B 5 R 11/23 R

Land
Bundesrepublik Deutschland
Sozialgericht
Bundessozialgericht
Sachgebiet
Rentenversicherung
1. Instanz
SG Stralsund (MVP)
Aktenzeichen
S 1 R 359/12
Datum
2. Instanz
LSG Mecklenburg-Vorpommern
Aktenzeichen
L 7 R 127/17
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 5 R 11/23 R
Datum
Kategorie
Urteil

 

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 25. Januar 2023 aufgehoben und die Klage gegen den Bescheid vom 30. August 2021 abgewiesen.

Kosten sind in allen Rechtszügen nicht zu erstatten.

G r ü n d e :

I

1
Streitig ist in welcher Höhe die dem Kläger gewährte große Witwerrente aufgrund von Einkommen in Form einer Verletztenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung auszuzahlen ist.

2
Der 1954 geborene Kläger bezieht infolge eines Arbeitsunfalls eine Verletztenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung. Er ist privat krankenversichert. Seit April 2009 gewährt ihm die Beklagte aus der Versicherung seiner verstorbenen Ehefrau eine große Witwerrente. Nach Ablauf des Sterbevierteljahres berücksichtigte sie die Verletztenrente als Einkommen, soweit sie einen der Grundrente nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) entsprechenden Betrag überstieg.

3
Die Beklagte berechnete die Witwerrente ab April 2009 wegen Arbeitseinkommens des Klägers neu und stellte eine Überzahlung fest (Bescheid vom 1.3.2011). Ab Juli 2011 nahm sie bei einer weiteren Neuberechnung der Rente erstmals von der um die Beträge nach dem BVG gekürzten Verletztenrente einen pauschalen Abzug iHv 10 vH aufgrund der vom Kläger zu zahlenden Krankenversicherungsbeiträge vor (Bescheid vom 31.5.2011). Den Widerspruch des Klägers gegen beide Bescheide wies die Beklagte zurück. Ein Pauschalabzug von dem Zahlbetrag der Verletztenrente anstelle von dem um die Grundrente nach dem BVG gekürzten Betrag komme nicht in Betracht (Widerspruchsbescheid vom 2.8.2012).

4
Im Klageverfahren berechnete die Beklage die Witwerrente ab Juli 2011 wegen Arbeitseinkommens abermals neu. Am Pauschalabzug der Krankenversicherungsbeiträge von der gekürzten Verletztenrente hielt sie fest (Bescheid vom 16.11.2012). Das SG hat der hiergegen gerichteten Klage stattgegeben und die Beklagte zur Gewährung einer entsprechend höheren Witwerrente verurteilt (Urteil vom 17.5.2017). Während des Berufungsverfahrens hat die Beklagte die Witwerrente rückwirkend ab Januar 2013 neu festgesetzt. Auch hier hat sie den Abzug der pauschalen Krankenversicherungsbeiträge von der geminderten Verletztenrente vorgenommen (Bescheid vom 30.8.2021).

5
Nach Abschluss eines Teilunterwerfungsvergleichs zwischen den Beteiligten hat das LSG auf Klage den Bescheid vom 30.8.2021 abgeändert und die Beklagte verurteilt, im Rahmen der Einkommensanrechnung den Abzug der pauschalen Krankenversicherungsbeiträge vom Betrag der vollen Höhe der Verletztenrente vorzunehmen. Hierfür streite der Wortlaut des § 18b Abs 5 Satz 2 SGB IV sowie der Sinn und Zweck der Einkommensanrechnung. Dafür spreche auch, dass freiwillige Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung Beiträge auf Grundlage der ungekürzten Verletztenrente entrichteten (Urteil vom 25.1.2023).

6
Mit ihrer Revision rügt die Beklagte eine Verletzung von § 18b Abs 5 Satz 2 SGB IV. Wortlaut, Systematik, Sinn und Zweck sowie der in den Gesetzesmaterialien zum Ausdruck gebrachte Vereinfachungswille sprächen gegen die vom LSG vorgenommene Auslegung.

7
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des LSG Mecklenburg-Vorpommern vom 25. Januar 2023 aufzuheben und die Klage gegen den Bescheid vom 30. August 2021 abzuweisen.

8
Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

9
Er hält die Entscheidung des LSG für zutreffend.


II

10
Die statthafte und zulässige Revision der Beklagten ist begründet (§ 170 Abs 2 Satz 1 SGG). Zu Unrecht hat das LSG der Klage stattgegeben. Der Kläger hat keinen Anspruch auf eine höhere große Witwerrente. Die Beklagte ist nicht verpflichtet, bei der Anrechnung der Verletztenrente als Einkommen auf die Witwerrente den Abzug der pauschalen Krankenversicherungsbeiträge nach § 18b Abs 5 Satz 2 SGB IV vom monatlichen Zahlbetrag der Verletztenrente vorzunehmen.

11
A. Gegenstand des Revisionsverfahrens ist neben dem Urteil des LSG der Bescheid der Beklagten vom 30.8.2021, mit dem sie die große Witwerrente des Klägers hinsichtlich der Rentenhöhe ab 1.1.2013 aufgehoben und eine vollständige Neuberechnung der Rente vorgenommen hat. Dieser Bescheid ist gemäß § 153 Abs 1, § 96 Abs 1 SGG Gegenstand des Berufungsverfahrens geworden. Er hat die zunächst angegriffenen Bescheide der Beklagten (Bescheide vom 1.3.2011 und 31.5.2011, Widerspruchsbescheid vom 2.8.2012 und Bescheid vom 16.11.2012) für einen teilweise identischen Zeitraum ersetzt (vgl BSG Urteil vom 17.4.2012  B 13 R 73/11 R  SozR 42400 § 18a Nr 3 RdNr 15; BSG Urteil vom 27.4.2010  B 5 R 62/08 R  SozR 42600 § 71 Nr 5 RdNr 15; BSG Urteil vom 29.6.2000  B 13 RJ 11/00 R  SozR 32600 § 97 Nr 2  juris RdNr 19). Durch den von den Beteiligten vor dem LSG geschlossenen Teilunterwerfungsvergleich ist der Rechtsstreit auf den Zeitraum ab 1.1.2013 begrenzt worden. Der Kläger wendet sich gegen den Bescheid vom 30.8.2021 nur insoweit, als die Beklagte darin bei der Einkommensanrechnung den Abzug der pauschalen Krankenversicherungsbeiträge nicht vom Zahlbetrag der Verletztenrente, sondern ab 1.1.2013 von der um die Grundrente nach dem BVG und ab 1.7.2021 von der um die Beträge nach § 93 Abs 2 Nr 2 Buchst a iVm Abs 2a und 2b SGB VI geminderten Verletztenrente vorgenommen hat. Dieses Begehren kann er durch eine kombinierte Anfechtungs und Leistungsklage (§ 54 Abs 1 Satz 1 und Abs 4, § 56 SGG) erreichen. Über den erst im Berufungsverfahren ergangenen Bescheid vom 30.8.2021 war "auf Klage" zu entscheiden.

12
B. Die Klage ist unbegründet. Der Bescheid der Beklagten vom 30.8.2021 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Er hat keinen Anspruch auf eine höhere große Witwerrente.

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I. Die Beklagte hat bei der Einkommensanrechnung (§ 97 Abs 1 Satz 1 SGB VI iVm § 18a Abs 1 Satz 1 Nr 2 iVm Abs 3 Satz 1 Nr 4 und § 18b Abs 5 Satz 2 SGB IV) zu Recht den Abzug der pauschalen Krankenversicherungsbeiträge iHv 10 vH von der um die Grundrente nach dem BVG und ab 1.7.2021 von der um die Beträge nach § 93 Abs 2 Nr 2 Buchst a iVm Abs 2a und 2b SGB VI geminderten Verletztenrente - und nicht vom Zahlbetrag der Verletztenrente  vorgenommen.

14
Gemäß § 97 Abs 1 Satz 1 SGB VI (in der ab 1.7.2015 geltenden Fassung des Fünften Gesetzes zur Änderung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 15.4.2015 <BGBl I 583> und für die Zeit davor idF des Rentenreformgesetzes 1992 <RRG 1992> vom 18.12.1989 <BGBl I 2261>) wird Einkommen von Berechtigten, das ua mit einer Witwerrente zusammentrifft, hierauf angerechnet. Nach Satz 2 der Vorschrift gilt dies nicht bei Witwerrenten, solange der Rentenartfaktor mindestens 1,0 beträgt, also nicht im sog Sterbevierteljahr. Aufgrund des Todes der Ehefrau des Klägers im April 2009 betrug beim Kläger ab August 2009  und somit auch im streitbefangenen Zeitraum  der Rentenartfaktor der Witwerrente 0,55 (vgl § 67 Nr 6 SGB VI) mit der Folge, dass Einkommen des Klägers rentenmindernd zu berücksichtigen war.

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1. Welches Einkommen bei der Anrechnung auf Renten wegen Todes zu berücksichtigen ist, hat der Gesetzgeber nach § 97 Abs 1 Satz 1 SGB VI in § 18a SGB IV bestimmt. Nach § 18a Abs 1 Satz 1 Nr 2 SGB IV sind bei einer Rente wegen Todes ua Leistungen zu berücksichtigen, die erbracht werden, um Erwerbseinkommen zu ersetzen (Erwerbsersatzeinkommen). Erwerbsersatzeinkommen in diesem Sinne ist nach § 18a Abs 3 Satz1 Nr 4 SGB IV auch die Verletztenrente der Unfallversicherung. Dies ist sie allerdings nur "soweit sie" einen der Grundrente nach dem BVG entsprechenden Betrag (vgl § 18a Abs 3 Satz 1 Nr 4 in der ab 1.7.2011 geltenden Fassung des Gesetzes zur Änderung des Bundesversorgungsgesetzes und anderer Vorschriften vom 20.6.2011, BGBl I 1114) und ab 1.7.2021 die Beträge nach § 93 Abs 2 Nr 2 Buchst a iVm Abs 2a und 2b SGB VI (vgl § 18a Abs 3 Satz 1 Nr 4 in der ab 1.7.2021 geltenden Fassung des Gesetzes zur Regelung des Sozialen Entschädigungsrechts vom 12.12.2019, BGBl I 2652) übersteigt.

16
Dem entspricht der Bescheid vom 30.8.2021. Nur den nach den Abzug dieser Grenzbeträge verbleibenden Teil der Verletztenrente des Klägers hat die Beklagte als Einkommen bei der Anrechnung auf die Witwerrente des Klägers zugrunde gelegt. Berechnungsfehler sind diesbezüglich weder vom Kläger gerügt noch ersichtlich.

17
2. Die Höhe des nach § 18a SGB IV zu berücksichtigenden Einkommens folgt aus § 18b SGB IV Maßgeblich ist das für den denselben Zeitraum erzielte monatliche Einkommen (§ 18b Abs 1 Satz 1 SGB IV). Bei Erwerbsersatzeinkommen nach § 18a Abs 3 Satz 1 Nr 2 bis 10 SGB IV gilt als monatliches Einkommen iS von § 18b Abs 1 Satz 1 SGB IV das laufende Einkommen (§ 18b Abs 4 Satz 1 SGB IV). Nach § 18b Abs 5 Satz 2 SGB IV in der hier maßgeblichen seit dem 11.8.2010 geltenden Fassung des Dritten Gesetzes zur Änderung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 5.8.2010 (BGBl I 1127) sind die Leistungen nach § 18a Abs 3 Satz 1 Nr 1 und 4 SGB IV um den Anteil der vom Berechtigten zu tragenden Beiträge zur Bundesagentur für Arbeit und, soweit Beiträge zur sonstigen Sozialversicherung oder zu einem Krankenversicherungsunternehmen gezahlt werden, zusätzlich um 10 vH zu kürzen. Da der Kläger nach den Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) Krankenversicherungsbeiträge entrichten hat, findet diese Norm Anwendung. Daher ist das zu berücksichtigende Einkommen in Form der Verletztenrente um 10 vH zu kürzen. Dieser Pauschalabzug ist von dem nach § 18a Abs 3 Satz 1 Nr 4 SGB IV maßgeblichen Betrag vorzunehmen, dh  wie im angefochtenen Bescheid vom 30.8.2021 auch erfolgt  ab 1.1.2013 von der um die Grundrente nach dem BVG und ab 1.7.2021 von der um die Beträge nach § 93 Abs 2 Nr 2 Buchst a iVm Abs 2a und 2b SGB VI geminderten Verletztenrente und nicht von dem Zahlbetrag.

18
Dies folgt aus dem Wortlaut (dazu unter a), der Gesetzessystematik (dazu unter b) sowie dem Sinn und Zweck des § 18b Abs 5 Satz 2 SGB IV, wie er sich aus seiner Entstehungsgeschichte erschließt (dazu unter c). Nichts anderes ergibt sich daraus, dass für die Beitragsbemessung eines in der gesetzlichen Krankenversicherung freiwillig Versicherten als Beitragsbemessungsgrundlage der Zahlbetrag der Verletztenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung herangezogen wird (dazu unter d).

19
a) Der Wortlaut der Norm stellt  anders als das LSG unter Hinweis auf § 22 Abs 1 Nr 3 SGB I meint  nicht (allgemein) auf die Verletztenrente als eine Leistung der gesetzlichen Unfallversicherung ab, sondern ausdrücklich auf eine Leistung nach § 18a Abs 3 Satz 1 Nr 4 SGB IV und damit bei der Verletztenrente lediglich auf die um die Grundrente nach dem BVG und ab 1.7.2021 auf die um die Beträge nach § 93 Abs 2 Nr 2 Buchst a iVm Abs 2a und 2b SGB VI geminderte Verletztenrente. Allein dieser gekürzte Betrag  und nicht der Zahlbetrag  der Verletztenrente ist nach § 18a Abs 1 Satz 1 Nr 2 iVm Abs 3 Satz 1 Nr 4 SGB IV die "Leistung", die erbracht wird, um Erwerbseinkommen zu ersetzen. Nur dieser Betrag ist damit das bei Renten wegen Todes bei gleichzeitigem Bezug einer Verletztenrente aus der Unfallversicherung allein als anrechenbares Einkommen nach § 97 Abs 1 Satz 1 SGB VI zu berücksichtigende Erwerbsersatzeinkommen.

20
b) Auch gesetzessystematische Erwägungen bestätigen dieses Normverständnis. § 18a SGB IV regelt nach § 97 Abs 1 Satz 1 SGB VI abschließend, welches Einkommen beim Zusammentreffen mit einer Rente wegen Todes anzurechnen ist (vgl Jassat in BeckOK SozR, 76. Edition, Stand: 1.3.2025, § 97 SGB VI RdNr 9; Gürtner in BeckOGK, Stand: 1.9.2015, § 97 SGB VI RdNr 6; Fichte in Hauck/Noftz, SGB VI, Stand: Juni 2016, § 97 RdNr 14). Ist das im ersten Prüfungsschritt nach § 18a Abs 1 Satz 1 Nr 2 iVm Abs 3 Satz 1 Nr 4 SGB IV zu berücksichtigende Einkommen aus der Verletztenrente aber nur eine entsprechend geminderte Verletztenrente, ist es naheliegend, dass im zweiten Prüfungsschritt nach § 18b SGB IV bei der Ermittlung der konkreten Höhe des nach § 18a SGB IV zu berücksichtigenden Einkommens auch nur dieses Einkommen heranzuziehen ist. Danach kann das Einkommen, von dem nach § 18b Abs 5 Satz 2 SGB IV ein Abzug vorzunehmen ist, betragsmäßig kein anderes sein, als das Einkommen, das zuvor nach § 18a Abs 1 Satz 1 Nr 2 iVm Abs 3 Satz 1 Nr 4 SGB IV bestimmt worden ist. Ebenso spricht die mehrfache ausdrückliche Bezugnahme in § 18b SGB IV auf § 18a SGB IV dafür, dass § 18b SGB IV systematisch auf § 18a SGB IV aufbaut und grundsätzlich erst dann zur Anwendung kommt, wenn die "Art des zu berücksichtigenden Einkommens" nach § 18a SGB IV bereits festgestellt ist.

21
c) Aus dem Sinn und Zweck des § 18b Abs 5 Satz 2 SGB IV, wie er sich aus seiner Entstehungsgeschichte erschließt, ergibt sich auch kein Anhalt dafür, dass der dort verwendete Begriff der Leistung nach § 18a Abs 3 Satz 1 Nr 4 SGB IV sich nicht auf den Teil der Verletztenrente bezieht, der nach dieser Bestimmung als Einkommen zu berücksichtigen ist, also auf die um die Grundrente nach dem BVG und ab 1.7.2021 auf die um die Beträge nach § 93 Abs 2 Nr 2 Buchst a iVm Abs 2a und 2b SGB VI geminderte Verletztenrente.

22
§ 18a SGB IV wurde durch das Hinterbliebenenrenten und Erziehungszeiten-Gesetz (HEZG) vom 11.7.1985 (BGBl I 1450) zum 1.1.1986 eingeführt. Bereits damals enthielt er in Abs 3 Satz 1 Nr 4 SGB IV die Regelung, dass lediglich eine um den Betrag der Grundrente nach dem BVG geminderte Verletztenrente als Einkommen beim Zusammentreffen mit einer Witwen oder Witwerrente zu berücksichtigen war (vgl § 1281 RVO, § 58 AVG, § 78 RKG). Mit der nur teilweisen Berücksichtigung der Verletztenrente bei der Einkommensanrechnung wollte der Gesetzgeber eine Gleichbehandlung mit Leistungsberechtigten nach dem BVG herstellen. Deshalb hat er den Teil der Verletztenrente von der Einkommensanrechnung ausgenommen, von dem angenommen wird, das ihm als Ausgleich eines immateriellen Schadens keine Entgeltersatzfunktion zukommt (vgl Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung vom 28.12.1984 zum HEZG, BTDrucks 10/2677, S 44 zu § 18a, Begründung des Gesetzentwurfs der Fraktionen CDU/CSU, SPD und FDP vom 7.3.1989 zum RRG 1992, BTDrucks 11/4124, S 174 zu § 92; s auch BSG Urteil vom 17.4.2012  B 13 R 15/11 R  SozR 42400 § 18a Nr 2 RdNr 27; BSG Urteil vom 31.3.1998  B 4 RA 49/96 R  BSGE 82, 83SozR 32600 § 93 Nr 7  juris RdNr 42; vgl ebenso BVerfG <Kammer> Beschluss vom 16.3.2011  1 BvR 591/08, 1 BvR 593/08  BVerfGK 18, 377  juris RdNr 40).

23
An dieser Zweckbestimmung hat sich durch die Neufassung des § 18a Abs 3 Satz 1 Nr 4 SGB IV durch das Gesetz zur Regelung des Sozialen Entschädigungsrechts vom 12.12.2019 (BGBl I 2652) zum 1.7.2021 nichts geändert. Zwar gilt seitdem eine Änderung bei den von der Verletztenrente abzusetzenden Monatsbeträgen, wie sie sich aus § 93 Abs 2 Nr 2 Buchst a iVm Abs 2a und 2b SGB VI ergeben. Es handelt sich hierbei aber lediglich um eine "Folgeänderung auf Grund der Aufhebung des BVG und des Inkrafttretens des SGB XIV". Mit ihr soll sichergestellt werden, dass es für die Berechtigten grundsätzlich zu keinen Veränderungen gegenüber der bisherigen Regelung kommt (vgl Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung vom 9.10.2019 zum Gesetz zur Regelung des Sozialen Entschädigungsrechts, BTDrucks 19/13824, S 256 zu Nr 3 <§ 18a Abs 3> Buchst b und S 259 zu Nr 5 <§ 93>; Scharf in Keck/Michaelis, Die Rentenversicherung im SGB, 123. Lieferung, 3/2025, § 18a SGB IV RdNr 19).

24
§ 18b SGB IV wurde ebenfalls durch das HEZG vom 11.7.1985 (BGBl I 1450) zum 1.1.1986 eingeführt. § 18b Abs 5 Satz 2 SGB IV beschränkte sich aber in seinem ursprünglichen Anwendungsbereich zunächst auf Leistungen nach § 18a Abs 3 Satz 1 Nr 1 bis 3 SGB IV, die um den Anteil der von den Berechtigten zu tragenden Beiträge zur Sozialversicherung und zur Bundesanstalt für Arbeit zu kürzen waren. Für Leistungsberechtigte, die freiwillig in der gesetzlichen Krankenversicherung oder privat bei einem Krankenversicherungsunternehmen versichert waren, fand Satz 2 entsprechende Anwendung (vgl § 18b Abs 5 Satz 3 SGB IV idF des HEZG). Mit diesen Regelungen sollte sichergestellt werden, dass die von den Berechtigen (individuell) zu tragenden Beitragsanteile von den Leistungen nach § 18a Abs 3 Satz 1 Nr 1 bis 3 SGB IV abgezogen werden (vgl Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung vom 28.12.1984 zum HEZG, BTDrucks 10/2677, S 46 zu § 18b).

25
Zum 1.1.1995 wurde § 18b Abs 5 Satz 2 SGB IV durch das Gesetz zur sozialen Absicherung des Risikos der Pflegebedürftigkeit (Pflege-Versicherungsgesetz  PflegeVG) vom 26.5.1994 (BGBl I 1014) um die Leistung nach § 18a Abs 3 Satz 1 Nr 4 SGB IV ergänzt. Hintergrund war, dass auch die Verletztenrente aus der Unfallversicherung bei der Anrechnung auf Renten wegen Todes nur als ein um die Sozialabgaben "bereinigtes Einkommen" herangezogen werden sollte (vgl Bericht des BTAusschusses für Arbeit und Sozialordnung vom 21.10.1993, BTDrucks 12/5952, S 51 zu Nr 1b).

26
Weitere  hier aber nicht relevante  Änderungen und Ergänzungen des § 18b Abs 5 Satz 2 SGB IV erfolgten zum 1.1.1997 durch das Dritte Gesetz zur Änderung des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (3. SGB V-ÄndG) vom 10.5.1995 (BGBl I 678), zum 1.1.2002 durch das Gesetz zur Ergänzung des Gesetzes zur Reform der gesetzlichen Rentenversicherung und zur Förderung eines kapitalgedeckten Altersvorsorgevermögens (Altersvermögensergänzungsgesetz  AVmEG) vom 21.3.2001 (BGBl I 403) und zum 1.7.2007 durch das RVAltersgrenzenanpassungsgesetz vom 20.4.2007 (BGBl I 554) (s hierzu im Einzelnen: Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung vom 27.1.1995 zum 3. SGB VÄndG, BTDrucks 13/340, S 6 und 11; Begründung des Gesetzentwurfs der Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vom 14.11.2000 zum AVmG, BTDrucks 14/4595, S 20 und 60; Begründung der Fraktionen CDU/CSU und SPD vom 12.12.2006 zum RVAltersgrenzenanpassungsgesetz, BTDrucks 16/3794, S 17 und 45).

27
Seine hier maßgebliche Fassung erhielt § 18b Abs 5 Satz 2 SGB IV schließlich mit Wirkung zum 11.8.2010 durch das Dritte Gesetz zur Änderung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 5.8.2010 (BGBl I 1127). Aufgrund der Anfügung des § 18b Abs 5 Satz 1 Nr 8 SGB IV für Leistungen nach § 18a Abs 3 Satz 1 Nr 2 und 3 SGB IV (Renten der gesetzlichen Rentenversicherung und der Alterssicherung für Landwirte) findet die Regelung in § 18b Abs 5 Satz 2 SGB IV seitdem nur noch Anwendung für Leistungen nach § 18a Abs 3 Satz 1 Nr 1 und 4 SGB IV (kurzfristige Entgeltersatzleistungen und Verletztenrenten aus der Unfallversicherung). Aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung ("Entbürokratisierung") wurde nunmehr allerdings für Beiträge zur sonstigen Sozialversicherung oder zu einem Krankenversicherungsunternehmen anstelle der bisher vorgesehenen Kürzung der Leistungen in Höhe der individuell anfallenden Beiträge ein Pauschalabzug iHv 10 vH eingeführt (vgl Beschlussempfehlung und Bericht des BTAusschusses für Arbeit und Soziales vom 16.6.2010 zum Entwurf eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze, BTDrucks 17/2169, S 8 zu Buchst b unter Verweis auf S 7 zu den Doppelbuchst dd und ee). Weiterhin findet die Norm gleichermaßen für Pflichtversicherte wie für freiwillig oder bei einem privaten Krankenversicherungsunternehmen Versicherte Anwendung. Anhaltspunkte dafür, dass nach § 18b Abs 5 Satz 2 SGB IV im Fall der Leistung nach § 18a Abs 3 Satz 1 Nr 4 SGB IV der Pauschalabzug vom Zahlbetrag der Verletztenrente und nicht von dem nach der vorgenannten Norm allein maßgeblichen Betrag der gekürzten Verletztenrente vorzunehmen ist, sind den vorgenannten Gesetzesmaterialen nicht zu entnehmen.

28
d) Dem vom Senat gefundenen Auslegungsergebnis steht  anders als das LSG meint  nicht der Einwand entgegen, dass für die Beitragsbemessung eines in der gesetzlichen Krankenversicherung freiwillig Versicherten als Beitragsbemessungsgrundlage der Zahlbetrag der Verletztenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung herangezogen wird. Dies folgt aus § 240 Abs 1 Satz 2 SGB V, wonach für die Beitragsbemessung die gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des freiwilligen Mitglieds maßgeblich ist und diese bei der Verletztenrente durch den Zahlbetrag (mit)bestimmt wird (vgl BSG Urteil vom 24.1.2007  B 12 KR 28/05 R  SozR 42500 § 240 Nr 9 RdNr 15; BSG Urteil vom 6.9.2001  B 12 KR 14/00 R  SozR 32500 § 240 Nr 41  juris RdNr 20 ff).

29
Ob und ggf welches Einkommen in welcher Höhe auf eine Sozialleistung angerechnet wird, hängt im Leistungsrecht hingegen von anderen Vorgaben ab. Maßgeblich ist regelmäßig das Sicherungsziel der Sozialleistung und die Art des jeweiligen Einkommens, das angerechnet werden soll. Durch die Anrechnung (lediglich) der gekürzten Verletztenrente als Einkommen auf Renten wegen Todes soll  wie oben ausgeführt  gewährleistet werden, das der Teil der Verletztenrente aus der Unfallversicherung sich nicht rentenmindernd auswirkt, dem als Ausgleich für einen immateriellen Schaden keine Entgeltersatzfunktion zukommt. Durch die Anrechnung einer lediglich gekürzten Verletztenrente als Einkommen werden ihre Bezieher bei gleichzeitigem Bezug einer Rente wegen Todes begünstigt. Der Gesetzgeber war aber nicht gehalten, eine zusätzliche Begünstigung bei dem pauschalen Abzug der Krankenversicherungsbeiträge nach § 18b Abs 5 Satz 2 SGB IV zu implementieren, indem er hierfür nunmehr auf den Zahlbetrag der Verletztenrente abstellt und nicht auf die für ihre Anrechnung als Einkommen auf Renten wegen Todes gemäß § 97 Abs 1 Satz 1 SGB VI iVm § 18a Abs 1 Satz 1 Nr 2 SGB IV allein relevante Leistung nach § 18b Abs 3 Satz 1 Nr 4 SGB IV.

30
II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 183 Satz 1 iVm § 193 Abs 1 und 4 SGG.

 

Rechtskraft
Aus
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