L 4 R 1979/08 AK-B

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 4 R 217/08 AK-A
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 R 1979/08 AK-B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde der Beklagten wird der Beschluss des Sozialgerichts Karlsruhe vom 14. Februar 2008 aufgehoben.

Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen. Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Der Kläger führte gegen die Beklagte beim Sozialgericht Karlsruhe (SG) seit Klageeingang 13. März 2007 das Klageverfahren S 4 R 1305/07 über Rente wegen voller, hilfsweise teilweiser Erwerbsminderung. Nach Einholung eines neurologisch-psychiatrischen Gutachtens anerkannte die Beklagte mit Schriftsatz vom 26. November 2007 das Vorliegen teilweiser Erwerbsminderung auf Dauer und voller Erwerbsminderung auf Zeit jeweils mit einem Leistungsfall 14. Juni 2005 mit der Folge eines Rentenbeginns 01. Juni 2006; volle Erwerbsminderung wurde bis 31. Mai 2009 anerkannt. Die notwendigen außergerichtlichen Kosten sollten auf Antrag voll erstattet werden (Kostenanerkenntnis dem Grunde nach). Mit Schriftsatz vom 14. Dezember 2007 nahmen die Prozessbevollmächtigten des Klägers (VdK Sozialrechtsschutz gGmbH) das Anerkenntnis an und erklärten den Rechtsstreit für erledigt. Mit weiterem Schriftsatz vom selben Tag beantragten die Bevollmächtigten festzusetzen, dass die Beklagte einen Betrag von EUR 360,00 für das erfolgreiche Klageverfahren zu erstatten habe; es handle sich um die für die bei Inanspruchnahme von Dienstleistungen ab 01. Januar 2000 aufgrund des Statuts der VdK Sozialrechtsschutz gGmbH zu bezahlende Kostenpauschale, die bei - wie vorliegend - Bedürftigkeit im Sinne von § 53 der Abgabenordnung umsatzsteuerfrei sei. Die Aufstellung der Beträge (Stand 01. Januar 2006) war beigefügt. Der Kammervorsitzende fragte unter dem 18. Dezember 2007 bei den Bevollmächtigten des Klägers an, ob unter Bezugnahme auf das Kostenanerkenntnis dem Grunde nach der Antrag auf Festsetzung der außergerichtlichen Kosten aufrecht erhalten bleibe. Dies bestätigten die Bevollmächtigten mit Schreiben vom 03. Januar 2008.

Durch Beschluss vom 14. Februar 2008 entschied das SG, die Beklagte habe dem Kläger die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Verfahrens in voller Höhe von EUR 360,00 zu erstatten. Zur Begründung legte das SG dar, die Entscheidung richte sich nach § 193 Abs. 1 Sätze 1 und 3 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG). Nach den anerkannten Maßstäben zur Kostenerstattung sei die Beklagte verpflichtet, dem Kläger die vorliegend allein anfallenden außergerichtlichen Kosten in voller Höhe von EUR 360,00 zu erstatten. Dies ergebe sich dem Grunde nach bereits aus dem von der Beklagten mit Schriftsatz vom 26. November 2007 unterbreiteten Angebot und dessen Annahme mit Schriftsatz vom 14. Dezember 2007. Der Beschluss enthält die Rechtsmittelbelehrung, er könne mit der Beschwerde angefochten werden.

Noch vor Zustellung des Beschlusses (21. Februar 2008) hat die Beklagte den Schriftsatz vom 20. Februar 2008 beim SG eingereicht (Eingang 25. Februar 2008), die geltend gemachten Kosten in Höhe von EUR 360,00 seien nicht erstattungsfähig. Nach wie vor gälten die Pauschalbeträge zur Erstattung der Kosten in Rechtsbehelfsverfahren nach dem Sozialgerichtsgesetz (SGG) bei Vertretung durch sozialpolitische Verbände, durch Beschluss der 76. Konferenz der Minister und Senatoren für Arbeit und Soziales der Länder mit Wirkung vom 01. Januar 2000 einheitlich erhöht. Hiernach sei für die Vertretung in einem erfolgreichen Klageverfahren eine Kostenpauschale von EUR 28,12 zu erstatten. Nachdem die Beklagte nach Zustellung des Beschlusses des SG zunächst gemäß § 197 Abs. 2 SGG das Gericht angerufen hatte (Schreiben vom 04. März 2008) und der Kammervorsitzende klargestellt hatte, es habe sich um keine urkundsbeamtliche, sondern um eine richterliche Entscheidung gehandelt, hat die Beklagte gebeten, ihr Schreiben als Beschwerdeschrift zu betrachten mit der Begründung, die Kostenentscheidung nach § 193 SGG sei eine Grundentscheidung, die der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle nach § 197 SGG auszufüllen habe. Inhaltlich werde auf den Schriftsatz vom 20. Februar 2008 verwiesen. Hilfsweise werde beantragt, den Beschluss auf die Kostenentscheidung dem Grunde nach zu beschränken und die Kostenfestsetzung nach § 197 SGG wegen der anhängigen Musterverfahren zurückzustellen.

Das SG hat der Beschwerde nicht abgeholfen (Beschluss vom 23. April 2008) und sie gemäß § 174 SGG dem Landessozialgericht (LSG) zur Entscheidung vorgelegt.

Die Beklagte hat mit Schriftsatz vom 31. Juli 2008 auf die Entscheidungen des Bundessozialgerichts (BSG) vom 29. März 2007 (B 9a SB 2/05 R, 3/05 R und 6/05 R) hingewiesen, in denen zwar dem Grunde nach die von Verbandsvertretern geltend gemachten Gebührenforderungen als erstattungsfähig bezeichnet worden seien, jedoch - mit der Folge einer Zurückverweisung - sei gegenwärtig nicht zu beurteilen, ob die Tätigkeit der VdK Sozialrechtsschutz gGmbH diesen Anforderungen genüge. Es fehle insbesondere an ausreichenden Tatsachenfeststellungen betreffend die Handhabung der einschlägigen satzungsrechtlichen Bestimmungen in Verbindung mit dem Gesellschaftsvertrag. Es bestünden Zweifel, ob der VdK Baden-Württemberg und dessen Rechtsschutzorganisation überhaupt im begehrten Sinne privilegiert seien. Die bestehenden Regelungen und deren Anwendungen begegneten bisher erheblichen Bedenken.

Die Beklagte beantragt sinngemäß,

den Beschluss des Sozialgerichts Karlsruhe vom 14. Februar 2008 aufzuheben und die erstattenden außergerichtlichen Kosten auf EUR 28,12 festzusetzen.

Die Bevollmächtigten des Klägers haben sich zu den Ausführungen der Beklagten nicht mehr geäußert.

II.

Die zulässige Beschwerde der Beklagten ist insoweit begründet, als der Beschluss des SG vom 14. Februar 2008 aufzuheben ist, weil das SG zu Unrecht über die Kosten dem Grunde nach entschieden hat. Die Beschwerde der Beklagten ist nicht begründet, soweit sie die Festsetzung der zu erstattenden außergerichtlichen Kosten auf EUR 28,12 begehrt. Insoweit fehlt es an der Entscheidung des hierfür zuständigen Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des SG.

1. Die Beschwerde der Beklagten ist zulässig. Sie ist auch statthaft. Denn die Beklagte wendet sich mit der Beschwerde gegen eine vom SG getroffene Kostengrundentscheidung nach § 193 Abs. 1 Satz 3 SGG. Das SG hat bei auslegungsbedürftigem Tenor, der zwar auch einen Erstattungsbetrag anführt, nur eine Kostengrundentscheidung getroffen. Dies ergibt sich aus der von ihm für die Entscheidung genannten maßgeblichen Rechtsgrundlage des § 193 Abs. 1 Sätze 1 und 3 SGG. Das SG hat in der Begründung des Beschlusses auch die Grundsätze dargelegt, nach denen sich die Entscheidung über die Erstattung außergerichtlicher Kosten bei Erledigung des Rechtsstreits ohne Urteil richten.

Da die Beklagte die Beschwerde vor dem 01. April 2008 eingelegt hat, ist § 172 Abs. 3 Nr. 3 SGG in der seit 01. April 2008 geltenden Fassung des Gesetzes zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes und des Arbeitsgerichtsgesetzes (SGGArbGÄndG) vom 26. März 2008 (BGBl. I, S. 444) nicht anwendbar.

2. Die zulässige Beschwerde der Beklagten ist begründet.

Das SG durfte keine Entscheidung durch Beschluss nach § 193 Abs. 1 Satz 3 SGG treffen. Nach dem eindeutigen Wortlaut der Vorschrift setzt diese Entscheidung einen Antrag voraus. Im vorliegenden Verfahren fehlt es bereits an einem Antrag eines Beteiligten, über die außergerichtlichen Kosten durch Beschluss nach § 193 Abs. 1 Satz 3 SGG zu entscheiden. Die Beteiligten haben keinen entsprechenden Antrag gestellt. Denn auf Grund des von der Beklagten abgegebenen und vom Kläger angenommenen Kostenanerkenntnisses dem Grunde nach bestand kein Streit mehr über die Erstattung der außergerichtlichen Kosten des Klägers dem Grunde nach. Der Schriftsatz der Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 03. Januar 2008, mit dem sie an dem "Antrag auf Festsetzung der außergerichtlichen Kosten" festgehalten haben, ist kein Antrag nach § 193 Abs. 1 Satz 3 SGG, sondern ein Antrag nach § 197 Abs. 1 Satz 1 SGG. Hierüber muss der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle entscheiden (§ 197 Abs. 1 Satz 1 SGG) und ggf. nach Anrufung durch einen Beteiligten das Gericht, dessen Entscheidung nicht anfechtbar ist (§ 197 Abs. 2 SGG).

Einer Kostengrundentscheidung durch das SG bedurfte es auch nicht. Denn der Rechtsstreit war auf Grund des von der Beklagten abgegebenen und vom Kläger angenommenen Kostenanerkenntnisses dem Grunde nach auch hinsichtlich der Kosten erledigt. Für eine Entscheidung über die außergerichtlichen Kosten dem Grunde nach bestand damit grundsätzlich für keinen der Beteiligten ein Rechtsschutzbedürfnis mehr (BSG SozR 3-1500 § 193 Nr. 4). Soweit ein Beteiligter gleichwohl einen Antrag stellt, über die außergerichtlichen Kosten durch Beschluss nach § 193 Abs. 1 Satz 3 SGG zu entscheiden, ist dieser Antrag als unzulässig zurückzuweisen.

Ein Rechtsschutzbedürfnis für eine Kostengrundentscheidung kann ausnahmsweise dann bestehen, wenn ein Beteiligter ohne eine solche Entscheidung beim SG keine Kostenfestsetzung erlangen kann (BSG a.a.O.). Hierfür gibt es keine Anhaltspunkte. Denn der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle hat auf Antrag schon auf Grund eines solchen angenommenen Kostenanerkenntnisses gemäß § 197 SGG die Höhe der zu erstattenden Kosten festzusetzen (BSG a.a.O.). Dem Senat ist nicht bekannt, dass die Urkundsbeamten bei den Sozialgerichten des Landes Baden-Württemberg die Kostenfestsetzung auf Grund eines angenommenen Kostenanerkenntnisses ablehnen. Dass dies ausnahmsweise im vorliegenden Fall erfolgt sein soll, ist den Akten nicht zu entnehmen. Dagegen spricht schon, dass der Urkundsbeamte bislang mit der Kostenfestsetzung überhaupt nicht befasst war, sondern ausschließlich der für das Klageverfahren zuständige Kammervorsitzende.

Das SG hat deswegen zu Unrecht über die außergerichtlichen Kosten dem Grunde nach entschieden. Die Beklagte ist durch diesen zu Unrecht ergangenen Beschluss beschwert, weil darin die erstattungsfähigen außergerichtlichen Kosten mit EUR 360,00 festgesetzt wurden und das SG damit über das vom Kläger angenommene Kostengrundanerkenntnis der Beklagten hinausging. Soweit trotz eines angenommenen Kostengrundanerkenntnisses, das den Rechtsstreit auch hinsichtlich der Kosten vollständig erledigt, gleichwohl eine Entscheidung durch Beschluss nach § 193 Abs. 1 Satz 3 SGG erfolgt, ist dabei die Einigung der Beteiligten ohne weitere Sachprüfung zugrunde zu legen (BSG a.a.O.).

Über den Antrag der Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 03. Januar 2008, die erstattungsfähigen außergerichtlichen Kosten mit EUR 360,00 festzusetzen, muss im Interesse einer gebotenen klaren Trennung zwischen Kostenentscheidung nach § 193 SGG und einer Entscheidung im Kostenfestsetzungsverfahren nach § 197 SGG der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle noch entscheiden. Da diese Entscheidung bislang fehlt, kann die Festsetzung der zu erstattenden außergerichtlichen Kosten auf den von der Beklagten angebotenen Betrag von EUR 28,12 nicht erfolgen, unabhängig davon, dass hierfür das LSG überhaupt nicht zuständig ist. Denn gegen den ggf. ergangenen Beschluss des nach dem Geschäftsverteilungsplan des jeweiligen Sozialgerichts zuständigen Richters gegen die Festsetzung durch den Urkundsbeamten der Geschäftsstelle ist eine Beschwerde nicht statthaft (§ 197 Abs. 2 SGG).

Die Kostenentscheidung für das Beschwerdeverfahren beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

Diese Entscheidung ist mit der Beschwerde nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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