Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landessozialgerichts RheinlandPfalz vom 27. September 2023 aufgehoben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.
Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf 44 317,44 Euro festgesetzt.
G r ü n d e :
I
1
Der Kläger wendet sich gegen die Verwerfung seiner Berufung als unzulässig. In der Sache streiten die Beteiligten um eine Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen und Umlagen aufgrund einer Betriebsprüfung.
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Der Kläger war alleiniger Inhaber eines Unternehmens, das Beton- und Estricharbeiten ausführte. Die Beklagte setzte nach einer Betriebsprüfung für den Prüfzeitraum vom 1.1.2014 bis zum 31.12.2017 einen Nachforderungsbetrag in Höhe von 44 317,44 Euro fest (Bescheid vom 25.2.2020, Widerspruchsbescheid vom 15.9.2020).
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Das SG hat die betroffenen Versicherungsträger und Arbeitnehmer notwendig beigeladen (Beschluss vom 30.9.2021). Nachdem die Zustellung des Beiladungsbeschlusses an die Beigeladenen teilweise fehlgeschlagen war, hat das SG nach erfolglosen Ermittlungen zu ladungsfähigen Anschriften die öffentliche Zustellung an diese Beigeladenen beschlossen (Beschluss vom 20.10.2021) und die Klage abgewiesen (Gerichtsbescheid vom 4.1.2022).
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Gegen den am 5.1.2022 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger durch seinen prozessbevollmächtigten Rechtsanwalt am 2.2.2022 Berufung eingelegt. Die Berufungsschrift ist dem LSG über das besondere Anwaltspostfach (beA) qualifiziert elektronisch signiert im Dateiformat DOCX übermittelt worden. Das LSG hat den Schriftsatz am 3.2.2022 ausgedruckt und mit dem Transfervermerk zur führenden Papierakte genommen. Mit Schreiben vom 22.3.2023 hat es den Kläger unter Verweis auf § 65a Abs 6 SGG darauf hingewiesen, dass die Berufungsschrift und der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) im Format DOCX eingereicht worden, elek-tronische Dokumente nach § 65a Abs 2 SGG iVm § 2 Abs 1 Satz 1 Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung (ERVV) jedoch zwingend im Dateiformat PDF zu übermitteln seien. Sei ein elektronisches Dokument für das Gericht zur Bearbeitung nicht geeignet, gelte es als zum Zeitpunkt der früheren Einreichung eingegangen, sofern der Absender es unverzüglich in einer für das Gericht zur Bearbeitung geeigneten Form nachreiche und glaubhaft mache, dass es mit dem zuerst eingereichten Dokument inhaltlich übereinstimme. Der Prozessbevollmächtigte des Klägers hat daraufhin nur die PKHErklärung nebst Anlagen im Format PDF eingereicht und an Eides statt die inhaltliche Übereinstimmung der "zuvor eingereichten Dokumente mit dem zuerst eingereichten Dokument" versichert.
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Das LSG hat die Beteiligten die Beigeladenen erneut zum Teil durch öffentliche Zustellung (Beschluss vom 9.8.2023) zur mündlichen Verhandlung geladen. Im Termin am 27.9.2023, in dem die durch öffentliche Zustellung geladenen Beigeladenen weder vertreten noch anwesend gewesen sind, hat es die Berufung des Klägers als unzulässig verworfen. Die im Format DOCX eingelegte Berufung entspreche nicht den formalen gesetzlichen Anforderungen und habe die Berufungsfrist nicht gewahrt. Das nicht im Dateiformat PDF übermittelte Dokument sei nicht i S von § 65a Abs 2 Satz 1 SGG iVm § 2 Abs 1 Satz 1 ERVV für die Bearbeitung bei Gericht geeignet gewesen. Die Bearbeitbarkeit könne auch nicht aufgrund des innerhalb der Berufungsfrist zur führenden Papierakte genommenen Ausdrucks angenommen werden. Das Gebot effektiven Rechtsschutzes gebiete keine andere Auslegung (Urteil vom 27.9.2023).
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Mit seiner Revision rügt der Kläger eine Verletzung des § 65a Abs 2 Satz 1 SGG iVm § 2 Abs 1 Satz 1 ERVV. Rein formale Verstöße gegen die ERVV bedingten bei führender Papierakte nicht die Formunwirksamkeit, wenn das Gericht die Datei ausdrucke und so weiterbearbeiten könne. Dies sei verfassungsrechtlich geboten.
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Der Kläger beantragt,
das Urteil des Landesozialgerichts RheinlandPfalz vom 27. September 2023 und den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mainz vom 4. Januar 2022 sowie den Bescheid der Beklagten vom 25. Februar 2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15. September 2020 aufzuheben.
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Der Beklagte beantragt,
die Revision des Klägers zurückzuweisen.
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Sie hält das angegriffene Urteil für zutreffend.
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Die zwecks Ladung zum Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat durch die Berichterstatterin veranlassten Ermittlungen zum Aufenthalt der vom LSG durch öffentliche Zustellung geladenen Beigeladenen haben für die Beigeladenen zu 11. und 13. Meldeanschriften ergeben, unter denen die jeweilige Ladung mittels Postzustellungsurkunde zugestellt worden ist.
II
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Die zulässige Revision des Klägers ist im Sinne der Aufhebung des angefochtenen Urteils und der Zurückverweisung der Sache an das LSG begründet (§ 170 Abs 2 Satz 2 SGG).
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1. Das Verfahren des LSG leidet an einem wesentlichen Mangel, den das Revisionsgericht im Revisionsverfahren von Amts wegen zu beachten hat. Jedenfalls die Beigeladenen zu 11. und 13. (im Folgenden: die Beigeladenen) waren im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem LSG am 27.9.2023 nicht iS des § 202 Satz 1 SGG (in der Fassung <idF> des Gesetzes zur Einführung einer zivilprozessualen Musterfeststellungsklage vom 12.7.2018, BGBl I 1151) iVm § 547 Nr 4 ZPO (idF der Bekanntmachung vom 5.12.2005, BGBl I 3202) nach Vorschrift der Gesetze vertreten. Dieser absolute Revisionsgrund erfasst auch die nicht ordnungsgemäße oder fehlende Ladung, wenn dadurch der Beteiligte weder selbst noch durch einen Bevollmächtigten an der mündlichen Verhandlung teilnehmen konnte (stRspr; vgl BSG Urteil vom 3.11.1993 1 RK 30/92 SozR 31500 § 75 Nr 21, juris RdNr 13 mwN, auch dort zur nicht ordnungsgemäßen Ladung eines Beigeladenen). Die Beigeladenen sind zu dem vom Berufungsgericht auf den 27.9.2023 anberaumten Termin nicht ordnungsgemäß geladen worden. Sie waren im Termin zur mündlichen Verhandlung weder anwesend noch vertreten.
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a) Terminbestimmungen und Ladungen sind nach § 63 Abs 1 Satz 2 SGG bekanntzugeben. Die Zustellung stellt eine Form der Bekanntgabe dar (vgl § 166 Abs 1 ZPO idF der Bekanntmachung vom 5.12.2005, BGBl I 3202), die sich nach den Vorschriften der ZPO bestimmt (§ 63 Abs 2 Satz 1 SGG idF des Zustellungsreformgesetzes vom 25.6.2001, BGBl I 1206). Nach § 185 Nr 1 ZPO (idF der Bekanntmachung vom 5.12.2005 aaO) kann die Zustellung durch öffentliche Bekanntmachung (öffentliche Zustellung) erfolgen, wenn der Aufenthaltsort einer Person unbekannt und eine Zustellung an einen Vertreter oder Zustellungsbevollmächtigten nicht möglich ist. Unbekannt ist der Aufenthalt einer Person nur dann, wenn nicht nur das Gericht, sondern auch die Allgemeinheit den Aufenthalt des Zustellungsadressaten nicht kennt (vgl BGH Beschluss vom 22.2.2024 V ZR 117/23 juris RdNr 9).
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Bei einer öffentlichen Bekanntmachung nach § 185 Nr 1 ZPO gilt das Schriftstück als zugestellt, wenn seit dem Aushang der Benachrichtigung ein Monat oder eine vom Prozessgericht bestimmte längere Frist vergangen ist (§ 202 Satz 1 SGG iVm § 188 ZPO idF der Bekanntmachung vom 5.12.2005 aaO). Diese Zustellungsfiktion ist wegen des Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art 103 Abs 1 GG, § 62 SGG) verfassungsrechtlich nur zu rechtfertigen, wenn eine andere Art der Zustellung aus sachlichen Gründen nicht oder nur schwer durchführbar ist, sei es wegen des unbekannten Aufenthalts des Zustellungsempfängers, sei es wegen der Vielzahl oder der Unüberschaubarkeit des Kreises der Betroffenen (vgl BVerfG <Kammer> Beschluss vom 26.10.1987 1 BvR 198/87 NJW 1988, 2361). Der Anspruch auf rechtliches Gehör garantiert den Beteiligten das Recht, vor einer Entscheidung, die ihre Rechte betrifft, zu Wort zu kommen, um Einfluss auf das Verfahren und sein Ergebnis nehmen zu können; insbesondere müssen sie grundsätzlich die Gelegenheit erhalten, an der mündlichen Verhandlung teilzunehmen (BSG Beschluss vom 16.12.2021 B 9 V 10/21 B SozR 41500 § 62 Nr 25 RdNr 22). Da bei einer öffentlichen Zustellung bei lebensnaher Betrachtung in aller Regel keine tatsächliche Kenntnisnahme des Empfängers erfolgt (vgl Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Schmidt, SGG, 14. Aufl 2023, § 63 RdNr 17; BFH Urteil vom 6.6.2000 VII R 55/99 BFHE 192, 200, 203 - juris RdNr 11 jeweils mwN), darf sie als ultima ratio nur angeordnet werden, wenn zuvor alle der Sache nach geeigneten und zumutbaren Nachforschungen angestellt wurden, um den Aufenthalt des Zustellungsadressaten zu ermitteln; eine Anfrage beim Einwohnermeldeamt reicht nicht in jedem Fall aus (vgl BSG Beschluss vom 5.7.2018 B 8 SO 50/17 B juris RdNr 7; BGH Beschluss vom 17.1.2017 VIII ZR 209/16 juris RdNr 4; BFH Beschluss vom 25.2.2016 X S 23/15 <PKH> juris RdNr 19). Unterlässt das Gericht solche Nachforschungen, ist die öffentliche Zustellung unwirksam (BVerfG Beschluss <Kammer> vom 14.6.2004 2 BvR 430/03 BVerfGK 3, 264, juris RdNr 18).
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b) Gemessen daran ist den Beigeladenen die Ladung zum Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem LSG nicht wirksam bekanntgegeben worden. In der Berufungsinstanz sind zumutbare Ermittlungen zum jeweiligen Aufenthaltsort unterblieben. Damit war ein (allgemein) unbekannter Aufenthalt im Zeitpunkt der Beschlussfassung über die öffentliche Zustellung am 9.8.2023 nicht nachgewiesen. Die vom SG eingeholten Auskünfte aus dem Jahre 2021 haben eigene Ermittlungen des LSG nicht entbehrlich gemacht. Ein zeitnaher Nachweis für einen unbekannten Aufenthalt ist regelmäßig nicht mehr anzunehmen, wenn dokumentierte Nachforschungen bereits mehr als ein Jahr zurückliegen (vgl BGH Urteil vom 19.12.2001 VIII ZR 282/00 BGHZ 149, 311, 314 - juris RdNr 17; BGH Urteil vom 3.5.2016 II ZR 311/14 juris RdNr 40).
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c) Tatsächlich bestehen nach den Ergebnissen der vom Senat durchgeführten Ermittlungen Anhaltspunkte dafür, dass der Aufenthalt der Beigeladenen im Zeitpunkt der Entscheidung des LSG über die öffentliche Zustellung am 9.8.2023 der Allgemeinheit nicht unbekannt war. Für die Beigeladenen waren für den Beigeladenen zu 11. mit Einzug am 4.4.2022 und den Beigeladenen zu 13. mit Einzug am 21.10.2022 ausweislich der im Revisionsverfahren eingeholten Auskünfte im Bundesgebiet Wohnsitze gemeldet. Unter der jeweiligen Anschrift konnte die Ladung zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat mittels Postzustellungsurkunde zugestellt werden.
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d) Eine Heilung des Zustellungsmangels ist nicht eingetreten. Nach § 189 ZPO (idF der Bekanntmachung vom 5.12.2005, aaO) gilt: Lässt sich die formgerechte Zustellung eines Dokuments nicht nachweisen oder ist das Dokument unter Verletzung zwingender Zustellungsvorschriften zugegangen, so gilt es in dem Zeitpunkt als zugestellt, in dem das Dokument der Person, an die die Zustellung dem Gesetz gemäß gerichtet war oder gerichtet werden konnte, tatsächlich zugegangen ist. Dass den Beigeladenen die Ladung zur mündlichen Verhandlung am 27.9.2023 unabhängig von der öffentlichen Zustellung vor dem Termin tatsächlich zugegangen oder bekannt geworden wäre, ist nicht ersichtlich. Sie haben auch nicht selbst oder durch einen Vertreter an der mündlichen Verhandlung teilgenommen.
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2. Lediglich im Interesse eines prozessökonomischen Fortgangs des Verfahrens weist der Senat ohne dass dies hier tragend zu entscheiden ist darauf hin, dass das LSG die Berufung des Klägers zu Unrecht mit der Begründung als unzulässig verworfen haben dürfte, sie sei nicht formgerecht innerhalb der Berufungsfrist eingelegt worden. In Anlehnung an die Rechtsprechung des BAG (Beschluss vom 29.6.2023 3 AZB 3/23 BAGE 181, 301 -juris RdNr 11) dürfte die elektronische Übermittlung eines Dokuments ausschließlich im Dateiformat PDF trotz der Vorgabe in § 65a Abs 2 Satz 1 SGG (idF des Justizkommunikationsgesetzes vom 22.3.2005, BGBl I 837) iVm § 2 Abs 1 Satz 1 ERVV (idF des Gesetzes zum Ausbau des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten und zur Änderung weiterer Vorschriften vom 5.10.2021, BGBl I 4607) jedenfalls dann keine zwingende Voraussetzung für die Bearbeitbarkeit eines elektronischen Dokuments darstellen, wenn wie hier weiterhin die Papierakte führend war, der Schriftsatz druckbar war und tatsächlich fristgerecht ausgedruckt zur führenden Papierakte genommen wurde. Offenbleiben kann insoweit auch, ob der Hinweis des LSG vom 22.3.2023 auf die Notwendigkeit des Dateiformats PDF mit Blick auf die bereits verstrichene Zeit und die faktische Bearbeitung durch das LSG den Anforderungen des § 65b Abs 6 Satz 1 SGG (idF des Gesetzes zum Ausbau des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten und zur Änderung weiterer Vorschriften vom 5.10.2021 aaO) genügt hat. Danach ist dem Absender unter Hinweis auf die Unwirksamkeit des Eingangs "unverzüglich" mitzuteilen, dass ein elektronisches Dokument für das Gericht zur Bearbeitung nicht geeignet ist.
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3. Die Kostenentscheidung bleibt der den Rechtsstreit abschließenden Entscheidung vorbehalten.