Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
18
1. Instanz
SG Bayreuth (FSB)
Aktenzeichen
S 3 RJ 394/01
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 18 R 585/03
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Zur Frage der Haushaltsaufnahme und des überwiegenden Unterhalts iS des § 48 Abs 3 Nr 2 SGB VI eines Enkelkindes, wenn die verstorbene Versicherte zur Familie des Enkelkindes gezogen ist und zum Zeitpunkt des Zuzugs bereits pflegebedürftig war.
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts
Bayreuth vom 02.10.2003 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen
Tatbestand:
Der Kläger begehrt von der Beklagten im Rahmen eines Überprüfungsverfahrens nach § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) die Gewährung von Halbwaisenrente aus der Versicherung der verstorbenen Großmutter, Fr. M. A. (= M.A.).
Am 19.09.1995 wurde für den 1976 geborenen Kläger, der türkischer Staatsangehöriger ist, Antrag auf Gewährung von Halbwaisenrente aus der Versicherung der 1930 geborenen und am 11.02.1992 verstorbenen M.A. bei der LVA Rheinprovinz gestellt und dabei auf die bei ihm vorliegende Behinderung hingewiesen. In der Anlage zum Antrag auf Halbwaisenrente wurde sinngemäß angegeben, dass die Versicherte die Kosten für Kleidung, Wohnung, Essen etc. des Klägers getragen habe. Mit Bescheid vom 12.08.1988 war M.A. für die Zeit ab 01.02.1985 eine Auslandsrente gewährt worden, weil sie im Januar 1985 aus der Bundesrepublik Deutschland in die Türkei zurückgekehrt war. Seit 01.08.1987 hatte M.A. eine Erwerbsunfähigkeitsrente in Höhe von 611,67 DM bezogen.
Nachdem die Beklagte von der Schwägerin der Versicherten, A. A. (= A.A.), am 24.08.1996 eine Auskunft eingeholt hatte, lehnte sie mit Bescheid vom 19.11.1996 den Antrag auf Gewährung einer Waisenrente nach § 48 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) ab. Von einer Haushaltsaufnahme im geforderten Sinne könne nicht gesprochen werden, denn der Kläger habe zusammen mit seinen Eltern im Haushalt der Großeltern gewohnt bzw. diese o.g. Personen hätten einen gemeinsamen Haushalt unterhalten. Ein Erziehungs- und Betreuungsverhältnis durch die Großmutter sei zu verneinen, da sich der Kläger noch in der Obhut der leiblichen Mutter befunden habe. Obwohl die Versicherte die finanziellen Mittel zur Bestreitung des Lebensunterhalts der Enkelkinder erbracht habe, sei seine Mutter an der Haushaltsführung sowie an der Beaufsichtigung, Erziehung und Pflege des Klägers in vollem Umfang beteiligt gewesen. Von einem überwiegenden Unterhalt durch die Großmutter sei somit nicht auszugehen. Dieser Bescheid wurde bestandskräftig.
Am 07.04.2000 beantragte der Kläger die Überprüfung des Bescheides vom 19.11.1996 gemäß § 44 SGB X. Nach Rückfrage unter Hinzuziehung eines Dolmetschers sei ausdrücklich in einem persönlichen Gespräch geklärt worden, dass der Kläger von der Großmutter erzogen und betreut worden sei. Auch habe sie durch den in Deutschland erworbenen Rentenanspruch den Unterhalt überwiegend bestritten. Mit Bescheid vom 26.04.2000 lehnte die Beklagte den Antrag auf Rücknahme des Bescheides vom 19.11.1996 aus der Versicherung der M.A. nach § 44 SGB X ab. Aufgrund der Einlassungen des Klägers habe die Unrichtigkeit des Bescheides vom 10.11.1996 nicht festgestellt werden können. Den hiergegen am 15.05.2000 eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 13.10.2000 zurück. Die Voraussetzungen einer Haushaltsaufnahme seien im vorliegenden Fall nicht erfüllt, denn der Kläger habe zusammen mit seinen Eltern und seiner Großmutter in einem gemeinsamen Haushalt gewohnt. Das Familienband eines Kindes mit den Eltern sei in einem derartigen Fall enger als das mit den Großeltern und daher vorrangig. Zum Zwecke der Begründung einer Haushaltsaufnahme durch die Großmutter wäre dieser Sachverhalt nur dann geeignet, wenn sie neben Gewährung nicht unerheblichen Unterhalts tatsächlich die Wohnungsgewährung und die Zuwendung von Fürsorge im erforderlichen Umfang erbracht hätte. Von einer überwiegenden Unterhaltsleistung der Versicherten sei ebenfalls nicht auszugehen. Neben der Großmutter habe der Kindsvater im Rahmen seiner Möglichkeiten in gleicher Weise seine finanziellen Mittel zur Bestreitung des Lebensunterhalts der gesamten Familie erbracht. Nachdem außerdem die Fürsorge- und Betreuungsleistungen für das Kind den Eltern in vollem Umfange zuzurechnen seien, seien diese zumindest in Bezug auf dessen Unterhalt angemessen beteiligt gewesen.
Hiergegen hat der Kläger am 29.10.2000 Klage zum Sozialgericht Düsseldorf erhoben.
Zur Klagebegründung hat der Kläger mit Schriftsatz vom 05.04.2001 u.a. zwei Bestätigungen der Tochter der Versicherten, S. A. (= S.A.), übersandt.
Mit Beschluss vom 14.05.2001 hat sich das Sozialgericht Düsseldorf für örtlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an das zuständige Sozialgericht Bayreuth (SG) verwiesen. Sowohl das Sozialgericht Düsseldorf als auch das SG haben von S.A. Auskünfte eingeholt, wobei diese Arztbriefe des Herzkrankenhauses K. vom 12.03.1991 und vom S. Krankenhaus P. übersandt hat.
Mit Urteil vom 02.10.2003 hat das SG die Klage abgewiesen. Die zulässige Klage erweise sich als unbegründet, weil dem Kläger kein Anspruch auf Gewährung von Halbwaisenrente nach § 48 Abs 1 SGB VI zustehe. Der Kläger sei nicht in den Haushalt der Versicherten aufgenommen worden, weil diese über keinen Haushalt verfügt habe. Die Versicherte sei in den Haushalt ihrer Tochter, S.A., aufgenommen worden, nicht umgekehrt. Dies ergebe sich schon daraus, dass die Versicherte viel zu krank gewesen sei, um selbst einen Haushalt führen zu können. Darüber hinaus habe ihre Tochter mehrfach angegeben, dass sie die sehr kranke Mutter habe ständig pflegen müssen. Indizwirkung habe auch, dass der Haushalt der Familie A. schon am identischen Ort bestanden habe, bevor die Versicherte dort aufgenommen worden sei. Es spiele an dieser Stelle keine Rolle, ob die Haushaltsaufnahme der Versicherten im Haushalt ihrer Tochter bereits im Jahr 1985 erfolgt sei oder erst später, als ihre Erkrankung fortgeschritten gewesen sei. Zu keinem Zeitpunkt habe der Haushalt der Familie A. als Haushalt der Versicherten aufgefasst werden können. Die Kammer übersehe dabei nicht, dass ein Haushalt eines Großelternteils auch dann angenommen werden könne, wenn der Großelternteil zur bisherigen Familie hinzugezogen sei. Es müsse sich dann jedoch zumindest auch um einen Haushalt des Großelternteils gehandelt haben, d.h. dieser versicherte Großelternteil müsse zur "Führung" des Haushalts in zumindest gleicher Weise, d.h. zumindest gleichwertig, beigetragen haben wie die Mutter des Kindes, sei es durch Arbeiten im Haushalt oder durch einen entsprechenden finanziellen Beitrag Ein solcher Sachverhalt liege allerdings nicht vor. Nach der Darstellung von S.A. habe die Versicherte im Haushalt keinerlei Dienste geleistet, vielmehr sei sie betreut worden. Der von der Versicherten neben ihrem Schwiegersohn geleistete finanzielle Beitrag sei nicht soweit gegangen, dass der bisherige Haushalt nun zu ihrem geworden sei. Teilweise habe auch der Ehemann von S.A. mit seinem Einkommen zum Haushalt beigetragen; außerdem müsse ein wesentlicher Anteil der finanziellen Beiträge von der Versicherten rechtlich als Abgeltung beträchtlicher Versorgungs- und Pflegeleistungen betrachtet werden. Dabei dürfe nicht übersehen werden, dass die Versicherte Wohnung, Nahrung, Betreuung und Pflege durch ihre Tochter erhalten habe. Es seien also zu betrachten die Kosten für Wohnung, Lebensmittel, Haushaltsleistungen (Wäschewaschen, Zubereitung der Nahrung) und die besonderen Pflegeleistungen wegen der Erkrankung der Versicherten. Angesichts dieses Tatbestandes lasse sich nicht mehr sagen, dass der Haushaltsbeitrag der Versicherten gleichwertig gegenüber dem Haushaltsbeitrag ihrer Tochter und des Schwiegersohns gewesen sei.
Der Kläger sei von der Versicherten auch nicht überwiegend unterhalten worden. Zu beachten sei hier zunächst, dass die Versicherte für ihr Enkelkind keinerlei Betreuungs- und Erziehungsleistungen erbracht habe. Betreuungsleistungen habe sie nicht erbracht, weil sie selbst auf Pflege angewiesen gewesen sei. Erziehungsleistungen habe sie nicht erbracht, weil ihre Tochter und der Schwiegersohn die ständigen Erziehungsmaßnahmen durchgeführt und die notwendigen Entscheidungen gemeinsam getroffen hätten. Es sei auch nicht nachgewiesen, dass der grundsätzlich gleichwertige Barunterhalt erbracht worden sei. An der vom Landessozialgericht (LSG) für das Land Niedersachsen in seinem Urteil vom 12.12.1996 (Az: L 1 An 180/95) formulierten Voraussetzung, wonach der Nachweis erforderlich sei, dass die Unterhaltsbeiträge des Versicherten ausschließlich für den Unterhalt der Waisen und nicht zum Bestreiten des finanziellen Lebensbedarfs der Familie insgesamt bestimmt gewesen seien, fehle es hier. In Anbetracht der Tatsache, dass die Zahlungen der Versicherten in starkem Maße der Bestreitung ihres eigenen Unterhalts (Wohnung, Nahrungsmittel, Haushaltsleistungen) und zusätzlich der erforderlichen Pflege gedient hätten, lasse sich nicht die Aussage treffen, dass gewisse Unterhaltsbeiträge ausschließlich für den Unterhalt des Klägers bestimmt gewesen seien.
Hiergegen richtet sich die am 05.11.2003 beim Bayer. LSG eingegangene Berufung des Klägers. Es werde auf die Urteile des Bundessozialgerichts (BSG) vom 04.08.1985 (Az:
2 RU 67/84) und des LSG Nordrhein-Westfalen vom 29.06.2001 (Az: L 3 RJ 233/98) verwiesen. Nach der Entscheidung des BSG vom 30.01.2002 (Az. B 5 RJ 34/01 R) sei es unerheblich, dass die Versicherte krankheitsbedingt in der letzten Zeit nicht mehr in der Lage gewesen sei, wesentliche Betreuungsleistungen für ihn zu erbringen. Es sei davon auszugehen, dass die Versicherte - solange sie dazu gesundheitlich in der Lage gewesen sei - Betreuungsunterhalt im Umfang von mindestens einem Viertel des insgesamt für ihn aufzubringenden zeitlichen Betreuungsaufwandes geleistet habe. Barunterhalt und Naturalunterhalt seien grundsätzlich gleich zu bewerten. Er sei von der Versicherten auch überwiegend unterhalten worden. Nach den vorliegenden Unterlagen habe die Versicherte, die Enkelkinder sowie die Kindesmutter und deren Ehegatte von 1983 bis zum Tode der Versicherten in einem Haushalt gelebt. Die Versicherte habe seit dem 01.08.1987 eine Erwerbsunfähigkeitsrente bezogen. Somit sei davon auszugehen, dass die Versicherte bis zu diesem Zeitpunkt voll in der Lage gewesen sei, die Betreuungsleistungen für das Enkelkind zu erbringen. Es sei auf das BSG-Urteil vom 20.04.1992 - Az. 5 RJ 28/96 - zu verweisen.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Bayreuth vom 02.10.2003 und den Bescheid der Beklagten vom 26.04.2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.10.2001 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm unter Rücknahme des Bescheids vom 19.11.1996 auf den Antrag vom 04.04.2000 Halbwaisenrente nach den gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Bayreuth vom 02.10.2003 zurückzuweisen.
Der dem Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen vom 29.06.2001 zugrunde liegende Sachverhalt unterscheide sich vom vorliegenden schon dadurch ganz wesentlich, dass im zitierten LSG-Urteil die Versicherte und Großmutter der Klägerin diese und die Enkelin von Geburt an habe versorgen müssen. Auch sei die Mutter der Klägerin später gesundheitlich dazu nicht mehr in der Lage gewesen und habe selbst von der Großmutter betreut werden müssen. Ferner habe in diesem "Parallelfall" zum Vater kein Kontakt bestanden. Im Gegensatz hierzu sei im streitbefangenen Verfahren die Versicherte krank und pflegebedürftig gewesen und deshalb in den Haushalt ihrer Tochter aufgenommen worden. Nach den Angaben der Tochter habe die Versicherte im Haushalt der Tochter keine Arbeiten verrichtet. Auch erscheine es nicht nachvollziehbar, wenn behauptet werde, dass die Großmutter ihren Enkel überwiegend unterhalten habe. Allein aus den im Haushalt der S.A. lebenden Personen werde ersichtlich, dass die behaupteten Unterhaltsbeiträge durch die Großmutter keinesfalls im maßgeblichen Umfang an den Enkel und Kläger geflossen sein könnten. Zunächst sei hierbei zu beachten, dass letztlich das Einkommen bzw. die Rente der Versicherten als Abgeltung für die Haushaltsaufnahme (Miete, Verpflegung, Haushaltsleistungen usw.) und die erheblichen Betreuungsleistungen benötigt worden sei. Es dürfe zudem wiederholt werden, dass dann, wenn nicht ausgeschlossen werden könne, dass der von der Versicherten geleistete Unterhalt nicht ausschließlich für den Kläger erbracht worden sei, sondern z.B. zum Bestreiten des finanziellen Lebensbedarfs der Familie insgesamt, es am erforderlichen Nachweis mangele. Letztlich komme man auch unter Berücksichtigung des von der Klägerseite zitierten LSG-Urteils vom 29.06.2001 zu keinem Waisenrentenanspruch. Die vierköpfige Familie habe sowohl vor als auch nach dem Zuzug der kranken Großmutter ihre Kinder bzw. den Kläger versorgt und betreut und sei dazu auch in der Lage gewesen. Durch die Versicherte sei keine Lücke entstanden, die vergleichbar sei, die ein Elternteil hinterlasse, wenn er versterbe. Nach den Angaben der Mutter des Klägers sei die Versicherte bereits zum Zeitpunkt der Rückkehr in die Türkei erkrankt gewesen. Nachdem sich die Versicherte bei anderen Verwandten als "Gast" gefühlt habe und offensichtlich sonst niemand zur Verfügung gestanden sei, der über ausreichend Zeit für die intensive Betreuung der Versicherten verfügt habe, hätten die Klägerin und ihr Ehemann die Versicherte in ihren Haushalt aufgenommen. Als Gegenleistung habe die Großmutter mit ihrer Rente die Familie unterstützt, die zumindest nach Angaben der Mutter des Klägers über geringe Einnahmen verfügt habe. Dass die Einnahmen der Versicherten zur allgemeinen Sicherstellung des Familienunterhalts gedient hätten und nicht nur als Unterhalt für den Kläger, belege zum einen der Umstand, dass die Rente der Versicherten nicht einmal die Mietausgaben der Familie gedeckt habe, zum anderen auch die Tatsache, dass neben der Versicherten auch noch der Vater des Klägers sowie weitere Familienmitglieder zum Familienunterhalt beigetragen hätten. Anders als im vom LSG (aaO) entschiedenen Fall habe krankheitsbedingt zwischen der Großmutter und dem Enkelkind ein familienähnliches Betreuungsband wie zwischen einem Elternteil und einem Kind nie wieder aufgebaut werden können.
Der Senat hat S.A. als Zeugin gemäß § 118 Sozialgerichtsgesetz (SGG) i.V.m. § 377 Abs 3 Zivilprozessordnung (ZPO) schriftlich befragt und die Akten der Beklagten und des SG beigezogen. Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf den Inhalt der beigezogenen Akten und der Gerichtsakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht am 05.11.2003 eingelegte Berufung ist auch im Übrigen zulässig (§§ 143, 144, 151 SGG).
Die Berufung erweist sich als nicht begründet. Dem Kläger steht gegen die Beklagte kein Anspruch auf Rücknahme des Bescheids vom 19.11.1996 gemäß § 44 SGB X und Gewährung von Halbwaisenrente gemäß § 48 Abs 3 Nr 2, Abs 4 Nr 2 d SGB VI zu, denn er war weder in den Haushalt der Versicherten M.A. aufgenommen noch von ihr überwiegend unterhalten worden.
Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, ist der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, § 44 Abs 1 Satz 1 SGB X.
Gemäß § 48 Abs 1 SGB VI haben Kinder nach dem Tode eines Elternteils Anspruch auf Halbwaisenrente, wenn
1. sie noch einen Elternteil haben, der unbeschadet der wirtschaftlichen Verhältnisse un-
terhaltspflichtig ist, und
2. der verstorbene Elternteil die allgemeine Wartezeit erfüllt hat.
Als Kinder werden auch berücksichtigt (Abs 3)
1 ...
2. Enkel und Geschwister, die in den Haushalt des Verstorbenen aufgenommen waren
oder von ihm überwiegend unterhalten wurden.
Der Anspruch auf Halb- oder Vollwaisenrente besteht längstens (Abs 4)
2. bis zur Vollendung des 27. Lebensjahres, wenn die Waise
d) wegen körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung außerstande ist, sich
selbst zu unterhalten.
Die Voraussetzungen der Nr 2 des § 48 Abs 3 SGB VI sind im vorliegenden Rechtsstreit nicht erfüllt. Der Bescheid vom 19.11.1996 ist rechtlich nicht zu beanstanden.
Zur Überzeugung des Senats steht fest, dass der Kläger nicht in den Haushalt der Versicherten M.A. aufgenommen worden ist.
Das BSG hat das Tatbestandsmerkmal der Haushaltsaufnahme im Laufe der Zeit mit unterschiedlichen Formulierungen umschrieben (vgl. z.B. Urteile vom 22.07.1960 - 3 RJ 40/58 - BSGE 12, 288 = SozR Nr 7 zu § 1258 Reichsversicherungsordnung aF; vom 21.12.1960 - 7 RKg 7/57 - BSGE 13, 265 = SozR Nr 4 zu § 2 Kindergeldgesetz ; vom 12.09.1963 - 4 RJ 151/62 - BSGE 20, 26 = SozR Nr 8 zu § 1262 RVO; vom 22.11.1963 - 7 RKg 2/61 - BSGE 20, 91 = SozR Nr 10 zu § 2 KGG; vom 30.06.1966 - 12 RJ 162/64 - BSGE 25, 109 = SozR Nr 14 zu § 2 KGG; vom 26.06.1969 - 4 RJ 137/68 - BSGE 29, 294 = SozR Nr 20 zu § 1262 RVO; vom 10.12.1970 - 5 RJ 441/69 - SozR Nr 43 zu § 1267 RVO; vom 18.08.1971 - 4 RJ 411/70 - BSGE 33, 105 = SozR Nr 45 zu § 1267 RVO; vom 11.07.1972 - 5 RJ 392/71 - SozR Nr 30 zu § 1262 RVO; vom 10.08.1972 - 4 RJ 247/71 - SozR Nr 31 zu § 1262 RVO; vom 19.10.1977 - 4 RJ 57/76 - BSGE 45, 67 = SozR 2200 § 1262 Nr 11; vom 28.06.1979 - 8b RKg 3/78 - SozR 5870 § 2 Nr 16). Nach der neueren Rechtsprechung des BSG, dem sich der 5.Senat mit Urteil vom 30.01.2002 (Az: B 5 RJ 34/01 R) anschließt, kommt es insoweit auf das Bestehen einer Familiengemeinschaft an, die eine Schnittstelle von Merkmalen örtlicher (Familienwohnung), materieller (Vorsorge, Unterhalt) und immaterieller Art (Zuwendung von Fürsorge, Begründung eines familienähnlichen Bandes) darstellt. Diese drei Arten von Kriterien stehen in enger Beziehung zueinander und können sich auch teilweise überschneiden; keines davon darf jedoch gänzlich fehlen (vgl. BSG Urteile vom 15.03.1988 - 4/11a RA 14/87 - BSGE 63, 79 = SozR 2200 § 1267 Nr 35, vom 22.04.1992 - 5 RJ 28/91 - SozR 3-2200 § 1267 Nr 2 und vom 08.07.1998 - B 13 RJ 97/97 R - SozR 3-2200 § 1267 Nr 6; stRspr).
Den vorgenannten Entscheidungen lagen Sachverhalte zu Grunde, bei denen Großeltern (Teile) Enkel (und Tochter) in ihren bereits zuvor bestehenden Haushalt aufgenommen hatten. Das Bestehen eines eltern- bzw. familienähnlichen Bandes wurde "jedenfalls solange" angenommen, wie der Enkel (mit seiner Mutter) bei dem versicherten Großelternteil wohnte (vgl. BSG, Urteil vom 08.07.1998 - B 13 RJ 97/97 R - SozR 3-2200 § 1267 Nr 6), der Mutter und den Großeltern der Haushalt, in dem der Enkel lebte, zumindest gemeinsam zuzuordnen war (vgl. BSG, Urteil vom 10.02.1983 - 5b RJ 56/81 - Volltext in JURIS) und der Großelternteil mithin neben der Wohnungsgewährung und Zuwendung von Fürsorge nicht unerheblichen Bar- oder/und Betreuungsunterhalt leistete (BSG, Urteil vom 22.04.1992 - 5 RJ 28/91 - SozR 3-2200 § 1267 Nr 2). Dabei hat die Rechtsprechung des BSG nie die "Unterhaltsfunktion" der Hinterbliebenenrente aus den Augen verloren und die Situation des mit einem Großelternteil und der Mutter zusammenlebenden Enkels stets mit der "Versorgungssituation" im elterlichen Haushalt verglichen (z.B. BSG, Urteil vom 15.03.1988 - 4 /11a RA 14/87 - BSGE 63, 79 = SozR 2200 § 1267 Nr 35 mwM).
In Übereinstimmung mit der Entscheidung des BSG vom 30.01.2002 (Az: B 5 RJ 34/01 R) hält der Senat eine Haushaltsaufnahme auch dann nicht für von vorneherein ausgeschlossen, wenn der Enkel nicht in den Haushalt des versicherten Großelternteils aufgenommen worden ist, sondern der Großelternteil zu Mutter/Vater und Kind gezogen ist.
Es muss sich jedoch dann zumindest auch um einen Haushalt des Großelternteils gehandelt haben, d.h. dieser versicherte Großelternteil muss zur "Führung" des Haushalts in zumindest gleicher Weise, d.h. mindestens gleichwertig, beigetragen haben wie die Mutter bzw. der Vater des Kindes, sei es durch Arbeiten im Haushalt oder durch einen entsprechenden finanziellen Beitrag (vgl. BSG Urteil vom 30.01.2002 aaO). Mutter und Großelternteil müssen den Haushalt in ähnlicher Weise bestritten haben, wie es §§ 1356, 1360, 1360a Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) in der ehelichen Lebensgemeinschaft von Ehegatten untereinander verlangen. Ist ein Anspruch auf Halbwaisenrente zu beurteilen, so steht der Tod eines versicherten Großelternteils dem Tod eines Elternteils (insoweit) gleich. Ehegatten können zwar den Familienunterhalt, wozu auch die Haushaltsführung zählt, frei gestalten; beide müssen jedoch ihren Teil zum Bestreiten des Haushalts - durch Hausarbeit oder Abdeckung der Kosten - beitragen.
Ein solcher Sachverhalt liegt hier schon deshalb nicht vor, weil die Versicherte M.A. nach der Aussage der Zeugin S.A. im Haushalt keinerlei Dienste geleistet hat. Nach den wiederholten und - insoweit widerspruchsfreien - Angaben der Zeugin S.A. war die Versicherte nämlich bereits zum Zeitpunkt der Haushaltsaufnahme pflegebedürftig und hat ständig betreut und gepflegt werden müssen. Dass die Zeugin S.A. einerseits im Klageverfahren als Zeitpunkt der Haushaltsaufnahme der M.A. das Jahr 1992 angab, andererseits mehrfach, d.h. auch während des Klageverfahrens und zuletzt im Rahmen der schriftlichen Zeugenbefragung im Berufungsverfahren ausgesagt hat, dass sie ihre erkrankte Mutter zum Zwecke der Pflege im Jahr 1984 in ihren Haushalt aufgenommen hat - was wegen der Rückkehr der M.A. in die Türkei erst im Januar 1985 schon nicht glaubhaft ist -, d.h. widersprüchliche Angaben zum Zeitpunkt der Haushaltsaufnahme der M.A. gemacht hat, ist letztlich ohne rechtliche Relevanz. Denn die wiederholten und in sich widerspruchsfreien Angaben der Zeugin S.A., ihre Mutter sei bereits im kranken Zustand aus der Bundesrepublik Deutschland in die Türkei zurückgekehrt und schon zum Zeitpunkt der Haushaltsaufnahme pflegebedürftig gewesen, wird durch die vorgelegten ärztlichen Unterlagen bestätigt. Danach war die Versicherte schwer herz- und krebskrank. Ebenso scheidet eine "Haushaltsaufnahme" durch Leistung eines gleichwertigen Haushaltsbeitrags der Versicherten M.A. aus. Denn es haben außer ihr noch andere Personen zum Familienunterhalt beigetragen und für sie sind Versorgungs- und Pflegeaufwendungen in Höhe von monatlich mindestens 12.000,00 TRY erbracht worden. Insoweit hat die Zeugin S.A. in ihrer schriftlichen Zeugenaussage vom 21.08.2006 erklärt, dass sie für Medikamente und ärztliche Behandlung der Versicherten ab 1984 monatlich einen Betrag aufgewendet hätten, der heute ca. 10.000,00 TRY entspreche. Für Essen, Bekleidung und andere Bedürfnisse ihrer Mutter M.A. hätten sie ab dem Datum der Haushaltsaufnahme monatlich einen Betrag aufgewendet, der heute ca. 2.000,00 TRY entspreche. Für diese Aufwendungen seien folgende Einnahmen verwendet worden:
1. Bankkonto von M.A. mit 20.000,00 DM
2. Erlös aus dem Verkauf der Immobilie (Grundstück von M.A. in A-Stadt)
3. von ihrem (S.A.) monatlichen Gewinn aus ihrer selbstständigen Tätigkeit, entspreche
heute etwa 2.000,00 TRY
4. Zuwendungen der Tochter von M.A., ihrer Schwester, P. (A.) Y. zu diversen Zeiten und in verschiedenen Höhen
5. vom Gewinn ihres verstorbenen Ehemannes H. I. A., den er als Taxifahrer
verdient hat
6. Erlös aus dem Verkauf des Goldschmucks und der Aktien von ihr (S.A.) und ihrer
Schwester P.Y.
Ihr Ehemann H.A. habe, nachdem sie ihre Mutter M.A. bei sich aufgenommen habe, durchschnittlich einen Betrag verdient, der heute monatlich 2.000,00 TRY entspreche. Nach Aufnahme von M.A. habe die Familie bis zu deren Tod von ihrer Schwester P.Y. zu
diversen Zeiten und in verschiedenen Höhen Hilfen erhalten.
Aus der Würdigung der schriftlichen Zeugenaussage von S.A. ergibt sich, dass der Betrag der monatlichen Rente der Versicherten nicht einmal ausgereicht hat, deren eigenen Versorgungs- und Pflegebedarf zu decken und die dargestellten Geldmittel und Guthaben bzw. Wertpapiere der M.A. benötigt wurden, um die Versorgung und Pflege der Versicherten zu gewährleisten. Darüber hinaus ist ersichtlich, dass im Zeitraum von der Haushaltsaufnahme der Versicherten bis zu deren Tod auch die Zeugin S.A. durch einen monatlichen Gewinn aus ihrer selbstständigen Tätigkeit zum Familienunterhalt beigetragen hat. Ebenso hat der Ehemann der Zeugin S.A. durch seinen Gewinn, den er als Taxifahrer verdient hat, und die Tante des Klägers, P.Y., durch verschiedene Zuwendungen in verschiedenen Höhen zu diversen Zeiten zum Familienunterhalt beigetragen. Ein gleichwertiger finanzieller Beitrag der Versicherten M.A. gegenüber dem Haushaltsbeitrag der Zeugin S.A. und ihres Schwiegersohns ist angesichts ihres eigenen Versorgungs- und Pflegebedarfs nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht anzunehmen. Somit war der "Haushalt" des Klägers nicht auch der "Haushalt" der Versicherten M.A. i.S.d. § 48 Abs 3 Nr 2 1.Alt. SGB VI.
Der Kläger wurde von der Versicherten M.A. auch nicht überwiegend unterhalten. Die Voraussetzung des "überwiegenden Unterhalts" ist dann erfüllt, wenn der/die Verstorbene einen nicht unerheblichen Bar- oder Betreuungsunterhalt geleistet hat. Dabei ist auf den tatsächlichen Unterhaltsaufwand abzustellen, zu dem neben dem Bedarf für Nahrung, Kleidung und Wohnung auch der Aufwand zu rechnen ist, der auf die Erziehung und Pflege entfällt (Löns in Kreikebohm, SGB VI, 2.Aufl, RdNr 9 zu § 48).
Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall nicht erfüllt. Zur Überzeugung des Senats steht fest, dass die Versicherte M.A. für den Kläger keine bzw. nicht rentenrechtlich relevante Betreuungs- und Erziehungsleistungen erbracht hat. Betreuungsleistungen hat M.A. nicht erbracht, denn sie war selbst auf Pflege bereits ab Haushaltsaufnahme durch die Zeugin S.A. angewiesen. Sie hat auch keine Erziehungsleistungen erbracht. Ihre Tochter, die Mutter des Klägers, und ihr Schwiegersohn haben nämlich beide im gemeinsamen Haushalt gewohnt und die ständigen Erziehungsmaßnahmen durchgeführt sowie die notwendigen Entscheidungen, die den Kläger betroffen haben, gemeinsam getroffen. Ein zu einem Rentenanspruch führender wesentlicher Betreuungsunterhalt durch die Großeltern oder einen Großelternteil wird nämlich nur dann geleistet, wenn dieser durch die Eltern nicht vollständig erbracht werden kann (s. hierzu LSG für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 29.06.2001, Az: L 3 RJ 233/98). Ist dies nicht der Fall, so ist die Lücke, die der verstorbene Versicherte hinterlässt, nicht mit der Lücke vergleichbar, die ein Elternteil in der Betreuung und Versorgung eines Kindes hinterlässt, wenn er bzw. sie verstirbt. Die Gewährung einer Halbwaisenrente nach dem Tod eines Großelternteils scheidet daher - wie im vorliegenden Fall - aus, wenn die Betreuung des Kindes durch die Eltern auch ohne die Großeltern gesichert werden kann.
Darüber hinaus ist auch nicht erwiesen, dass die Versicherte M.A. einen gegenüber den Eltern des Klägers grundsätzlich gleichwertigen Barunterhalt erbracht hat. Dies wäre nämlich nur dann der Fall, wenn feststeht, dass die Unterhaltsbeiträge der Versicherten M.A. ausschließlich für den Unterhalt des Klägers und nicht etwa zum Bestreiten des finanziellen Lebensbedarfs der Familie insgesamt, d.h. der Eltern und der Kinder, bestimmt gewesen sind, wobei an den Nachweis strenge Anforderungen zu stellen sind (s. LSG Niedersachsen, Urteil vom 12.12.1996, Az: L 1 AN 180/95).
Nach der schriftlichen Aussage der Zeugin S.A. wurden für den Kläger monatlich 500,00 TRY aufgewendet und zwar für folgende Ausgaben:
1. Essen, Trinken: 130,00 TRY
2. Kleidung: 100,00 TRY
3. Gesundheit: 150,00 TRY
4. Schulbedarf: 90,00 TRY
5. Spielsachen etc.: 30,00 TRY.
In diesem Zusammenhang hat die Zeugin S.A. bestätigt, dass diese Aufwendungen hauptsächlich vom Einkommen der Familie beglichen worden sind. Zu dem Familieneinkommen gehörten aber im maßgeblichen wirtschaftlichen Dauerzustand, d.h. ab Aufnahme der Versicherten in den Haushalt der Zeugin S.A., nach deren Angaben auch der monatliche Gewinn aus ihrer selbstständigen Tätigkeit (entspricht nach ihren Angaben heute etwa 2.000,00 TRY), der Gewinn ihres Ehemannes, den er als Taxifahrer verdient hat und Zuwendungen der Schwester der Zeugin, P.Y., zu diversen Zeiten in verschiedenen Höhen. Hinzu kommt der von der Zeugin S.A. dargestellte Versorgungs- und Pflegeaufwand der Versicherten M.A. Somit ergibt sich ohne weiteres, dass die Versicherte M.A. keinesfalls den Kläger überwiegend i.S. des § 48 Abs 3 Nr 2 SGB VI unterhalten hat.
Zu Recht hat das LSG für das Land Niedersachsen im Urteil vom 12.12.1996 (aaO) darauf hingewiesen, dass im Hinblick auf die Ersatzfunktion der Halbwaisenrente an den Nachweis strenge Anforderungen zu stellen sind. Die vom LSG für das Land Niedersachsen aufgestellten Kriterien werden der Ersatzfunktion der Halbwaisenrente gerecht und sind gerade auch für die Prüfung praktikabel, ob ein Großelternteil als (verstorbener) Versicherter, der mit seinem Enkelkind und dessen Eltern in einem gemeinsamen Haushalt lebte, sein Enkelkind überwiegend unterhalten hat. In Übereinstimmung mit der Entscheidung des LSG Niedersachsen ist aufgrund der Unterhaltsersatzfunktion des Unterhaltsbeitrags des Versicherten der Nachweis zu fordern, inwieweit die finanziellen Zuwendungen des Versicherten dem Enkelkind tatsächlich zugute gekommen sind. Dies ist gerade dann nicht der Fall, wenn die Unterhaltsbeiträge des Versicherten zur Bestreitung des gesamten finanziellen Lebensbedarfs der Familie aufgewendet worden sind.
Angesichts der Tatsache, dass die Rente der Versicherten M.A. nur ein Teil des Familieneinkommens war und für die Bestreitung ihres eigenen Unterhalts (Wohnung, Nahrungsmittel, Haushaltsleistungen und Pflege) die von der Zeugin S.A. dargestellten Geldmittel, Guthaben und Aktien verwendet worden sind, ist diese Voraussetzung nicht erfüllt.
Nach alledem bleibt festzustellen, dass dem Kläger gemäß § 44 SGB X kein Anspruch auf Rücknahme des Bescheides vom 19.11.1996 und Gewährung von Halbwaisenrente gemäß § 48 Abs 3 Nr 2 SGB VI zusteht. Der Bescheid vom 26.04.2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.10.2001 ist rechtlich nicht zu beanstanden.
Die Berufung war daher zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht, § 160 Abs 2 Nrn 1 und 2 SGG.
Bayreuth vom 02.10.2003 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen
Tatbestand:
Der Kläger begehrt von der Beklagten im Rahmen eines Überprüfungsverfahrens nach § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) die Gewährung von Halbwaisenrente aus der Versicherung der verstorbenen Großmutter, Fr. M. A. (= M.A.).
Am 19.09.1995 wurde für den 1976 geborenen Kläger, der türkischer Staatsangehöriger ist, Antrag auf Gewährung von Halbwaisenrente aus der Versicherung der 1930 geborenen und am 11.02.1992 verstorbenen M.A. bei der LVA Rheinprovinz gestellt und dabei auf die bei ihm vorliegende Behinderung hingewiesen. In der Anlage zum Antrag auf Halbwaisenrente wurde sinngemäß angegeben, dass die Versicherte die Kosten für Kleidung, Wohnung, Essen etc. des Klägers getragen habe. Mit Bescheid vom 12.08.1988 war M.A. für die Zeit ab 01.02.1985 eine Auslandsrente gewährt worden, weil sie im Januar 1985 aus der Bundesrepublik Deutschland in die Türkei zurückgekehrt war. Seit 01.08.1987 hatte M.A. eine Erwerbsunfähigkeitsrente in Höhe von 611,67 DM bezogen.
Nachdem die Beklagte von der Schwägerin der Versicherten, A. A. (= A.A.), am 24.08.1996 eine Auskunft eingeholt hatte, lehnte sie mit Bescheid vom 19.11.1996 den Antrag auf Gewährung einer Waisenrente nach § 48 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) ab. Von einer Haushaltsaufnahme im geforderten Sinne könne nicht gesprochen werden, denn der Kläger habe zusammen mit seinen Eltern im Haushalt der Großeltern gewohnt bzw. diese o.g. Personen hätten einen gemeinsamen Haushalt unterhalten. Ein Erziehungs- und Betreuungsverhältnis durch die Großmutter sei zu verneinen, da sich der Kläger noch in der Obhut der leiblichen Mutter befunden habe. Obwohl die Versicherte die finanziellen Mittel zur Bestreitung des Lebensunterhalts der Enkelkinder erbracht habe, sei seine Mutter an der Haushaltsführung sowie an der Beaufsichtigung, Erziehung und Pflege des Klägers in vollem Umfang beteiligt gewesen. Von einem überwiegenden Unterhalt durch die Großmutter sei somit nicht auszugehen. Dieser Bescheid wurde bestandskräftig.
Am 07.04.2000 beantragte der Kläger die Überprüfung des Bescheides vom 19.11.1996 gemäß § 44 SGB X. Nach Rückfrage unter Hinzuziehung eines Dolmetschers sei ausdrücklich in einem persönlichen Gespräch geklärt worden, dass der Kläger von der Großmutter erzogen und betreut worden sei. Auch habe sie durch den in Deutschland erworbenen Rentenanspruch den Unterhalt überwiegend bestritten. Mit Bescheid vom 26.04.2000 lehnte die Beklagte den Antrag auf Rücknahme des Bescheides vom 19.11.1996 aus der Versicherung der M.A. nach § 44 SGB X ab. Aufgrund der Einlassungen des Klägers habe die Unrichtigkeit des Bescheides vom 10.11.1996 nicht festgestellt werden können. Den hiergegen am 15.05.2000 eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 13.10.2000 zurück. Die Voraussetzungen einer Haushaltsaufnahme seien im vorliegenden Fall nicht erfüllt, denn der Kläger habe zusammen mit seinen Eltern und seiner Großmutter in einem gemeinsamen Haushalt gewohnt. Das Familienband eines Kindes mit den Eltern sei in einem derartigen Fall enger als das mit den Großeltern und daher vorrangig. Zum Zwecke der Begründung einer Haushaltsaufnahme durch die Großmutter wäre dieser Sachverhalt nur dann geeignet, wenn sie neben Gewährung nicht unerheblichen Unterhalts tatsächlich die Wohnungsgewährung und die Zuwendung von Fürsorge im erforderlichen Umfang erbracht hätte. Von einer überwiegenden Unterhaltsleistung der Versicherten sei ebenfalls nicht auszugehen. Neben der Großmutter habe der Kindsvater im Rahmen seiner Möglichkeiten in gleicher Weise seine finanziellen Mittel zur Bestreitung des Lebensunterhalts der gesamten Familie erbracht. Nachdem außerdem die Fürsorge- und Betreuungsleistungen für das Kind den Eltern in vollem Umfange zuzurechnen seien, seien diese zumindest in Bezug auf dessen Unterhalt angemessen beteiligt gewesen.
Hiergegen hat der Kläger am 29.10.2000 Klage zum Sozialgericht Düsseldorf erhoben.
Zur Klagebegründung hat der Kläger mit Schriftsatz vom 05.04.2001 u.a. zwei Bestätigungen der Tochter der Versicherten, S. A. (= S.A.), übersandt.
Mit Beschluss vom 14.05.2001 hat sich das Sozialgericht Düsseldorf für örtlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an das zuständige Sozialgericht Bayreuth (SG) verwiesen. Sowohl das Sozialgericht Düsseldorf als auch das SG haben von S.A. Auskünfte eingeholt, wobei diese Arztbriefe des Herzkrankenhauses K. vom 12.03.1991 und vom S. Krankenhaus P. übersandt hat.
Mit Urteil vom 02.10.2003 hat das SG die Klage abgewiesen. Die zulässige Klage erweise sich als unbegründet, weil dem Kläger kein Anspruch auf Gewährung von Halbwaisenrente nach § 48 Abs 1 SGB VI zustehe. Der Kläger sei nicht in den Haushalt der Versicherten aufgenommen worden, weil diese über keinen Haushalt verfügt habe. Die Versicherte sei in den Haushalt ihrer Tochter, S.A., aufgenommen worden, nicht umgekehrt. Dies ergebe sich schon daraus, dass die Versicherte viel zu krank gewesen sei, um selbst einen Haushalt führen zu können. Darüber hinaus habe ihre Tochter mehrfach angegeben, dass sie die sehr kranke Mutter habe ständig pflegen müssen. Indizwirkung habe auch, dass der Haushalt der Familie A. schon am identischen Ort bestanden habe, bevor die Versicherte dort aufgenommen worden sei. Es spiele an dieser Stelle keine Rolle, ob die Haushaltsaufnahme der Versicherten im Haushalt ihrer Tochter bereits im Jahr 1985 erfolgt sei oder erst später, als ihre Erkrankung fortgeschritten gewesen sei. Zu keinem Zeitpunkt habe der Haushalt der Familie A. als Haushalt der Versicherten aufgefasst werden können. Die Kammer übersehe dabei nicht, dass ein Haushalt eines Großelternteils auch dann angenommen werden könne, wenn der Großelternteil zur bisherigen Familie hinzugezogen sei. Es müsse sich dann jedoch zumindest auch um einen Haushalt des Großelternteils gehandelt haben, d.h. dieser versicherte Großelternteil müsse zur "Führung" des Haushalts in zumindest gleicher Weise, d.h. zumindest gleichwertig, beigetragen haben wie die Mutter des Kindes, sei es durch Arbeiten im Haushalt oder durch einen entsprechenden finanziellen Beitrag Ein solcher Sachverhalt liege allerdings nicht vor. Nach der Darstellung von S.A. habe die Versicherte im Haushalt keinerlei Dienste geleistet, vielmehr sei sie betreut worden. Der von der Versicherten neben ihrem Schwiegersohn geleistete finanzielle Beitrag sei nicht soweit gegangen, dass der bisherige Haushalt nun zu ihrem geworden sei. Teilweise habe auch der Ehemann von S.A. mit seinem Einkommen zum Haushalt beigetragen; außerdem müsse ein wesentlicher Anteil der finanziellen Beiträge von der Versicherten rechtlich als Abgeltung beträchtlicher Versorgungs- und Pflegeleistungen betrachtet werden. Dabei dürfe nicht übersehen werden, dass die Versicherte Wohnung, Nahrung, Betreuung und Pflege durch ihre Tochter erhalten habe. Es seien also zu betrachten die Kosten für Wohnung, Lebensmittel, Haushaltsleistungen (Wäschewaschen, Zubereitung der Nahrung) und die besonderen Pflegeleistungen wegen der Erkrankung der Versicherten. Angesichts dieses Tatbestandes lasse sich nicht mehr sagen, dass der Haushaltsbeitrag der Versicherten gleichwertig gegenüber dem Haushaltsbeitrag ihrer Tochter und des Schwiegersohns gewesen sei.
Der Kläger sei von der Versicherten auch nicht überwiegend unterhalten worden. Zu beachten sei hier zunächst, dass die Versicherte für ihr Enkelkind keinerlei Betreuungs- und Erziehungsleistungen erbracht habe. Betreuungsleistungen habe sie nicht erbracht, weil sie selbst auf Pflege angewiesen gewesen sei. Erziehungsleistungen habe sie nicht erbracht, weil ihre Tochter und der Schwiegersohn die ständigen Erziehungsmaßnahmen durchgeführt und die notwendigen Entscheidungen gemeinsam getroffen hätten. Es sei auch nicht nachgewiesen, dass der grundsätzlich gleichwertige Barunterhalt erbracht worden sei. An der vom Landessozialgericht (LSG) für das Land Niedersachsen in seinem Urteil vom 12.12.1996 (Az: L 1 An 180/95) formulierten Voraussetzung, wonach der Nachweis erforderlich sei, dass die Unterhaltsbeiträge des Versicherten ausschließlich für den Unterhalt der Waisen und nicht zum Bestreiten des finanziellen Lebensbedarfs der Familie insgesamt bestimmt gewesen seien, fehle es hier. In Anbetracht der Tatsache, dass die Zahlungen der Versicherten in starkem Maße der Bestreitung ihres eigenen Unterhalts (Wohnung, Nahrungsmittel, Haushaltsleistungen) und zusätzlich der erforderlichen Pflege gedient hätten, lasse sich nicht die Aussage treffen, dass gewisse Unterhaltsbeiträge ausschließlich für den Unterhalt des Klägers bestimmt gewesen seien.
Hiergegen richtet sich die am 05.11.2003 beim Bayer. LSG eingegangene Berufung des Klägers. Es werde auf die Urteile des Bundessozialgerichts (BSG) vom 04.08.1985 (Az:
2 RU 67/84) und des LSG Nordrhein-Westfalen vom 29.06.2001 (Az: L 3 RJ 233/98) verwiesen. Nach der Entscheidung des BSG vom 30.01.2002 (Az. B 5 RJ 34/01 R) sei es unerheblich, dass die Versicherte krankheitsbedingt in der letzten Zeit nicht mehr in der Lage gewesen sei, wesentliche Betreuungsleistungen für ihn zu erbringen. Es sei davon auszugehen, dass die Versicherte - solange sie dazu gesundheitlich in der Lage gewesen sei - Betreuungsunterhalt im Umfang von mindestens einem Viertel des insgesamt für ihn aufzubringenden zeitlichen Betreuungsaufwandes geleistet habe. Barunterhalt und Naturalunterhalt seien grundsätzlich gleich zu bewerten. Er sei von der Versicherten auch überwiegend unterhalten worden. Nach den vorliegenden Unterlagen habe die Versicherte, die Enkelkinder sowie die Kindesmutter und deren Ehegatte von 1983 bis zum Tode der Versicherten in einem Haushalt gelebt. Die Versicherte habe seit dem 01.08.1987 eine Erwerbsunfähigkeitsrente bezogen. Somit sei davon auszugehen, dass die Versicherte bis zu diesem Zeitpunkt voll in der Lage gewesen sei, die Betreuungsleistungen für das Enkelkind zu erbringen. Es sei auf das BSG-Urteil vom 20.04.1992 - Az. 5 RJ 28/96 - zu verweisen.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Bayreuth vom 02.10.2003 und den Bescheid der Beklagten vom 26.04.2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.10.2001 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm unter Rücknahme des Bescheids vom 19.11.1996 auf den Antrag vom 04.04.2000 Halbwaisenrente nach den gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Bayreuth vom 02.10.2003 zurückzuweisen.
Der dem Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen vom 29.06.2001 zugrunde liegende Sachverhalt unterscheide sich vom vorliegenden schon dadurch ganz wesentlich, dass im zitierten LSG-Urteil die Versicherte und Großmutter der Klägerin diese und die Enkelin von Geburt an habe versorgen müssen. Auch sei die Mutter der Klägerin später gesundheitlich dazu nicht mehr in der Lage gewesen und habe selbst von der Großmutter betreut werden müssen. Ferner habe in diesem "Parallelfall" zum Vater kein Kontakt bestanden. Im Gegensatz hierzu sei im streitbefangenen Verfahren die Versicherte krank und pflegebedürftig gewesen und deshalb in den Haushalt ihrer Tochter aufgenommen worden. Nach den Angaben der Tochter habe die Versicherte im Haushalt der Tochter keine Arbeiten verrichtet. Auch erscheine es nicht nachvollziehbar, wenn behauptet werde, dass die Großmutter ihren Enkel überwiegend unterhalten habe. Allein aus den im Haushalt der S.A. lebenden Personen werde ersichtlich, dass die behaupteten Unterhaltsbeiträge durch die Großmutter keinesfalls im maßgeblichen Umfang an den Enkel und Kläger geflossen sein könnten. Zunächst sei hierbei zu beachten, dass letztlich das Einkommen bzw. die Rente der Versicherten als Abgeltung für die Haushaltsaufnahme (Miete, Verpflegung, Haushaltsleistungen usw.) und die erheblichen Betreuungsleistungen benötigt worden sei. Es dürfe zudem wiederholt werden, dass dann, wenn nicht ausgeschlossen werden könne, dass der von der Versicherten geleistete Unterhalt nicht ausschließlich für den Kläger erbracht worden sei, sondern z.B. zum Bestreiten des finanziellen Lebensbedarfs der Familie insgesamt, es am erforderlichen Nachweis mangele. Letztlich komme man auch unter Berücksichtigung des von der Klägerseite zitierten LSG-Urteils vom 29.06.2001 zu keinem Waisenrentenanspruch. Die vierköpfige Familie habe sowohl vor als auch nach dem Zuzug der kranken Großmutter ihre Kinder bzw. den Kläger versorgt und betreut und sei dazu auch in der Lage gewesen. Durch die Versicherte sei keine Lücke entstanden, die vergleichbar sei, die ein Elternteil hinterlasse, wenn er versterbe. Nach den Angaben der Mutter des Klägers sei die Versicherte bereits zum Zeitpunkt der Rückkehr in die Türkei erkrankt gewesen. Nachdem sich die Versicherte bei anderen Verwandten als "Gast" gefühlt habe und offensichtlich sonst niemand zur Verfügung gestanden sei, der über ausreichend Zeit für die intensive Betreuung der Versicherten verfügt habe, hätten die Klägerin und ihr Ehemann die Versicherte in ihren Haushalt aufgenommen. Als Gegenleistung habe die Großmutter mit ihrer Rente die Familie unterstützt, die zumindest nach Angaben der Mutter des Klägers über geringe Einnahmen verfügt habe. Dass die Einnahmen der Versicherten zur allgemeinen Sicherstellung des Familienunterhalts gedient hätten und nicht nur als Unterhalt für den Kläger, belege zum einen der Umstand, dass die Rente der Versicherten nicht einmal die Mietausgaben der Familie gedeckt habe, zum anderen auch die Tatsache, dass neben der Versicherten auch noch der Vater des Klägers sowie weitere Familienmitglieder zum Familienunterhalt beigetragen hätten. Anders als im vom LSG (aaO) entschiedenen Fall habe krankheitsbedingt zwischen der Großmutter und dem Enkelkind ein familienähnliches Betreuungsband wie zwischen einem Elternteil und einem Kind nie wieder aufgebaut werden können.
Der Senat hat S.A. als Zeugin gemäß § 118 Sozialgerichtsgesetz (SGG) i.V.m. § 377 Abs 3 Zivilprozessordnung (ZPO) schriftlich befragt und die Akten der Beklagten und des SG beigezogen. Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf den Inhalt der beigezogenen Akten und der Gerichtsakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht am 05.11.2003 eingelegte Berufung ist auch im Übrigen zulässig (§§ 143, 144, 151 SGG).
Die Berufung erweist sich als nicht begründet. Dem Kläger steht gegen die Beklagte kein Anspruch auf Rücknahme des Bescheids vom 19.11.1996 gemäß § 44 SGB X und Gewährung von Halbwaisenrente gemäß § 48 Abs 3 Nr 2, Abs 4 Nr 2 d SGB VI zu, denn er war weder in den Haushalt der Versicherten M.A. aufgenommen noch von ihr überwiegend unterhalten worden.
Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, ist der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, § 44 Abs 1 Satz 1 SGB X.
Gemäß § 48 Abs 1 SGB VI haben Kinder nach dem Tode eines Elternteils Anspruch auf Halbwaisenrente, wenn
1. sie noch einen Elternteil haben, der unbeschadet der wirtschaftlichen Verhältnisse un-
terhaltspflichtig ist, und
2. der verstorbene Elternteil die allgemeine Wartezeit erfüllt hat.
Als Kinder werden auch berücksichtigt (Abs 3)
1 ...
2. Enkel und Geschwister, die in den Haushalt des Verstorbenen aufgenommen waren
oder von ihm überwiegend unterhalten wurden.
Der Anspruch auf Halb- oder Vollwaisenrente besteht längstens (Abs 4)
2. bis zur Vollendung des 27. Lebensjahres, wenn die Waise
d) wegen körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung außerstande ist, sich
selbst zu unterhalten.
Die Voraussetzungen der Nr 2 des § 48 Abs 3 SGB VI sind im vorliegenden Rechtsstreit nicht erfüllt. Der Bescheid vom 19.11.1996 ist rechtlich nicht zu beanstanden.
Zur Überzeugung des Senats steht fest, dass der Kläger nicht in den Haushalt der Versicherten M.A. aufgenommen worden ist.
Das BSG hat das Tatbestandsmerkmal der Haushaltsaufnahme im Laufe der Zeit mit unterschiedlichen Formulierungen umschrieben (vgl. z.B. Urteile vom 22.07.1960 - 3 RJ 40/58 - BSGE 12, 288 = SozR Nr 7 zu § 1258 Reichsversicherungsordnung aF; vom 21.12.1960 - 7 RKg 7/57 - BSGE 13, 265 = SozR Nr 4 zu § 2 Kindergeldgesetz ; vom 12.09.1963 - 4 RJ 151/62 - BSGE 20, 26 = SozR Nr 8 zu § 1262 RVO; vom 22.11.1963 - 7 RKg 2/61 - BSGE 20, 91 = SozR Nr 10 zu § 2 KGG; vom 30.06.1966 - 12 RJ 162/64 - BSGE 25, 109 = SozR Nr 14 zu § 2 KGG; vom 26.06.1969 - 4 RJ 137/68 - BSGE 29, 294 = SozR Nr 20 zu § 1262 RVO; vom 10.12.1970 - 5 RJ 441/69 - SozR Nr 43 zu § 1267 RVO; vom 18.08.1971 - 4 RJ 411/70 - BSGE 33, 105 = SozR Nr 45 zu § 1267 RVO; vom 11.07.1972 - 5 RJ 392/71 - SozR Nr 30 zu § 1262 RVO; vom 10.08.1972 - 4 RJ 247/71 - SozR Nr 31 zu § 1262 RVO; vom 19.10.1977 - 4 RJ 57/76 - BSGE 45, 67 = SozR 2200 § 1262 Nr 11; vom 28.06.1979 - 8b RKg 3/78 - SozR 5870 § 2 Nr 16). Nach der neueren Rechtsprechung des BSG, dem sich der 5.Senat mit Urteil vom 30.01.2002 (Az: B 5 RJ 34/01 R) anschließt, kommt es insoweit auf das Bestehen einer Familiengemeinschaft an, die eine Schnittstelle von Merkmalen örtlicher (Familienwohnung), materieller (Vorsorge, Unterhalt) und immaterieller Art (Zuwendung von Fürsorge, Begründung eines familienähnlichen Bandes) darstellt. Diese drei Arten von Kriterien stehen in enger Beziehung zueinander und können sich auch teilweise überschneiden; keines davon darf jedoch gänzlich fehlen (vgl. BSG Urteile vom 15.03.1988 - 4/11a RA 14/87 - BSGE 63, 79 = SozR 2200 § 1267 Nr 35, vom 22.04.1992 - 5 RJ 28/91 - SozR 3-2200 § 1267 Nr 2 und vom 08.07.1998 - B 13 RJ 97/97 R - SozR 3-2200 § 1267 Nr 6; stRspr).
Den vorgenannten Entscheidungen lagen Sachverhalte zu Grunde, bei denen Großeltern (Teile) Enkel (und Tochter) in ihren bereits zuvor bestehenden Haushalt aufgenommen hatten. Das Bestehen eines eltern- bzw. familienähnlichen Bandes wurde "jedenfalls solange" angenommen, wie der Enkel (mit seiner Mutter) bei dem versicherten Großelternteil wohnte (vgl. BSG, Urteil vom 08.07.1998 - B 13 RJ 97/97 R - SozR 3-2200 § 1267 Nr 6), der Mutter und den Großeltern der Haushalt, in dem der Enkel lebte, zumindest gemeinsam zuzuordnen war (vgl. BSG, Urteil vom 10.02.1983 - 5b RJ 56/81 - Volltext in JURIS) und der Großelternteil mithin neben der Wohnungsgewährung und Zuwendung von Fürsorge nicht unerheblichen Bar- oder/und Betreuungsunterhalt leistete (BSG, Urteil vom 22.04.1992 - 5 RJ 28/91 - SozR 3-2200 § 1267 Nr 2). Dabei hat die Rechtsprechung des BSG nie die "Unterhaltsfunktion" der Hinterbliebenenrente aus den Augen verloren und die Situation des mit einem Großelternteil und der Mutter zusammenlebenden Enkels stets mit der "Versorgungssituation" im elterlichen Haushalt verglichen (z.B. BSG, Urteil vom 15.03.1988 - 4 /11a RA 14/87 - BSGE 63, 79 = SozR 2200 § 1267 Nr 35 mwM).
In Übereinstimmung mit der Entscheidung des BSG vom 30.01.2002 (Az: B 5 RJ 34/01 R) hält der Senat eine Haushaltsaufnahme auch dann nicht für von vorneherein ausgeschlossen, wenn der Enkel nicht in den Haushalt des versicherten Großelternteils aufgenommen worden ist, sondern der Großelternteil zu Mutter/Vater und Kind gezogen ist.
Es muss sich jedoch dann zumindest auch um einen Haushalt des Großelternteils gehandelt haben, d.h. dieser versicherte Großelternteil muss zur "Führung" des Haushalts in zumindest gleicher Weise, d.h. mindestens gleichwertig, beigetragen haben wie die Mutter bzw. der Vater des Kindes, sei es durch Arbeiten im Haushalt oder durch einen entsprechenden finanziellen Beitrag (vgl. BSG Urteil vom 30.01.2002 aaO). Mutter und Großelternteil müssen den Haushalt in ähnlicher Weise bestritten haben, wie es §§ 1356, 1360, 1360a Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) in der ehelichen Lebensgemeinschaft von Ehegatten untereinander verlangen. Ist ein Anspruch auf Halbwaisenrente zu beurteilen, so steht der Tod eines versicherten Großelternteils dem Tod eines Elternteils (insoweit) gleich. Ehegatten können zwar den Familienunterhalt, wozu auch die Haushaltsführung zählt, frei gestalten; beide müssen jedoch ihren Teil zum Bestreiten des Haushalts - durch Hausarbeit oder Abdeckung der Kosten - beitragen.
Ein solcher Sachverhalt liegt hier schon deshalb nicht vor, weil die Versicherte M.A. nach der Aussage der Zeugin S.A. im Haushalt keinerlei Dienste geleistet hat. Nach den wiederholten und - insoweit widerspruchsfreien - Angaben der Zeugin S.A. war die Versicherte nämlich bereits zum Zeitpunkt der Haushaltsaufnahme pflegebedürftig und hat ständig betreut und gepflegt werden müssen. Dass die Zeugin S.A. einerseits im Klageverfahren als Zeitpunkt der Haushaltsaufnahme der M.A. das Jahr 1992 angab, andererseits mehrfach, d.h. auch während des Klageverfahrens und zuletzt im Rahmen der schriftlichen Zeugenbefragung im Berufungsverfahren ausgesagt hat, dass sie ihre erkrankte Mutter zum Zwecke der Pflege im Jahr 1984 in ihren Haushalt aufgenommen hat - was wegen der Rückkehr der M.A. in die Türkei erst im Januar 1985 schon nicht glaubhaft ist -, d.h. widersprüchliche Angaben zum Zeitpunkt der Haushaltsaufnahme der M.A. gemacht hat, ist letztlich ohne rechtliche Relevanz. Denn die wiederholten und in sich widerspruchsfreien Angaben der Zeugin S.A., ihre Mutter sei bereits im kranken Zustand aus der Bundesrepublik Deutschland in die Türkei zurückgekehrt und schon zum Zeitpunkt der Haushaltsaufnahme pflegebedürftig gewesen, wird durch die vorgelegten ärztlichen Unterlagen bestätigt. Danach war die Versicherte schwer herz- und krebskrank. Ebenso scheidet eine "Haushaltsaufnahme" durch Leistung eines gleichwertigen Haushaltsbeitrags der Versicherten M.A. aus. Denn es haben außer ihr noch andere Personen zum Familienunterhalt beigetragen und für sie sind Versorgungs- und Pflegeaufwendungen in Höhe von monatlich mindestens 12.000,00 TRY erbracht worden. Insoweit hat die Zeugin S.A. in ihrer schriftlichen Zeugenaussage vom 21.08.2006 erklärt, dass sie für Medikamente und ärztliche Behandlung der Versicherten ab 1984 monatlich einen Betrag aufgewendet hätten, der heute ca. 10.000,00 TRY entspreche. Für Essen, Bekleidung und andere Bedürfnisse ihrer Mutter M.A. hätten sie ab dem Datum der Haushaltsaufnahme monatlich einen Betrag aufgewendet, der heute ca. 2.000,00 TRY entspreche. Für diese Aufwendungen seien folgende Einnahmen verwendet worden:
1. Bankkonto von M.A. mit 20.000,00 DM
2. Erlös aus dem Verkauf der Immobilie (Grundstück von M.A. in A-Stadt)
3. von ihrem (S.A.) monatlichen Gewinn aus ihrer selbstständigen Tätigkeit, entspreche
heute etwa 2.000,00 TRY
4. Zuwendungen der Tochter von M.A., ihrer Schwester, P. (A.) Y. zu diversen Zeiten und in verschiedenen Höhen
5. vom Gewinn ihres verstorbenen Ehemannes H. I. A., den er als Taxifahrer
verdient hat
6. Erlös aus dem Verkauf des Goldschmucks und der Aktien von ihr (S.A.) und ihrer
Schwester P.Y.
Ihr Ehemann H.A. habe, nachdem sie ihre Mutter M.A. bei sich aufgenommen habe, durchschnittlich einen Betrag verdient, der heute monatlich 2.000,00 TRY entspreche. Nach Aufnahme von M.A. habe die Familie bis zu deren Tod von ihrer Schwester P.Y. zu
diversen Zeiten und in verschiedenen Höhen Hilfen erhalten.
Aus der Würdigung der schriftlichen Zeugenaussage von S.A. ergibt sich, dass der Betrag der monatlichen Rente der Versicherten nicht einmal ausgereicht hat, deren eigenen Versorgungs- und Pflegebedarf zu decken und die dargestellten Geldmittel und Guthaben bzw. Wertpapiere der M.A. benötigt wurden, um die Versorgung und Pflege der Versicherten zu gewährleisten. Darüber hinaus ist ersichtlich, dass im Zeitraum von der Haushaltsaufnahme der Versicherten bis zu deren Tod auch die Zeugin S.A. durch einen monatlichen Gewinn aus ihrer selbstständigen Tätigkeit zum Familienunterhalt beigetragen hat. Ebenso hat der Ehemann der Zeugin S.A. durch seinen Gewinn, den er als Taxifahrer verdient hat, und die Tante des Klägers, P.Y., durch verschiedene Zuwendungen in verschiedenen Höhen zu diversen Zeiten zum Familienunterhalt beigetragen. Ein gleichwertiger finanzieller Beitrag der Versicherten M.A. gegenüber dem Haushaltsbeitrag der Zeugin S.A. und ihres Schwiegersohns ist angesichts ihres eigenen Versorgungs- und Pflegebedarfs nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht anzunehmen. Somit war der "Haushalt" des Klägers nicht auch der "Haushalt" der Versicherten M.A. i.S.d. § 48 Abs 3 Nr 2 1.Alt. SGB VI.
Der Kläger wurde von der Versicherten M.A. auch nicht überwiegend unterhalten. Die Voraussetzung des "überwiegenden Unterhalts" ist dann erfüllt, wenn der/die Verstorbene einen nicht unerheblichen Bar- oder Betreuungsunterhalt geleistet hat. Dabei ist auf den tatsächlichen Unterhaltsaufwand abzustellen, zu dem neben dem Bedarf für Nahrung, Kleidung und Wohnung auch der Aufwand zu rechnen ist, der auf die Erziehung und Pflege entfällt (Löns in Kreikebohm, SGB VI, 2.Aufl, RdNr 9 zu § 48).
Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall nicht erfüllt. Zur Überzeugung des Senats steht fest, dass die Versicherte M.A. für den Kläger keine bzw. nicht rentenrechtlich relevante Betreuungs- und Erziehungsleistungen erbracht hat. Betreuungsleistungen hat M.A. nicht erbracht, denn sie war selbst auf Pflege bereits ab Haushaltsaufnahme durch die Zeugin S.A. angewiesen. Sie hat auch keine Erziehungsleistungen erbracht. Ihre Tochter, die Mutter des Klägers, und ihr Schwiegersohn haben nämlich beide im gemeinsamen Haushalt gewohnt und die ständigen Erziehungsmaßnahmen durchgeführt sowie die notwendigen Entscheidungen, die den Kläger betroffen haben, gemeinsam getroffen. Ein zu einem Rentenanspruch führender wesentlicher Betreuungsunterhalt durch die Großeltern oder einen Großelternteil wird nämlich nur dann geleistet, wenn dieser durch die Eltern nicht vollständig erbracht werden kann (s. hierzu LSG für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 29.06.2001, Az: L 3 RJ 233/98). Ist dies nicht der Fall, so ist die Lücke, die der verstorbene Versicherte hinterlässt, nicht mit der Lücke vergleichbar, die ein Elternteil in der Betreuung und Versorgung eines Kindes hinterlässt, wenn er bzw. sie verstirbt. Die Gewährung einer Halbwaisenrente nach dem Tod eines Großelternteils scheidet daher - wie im vorliegenden Fall - aus, wenn die Betreuung des Kindes durch die Eltern auch ohne die Großeltern gesichert werden kann.
Darüber hinaus ist auch nicht erwiesen, dass die Versicherte M.A. einen gegenüber den Eltern des Klägers grundsätzlich gleichwertigen Barunterhalt erbracht hat. Dies wäre nämlich nur dann der Fall, wenn feststeht, dass die Unterhaltsbeiträge der Versicherten M.A. ausschließlich für den Unterhalt des Klägers und nicht etwa zum Bestreiten des finanziellen Lebensbedarfs der Familie insgesamt, d.h. der Eltern und der Kinder, bestimmt gewesen sind, wobei an den Nachweis strenge Anforderungen zu stellen sind (s. LSG Niedersachsen, Urteil vom 12.12.1996, Az: L 1 AN 180/95).
Nach der schriftlichen Aussage der Zeugin S.A. wurden für den Kläger monatlich 500,00 TRY aufgewendet und zwar für folgende Ausgaben:
1. Essen, Trinken: 130,00 TRY
2. Kleidung: 100,00 TRY
3. Gesundheit: 150,00 TRY
4. Schulbedarf: 90,00 TRY
5. Spielsachen etc.: 30,00 TRY.
In diesem Zusammenhang hat die Zeugin S.A. bestätigt, dass diese Aufwendungen hauptsächlich vom Einkommen der Familie beglichen worden sind. Zu dem Familieneinkommen gehörten aber im maßgeblichen wirtschaftlichen Dauerzustand, d.h. ab Aufnahme der Versicherten in den Haushalt der Zeugin S.A., nach deren Angaben auch der monatliche Gewinn aus ihrer selbstständigen Tätigkeit (entspricht nach ihren Angaben heute etwa 2.000,00 TRY), der Gewinn ihres Ehemannes, den er als Taxifahrer verdient hat und Zuwendungen der Schwester der Zeugin, P.Y., zu diversen Zeiten in verschiedenen Höhen. Hinzu kommt der von der Zeugin S.A. dargestellte Versorgungs- und Pflegeaufwand der Versicherten M.A. Somit ergibt sich ohne weiteres, dass die Versicherte M.A. keinesfalls den Kläger überwiegend i.S. des § 48 Abs 3 Nr 2 SGB VI unterhalten hat.
Zu Recht hat das LSG für das Land Niedersachsen im Urteil vom 12.12.1996 (aaO) darauf hingewiesen, dass im Hinblick auf die Ersatzfunktion der Halbwaisenrente an den Nachweis strenge Anforderungen zu stellen sind. Die vom LSG für das Land Niedersachsen aufgestellten Kriterien werden der Ersatzfunktion der Halbwaisenrente gerecht und sind gerade auch für die Prüfung praktikabel, ob ein Großelternteil als (verstorbener) Versicherter, der mit seinem Enkelkind und dessen Eltern in einem gemeinsamen Haushalt lebte, sein Enkelkind überwiegend unterhalten hat. In Übereinstimmung mit der Entscheidung des LSG Niedersachsen ist aufgrund der Unterhaltsersatzfunktion des Unterhaltsbeitrags des Versicherten der Nachweis zu fordern, inwieweit die finanziellen Zuwendungen des Versicherten dem Enkelkind tatsächlich zugute gekommen sind. Dies ist gerade dann nicht der Fall, wenn die Unterhaltsbeiträge des Versicherten zur Bestreitung des gesamten finanziellen Lebensbedarfs der Familie aufgewendet worden sind.
Angesichts der Tatsache, dass die Rente der Versicherten M.A. nur ein Teil des Familieneinkommens war und für die Bestreitung ihres eigenen Unterhalts (Wohnung, Nahrungsmittel, Haushaltsleistungen und Pflege) die von der Zeugin S.A. dargestellten Geldmittel, Guthaben und Aktien verwendet worden sind, ist diese Voraussetzung nicht erfüllt.
Nach alledem bleibt festzustellen, dass dem Kläger gemäß § 44 SGB X kein Anspruch auf Rücknahme des Bescheides vom 19.11.1996 und Gewährung von Halbwaisenrente gemäß § 48 Abs 3 Nr 2 SGB VI zusteht. Der Bescheid vom 26.04.2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.10.2001 ist rechtlich nicht zu beanstanden.
Die Berufung war daher zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht, § 160 Abs 2 Nrn 1 und 2 SGG.
Rechtskraft
Aus
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