L 11 KR 2381/09 ER-B

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 16 KR 3238/09 ER
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 KR 2381/09 ER-B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Stuttgart vom 18. Mai 2009 aufgehoben. Die aufschiebende Wirkung der Klage der Antragstellerin gegen die Bescheide der Antragsgegnerin vom 26. Januar 2009, 29. Januar 2009, 05. Februar 2009 und 26. März 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05. Juni 2009 wird angeordnet.

Die Kosten der Antragstellerin im Antrags- und Beschwerdeverfahren trägt die Antragsgegnerin.

Gründe:

I.

Die Antragstellerin begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Widersprüche vom 29. Januar 2009 und 30. März 2009 gegen die Beitragsbescheide der Antragsgegnerin vom 26. Januar 2009, 29. Januar 2009, 05. Februar 2009 und 26. März 2009.

Die 1980 geborene Antragstellerin, die seit September 2006 hauptberuflich als Innenarchitektin selbständig tätig war, ist seit dem 01. April 2007 bei der Antragsgegnerin freiwillig krankenversichert und bei der B. G. - Pflegekasse pflegeversichert. Mit Bescheid vom 15. März 2007 (Bl. 9 Verw.-Akte) setzte die Antragsgegnerin den monatlichen Beitrag zur Krankenversicherung mit 226,02 EUR und zur Pflegeversicherung mit 35,83 EUR, d.h. insgesamt 261,85 EUR, ausgehend von den Angaben der Antragstellerin zu ihrem monatlichen Einkommen aus der selbständigen Tätigkeit von 1.837,50 EUR, fest. Der Bescheid enthielt u.a. folgenden Hinweis: "Diese Festsetzung erfolgt unter Vorbehalt und wird nach Vorlage des ersten Steuerbescheides rückwirkend überprüft." Rechtsbehelfe gegen diesen Bescheid wurden nicht eingelegt.

Am 31. Oktober 2008 (Bl. 23 Verw.-Akte) legte die Antragstellerin den Einkommensteuerbescheid des Finanzamtes S. vom 10. Oktober 2008 für das Jahr 2007 vor, wonach ihre Einkünfte aus selbständiger Arbeit 29.827,- EUR betrügen (Bl. 12 Verw.-Akte). Auf Aufforderung seitens der Antragsgegnerin übersandte sie am 05. Januar 2009 noch den Einkommenssteuerbescheid für das Jahr 2006, der Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit in Höhe von 10.874,- EUR auswies (Bl. 16 Verw.-Akte).

Mit Bescheid vom 26. Januar 2009, der auch im Namen der Pflegekasse erging, setzte die Beklagte die monatlichen Beiträge zur Krankenversicherung ab 01. Januar 2009 mit 370,35 EUR und zur Pflegeversicherung mit 54,68 EUR, d.h. insgesamt 425,03 EUR, unter Berücksichtung eines monatlichen Einkommens von 2.485,58 EUR fest. Für die Zeit von April bis Dezember 2007 seien monatliche Einnahmen in Höhe von 3.562,50 EUR, vom 01. Januar 2008 bis 31. Oktober 2008 von 3.600 EUR und ab 01. November 2008 in Höhe von 2.485,58 EUR zu berücksichtigen, woraus eine Nachzahlung von insgesamt 4.884,19 EUR resultiere (Bl. 22 Verw.-Akte).

Mit Schreiben vom 18. Januar 2009 legte die Antragstellerin einen korrigierten Einkommenssteuerbescheid vom 14. Januar 2009 für das Jahr 2007 (Einkünfte aus selbständiger Arbeit 29.617 EUR) vor (Bl. 23 Verw.-Akte). Daraufhin reduzierte die Antragsgegnerin auch im Namen der Pflegekasse mit Bescheid vom 29. Januar 2009 ab 01. Februar 2009 die monatlichen Beiträge zur Krankenversicherung auf 367,74 EUR und zur Pflegeversicherung auf 54,30 EUR, d.h. insgesamt auf 22,04 EUR unter Zugrundelegung eines monatlichen Einkommens von 2.468,08 EUR (Bl. 26 Verw.-Akte). Der Beitragskontorückstand weise nunmehr einen Saldo von insgesamt 5.309,22 EUR auf.

Gegen den Bescheid vom 26. Januar 2009 legte die Antragstellerin am 30. Januar 2009 Widerspruch mit der Begründung ein, die Beitragsbelastung müsse die gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des freiwilligen Mitglieds berücksichtigen, welches sie bei der Festsetzung des Maximalbeitrages trotz ihrer deutlich unter der Beitragsbemessungsgrenze liegenden Einkünfte nicht erkennen könne. Sie habe im Jahr 2009 pro Kalendermonat nur 906,17 EUR erzielt, sodass für 2007 bis Oktober 2008 nur der Minimalbeitrag festzusetzen gewesen wäre. Stelle man auf die Dauer ihrer selbständigen Tätigkeit von vier Monaten im Jahr 2006 ab, so ergebe sich ein monatlicher Gewinn in Höhe von 2.718,50 EUR, maximal sei dieser Betrag für 2007 bis Oktober 2008 anzusetzen gewesen. Dieser Zeitraum sei aber nicht repräsentativ, man könne ihres Erachtens nur auf ein volles Kalenderjahr zurückgreifen. Der Beitragsbemessung könne deswegen nur der Steuerbescheid von 2007 zugrunde gelegt werden.

Mit Bescheid vom 05. Februar 2009 setzte die Antragsgegnerin - wiederum im Namen der Pflegekasse - die Beiträge ab 01. Januar 2009 nun auf monatlich 370,35 EUR (Krankenversicherung) und 54,68 EUR (Pflegeversicherung), d.h. insgesamt 425,03 EUR, fest (monatliches Einkommen von 2.458,08 EUR), so dass das Beitragssaldo insgesamt 2.536,67 EUR betrage (Bl. 33 Verw.-Akte).

Hierauf beantragte die Antragstellerin zunächst Ratenzahlung (Schreiben vom 22. Februar 2009) und legte mit weiterem Schreiben vom 26. März 2009 den Einkommenssteuerbescheid des Finanzamtes S. vom 24. März 2009 (Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit 21.702 EUR in 2008) vor (Bl. 48 Verw.-Akte). Daraufhin änderte die Antragsgegnerin - auch im Namen der Pflegekasse - mit Bescheid vom 26. März 2009 die Beiträge ab 01. April 2009 unter Zugrundelegung eines monatlichen Einkommens von 1.890,- EUR ab (Krankenversicherung 281,61 EUR, Pflegeversicherung 41,58 EUR, insgesamt 323,19 EUR).

Am 31. März 2009 legte die Antragstellerin gegen alle Beitragsbescheide Widerspruch mit der Begründung ein, für den Zeitraum der vorläufigen Beitragsfestsetzung dürften nur die tatsächlich bezogenen Einkünfte zugrunde gelegt werden. Niedrige Einkünfte seien rückwirkend zu berücksichtigen. Deswegen bestehe die Gesamtnachforderung nur in Höhe von 509,11 EUR. Die Antragsgegnerin lehnte eine Aussetzung der sofortigen Vollziehung der Beitragsnachforderung ab (Schreiben vom 21. April 2009, Bl. 80 Verw.-Akte).

Ab 20. April 2009 nahm die Antragstellerin eine unselbständige Tätigkeit auf, woraufhin die Antragsgegnerin für April 2009 den anteiligen Mindestbeitrag in Höhe von 204,68 EUR verlangte.

Am 11. Mai 2009 beantrage die Antragstellerin beim Sozialgericht Stuttgart (SG) die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes. Sie hat die Praxis der Antragsgegnerin beanstandet, bei der Berechung der Nachforderung die Einkünfte nur zeitversetzt entsprechend dem Monat der Vorlage der Einkommensteuerbescheide zu berücksichtigen. Auch versehe die Antragsgegnerin ihre Schreiben nicht mit einer Rechtsbehelfsbelehrung, so dass es für sie nicht eindeutig sei, welche Schreiben Verwaltungsakte darstellten und welche lediglich informatorischen Charakter ohne Regelungsgehalt hätten. Die Beiträge für das Jahr 2007 müssten entsprechend den im Einkommensteuerbescheid für dieses Jahr festgesetzten Einnahmen festgesetzt werden. Aufgrund des im Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2008 dokumentierten Einkommens sei ab Januar 2008 der Mindestbeitrag festzusetzen. Danach betrage die geschuldete Beitragsnachzahlung nur 509,11 EUR.

Mit Beschluss vom 18. Mai 2009 hat das SG den Antrag mit der Begründung abgewiesen, die Antragsgegnerin sei zunächst berechtigt gewesen, die Beitragshöhe unter Vorbehalt festzusetzen, da die Antragstellerin zum Zeitpunkt ihrer erstmaligen Beitragseinstufung nach Aufnahme der selbständigen Tätigkeit im September 2006 Nachweise über ihre Einnahmen nicht hätte vorlegen können. Nach Erlass des Einkommenssteuerbescheides für das Jahr 2006 habe die Antragstellerin diesen entgegen ihrer Verpflichtung nicht im Juli 2007 vorgelegt. Die Antragsgegnerin habe deswegen zu Recht die tatsächlichen Einnahmen erst zeitverzögert berücksichtigt. Aufgrund der im Einkommensteuerbescheid 2006 dokumentierten Einnahmen sei ein monatliches Einkommen für die Beitragsbemessung in der Zeit von April 2007 bis Oktober 2008 in Höhe von 2.718,50 EUR und auf Basis des im Oktober 2008 erlassenen Einkommenssteuerbescheides für das Jahr 2007 in der Zeit von November 2008 bis Januar 2009 in Höhe von 2.485,58 EUR zu berücksichtigen gewesen. Auf Vorlage des korrigierten Einkommenssteuerbescheides für das Jahr 2007 im Januar 2009 habe die Antragsgegnerin mit weiterem Bescheid vom 29. Januar 2009 ab Februar 2009 den Beitrag unter Berücksichtigung des monatlichen Einkommens von 2468,08 EUR neu festgesetzt. Mit Einreichung des Einkommenssteuerbescheides für das Jahr 2008 im März 2009 habe die Antragstellerin niedrigere Einnahmen nachgewiesen, welches die Antragsgegnerin mit Bescheid vom 26. März 2009 zutreffend im April 2009 berücksichtigt habe. Dem vorgelegten Urteil des LSG Berlin-Brandenburg vom 11. Oktober 2007, L 1 KR 356/07, sei deswegen nicht zu folgen, da die Rechtssprechung des BSG nicht hinreichend berücksichtigt worden sei. Die Zugrundelegung der Einnahmen gemäß Steuerbescheid für das Jahr 2007, der im Oktober 2008 erlassen worden wäre, ab November 2008 entspreche der zeitversetzten Berücksichtigung der tatsächlichen Einnahmen.

Am 25. Mai 2009 hat die Antragstellerin dagegen Beschwerde beim SG eingelegt. Zur Begründung trägt sie vor, ein Obsiegen in der Hauptsache sei wahrscheinlicher als ein Unterliegen. Die Antragsgegner habe ihre wirtschaftliche Leistungsfähigkeit nicht ausreichend berücksichtigt. Sie sei knapp 32 Monate, nämlich von September 2006 bis 19. April 2009, als (Innen-)Architektin selbständig tätig gewesen. Wie sich aus den Einkommensteuerbescheiden ergebe, seien ihre monatlichen Einkünfte aus selbständiger Arbeit kontinuierlich von 2718,50 EUR (Jahr 2006) auf 2.468,08 EUR (Jahr 2007) und schließlich auf 1.808,50 EUR (Jahr 2008) gesunken. Die zeitversetzte Berücksichtigung ihrer niedrigeren Einkünfte im Jahr 2008 komme ihr nicht mehr zugute. Die Antragsgegnerin habe ihre Einkünfte aus vier Monaten im Jahr 2006 der Beitragsbemessung von 26 Monaten zugrunde gelegt, die Einkünfte aus dem Jahr 2007 der Beitragsbemessung von fünf Monaten, die Einkünfte aus dem Jahr 2008 der Beitragsbemessung für weniger als einen Monat und die Einkünfte aus knapp vier Monaten aus dem Jahr 2009 überhaupt nicht berücksichtigt. Sie habe in den ersten vier Monaten zufälligerweise die höchsten Einkünfte erzielt, so dass die Beitragsbemessung ihre wirtschaftliche Leistungsfähigkeit nicht annähernd widerspiegle. Wenn eine selbständige Tätigkeit vor einer bestandskräftigen endgültigen Beitragsfestsetzung beendet werde, sei die zeitversetzte Berücksichtigung der Einkünfte nicht gerechtfertigt. Dies habe das LSG Berlin-Brandenburg in seinem zitierten Urteil zutreffend ausgeführt. Unabhängig davon werde die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit immer nur dann ausreichend berücksichtigt, wenn einer endgültigen Beitragsfestsetzung die Einkünfte eines repräsentativen Zeitraumes zugrunde gelegt würden. Das SG habe auch Sinn und Zweck der Zeitschranke des § 240 Abs. 4 Satz 6 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) n.F. zu Unrecht angewandt. Diese sei nur bei bestandkräftigen, endgültigen Beitragsfestsetzungen anzuwenden. Wenn die Beitragsfestsetzung entweder vorläufig oder noch nicht bestandskräftig sei, liege keine Veränderung einer bestehenden Beitragsfestsetzung vor. Die Antragstellerin hat zunächst beantragt, den Beschluss des Sozialgerichts Stuttgart vom 18. Mai 2009 aufzuheben und die aufschiebende Wirkung der Widersprüche der Antragstellerin vom 29. Januar 2009 und vom 29. März 2009 gegen die Bescheide der Antragsgegnerin vom 26. Januar 2009, 29. Januar 2009, 05. Februar 2009, 24. Februar 2009, 03. März 2009 und 09. März 2009 anzuordnen.

Die Antragsgegnerin ist dem Antrag entgegengetreten. Sie ist der Auffassung, dass eine Interessenabwägung vorzunehmen sei, wobei durch die Vollziehung des Beitragsbescheides keine irreparablen Folgen entstünden. Sie habe die sinkenden monatlichen Einkünfte der Antragstellerin sofort nach Einreichen der Einkommensteuerbescheide mit dem Ersten des Folgemonats berücksichtigt. Die erste Beitragsfestsetzung sei noch mit einem Vorbehalt versehen worden. Für die rückwirkende Beitragskorrektur sei der erste vorliegende Einkommensteuerbescheid des Jahres 2006 maßgebend. Deswegen habe man die Beitragsfestsetzung rückwirkend zum 01. April 2007 vorgenommen und den Vorbehaltshinweis aufgehoben. Somit könnten ab diesem Zeitpunkt sämtliche zukünftigen Einkommenssteuerbescheide nur noch mit Wirkung für die Zukunft angewendet werden. Bei der rückwirkenden Beitragskorrektur mit Bescheid vom 26. Januar 2009 habe die Antragstellerin auch ihre selbständige Tätigkeit noch nicht beendet und es sei zu diesem Zeitpunkt nicht absehbar gewesen, dass sie diese beenden werde. Die Antragstellerin sei am 15. März 2007 darauf hingewiesen worden, dass sie den Einkommensteuerbescheid vorlegen müsse. Das BSG-Urteil vom 11. März 2009 - B 12 R 30/07 R - finde keine Anwendung. Denn in diesem Fall seien von der Klägerin erst keine Einkommensnachweise eingereicht worden und die Beklagte habe später die rückwirkende Berücksichtigung der verspätet eingereichten Einkommensteuerbescheide verweigert.

Mit Widerspruchsbescheid vom 05. Juli 2009 hat die Antragsgegnerin den Widerspruch der Antragstellerin mit der Begründung zurückgewiesen, bis zum 31. Dezember 2008 erfolge die Beitragsbemessung freiwillig Versicherter Mitglieder in der Phase der Existenzgründung zunächst vorläufig durch einstweiligen Verwaltungsakt, der keine Bindungswirkung im Bezug auf die endgültige Regelung der Beitragshöhe entfalte und daher die spätere Korrektur der Beitragsfestsetzung erlaube. Ab dem 01. Januar 2009 würden sich die Beiträge nach den "einheitlichen Grundsätzen zur Beitragsbemessung freiwilliger Mitglieder" bemessen, wobei der Nachweis des Arbeitseinkommens durch den letzten aktuellen Einkommenssteuerbescheid vom Finanzamt erfolge. Diesen habe die Antragstellerin am 31. Oktober 2008 für das Jahr 2007 vorgelegt, so dass dieser ab 01. November 2008 berücksichtigt werden könne. Für den Zeitraum vom 01. April 2007 bis 31. Oktober 2008 diene folglich der Einkommensteuerbescheid 2006 als Einkommensnachweis, da die bisherige Beitragseinstufung mit Bescheid vom 15. März 2007 unter Vorbehalt und Hinweis einer späteren rückwirkenden Korrektur erfolgt sei. Mit Bescheid vom 26. Januar 2009 sei der Vorbehalt aufgehoben worden, so dass die danach vorgelegten Einkommenssteuerbescheide nur noch mit Wirkung für die Zukunft hätten berücksichtigt werden dürfen.

Mit Schriftsatz vom 17. Juni 2009 hat die Antragstellerin Klage beim SG erhoben und deshalb am 18. Juni 2009 ihren bisherigen Antrag geändert.

Die Antragstellerin beantragt nunmehr,

den Beschluss des Sozialgerichts Stuttgart vom 18. Mai 2009 aufzuheben und die aufschiebende Wirkung der Klage der Antragstellerin vom 17. Juni 2009 gegen die Bescheide der Antragsgegnerin vom 26. Januar 2009, 29. Januar 2009, 05. Februar 2009, 24. Februar 2009, 03. März 2009 und 09. März 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05. Juni 2009 anzuordnen.

Die Antragsgegnerin beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie die von der Antragsgegnerin vorgelegten Verwaltungsakten verwiesen.

II.

Die nach § 172 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und nicht nach § 172 Abs. 3 SGG ausgeschlossene Beschwerde der Antragstellerin ist zulässig und begründet. Das SG hat die beantragte Anordnung der aufschiebenden Wirkung zu Unrecht abgelehnt.

Nach § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen. Die in § 86a Abs. 1 Satz 1 SGG angeordnete aufschiebende Wirkung eines Widerspruchs entfällt nach § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG, weil sich die Widersprüche der Antragstellerin gegen Bescheide richtet, mit denen die Antragsgegnerin Beiträge angefordert hat. Die Anordnung der aufschiebenden Wirkung eines Widerspruchs ist in diesem Fall anhand einer Interessenabwägung zu beurteilen. Die öffentlichen Interessen am sofortigen Vollzug des Verwaltungsakts und die privaten Interessen an der Aussetzung der Vollziehung sind gegeneinander abzuwägen (Krodel, Der sozialgerichtliche Rechtsschutz in Anfechtungssachen, NZS 2001, 449, 453). Dabei ist zu beachten, dass das Gesetz mit dem Ausschluss der aufschiebenden Wirkung in den Fällen des § 86a Abs. 2 Nr. 1 bis 4 SGG dem öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung des angefochtenen Bescheides Vorrang vor dem Interesse des Betroffenen an einem Aufschub der Vollziehung einräumt. Diese typisierend zu Lasten des Einzelnen ausgestaltete Interessenabwägung kann aber im Einzelfall auch zu Gunsten des Betroffenen ausfallen. Die gegeneinander abzuwägenden Interessen ergeben sich in der Regel aus den konkreten Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens, dem konkreten Vollziehungsinteresse und der für die Dauer einer möglichen aufschiebenden Wirkung drohenden Rechtsbeeinträchtigung (LSG Baden-Württemberg, Beschlüsse vom 20. März 2006, L 8 AS 369/06 ER-B und 21. November 2006, L 8 AS 4680/06 ER-B).

Im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes sollen keine Positionen eingeräumt werden, die im Hauptsacheverfahren erkennbar nicht standhalten. Bei offensichtlicher Rechtswidrigkeit der Bescheide ist deshalb die aufschiebende Wirkung anzuordnen, bei offensichtlicher Aussichtslosigkeit des Rechtsbehelfs die Anordnung hingegen abzulehnen. Bei offenem Ausgang des Hauptsacheverfahrens sind die vom Bundesverfassungsgericht (BVerfG) zur einstweiligen Anordnung entwickelten Grundsätze anzuwenden. Danach sind die Folgen, die eintreten würden, wenn die Eilentscheidung zu Gunsten des Antragstellers nicht erginge, die Klage später aber Erfolg hätte, gegenüber den Nachteilen abzuwägen, die entstünden, wenn die begehrte Eilentscheidung erlassen würde, der Klage aber der Erfolg zu versagen wäre (st. Rspr des BVerfG; vgl. BVerfG NJW 2003, 2598, 2599 m.w.N.).

Die Wirkung der gerichtlich angeordneten aufschiebenden Wirkung eines Widerspruchs tritt rückwirkend ab Erlass des mit dem Widerspruch angefochtenen Bescheides ein und endet in den Fällen, in denen Klage erhoben wird, erst mit Eintritt der Unanfechtbarkeit der Hauptsacheentscheidung (Beschluss des LSG Baden-Württemberg vom 20. März 2006, L 8 AS 369/06 ER-B m.w.N.). Wird keine Klage erhoben, endet die aufschiebende Wirkung mit Eintritt der Bestandkraft des Widerspruchsbescheides. Ergeht - wie im vorliegenden Fall - der Widerspruchsbescheid erst nach Erlass der erstinstanzlichen Entscheidung und erhebt die Antragstellerin deshalb erst während des Beschwerdeverfahrens Klage gegen diesen Widerspruchsbescheid, ist Streitgegenstand die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage. Ob es hierfür einer ausdrücklichen Änderung des Antrages bedarf, kann offen bleiben. Die Antragstellerin hat ihren Antrag förmlich geändert. Diese Änderung ist nach § 99 Abs. 3 Nr. 2 SGG (analog) zulässig.

Im vorliegenden Fall ist - nach summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage - davon auszugehen, dass das Klageverfahren Aussicht auf Erfolg hat. Nach der Rechtsprechung des Senats steht ein Beitragsbescheid, der die Höhe der Beiträge nur vorläufig festsetzt, einer endgültigen Festsetzung nicht entgegen. Er enthält keine Regelung, die nur nach den §§ 44 ff. SGB X abgeändert werden dürfte (Urteil des Senats vom 9. Dezember 2008, L 11 KR 3793/08). Da auch der Bescheid vom 15. März 2007 unter dem Vorbehalt einer endgültigen Beitragsfestsetzung ergangen ist, entfaltetet er keine Bindungswirkung - weder für die Antragstellerin noch für die Antragsgegnerin - in Bezug auf die mit den hier angefochtenen Bescheiden erfolgte endgültige Regelung der Beitragshöhe. Mit ihrem Erlass erledigt sich lediglich die vorläufige Regelung im Sinne von § 39 Abs. 2 SGB X (vgl. BSG, Urteil vom 22. März 2006, B 12 KR 14/05 R, SozR 4-2500 § 240 Nr. 5). Daher ist - wie von der Antragstellerin vorgetragen - bei der endgültigen Festsetzung der Beiträge für die freiwillige Krankenversicherung vom tatsächlich erzielten Einkommen auszugehen, unabhängig davon, zu welchem Zeitpunkt die Einkommensteuerbescheide vorgelegt worden sind. Mit der angeordneten Vorläufigkeit sollte gerade der Nachweis des tatsächlichen Einkommens abgewartet werden. § 240 Abs. 4 Satz 3 (jetzt: Satz 6) SGB V betrifft, wie das BSG am 11. März 2009 entschieden hat (B 12 KR 30/07 R), auch nicht den Fall der vorläufigen Beitragsfestsetzung.

Dem steht nicht entgegen, dass im Bescheid vom 26. Januar 2009 der Vorbehalt aufgehoben wurde. Bei dem im Bescheid vom 15. März 2007 gemachten Vorbehalt handelt es sich nicht um eine Nebenbestimmung i.S. des § 32 SGB X. Die Beitragsfestsetzung erfolgte nicht "mit" einem Vorbehalt, sondern "unter" einem Vorbehalt. Damit wurde - was auch erkennbar so gewollt war - die Vorläufigkeit der Beitragsfestsetzung angeordnet. Da ein Vorbehalt i.S. einer eigenständigen Regelung nicht vorliegt, kann er auch nicht gesondert aufgehoben werden. Einer Aufhebung bedarf es ohnehin nicht, weil sich die vorläufige Regelung (Beitragsfestsetzung) mit der endgültigen Regelung erledigt. Im Übrigen wurde der Bescheid vom 26. Januar 2009 mit dem Widerspruch angefochten. Die nachfolgenden Beitragsbescheide sind gemäß § 86 SGG Gegenstand des anhängigen Widerspruchsverfahrens geworden. Außerdem hat die Antragstellerin am 31. März 2009 gegen diese Bescheide Widerspruch eingelegt.

Dem öffentlichen Interesse am sofortigen Vollzug der Beitragsbescheide kommt im vorliegenden Fall auch deshalb kein großes Gewicht zu, weil die Beklagte dadurch, dass sie mit dem ersten Beitragsbescheid (15. März 2007) nur eine vorläufige Beitragsfestsetzung getroffen hat, zu erkennen gegeben hat, dass auch ihr an einer der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Antragstellerin entsprechenden Beitragsberechnung liegt. Es ist ihr daher zuzumuten, mit dem Einzug der Beiträge bzw. ihrer Vollsteckung bis zum rechtskräftigen Abschluss des Klageverfahrens zuzuwarten.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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