Auszahlung der durch den Vergleich vor dem Arbeitsgericht S1 und das Urteil des Arbeitsgerichts ihm zustehenden Vergütungsansprüche begehre, sollte er dies durch Vollstreckungsmaßnahmen aus dem Vergleich bzw. dem Urteil verfolgen. Diese Ansprüche seien von einem Anspruch auf Insolvenzgeld zu unterscheiden, welcher nur unter den Voraussetzungen des § 165 Abs. 1 SGB III erfüllt werden könne.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge und die beigezogene Verwaltungsakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die nach den §§ 143 f. SGG statthafte und zulässige Berufung des Klägers ist nicht begründet. Der Bescheid vom 22.01.2021 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.02.2021 und der Bescheid vom 01.03.2021 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.03.2021 sind jeweils rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Gewährung von Insolvenzgeld sowie auf die Gewährung eines Vorschusses. Das SG hat die Klagen daher zu Recht abgewiesen.

Der Senat durfte in Abwesenheit des Klägers über die Berufung des Klägers entscheiden. Dem Kläger wurde die Ladung zur mündlichen Verhandlung vom 04.04.2025 am 20.02.2025 per Postzustellungsurkunde zugestellt. Gleichzeitig wurde er darauf hingewiesen, dass auch im Falle seines Ausbleibens Beweis erhoben, verhandelt und entschieden werden könne (vgl. hierzu zuletzt BSG, Beschluss vom 20.02.2024 – B 1 KR 55/23 BH –, juris Rn. 11 m.w.N.).

Der Kläger verfolgt den Anspruch zutreffend mit der Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 4 SGG), die auf den Erlass eines Grundurteils (§ 130 Abs. 1 Satz 1 SGG) gerichtet ist.

Die Beklagte hat den erstmals gestellten Antrag des Klägers vom 08.09.2020 auf Insolvenzgeld anlässlich des Beschäftigungsverhältnisses bei der Firma D1 mit dem Bescheid vom 29.10.2020 abgelehnt. Diese Ablehnungsentscheidung ist gemäß § 77 SGG bestandskräftig geworden. Da sich der nachfolgende Antrag des Klägers vom 04.01.2021 auf Zahlung von Insolvenzgeld und die Gewährung eines Vorschusses auf dasselbe Beschäftigungsverhältnis bezieht, liegt bereits eine bestandskräftige Ablehnung von Insolvenzgeld durch den Bescheid vom 29.10.2020 vor. Bei der erneuten Entscheidung über die Gewährung von Insolvenzgeld durch den Bescheid 01.03.2021 handelt es sich um einen sogenannten Zweitbescheid, da die Beklagte erneut nach Durchführung weiterer Ermittlungen nochmals über den Sachverhalt inhaltlich entschieden hat (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 21.07.2021 – B 14 AS 29/20 R –, juris Rn. 11 sowie Urteil vom 07.04.2016 – B 5 R 26/15 R –, juris Rn. 18 m.w.N.; im Unterschied zur wiederholenden Verfügung BSG, Urteil vom 24.06.2020 – B 4 AS 7/20 R –, juris Rn. 16). Nach der Rechtsprechung des BSG eröffnet auch ein Zweitbescheid, durch den ein bindender Erstbescheid bestätigt wird, den Klageweg erneut (vgl. BSG, Urteil vom 21.09.1995 – 11 RAr 35/95 –, juris Rn. 16; BSG, Urteil vom 12.12.1991 – 7 RAr 26/90 –, juris; BSG, Urteil vom 24.02.2011 –
B 14 AS 81/09 R –, juris Rn. 15 sowie Schmidt in Meyer-Ladewig/Keller/Schmidt, Kommentar zum SGG, 14. Auflage 2023, § 77 Rn. 4 ff.).

Der Anspruch auf Insolvenzgeld richtet sich nach § 165 SGB III. Nach § 165 Abs. 1 SGB III haben Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer Anspruch auf Insolvenzgeld, wenn sie im Inland beschäftigt waren und bei einem Insolvenzereignis für die vorausgegangenen drei Monate des Arbeitsverhältnisses noch Ansprüche auf Arbeitsentgelt haben. Als Insolvenzereignis gilt 1. die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Arbeitgebers, 2. die Abweisung des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse oder 3. die vollständige Beendigung der Betriebstätigkeit im Inland, wenn ein Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht gestellt worden ist und ein Insolvenzverfahren offensichtlich mangels Masse nicht in Betracht kommt.

Das SG führt im angefochtenen Gerichtsbescheid vom 18.09.2024 zutreffend aus, dass kein Insolvenzereignis bezüglich des Arbeitgebers D1 im maßgeblichen Zeitraum im Jahr 2020 sowie 2021 feststellbar ist. Nach der Auskunft des Amtsgericht E1 vom 08.10.2020 ist von dem Arbeitgeber kein Insolvenzantrag gestellt worden und auch kein Insolvenzverfahren mangels Masse abgelehnt worden. Der Arbeitgeber selbst hat am 25.01.2021 angegeben, dass die Betriebstätigkeit nicht eingestellt wurde und die Nichtzahlung des Arbeitsentgelts nicht auf Zahlungsunfähigkeit beruht. Mangels Insolvenzereignis kommt somit die Zahlung von Insolvenzgeld nicht in Betracht. In der Folge besteht, wie das SG schlüssig ausführt, auch kein Anspruch auf die Zahlung eines Vorschusses nach § 47 SGB I bzw. nach § 168 SGB III, da eine hinreichende Wahrscheinlichkeit für einen Anspruch auf Insolvenzgeld vorliegend nicht besteht. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird nach § 153 Abs. 2 SGG auf die zutreffenden und ausführlichen Entscheidungsgründe in dem angegriffenen Gerichtsbescheid des SG Bezug genommen, denen der Senat sich ausdrücklich anschließt.

Gründe für eine hiervon abweichende Entscheidung sind im Berufungsverfahren weder vorgetragen worden noch sonst ersichtlich.

§ 165 Abs. 1 Satz 2 SGB III ist bezüglich der Aufzählung von Insolvenzereignissen abschließend. Andere Ereignisse, wie beispielsweise die Nichterfüllung von Entgeltansprüchen, lösen keinen Anspruch auf Insolvenzgeld aus, auch wenn sie auf Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers hindeuten (vgl. E. Schneider in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB III, 3. Aufl., § 165 SGB III, Stand: 08.12.2023, Rn. 37 ff.). Somit löst nicht allein das Bestehen eines individualrechtlichen Anspruchs auf Arbeitsentgelt einen Anspruch auf Insolvenzgeld aus, sondern es bedarf immer des Vorliegens eines Insolvenzereignisses nach § 165 Abs. 1 Satz 2 SGB III. Zweck des in § 165 SGB III geregelten Insolvenzgeldes ist es, den Arbeitnehmer vor Lohnausfällen zu bewahren, die ihm bei Zahlungsunfähigkeit seines Arbeitgebers drohen. Arbeitnehmer sind arbeitsvertraglich zur Vorleistung verpflichtet und kreditieren demnach dem Arbeitgeber ihre Leistung, ohne dass ihnen ein Sicherungsmittel zur Verfügung steht, wie es bei Warenlieferanten etwa der Eigentumsvorbehalt ist (vgl. BT-Drs. 7/1750 S. 10). Die schlichte Nichtzahlung von Arbeitslohn durch den Arbeitgeber stellt nach der Zweckbestimmung des Insolvenzgeldes noch keinen Grund für Leistungen der Bundesagentur für Arbeit dar.
Der Arbeitnehmer ist grundsätzlich vielmehr gehalten, seine Ansprüche gegen den Arbeitgeber selbst durchzusetzen, notfalls mithilfe der Arbeitsgerichte und des Vollstreckungsrechts. Durch die Formulierung von Insolvenzereignissen grenzt der Gesetzgeber die Fälle, in denen nach seiner Einschätzung eine Einstandspflicht der BA besteht, von den sonstigen Konstellationen ab, die im Verantwortungsbereich der einzelnen Arbeitnehmer verbleiben (vgl. Schneider, a.a.O., Rn. 20). Allein die Zahlungsunwilligkeit eines Arbeitgebers ohne Insolvenzereignis nach § 165 Abs. 1 Satz 2 SGB III erfüllt somit die Voraussetzungen für den Anspruch auf Insolvenzgeld nicht. Insofern ist zwischen Zahlungsunfähigkeit und Zahlungsunwilligkeit zu unterscheiden (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 05.05.2021 – L 18 AL 69/18 –, juris Rn. 25; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 20.04.2021 – L 18 AL 27/21 B PKH –, juris Rn. 4; Schleswig-Holsteinisches LSG, Urteil vom 22.11.2019 – L 3 AL 5/18 –, juris Rn. 48). Allein aus einer Zahlungsunwilligkeit des Arbeitgebers kann nicht auf eine offensichtliche Masselosigkeit geschlossen werden (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 21.08.2019 – L 18 AL 208/17 –, juris Rn. 23). Dass der Arbeitgeber D1 die Ansprüche des Klägers aus dem Vergleich vom 10.07.2020 vor dem Arbeitsgericht S1 aus dem Verfahren xx053/20 nach dem Vortrag des Klägers nicht erfüllt hat, begründet somit für sich allein noch keinen Anspruch auf Insolvenzgeld. Der Eintritt eines Insolvenzereignisses ist vorliegend bezüglich des Arbeitgebers D1 für die Anträge des Klägers auf Insolvenzgeld vom 08.09.2020 sowie 04.01.2021 nicht festzustellen. Ein Anspruch auf Insolvenzgeld besteht somit nicht.

Die Berufung des Klägers war daher zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.


 

Rechtskraft
Aus
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