L 7 AL 2072/07

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
7
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 11 AL 2141/03
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 7 AL 2072/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 27. März 2007 aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Rücknahme der Bewilligung von Arbeitslosengeld (Alg) für die Zeit vom 4. März bis 31. Mai 2002 sowie über die Erstattung von in diesem Zeitraum gewährten Leistungen in Höhe von 2.234, 79 Euro.

Der am ...1961 in T. (R.) geborene Kläger war von Mitte Juli 1997 bis Januar 1999 als Wachmann beschäftigt. Danach stand er im Leistungsbezug bei der Beklagten. Auf deren Kosten sollte in der Zeit vom 12. April bis 7. Mai 1999 bei der D.-Akademie in Karlsruhe eine Feststellungsmaßnahme zur Fachkraft im Transportwesen durchgeführt werden, an welcher der Kläger offenbar nicht teilnahm, weil er sich seinen Angaben zufolge u.a. bei einer Baufirma beworben und dort ein paar Tage Probearbeit geleistet habe, ohne dass es jedoch zu einer Einstellung gekommen sei. Die Bewilligung des im vorgenannten Zeitraum gewährten Unterhaltsgeldes wurde deshalb zurückgenommen und die Erstattung der überzahlten Leistungen sowie der Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung gefordert (Bescheid vom 29. September 1999, Widerspruchsbescheid vom 25. Oktober 1999); die zum Sozialgericht Karlsruhe (SG) erhobene Klage (S 7 AL 4278/99) nahm der Kläger später zurück. Mit Blick auf die für Anfang 2000 geplante Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit im Paket- und Kurierdienst durchlief der Kläger vom 2. bis 26. November 1999 ein Existenzgründerseminar, das von der Beklagten mit Mitteln aus dem Europäischen Sozialfonds gefördert wurde. Vom 1. Februar bis 20. Mai 2000 war der Kläger als Objektleiter bei einem Reinigungsdienst sowie ab 1. Juni 2000 als Kurierfahrer beim Transport Service H. (TSH), Karlsruhe, einem Subunternehmen des Deutschen Paketdienstes (DPD) in M., gegen ein Arbeitsentgelt von zuletzt 3.000,00 DM monatlich (1.533,87 Euro) beschäftigt; dieses Arbeitsverhältnis endete ausweislich der Arbeitgeberkündigung vom 30. Januar 2002 zum 28. Februar 2002 wegen schlechter Auftragslage.

Am 28. Februar 2002 meldete sich der Kläger beim Arbeitsamt Karlsruhe (ArbA) arbeitslos und beantragte Alg; diese Leistung wurde ihm mit Bescheid vom 4. April 2002 ab 1. März 2002 in Höhe von 175,77 Euro wöchentlich (25,11 Euro täglich) bewilligt. In der Zeit vom 12. bis 14. März 2002 nahm der Kläger auf Vorschlag des ArbA bei der L. & G. AG in Karlsruhe an einem Informationsseminar für Arbeitslose (Start-Seminar) teil. Am 6. Juni 2002 meldete er sich rückwirkend zum 1. Juni 2002 aus dem Leistungsbezug ab, weil er mit Wirkung von diesem Tage mit dem TSH einen schriftlichen Arbeitsvertrag über eine erneute Beschäftigung als Kurierfahrer gegen ein monatliches Bruttoarbeitsentgelt von 1.300,00 Euro abgeschlossen hatte. Am 18. Februar 2003 erfuhr die Beklagte telefonisch über das Hauptzollamt Karlsruhe (Sachgebiet Bekämpfung illegaler Beschäftigung), dass der Kläger in der Zeit vom 1. März bis 31. Mai 2002 als Kurierfahrer in Vollzeit beschäftigt gewesen sei. Laut Schlußbericht des Hauptzollamtes Karlsruhe vom 24. Februar 2003 an die Staatsanwaltschaft Karlsruhe hätten ihre Beamte bereits am 1. August 2002 gemeinsam mit Polizisten der Kontrollgruppe gewerblicher Personen- und Güterverkehr des Polizeipräsidiums Karlsruhe die Geschäftsräume des TSH in Karlsruhe durchsucht; die Auswertung der beschlagnahmten Unterlagen habe ergeben, dass der Kläger von März bis Mai 2002 als Fahrer auf Tourenkarten des DPD eingetragen gewesen sei. Ein dieserhalb wegen eines Vergehens des Betrugs eingeleitetes Strafverfahren endete mit dem Freispruch des Klägers (Urteil des Amtsgerichts (AG) Karlsruhe vom 30. Juli 2003 - 8 Cs 21 Js 7770/03 -; rechtskräftig).

Bereits mit Bescheid vom 18. Februar 2003 hatte die Beklagte - ohne Anhörung des Klägers - die Bewilligung von Alg für die Zeit vom 1. März bis 31. Mai 2002 unter Hinweis auf § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) zurückgenommen und die Erstattung zu Unrecht gezahlter Leistungen in Höhe von 2.310,12 Euro sowie den Ersatz der Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung von 694,24 Euro und zur sozialen Pflegeversicherung von 83,11 Euro gefordert. Mit seinem Widerspruch machte der Kläger geltend, dass er in der fraglichen Zeit nicht als Kurierfahrer gearbeitet habe. Während des Widerspruchsverfahrens erließ die Beklagte in Abänderung des Bescheids vom 18. Februar 2003 den Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 17. März 2003, mit welchem die Bewilligung von Alg lediglich für die Zeit vom 4. März 2002 an zurückgenommen und allein noch die Erstattung überzahlter Leistungen von 2.234,79 Euro gefordert wurde. Mit Widerspruchsbescheid vom 21. Mai 2003 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers im Übrigen zurück.

Deswegen hat der Kläger am 20. Juni 2003 Klage zum SG erhoben. Zur Begründung hat er vorgetragen, dass ihm im Rahmen seines Beschäftigungsverhältnisses beim TSH bis 28. Februar 2002 die Tour 71 zugeteilt gewesen sei, die allesamt im Stadtgebiet Pforzheim ansässige Kunden (Bader, Kaufhalle, Wenz, Kaufhof, Woolworth) umfasst habe, für den Inhaber des TSH jedoch nicht mehr rentabel gewesen sei. Da er zu den vom Arbeitgeber vorgeschlagenen Lohneinbußen nicht bereit gewesen sei, sei ihm gekündigt worden, wobei ihm erklärt worden sei, dass er unter geänderten Umständen wieder eingestellt werden könne, wenn die Tour wieder einträglich sei. Nach seiner Arbeitslosmeldung habe er nicht nur das Start-Seminar in der Zeit vom 11. bis 15. März 2002 besucht, sondern sich bei einer Vielzahl von Unternehmen beworben und z.B. auch mehrere ganztägige "Schnuppertage" absolviert, u.a. bei der H. H. Service GmbH, K ... Bereits in den ersten Märzwochen habe sich der Inhaber des TSH bei ihm erkundigt, ob er schon eine neue Stelle habe und danach gefragt, ob er bereit sei, die - u.a. vom Arbeitsamt vermittelten - Bewerber für die Tour 71 einzuweisen, falls er nichts zu tun habe. Er habe zugesagt, um eine potentielle Arbeitsmöglichkeit beim TSH nicht zu gefährden. Aus diesem Grunde sei er im Zeitraum von März bis Mai 2002 etwa acht bis zehn Mal pro Monat mit Fahrern auf Tour gewesen. Dies habe, weil den Fahrern das Procedere nicht bekannt gewesen sei, nicht nur eine Einweisung in die Fahrstrecke bedeutet, sondern auch das Ausfüllen der Tourenkarte, die für den DPD Grundlage der Abrechnung gewesen sei. Für die Fahrten, an denen er teilgenommen habe, habe er die Tourenkarten ausgefüllt und unterzeichnet. Da die jeweiligen Fahrer das Ausfüllen der Tourenkarte nur sehr nachlässig und widerwillig erledigt hätten, habe er, auch wenn er eine Tour nicht mitgemacht habe, die bislang nicht ausgefüllten Karten zurückliegender Touren ausgefüllt und unterzeichnet, wobei er die Angaben über die Pakete in diesem Fall den vom DPD stammenden Ausrolllisten entnommen habe. Seit Anfang Juni 2002 habe er die Tour 71 wieder regelmäßig als Angestellter gefahren, nachdem der Inhaber des TSH für die Tour keinen übernahmewilligen Interessenten und ferner er selbst bis dahin noch keine andere Arbeit gefunden gehabt habe. Die unbezahlte Einweisungstätigkeit habe einen Zeitaufwand von höchstens drei Stunden pro Fahrt umfasst; er sei, wenn er um Einweisung gebeten worden sei, um etwa 9.00 Uhr erschienen, habe die Fahrt mitgemacht und sei zwischen 11.00 und 12.00 Uhr fertig gewesen. Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Das SG hat von der H. H. Service GmbH und von der L. & G. AG schriftliche Auskünfte eingeholt. Ferner hat das SG im Termin zur Erörterung des Sachverhalts vom 20. März 2007 den Kläger angehört und den Inhaber des TSH E. H. als Zeugen vernommen. Mit Gerichtsbescheid vom 27. März 2007 hat das SG die Bescheide vom 18. Februar und 17. März 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21. Mai 2003 aufgehoben. In den Gründen hat es im Wesentlichen ausgeführt, es bestünden erhebliche Zweifel daran, ob die vom Kläger verrichtete Tätigkeit 15 Stunden wöchentlich oder mehr umfasst und damit die Arbeitslosigkeit ausgeschlossen habe; jedenfalls sei das nicht beweisbar und dafür trage die Beklagte die Beweislast.

Gegen diesen der Beklagten am 2. April 2007 zugestellten Gerichtsbescheid richtet sich ihre am 24. April 2007 beim Landessozialgericht eingelegte Berufung. Zur Begründung hat sie vorgebracht, der Kläger müsse gegen sich gelten lassen, dass fast alle Tourenkarten von ihm unterzeichnet worden seien. Dieser müsse der Verantwortliche für die Tour 71 gewesen sein, weil die Tour auf seinen Namen gelaufen und er bezüglich der Einweisung der Fahrer angesprochen worden sei, mit diesen Termine vereinbart und sich um den korrekten Ablauf der Fahrten gekümmert habe. Für den DPD sei der Kläger der Ansprechpartner für die Tour 71 gewesen. Hinzu komme, dass sein eigenes Interesse, bei einem Fahrer bzw. Unternehmer "einsteigen" zu können und die Tour dann wieder selbst zu fahren, groß gewesen sei. Im Übrigen verwahre sie sich gegen die Beweislastentscheidung des SG. Die Ungewissheit des Sachverhalts sei vielmehr dadurch entstanden, dass der Kläger ihr gegenüber seine Mitteilungspflichten verletzt und seine Nebentätigkeit zu keinem Zeitpunkt erwähnt habe; bei Verletzung dieser Nebenpflicht gehe die Nichterweislichkeit auch bei rückwirkenden Aufhebungsentscheidungen zu Lasten desjenigen, der für die Nichterweislichkeit verantwortlich sei. Darauf, ob der Kläger ein Arbeitsentgelt erhalten habe, komme es nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) ebenso wenig an wie auf die Versicherungspflicht.

Die Beklagte beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 27. März 2007 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend. Er sei nicht verantwortlich für die Tour gewesen und habe auch kein Entgelt erhalten. Dass er die für die Tour 71 verantwortlichen Fahrer begleitet habe, stelle gegenüber dem DPD bzw. dem Zeugen H. eine Gefälligkeit dar. Beide hätten ihm gegenüber kein Direktionsrecht gehabt; diesem hätten vielmehr allein die Fahrer unterlägen. Im Übrigen habe er bereits erläutert, dass er nicht jede tatsächlich dokumentierte Fahrt begleitet habe. Bereits der Umstand, dass er an dem Seminar der L. & Grub AG teilgenommen habe, schließe es aus, die Unterschrift unter einer Tourenkarte als Beweis für die Teilnahme an der betreffenden Fahrt zu werten. Alle seine Unternehmungen - Start-Seminar, Schnuppertage, Begleitung der Fahrer - hätten Aktivitäten dargestellt, mit denen er seine Arbeitslosigkeit zu beenden gehofft habe. Zu dem bereits erstinstanzlich vorgelegten Absageschreiben der H. H. Service GmbH vom 11. April 2002 hat der Kläger außerdem noch dasjenige der D. H. GmbH Gebäudereinigung vom 10. April 2002 zu den Akten gereicht.

Der Senat hat vom AG Karlsruhe die Strafakten des Verfahrens 8 Cs 21 Js 7770/03 beigezogen.

Zur weiteren Darstellung wird auf die beigezogenen Akten, die Verwaltungsakten der Beklagten (2 Bände), die Klageakte des SG (S 11 AL 2141/03), die weitere Akte des SG (S 7 AL 4278/99) und die Berufungsakte des Senats (L 7 AL 2072/07) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Beklagten hat Erfolg.

Die Berufung ist zulässig. Sie ist unter Beachtung der Form- und Fristvorschriften des § 151 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) eingelegt worden sowie statthaft (§ 143 SGG); die Beschwerdewertgrenze des § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG ist in jedem Fall (auch in der Fassung durch das Gesetz zur Änderung des SGG und des Arbeitsgerichtsgesetzes vom 26. März 2008 (BGBl. I S. 444)) überschritten. Die Berufung ist auch begründet.

Zu befinden im Verfahren ist allein noch über der Rechtmäßigkeit der Entscheidung der Beklagten über die Rücknahme der Bewilligung von Alg im Zeitraum vom 4. März bis 31. Mai 2002 sowie über die Rückforderung überzahlter Leistungen in Höhe von 2.234,79 Euro; der dies verfügende Bescheid vom 17. März 2003 stellt insoweit im Ergebnis eine teilweise Abhilfe des Widerspruchs des Klägers gegen den Bescheid vom 18. Februar 2003 dar, mit dem die Leistungsbewilligung ursprünglich bereits ab 1. März 2002 aufgehoben und neben der Erstattung von in diesem Zeitraum gezahltem Alg außerdem noch der Ersatz der geleisteten Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung gefordert worden war.

Verfahrensrechtliche Grundlage der kassatorischen Entscheidung der Beklagten ist - wie von ihr zutreffend erkannt - die Bestimmung des § 45 SGB X in der Modifikation durch § 330 Abs. 2 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch (SGB III); denn der Bewilligungsbescheid vom 4. April 2002 war von Anfang an rechtswidrig. § 45 SGB X ist - in Abgrenzung zu § 48 SGB X - dann anzuwenden, wenn der ursprüngliche Bewilligungsbescheid bereits zum Zeitpunkt seiner Bekanntgabe rechtswidrig war (vgl. BSGE 74, 20, 23 = SozR 3-1300 § 48 Nr. 32; BSG, Urteil vom 14. März 1996 - 7 RAr 84/94 - (juris)); die Beurteilung der Rechtswidrigkeit bestimmt sich hierbei nach den tatsächlichen und materiellrechtlichen Verhältnissen im Zeitpunkt des Erlasses des begünstigenden Verwaltungsakts (vgl. BSG SozR 3-1500 § 54 Nr. 18). Nach § 45 Abs. 1 SGB X i.V.m. § 330 Abs. 2 SGB III ist ein begünstigender Verwaltungsakt unter Beachtung der Einschränkungen der Abs. 2 und 4 von § 45 SGB X ganz oder teilweise zurückzunehmen. Auf Vertrauensschutz (vgl. hierzu § 45 Abs. 2 Sätze 1 und 2 SGB X) kann sich der Begünstigte nicht berufen, soweit der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die er vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat (§ 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X).

Die Voraussetzungen für die Aufhebung der Bewilligung von Alg in der streitbefangenen Zeit liegen vor. Die vor Erlass des Bescheids vom 18. Februar 2003 unterbliebene Anhörung (§ 24 SGB X) ist im Widerspruchsverfahren nachgeholt worden (§ 41 Abs. 1 Nr. 3 und Abs. 2 SGB X).

Der Kläger war jedenfalls ab 4. März 2002 (Montag) nicht mehr beschäftigungslos und damit auch nicht mehr arbeitslos; er hatte ferner wegen fehlender Fortwirkung seiner Arbeitslosmeldung in der streitbefangenen Zeit bis 31. Mai 2002 keinen Anspruch auf Alg. Gemäß § 117 Abs. 1 SGB III (in der hier anzuwendenden Fassung des Arbeitsförderungs-Reformgesetzes - AFRG - vom 24. März 1997 (BGBl. I S. 594)) haben Arbeitnehmer Anspruch auf Alg nur dann, wenn (1.) sie arbeitslos sind, (2.) sich beim Arbeitsamt arbeitslos gemeldet und (3.) die Anwartschaftszeit erfüllt haben. Damit knüpft der Anspruch auf die Leistung an mehrere Voraussetzungen an, die sämtlich vorhanden sein müssen. Nach § 118 Abs. 1 SGB III (in der Fassung des 1. SGB III-Änderungsgesetzes vom 16. Dezember 1997 - (BGBl. I S. 2970)) ist arbeitslos ein Arbeitnehmer, der (1.) vorübergehend nicht in einem Beschäftigungsverhältnis steht (Beschäftigungslosigkeit) und (2.) eine versicherungspflichtige, mindestens 15 Stunden wöchentlich umfassende Beschäftigung sucht (Beschäftigungssuche). Die Ausübung einer weniger als 15 Stunden wöchentlich umfassenden Beschäftigung schließt Beschäftigungslosigkeit nicht aus; gelegentliche Abweichungen von geringer Dauer bleiben unberücksichtigt (§ 118 Abs. 2 Satz 1 SGB III (in der Fassung des 1. SGB III-Änderungsgesetzes)). Eine selbständige Tätigkeit und eine Tätigkeit als mithelfender Familienangehöriger stehen einer Beschäftigung gleich (Abs. 3 Satz 1 a.a.O.). Die Wirkung der Arbeitslosmeldung erlischt gemäß § 122 Abs. 2 Nr. 2 SGB III (in der Fassung des 2. SGB III-Änderungsgesetzes vom 21. Juli 1999 (BGBl. I S. 1648)) mit der Aufnahme einer Beschäftigung, wenn der Arbeitslose diese dem Arbeitsamt nicht unverzüglich mitgeteilt hat.

Zur Beurteilung, ob eine Beschäftigung oder Tätigkeit die Zeitgrenze des § 118 Abs. 2 Satz 1 SGB III überschritten hat, ist auf die von der Rechtsprechung des BSG zu den Vorgängervorschriften der §§ 101, 102 des Arbeitsförderungsgesetzes entwickelten Kriterien zurückzugreifen (vgl. BSG, Urteile vom 29. Oktober 2008 - B 11AL 44/07 R - (Rdnr. 16) und - B 11 AL 52/07 R - (Rdnr. 13) (beide juris)). Hiernach ist auch bezüglich der Legaldefinition der Beschäftigungslosigkeit im Sinne des § 118 Abs. 2 Satz 1 SGB III nicht auf die tatsächlich zurückgelegte Arbeitszeit, sondern vorrangig auf die vertraglichen Vereinbarungen und erst, wenn solche nicht bestehen, auf die der Natur der Sache nach intendierte Arbeitszeit abzustellen (vgl. BSG SozR 4100 § 102 Nr. 7; BSG; Urteile vom 1. August 1996 - 11 RAr 9/96 - und vom 17. Oktober 2007 - B 11a AL 25/06 R - (Rdnr. 17) (beide juris)); maßgeblich ist insoweit eine vorausschauende Betrachtungsweise (vgl. BSG SozR 3-4100 § 102 Nr. 1; BSG SozR 4-4200 § 122 Nr. 5 (Rdnr. 10); BSG, Urteile vom 29. Oktober 2008 a.a.O.). Die Entgeltlichkeit ist leistungsrechtlich ebenso wenig relevant wie die Beitragspflicht der Betätigung (vgl. BSG SoR 4100 § 107 Nr. 7; BSG, Urteil vom 9. Februar 2006 - B 7a AL 16/05 R - (juris)). Ist eine Vereinbarung bei prognostischer Anschauung regelhaft darauf angelegt, die Kurzzeitigkeitsgrenze von weniger als 15 Wochenstunden zu überschreiten, kommt es ferner nicht darauf an, ob sich die Vertragsparteien der leistungsrechtlich zulässigen Wochenarbeitszeit bewusst waren (vgl. BSG, Urteil vom 29. Oktober 2008 - B 11 AL 52/07 R - (Rdnr. 14)). Gelegentlich ist eine Überschreitung der Kurzzeitigkeitsgrenze im Übrigen nur dann, wenn sie nicht vorhersehbar war und sich nicht wiederholt (vgl. BSG a.a.O. (Rdnr. 16); BSG, Urteil vom 29. Oktober 2008 - B 11 AL 44/07 R - (Rdnr. 20)).

Vorliegend stellt sich die Sachlage so dar, dass der Kläger - zumindest ab 4. März 2002 - für den TSH weiterhin beruflich tätig war. Er hatte bereits während der Zeit der Beschäftigung bei diesem Unternehmen vom 1. Juni 2000 bis 28. Februar 2002 als Kurierfahrer die Tour 71 übernommen gehabt, die das Stadtgebiet Pforzheim abdeckte, indessen dem Arbeitgeber offenbar nicht mehr einträglich genug erschienen war. Nach dem eigenen Vortrag des Klägers (vgl. Klageschrift vom 20. Juni 2003; Schriftsatz vom 23. Juni 2003 an das AG Karlsruhe) hatte ihm gegenüber der Zeuge H., der im Übrigen nach eigenen Angaben des Klägers in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat wie er aus der Stadt T. stammt, wiederholt geäußert, dass, um die Tour rentabel zu machen, entweder er für weniger Geld arbeiten oder aber die Tour an einen anderen Subunternehmer abgegeben bzw. ein anderer Arbeitnehmer gesucht werden müsse, der die Tour für ein geringeres Arbeitsentgelt fahre. Zu Lohneinbußen sei er jedoch nicht bereit gewesen; der TSH habe darauf einen Subunternehmer oder einen Arbeitnehmer zu anderen Konditionen gesucht. Dementsprechend erfolgte der Kündigungsausspruch durch den TSH, wobei dem Kläger bereits im Kündigungsschreiben vom 30. Januar 2002 in Aussicht gestellt worden war, dass der TSH sich bei einer Verbesserung der Auftragslage sofort wieder melden werde. Tatsächlich wurde der Kläger bereits Anfang März 2002 von dem Zeugen H. darauf angesprochen, ob er schon wieder eine neue Stelle habe, und gefragt, ob er bereit wäre, die Bewerber für die Tour 71, die anscheinend z.T. auch vom Arbeitsamt vermittelt worden waren, einzuweisen. Dem stimmte der Kläger zu, weil er seine "potentiellen" Arbeitsmöglichkeiten bei der TSH nicht gefährden wollte (vgl. die Klageschrift vom 20. Juni 2003); er erhoffte sich, dort wieder eingestellt zu werden oder aber die Tour im Falle der Abgabe durch den TSH als selbständiger Kurierfahrer übernehmen zu können. Auch der Zeuge H., gegen den im Übrigen ausweislich der Angaben des Zollinspektors M. in der Hauptverhandlung vor dem AG Karlsruhe wegen "Sozialversicherungsbetrugs" ermittelt worden war, hat im Erörterungstermin vom 20. März 2007 eingeräumt, dass der Kläger "zum Einlernen" weiter gefahren sei. Im Hauptverhandlungstermin vor dem AG Karlsruhe vom 30. Juli 2003 hat der Zeuge Henrich von fünf bis zehn Leuten gesprochen, die die Tour hätten übernehmen können, während der Kläger die Zahl der Interessenten im Erörterungstermin vom 20. März 2007 auf vier oder fünf begrenzt hat. Ungeachtet der Zahl der Interessenten ist aus den Angaben beider jedoch zwingend zu schließen, dass der Kläger dem Zeugen nicht allein aus Gefälligkeit behilflich war. Der Zeuge war vielmehr auf den Kläger angewiesen, weil die sich für die Tour 71 - sei es in Arbeitnehmer- oder selbständiger Tätigkeit - interessierenden Fahrer weder die Fahrstrecke noch das sonstige "Procedere" kannten, welches vom Einladen der Pakete beim DPD in M. bis zum Einscannen bei der Entgegennahme der Pakete durch die Kunden in Pforzheim sowie dem Ausfüllen der Tourenkarten ging. Der konkrete, erfolgreiche Ablauf der Kurierfahrten hing mithin ganz wesentlich vom Kläger ab, der sich auch für das Ausfüllen und Unterschreiben der Tourenkarten, die Abrechnungsgrundlage für den DPD sind, verantwortlich sah. Darüber hinaus hat der Kläger im Strafverfahren eingeräumt, sich auf den Tourenkarten als Fahrer eingetragen zu haben (vgl. Protokoll über die Hauptverhandlung vor dem AG Karlsruhe vom 30. Juli 2003). Damit ist er auch nach außen hin gegenüber dem DPD als Fahrer aufgetreten; jedenfalls in 42 der vom Hauptzollamt beschlagnahmten Tourenkarten ist sein Name für die Tour 71 vermerkt. Weshalb er sich auch an Tagen, an denen er die Tour nicht gefahren sein will, auf der Tourenkarte eingetragen hat, vermochte der Kläger auch in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat vom 25. Juni 2009 nicht plausibel zu erklären; dass all dies gefälligkeitshalber geschehen sein soll, ist nicht nachvollziehbar. Erklärbar ist das Verhalten des Klägers zur Überzeugung des Senats vielmehr nur damit, dass er sich dem Wunsch des Zeugen H., die "Einweisung" der verschiedenen Fahrer zu übernehmen, mit Blick auf das von ihm verfolgte Eigeninteresse gebeugt hat. Von einer rein unverbindlichen "Begleitung" der Fahrer kann unter all diesen Umständen keine Rede sein. Beide Seiten wollten sich vertraglich binden, wobei hier offenbleiben kann, ob der Kläger vom Zeugen H. ein Entgelt von 1.330,00 Euro, wie vom Hauptzollamt aufgrund der am 1. August 2002 beschlagnahmten Notiz angenommen, beanspruchen konnte. Die in den wesentlichen Punkten nur vagen Angaben des Zeugen H. im Strafverfahren vor dem AG Karlsruhe und im erstinstanzlichen Verfahren vor dem SG könnten allerdings darauf hindeuten, dass zumindest der Zeuge H. aufgrund der von ihm offenbar nicht als lukrativ betrachteten Tour 71 eine Arbeitsentgelt- und Beitragszahlung durch die geschehene Vorgehensweise umgehen wollte und der Arbeitseinsatz des Klägers deswegen "auf Kosten" der Beklagten durchgeführt werden sollte.

Die Touren starteten nach dem Vorbringen des Klägers um 9.00 Uhr und mussten spätestens um 12.00 Uhr fertig sein, während der Zeuge H. im Hauptverhandlungstermin vor dem AG Karlsruhe Beginn und Ende des Einsatzes auf die Zeit zwischen 8.00 und 9.00 Uhr bis spätestens 12.00 bis 13.00 Uhr bei einer reinen Fahrtzeit von drei bis vier Stunden veranschlagt hat. In der vom Kläger am 13. März 2002 abgegebenen Arbeitsbescheinigung der TSH hatte diese dem Kläger im Übrigen für die Zeit seiner Beschäftigung vom 1. Juni 2000 bis 28. Februar 2002 eine durchschnittliche regelmäßige Arbeitszeit von etwa 38 Stunden wöchentlich bescheinigt, während in den Arbeitsverträgen vom 1. Juni 2000 und 1. Juni 2002 sogar von durchschnittlich 40 Wochenarbeitsstunden die Rede ist (vgl. jeweils § 5 a.a.O.). Da die Tour 71, wie sich den Tourenkarten unschwer entnehmen lässt, regelmäßig von Montag bis Freitag gefahren werden musste (vgl. hierzu außerdem nochmals die vorgenannte Arbeitsbescheinigung), stand bei prognostischer Betrachtungsweise somit von Anfang an fest, dass die Tätigkeit des Klägers nicht auf einen lediglich kurzzeitigen wöchentlichen Arbeitseinsatz gerichtet war. Mindestens dreistündige Einsätze an fünf Tagen in der Woche zur Einarbeitung der Fahrer waren keineswegs ausgeschlossen, dieser Umstand vielmehr aufgrund der oben dargestellten Abmachungen regelhaft angelegt (vgl. nochmals BSG, Urteil vom 29. Oktober 2008 - B 11 AL 52/07 R - (Rdnr. 14)).

Der Kläger hat zwar angegeben, dass er im Zeitraum von März bis Mai 2002 lediglich etwa acht bis zehn Mal pro Monat mit den Fahrern auf Tour gewesen sei und die Tourenkarten selbst dann ausgefüllt und unterschrieben habe, wenn er nicht bei den Touren dabei gewesen sei; zum Beleg dafür hat er u.a. auf das Start-Seminar verwiesen, in welchem er in den Teilnehmerlisten der Lutz & Grub AG am 12., 13. und 14. März 2002 aufgeführt ist. Darauf kommt es nach den vorstehenden Ausführungen indessen nicht an. Immerhin war der Kläger aber ausweislich der am 1. August 2002 bei der TSH beschlagnahmten Tourenkarten, die Grundlage für die Abrechnung des DPD mit den Subunternehmern sind, für die Tour 71 an insgesamt mindestens 42 Tagen eingetragen, nämlich am 4., 5., 6., 7., 8., 12., 13., 15., 19., 21., 22., 25., 26., 27. und 28. März, 3., 4., 8., 10., 11., 12., 15., 17., 18., 19., 22., 23. und 24. April 2002 sowie am 2., 3., 6., 7., 8., 10., 13., 14., 15., 16., 17., 21., 22. und 23. Mai 2002; lediglich an drei Tagen (14. März, 2. April sowie 5.[?] April 2002) taucht der Name H. sowie an einem weiteren Tag (16. April 2002) ein sonstiger Name (W.?) auf. Im Übrigen hatte sich der Kläger bereits in der ersten Woche vom 4. bis 8. März 2002, also schon vor Beginn des Start-Seminars, an jedem einzelnen Tag eingetragen, ohne im Verlauf des Verfahrens einen konkreten Verhinderungsgrund für diese Woche benennen zu können, sodass alles dafür spricht, dass er nicht nur entsprechend den mit dem Zeugen H. getroffenen Abmachungen an jedem dieser Tage eingesetzt werden sollte, sondern dies tatsächlich auch geschah. Aber selbst wenn der Kläger nicht an allen Tagen, für die er die Tourenkarten auf seinen Namen ausgefüllt haben sollte, an der Tour 71 teilgenommen haben sollte, zeigt das, dass er nach wie vor mit dem TSH eng verbunden war und sich für die Tour 71 im Sinne der Übernahme von vertraglicher Verantwortung verpflichtet gesehen hat; bei seiner Vernehmung in der Hauptverhandlung vor dem AG Karlsruhe hat er geäußert, dass er sich als Fahrer eingetragen habe, weil es "Gewohnheit" gewesen sei. Wegen der Vorhersehbarkeit der zeitlichen Überschreitung der Kurzzeitigkeitsgrenze bereits zu Beginn des Arbeitseinsatzes greift die Ausnahmeregelung des § 118 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 SGB III nicht ein.

Nach allem waren mit der (Wieder-)Aufnahme der Arbeit bei der TSH spätestens am 4. März 2002 die Voraussetzungen für den Anspruch auf Alg nicht mehr erfüllt. Dieser lebte auch zu einem späteren Zeitpunkt in der streitbefangenen Zeit nicht wieder auf. Denn wegen § 122 Abs. 2 Nr. 2 SGB III war auch die Wirkung der Arbeitslosmeldung erloschen (vgl. nochmals BSG, Urteil vom 9. Februar 2006 a.a.O. (Rdnr. 13); BSG SozR 4-4300 § 122 Nr. 5 (Rdnr. 11); BSG, Urteil vom 29. Oktober 2008 - B 11 AL 52/07 R - (Rdnr. 19)); der Kläger hat die Arbeitsaufnahme bei der TSH weder vor dem 4. März 2002 noch bei Abgabe des Alg-Antragsvordrucks am 13. März 2002 angezeigt und dies noch nicht einmal am 16. April 2002 getan, als er beim ArbA persönlich vorgesprochen hat; er hat die Beklagte seinerzeit vielmehr im Glauben gelassen, dass er trotz zahlreicher Bewerbungen immer noch keine Arbeit habe. In der Regelung des § 122 Abs. 2 Nr. 2 SGB III ist - jedenfalls bei einer die Arbeitslosigkeit unterbrechenden Tätigkeit wie hier - eine Einschränkung der Fortwirkung der Arbeitslosmeldung für den Fall der vom Arbeitslosen nicht angezeigten Schwarzarbeit zu sehen, und zwar unabhängig von der Dauer der Tätigkeit und unabhängig davon, ob hierfür eine Entlohnung vereinbart ist (vgl. BSG SozR 4-4300 § 122 Nr. 5 (Rdnr. 11)). Der Kläger hatte mithin im gesamten Zeitraum vom 4. März bis 31. Mai 2002 keinen Anspruch mehr auf Alg.

Für den vorgenannten Zeitraum liegen ferner die Rücknahmevoraussetzungen des § 330 Abs. 2 SGB III i.V.m. § 45 SGB X vor. Auf Vertrauensschutz vermag sich der Kläger nicht zu berufen, denn der Bewilligungsbescheid vom 4. April 2002 beruhte auf Angaben, die er grob fahrlässig, wenn nicht gar vorsätzlich in wesentlicher Beziehung unrichtig gemacht hat (§ 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X). In dem vom Kläger am 12. März 2002 unterschriebenen Formantrag auf Alg war unter Punkt 2. Ziff. 2a danach gefragt, ob er weiterhin eine Beschäftigung/Tätigkeit ausübe; diese Frage hat er verneint, obgleich dies den Tatsachen nicht entsprach und er dies auch wusste. Auf seinen Arbeitseinsatz für den TSH hätte er die Beklagte bereits in diesem Antragsvordruck hinweisen oder jedenfalls bei ihr diesbezüglich nachfragen müssen (vgl. hierzu BSGE 96, 238 = SozR 4-4220 § 6 Nr. 4 (Rdnr. 34); BSG, Urteil vom 28. August 2008 - B 11 AL 25/07 R - (Rdnr. 26) (juris)). Im Antragsvordruck war im Übrigen auch nach dem wöchentlichen Umfang der Betätigung als Arbeitnehmer, Selbständiger oder mithelfender Familienangehöriger gefragt.

Grobe Fahrlässigkeit setzt eine Sorgfaltspflichtverletzung ungewöhnlich hohen Maßes, d.h. eine schlechthin unentschuldbare Pflichtverletzung voraus; es müssen schon einfachste, ganz naheliegende Überlegungen nicht angestellt, also nicht beachtet worden sein, was im gegebenen Fall jedem einleuchten muss (vgl. BSGE 42, 184, 187 = SozR 4100 § 152 Nr. 3; BSG SozR a.a.O. Nr. 10 S. 33). Insoweit ist das Maß der Fahrlässigkeit insbesondere an der persönlichen Urteils- und Kritikfähigkeit, dem Einsichtsvermögen der Betroffenen sowie den besonderen Umständen des Falles zu beurteilen (subjektiver Fahrlässigkeitsbegriff; vgl. BSGE 44, 264, 273 = SozR 5870 § 13 Nr. 2; SozR 3-1300 § 45 Nr. 45; SozR 4-4300 § 122 Nr. 5). Missachtet der Begünstigte die klaren und eindeutigen Hinweise in einem Merkblatt und konnte er dies nach seiner Persönlichkeitsstruktur und seinem Bildungsstand erkennen, so begründet dies im Regelfall, wenn nicht gar Kenntnis, so zumindest grobe Fahrlässigkeit (vgl. BSGE 44, 264, 273; BSG, Urteil vom 24. April 1997 - 11 RAr 89/96 - (juris)). Den Erhalt des Merkblatts 1 für Arbeitslose und die Kenntnisnahme seines Inhalts hat der Kläger durch seine Unterschriftsleistung am 12. März 2002 bestätigt.

Dass die spätestens zum 4. März 2002 erfolgte Arbeitsaufnahme beim TSH dem ArbA anzugeben war, musste dem Kläger angesichts der eindeutigen Fragestellung im Antragsvordruck schon aufgrund einfachster Überlegungen klar sein. Darüber hinaus wird im Merkblatt für Arbeitslose (Stand April 2001) auf S. 17 unmissverständlich darauf hingewiesen, dass der Leistungsanspruch u.a. von der Arbeitslosigkeit abhängt und dass arbeitslos nur ist, wer vorübergehend nicht in einem Beschäftigungsverhältnis steht und eine Beschäftigung sucht, und arbeitslos auch derjenige ist, der als Arbeitnehmer, Selbständiger oder mithelfender Familienangehöriger lediglich eine Tätigkeit von weniger als 15 Stunden ausübt. Auf S. 53 des Merkblatts ist der Kläger nochmals deutlich darüber aufgeklärt worden, dass er selbst - und nicht etwa der Arbeitgeber - das Arbeitsamt sofort benachrichtigen müsse, wenn er eine berufliche Tätigkeit - auch als Selbständiger oder als Nebenbeschäftigung, auch wenn diese nicht steuer- und sozialversicherungspflichtig sei, oder ein Probearbeitsverhältnis - aufnehme. Der Inhalt all dieser Belehrungen stimmt mit der Gesetzeslage und den von der höchstrichterlichen Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen überein. Schon aufgrund des Alg-Antragsvordrucks und erst recht bei Lektüre des Merkblatts hätte es sich dem Kläger mithin aufgrund einfachster Überlegungen aufdrängen müssen, dass er die (Wieder-)Aufnahme der Tätigkeit beim TSH der Beklagten hätte angeben müssen. Dies gilt umso mehr, als er bereits in der Vergangenheit (vgl. Bescheid vom 29. September 1999, Widerspruchsbescheid vom 25. Oktober 1999) eine Zurücknahme der Leistungsbewilligung und eine Erstattungsforderung hinzunehmen hatte, weil er dem ArbA die Aufnahme einer Probearbeit nicht mitgeteilt hatte und er deswegen vom AG Karlsruhe im Ordnungswidrigkeitenverfahren mit einer Geldbuße belegt worden war. Der Werdegang des Klägers und die sich aus den Akten erschließende Persönlichkeitsstruktur sowie der in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat von ihm gewonnene persönliche Eindruck bieten keinen Anhalt dafür, dass sein Einsichts-, Kritik- und Urteilvermögen aufgrund subjektiver Merkmale beeinträchtigt gewesen ist.

Nach allem ist dem Kläger ein - Vertrauensschutz ausschließendes - Fehlverhalten im Sinne des § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X vorzuwerfen. Die Beklagte war deshalb berechtigt, die Bewilligung des Alg in der Zeit vom 4. März bis 31. Mai 2002 zurückzunehmen. Die Fristen des § 45 Abs. 3 und 4 SGB X sind eingehalten. Der Kläger ist deshalb nach § 50 Abs. 1 SGB X verpflichtet, die im vorgenannten Zeitraum überzahlten Leistungen zu erstatten; die Erstattungsforderung beläuft sich - wie von der Beklagten zutreffend berechnet - auf 2.234,79 Euro (89 Tage zu je 25,11 Euro). Diesen Betrag hat der Kläger zu erstatten. Über die Modalitäten der Rückzahlung war vorliegend nicht zu entscheiden (vgl. BSG SozR 1200 § &61492;2 Nr. 4 S. 18; SozR 3-1300 § 48 Nr. 3 S. 84).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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