L 13 R 73/24

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
13
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 16 R 1321/23
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 13 R 73/24
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil

Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 05.12.2023 wird verworfen. Die Klage auf Feststellung der Rechtswidrigkeit des Unterlassens der Beklagten, eine Rentenauskunft zu erteilen, wird abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Verfahrens beim Landessozialgericht Baden-Württemberg sind nicht zu erstatten.



Tatbestand

Der Kläger begehrt eine Rentenauskunft vom Beklagten, anstelle der mittlerweile erteilten Rentenauskunft von der Deutschen Rentenversicherung B1

Die Wohnadresse und der Aufenthaltsort des 1957 geborenen Klägers ist unbekannt.

Der Kläger beantragte am 06.03.2023 bei der Beklagten die Erteilung einer Rentenauskunft. Die Beklagte leitete diesen Antrag an die Deutsche Rentenversicherung B1 weiter, da diese zuständig sei. Mit Schreiben vom 04.04.2023 erinnerte der Kläger die Beklagte an die Erteilung der Rentenauskunft und drohte gerichtliche Schritte an.

Am 22.05.2023 hat der Kläger beim Sozialgericht Freiburg (SG) Klage und zugleich einen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz (S 16 R 1317/23) gestellt. Zur Begründung gab er an, dass er am 30.08.2023 die Regelaltersgrenze erreiche und somit sein Anspruch auf eine Rentenauskunft ende. Nur die Beklagte sei zuständiger Rentenversicherungsträger.

Das SG lehnte den Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz ab (Beschluss vom 29.06.2023). Es bestehe kein Anordnungsanspruch, da die Antragsgegnerin nicht der kontoführende Rentenversicherungsträger sei.

Im Beschwerdeverfahren (L 10 R 2130/23 ER-B) vor dem Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) fragte das Gericht die Deutsche Rentenversicherung B1 ob zwischenzeitlich eine Rentenauskunft erteilt worden sei, worauf die Rentenauskunft vom 10.08.2023 zur Weiterleitung an den Kläger übersandt wurde. Die Beschwerde wurde mit Beschluss vom 26.09.2023 zurückgewiesen. Ein Anordnungsanspruch für die Verpflichtung der Antragsgegnerin bestehe nicht, wie das SG zutreffend ausgeführt habe. Unabhängig davon fehle es an einem Rechtsschutzbedürfnis, nachdem eine Rentenauskunft, wenn auch nicht durch die Antragsgegnerin, erteilt worden sei.

Mit Gerichtsbescheid vom 05.12.2023 hat das SG die Klage abgewiesen und dem Kläger Missbrauchskosten i.H.v. 150 € auferlegt. Die Klage sei mangels Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig; wegen der Gründe hat das SG auf den Beschluss des LSG vom 26.09.2023 verwiesen.

Am 08.01.2024 hat der Kläger Berufung zum LSG eingelegt. Die vom 10. Senat des LSG veranlasste Rentenauskunft sei erst zu einer Zeit übersandt worden, wo der Rentenanspruch zum 01.09.2023 bereits eingetreten sei, weshalb eine Eingabe zur Richtigstellung hinfällig geworden sei. Er sei 1972 in das Berufsleben eingetreten. Die Beiträge seien der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte zugeflossen. In seiner letzten im Versicherungsgebiet des Sozialgesetzbuches vor dem 31.12.2004, am 01.07.1984 begonnenen Tätigkeit sei er ebenfalls als Angestellter in der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte rentenversichert gewesen. Deshalb sei er am Stichtag des § 274c Abs. 1 SGB VI dort Bestandsversicherter. Dass ein Zuständigkeitswechsel nach § 274 Abs. 1. S. 2 SGB VI stattgefunden habe, habe die Beklagte nicht vorgetragen; er habe auch keine Meldung über einen Zuständigkeitswechsel erhalten. Ein Rechtsschutzbedürfnis liege zweifelsohne vor. Er habe Anspruch darauf, dass der sachlich und örtlich zuständige Rentenversicherungsträger eine Rentenauskunft erteile. Dies sei nämlich mit dem Rechtsaspekt verbunden, dass nur gegen den sachlich und örtlich zuständigen Rentenversicherungsträger ein Amtshaftungsanspruch geltend gemacht werden könne. Zudem könnten erneut Streitigkeiten entstehen, wenn ein Rentenantrag gestellt werde.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 05.12.2023 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, eine Rentenauskunft zu erteilen,
festzustellen, dass die Unterlassung der Beklagten, eine Rentenauskunft zu erteilen, rechtswidrig war,
die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger Schadensersatz in Höhe der monatlich fälligen Rente ab dem 01.09.2023 nebst 5 % Zinsen zu zahlen.

Die Beklagte beantragt sinngemäß,

die Berufung zurückzuweisen und die Klage abzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Der Kläger hat am 13.02.2024 mitgeteilt, dass seine Anschrift nunmehr postlagernd in der B2, S1, Schweiz, sei.

Mit gerichtlicher Verfügung vom 22.02.2024 ist der Kläger aufgefordert worden, seinen aktuellen Wohnort bzw. Aufenthaltsort bekanntzugeben oder darzulegen, weshalb er dies nicht angebe (Hinweis auf Urteil des Bundessozialgerichts [BSG] vom 18.11.2003, B1 KR 1 / 02S, juris).

Mit Schreiben vom 01.03.2024 hat der Kläger vorgebracht, dem LSG sei bekannt, dass er wohnungslos sei, weshalb das Rechtsschutzbegehren zulässig sei. Das gleichzeitig erhobene Ablehnungsgesuch des Klägers ist mit Beschluss vom 13.03.2024 zurückgewiesen worden.

Mit Schreiben vom 03.08.2024 hat der Kläger die Dauer des Verfahrens gerügt.

Mit Schreiben vom 30.11.2023 hat der Kläger bei der Beklagten die Gewährung einer Regelaltersrente ab dem 01.09.2023 beantragt. Diesen Rentenantrag hat die Beklagte am 12.12.2023 an die Deutsche Rentenversicherung B1 abgegeben.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Verwaltungsakten der Beklagten sowie die Gerichtsakten des SG und LSG ergänzend verwiesen.

 Entscheidungsgründe

Die Berufung des Klägers ist unzulässig und deshalb zu verwerfen.

Nach der überzeugenden Rechtsprechung des BSG (Beschlüsse vom 18.11.2003, B1 KR 1/02 S, Beschluss vom 26.09.2023, B 5 R 21/23 BH, 07.03.2024, B 8 SO 53/23 BH, 08.04.2024, B 8 SO 54/23 BH, 27.05.2024, B 8 SO 55/23 BH und vom 28.05.2024, B 8 SO 56/23 BH, alle juris) erfordert ein zulässiges Rechtsschutzbegehren im Regelfall, dass dem angerufenen Gericht die Wohnanschrift des Rechtsuchenden genannt wird. Der Kläger hat den anzuerkennenden Ausnahmefall einer Wohnungslosigkeit weder nachgewiesen noch glaubhaft gemacht. Er hat trotz Aufforderung des Gerichts nähere Umstände nicht benannt, sondern lediglich behauptet, dem Gericht sei die Wohnungslosigkeit nach Aktenlage bekannt, was noch nicht einmal die Behauptung darstellt, dass er wohnungslos sei. Die dem Gericht vorliegenden Akten belegen aber gerade nicht eine Wohnungslosigkeit des Klägers. Der Verweis auf die Aktenlage ist auch deshalb obsolet, da der Kläger im Berufungsverfahren eine neue postlagernde Anschrift, diesmal in der Schweiz, angegeben hat. Gerade im Fall des Klägers sprechen auch die vom BSG (Beschluss vom 18.11.2003) angesprochenen Gründe des Kostenrechts für das Erfordernis, dem Gericht eine Anschrift zu nennen. Denn es besteht nicht nur theoretisch die Möglichkeit, einem Beteiligten Kosten aufzuerlegen; dem Kläger sind vom SG Kosten wegen missbräuchlichen Prozessierens auferlegt worden. Dieses Mittel läuft aber leer, wenn die Vollstreckung der festgesetzten Kosten unmöglich ist, weil der Rechtsuchende sich durch bloßes Verschweigen seiner Anschrift der Durchsetzung einer ihn treffenden Kostenlast entziehen könnte. Zudem ist auch die nicht disponible örtliche Zuständigkeit der Sozialgerichte theoretisch der Manipulation zugänglich, wenn alleine die Angabe einer Postanschrift ausreichend wäre. Hier hat der Kläger mit der bloßen Angabe einer Postanschrift zuerst in W1, sodann in S1, Schweiz, die örtliche erstinstanzliche Zuständigkeit des SG und dann des Sozialgerichts Berlin (s. S 13 R 202/24 ER, S 13 R 207/24) begründet, was den Vorschriften über die örtliche Zuständigkeit bzw. des gesetzlichen Richters (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG, s. BSG, Beschluss vom 18.11.2003, a.a.O.,) widerspricht. Der Kläger hat trotz Aufforderung keine schwerwiegenden beachtenswerten Gründe dargelegt oder gar glaubhaft gemacht bzw. nachgewiesen, weshalb die Berufung und die Klage auf Feststellung der Rechtswidrigkeit des Unterlassens der Erteilung einer Rentenauskunft unzulässig sind.

Das Begehren auf Verpflichtung der Beklagten zur Erteilung einer Rentenauskunft ist als Untätigkeitsklage (§ 88 SGG) auch missbräuchlich, da der Kläger selbst weiß, dass eine Rentenauskunft nur bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze zu erteilen ist (§ 109 Abs. 1 Satz 4 SGB VI), die längst überschritten ist. Das rechtsmissbräuchliche Begehren wird bekräftigt dadurch, dass bereits eine Rentenauskunft - von der Deutschen Rentenversicherung B1 - erteilt worden ist und der Kläger rechtzeitig (§ 99 SGB VI) einen Rentenantrag gestellt hat, was ein Rentenauskunftsbegehren von der Beklagten obsolet werden lässt.

Die Feststellungsklage ist als Fortsetzungsfeststellungsklage (vgl. Meyer-Ladewig/Keller/Schmidt, Kommentar zum SGG, 14. Auflage, § 131 Rdnr. 7c) darüber hinaus auch deshalb unzulässig, da kein berechtigtes Interesse (s. hierzu Meyer-Ladewig/Keller/Schmidt, a.a.O., Rdnr. 10 ff. m.w.N.) an der Feststellung besteht. Eine Wiederholungsgefahr besteht nicht, da eine Rentenauskunft –von welchem Rentenversicherungsträger auch immer-  nicht mehr zu erteilen ist. Ein Schaden für eine Amtshaftungsklage ist nicht ansatzweise ersichtlich. Der Kläger hat rechtzeitig einen Rentenantrag gestellt, so dass ein Schaden (s. aber den Zinsanspruch des § 44 SGB I) durch die unterbliebene Rentenauskunft der Beklagten ausgeschlossen erscheint, zumal von der Deutschen Rentenversicherung B1 eine Rentenauskunft vom 10.08.2023 erteilt worden ist.

Soweit der Kläger eine Entschädigung verlangt, ist hierüber nicht zu entscheiden. Der Senat ist zu einer Entscheidung über den mit der Klageänderung geltend gemachten Anspruch mangels Rechtswegzuständigkeit nicht berufen. Der Rechtsweg zu den Sozialgerichten ist weder für Amtshaftungsansprüche nach § 839 Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 34 GG noch für Schadensersatzansprüche, die in einem engen Zusammenhang mit solchen Ansprüchen stehen, eröffnet. Die Geltendmachung solcher Ansprüche ist nach § 40 Abs. 2 S. 1 VwGO, Art. 34 S. 3 GG, § 839 BGB und § 17 Abs. 2 S. 2 GVG ausdrücklich den ordentlichen Gerichten zur Entscheidung zugewiesen. Der Kläger ist darauf zu verweisen, seinen diesbezüglichen Anspruch dort geltend zu machen. Das GVG kennt eine Teilverweisung nicht und der Senat hat nur über den übrigen Teil der hier geltend gemachten Ansprüche zu entscheiden (BSG, Beschluss vom 20.10.2010, B 13 R 63/10 B, juris Rn. 23 f und 28 f; BSG, Beschluss vom 21.07.2016, B 3 SF 1/16 R, juris Rn. 9).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Im Rahmen des den Gerichten danach eingeräumten Ermessens sind alle Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen, insbesondere die Sach- und Rechtslage bzw. der Ausgang des Verfahrens (s. hierzu Meyer-Ladewig/Keller/Schmidt, Kommentar zum SGG, 14. Auflage, § 193 Rdnr. 12 ff.). Hiernach war für den Senat maßgeblich, dass das eingelegte Rechtsmittel und die hier erhobenen Klagen ohne Erfolg geblieben sind und kein berechtigter Anlass für dessen Einlegung bestanden hat. Bei einer Verwerfung eines Rechtsmittels hat das Gericht -anders als bei einer Zurückweisung (vgl. Beschluss des erkennenden Senates vom 19. November 2013, L 13 R 1662/12, juris)- in Abweichung vom Grundsatz der Einheitlichkeit der Kostenentscheidung nur über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zu entscheiden (so Lüdtke/Berchtold, Kommentar zum SGG, 5. Auflage, § 193 Rdnr. 8; Roos/Wahrendorf, Kommentar zum SGG, § 193 Rdnr. 8; a. A. BSG, Beschluss vom 23.04.2013, B 9 V 4/12 R, juris). Denn ein Rechtsmittel, das sich nur gegen die Kostenentscheidung richtet, hat der Gesetzgeber ausgeschlossen (Meyer-Ladewig/Keller/Schmidt, a. a. O., § 193 Rdnr. 16 m.w.N.), womit verhindert wird, dass das Rechtsmittelgericht trotz rechtskräftiger Entscheidung in der Hauptsache die Sach- und Rechtslage allein wegen der Kostenentscheidung zu prüfen hat und zu einer gegenüber der vorausgehenden Instanz abweichenden Auffassung gelangen kann. Eine vergleichbare Konstellation besteht, wenn ein Rechtsmittel in der Hauptsache zwar eingelegt wird, das aber unzulässig ist. Auch dann kann dem Rechtsmittelgericht nicht allein wegen der Kostenentscheidung die Kompetenz eingeräumt sein, die Erfolgsaussichten in der Hauptsache zu prüfen (vgl. BSG, Beschluss vom 12.09.2011, B 14 AS 25/11 B; BGH, Beschluss vom 15.05.2012, VI ZB 27/11; Hamburgisches OVG, Beschluss vom 07.12.2009, 5 So 192/09, alle veröffentlicht in Juris).

Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor. Es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung auf gesicherter Rechtsgrundlage, ohne dass der Senat von einer Entscheidung der in § 160 Abs. 2 Nr. 2 SGG genannten Gerichte abweicht.


 

Rechtskraft
Aus
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