L 5 KR 2695/08

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 15 KR 3704/06
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 5 KR 2695/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 17.4.2008 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt die Erstattung der Kosten einer Magenbypassoperation (6.424,08 EUR).

Die 1968 geborene Klägerin, Mitglied der Beklagten und als Bankangestellte beschäftigt, beantragte am 8.2.2006 (Verwaltungsakte S. 36) die Übernahme der Kosten einer Magenbandimplantation. Zur Begründung führte sie aus, sie habe noch nie ein entspanntes Verhältnis zum Essen gehabt und sei bereits als Kind eher pummelig gewesen. Das Übergewicht sei erstmals nach ihrer ersten Schwangerschaft (im Alter von 20 Jahren) zum Problem geworden; sie habe von 67 kg auf 92 kg zugenommen. Danach habe sie mal etwas ab- und etwas zugenommen. 4 Jahre sei sie psychotherapeutisch behandelt worden, was an ihrem Gewichtsproblem langfristig jedoch nicht viel geändert habe. Nach der zweiten Geburt sei ihr Gewicht auf 104 kg angestiegen. Versuche zur Gewichtsreduzierung (FDH, Slimfast, Herbalife, Weight Watchers, Diäten, Xenical, Reductil) hätten nur kurzfristigen Erfolg gezeitigt. Der BMI habe schließlich 46 betragen. Bei einer Schwerpunktkur "Sinnvoll abnehmen" habe sie 2,5 kg abgenommen (Bericht der Klinik So. vom 11.5.2005, Verwaltungsakte S. 13). Nach einer Operation habe sie noch einmal 3 kg Gewicht verloren und sei hochmotiviert gewesen; gleichwohl habe sie es nicht geschafft, sondern im Gegenteil wieder zugenommen. Derzeit habe sie ihr Höchstgewicht von 119 kg erreicht. Infolge des Übergewichts leide sie (u. a.) an orthopädischen Beschwerden sowie unter Krampfadern, Durchblutungsstörungen und hohem Blutdruck. Sie ernähre sich im Großen und Ganzen vitaminreich und ausgewogen, esse aber zu große Mengen, da sie kaum ein Sättigungsgefühl empfinde.

Dem Antrag waren ein "Gewichtsverlauf" (Verwaltungsakte S. 31), Ernährungsprotokolle und Arztunterlagen (u. a. Atteste der Psychotherapeutin D. vom 12.12.2005, des Dr. H. vom 21.11.2005, des Frauenarztes L. vom 14.11.2005, des Diplom-Psychologen La. vom 12.1.2006). sowie Bescheinigungen (AOK Stuttgart vom 21.7.2005: Teilnahme an einem Seminar "Mollirobic") beigefügt. In einem (dem Antrag ebenfalls beigefügten) Gutachten des Klinikum Stuttgart vom 17.1.2006 (Verwaltungsakte S. 25) ist ausgeführt, die Klägerin versuche seit 17 Jahren mit internistisch-konservativen Therapiemaßnahmen unter Anleitung ihres Hausarztes das extreme Übergewicht zu reduzieren und habe sich unzähligen Diäten unterzogen. Außerdem habe sie Verhaltenstherapie durchgeführt und fettarmes Kochen erlernt. Sie habe Ernährungstagebücher geführt und Kalorien gezählt. Im Rahmen ihrer Möglichkeiten habe sie Sportprogramme durchgeführt, wobei derzeit nur Schwimmen in Betracht komme. Der Klägerin sei es zwar möglich gewesen, kurzfristig einige kg Gewicht zu verlieren; im Langzeitverlauf habe sie aber stets wieder zugenommen. Sowohl vom Hausarzt wie vom behandelnden Orthopäden werde jetzt dringend eine rasche und vor allem dauerhafte Gewichtsreduzierung gefordert. Die internistisch-konservative Therapie habe versagt, weshalb eine Magenbandimplantation indiziert sei.

Die Beklagte erhob das Akten-Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung Baden-Württemberg (MDK) vom 15.2.2006 (Verwaltungsakte S. 40). Darin ist ausgeführt, bei der Klägerin liege Adipositas per Magna vor (BMI derzeit 47,6). Die Adipositasleitlinien verlangten, dass die konservativen Behandlungsmöglichkeiten vor der Gewährung eines chirurgischen Eingriffs erfolglos ausgeschöpft worden seien. Es habe eine multidisziplinäre konservative Behandlung nach definierten Qualitätskriterien stattzufinden. Hierzu müsse ein Bericht des koordinierenden Arztes mit Beschreibung des Ablaufs des Therapieprogramms und Angabe der Beratungszeiträume und Termine sowie konkreter Beratungsinhalte vorgelegt werden. Bei der Klägerin sei eine Dokumentation über eine mindestens einjährige konservative Behandlung nach den definierten Qualitätskriterien nicht vorhanden. Damit sei auch die ausreichende Motivation der Klägerin nicht hinreichend belegt. Insgesamt könne eine Magenbandimplantation nicht gewährt werden.

Mit Bescheid vom 18.2.2006 (Verwaltungsakte S. 41) lehnte die Beklagte den Antrag unter Hinweis auf das MDK-Gutachten vom 15.2.2006 ab.

Zur Begründung des dagegen eingelegten Widerspruchs trug die Klägerin vor, der MDK-Gutachter habe sich mit den Umständen ihres Falles nicht hinreichend auseinandergesetzt. Außerdem bezog sie sich auf Fachveröffentlichungen zur chirurgischen Behandlung der extremen Adipositas.

Mit Widerspruchsbescheid vom 3.5.2006 (Verwaltungsakte S. 51) wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Konservative Behandlungsmaßnahmen seien nur teilweise, nicht kontinuierlich und nicht multidisziplinär durchgeführt worden Ein Bericht bzw. eine hinreichende Dokumentation über ein koordiniertes Therapieprogramm fehle.

Am 22.5.2006 erhob die Klägerin Klage beim Sozialgericht Stuttgart. Zur Begründung wiederholte und vertiefte sie ihr bisheriges Vorbringen. Außerdem legte sie weitere Arztberichte (nach durchgeführter Magenbypassoperation) vor (Frauenarzt L. vom 18.4.2007: Gewichtsabnahme 42 kg; Normalisierung von Beschwerden; Dr. H. vom 19.6.2007: Körpergewicht derzeit 76 kg; massive Verbesserung der Gesamtsituation -SG-Akte Seite 48/49).

Die Magenbypassoperation wurde am 22.6.2006 im Krankenhaus Bad Cannstatt durchgeführt. Die Klägerin befand sich vom 21. bis 27.6.2006 in stationärer Behandlung. Die Gesamtkosten betrugen 6.424,08 EUR (SG-Akte S. 39, 42).

Mit Urteil vom 17.4.2008 wies das Sozialgericht die Klage ab. Zur Begründung führte es unter Bezugnahme auf die einschlägige Rechtsprechung des BSG aus, die Voraussetzungen des in § 13 Abs. 3 Sozialgesetzbuch Fünftes (SGB V) geregelten Erstattungsanspruchs seien nicht erfüllt, da die Beklagte die Gewährung der Magenbandimplantation als Sachleistung der gesetzlichen Krankenversicherung nicht zu Unrecht abgelehnt habe. Aus dem MDK-Gutachten vom 15.2.2006 gehe überzeugend hervor, dass die Klägerin die – vorrangigen - konservativen Behandlungsmöglichkeiten nicht ausgeschöpft habe. Es fehle nach wie vor an einem ärztlich koordinierten und geleiteten Gesamttherapiekonzept, das Ernährungstherapie, eine Schulung des Ess- und Ernährungsverhaltens, Bewegungstherapie, ggf. pharmakologisch-ärztliche Behandlung und eine kombinierte psychotherapeutische Intervention, nicht zwangsläufig im Rahmen einer Psychotherapie, umfasse und als Langzeitbehandlung auch konsequent umgesetzt werden müsse. Die Klägerin habe in der Erörterungsverhandlung vor dem Sozialgericht vom 28.3.2008 dargelegt, dass sie unzählige Diäten versucht habe, Mitglied bei den Weigth-Watchers geworden sei, Medikamente angewendet und im Rahmen des Möglichen Sport getrieben habe. Gleichwohl fehle es an der Ausschöpfung der gebotenen konservativen Behandlungsmöglichkeiten; notwendig sei vor allem der Einsatz eines integrativen Gesamtbehandlungskonzepts, d. h. es müssten gleichzeitig und lang anhaltend, in der Regel mindestens 6 bis 12 Monate, Ernährungstherapie, Bewegungstherapie und Verhaltenstherapie parallel durchgeführt werden. Ein langfristiger und interdisziplinär angelegter Therapieansatz unter ärztlicher Anleitung und Kontrolle sei bisher nicht in Angriff genommen worden (vgl. auch LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 15.11.2005, - L 11 KR 3668/05 -). Die Vielzahl der von der Klägerin durchgeführten kurzfristigen und unkoordinierten Maßnahmen genüge nicht.

Auf das ihr am 7.5.2008 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 6.6.2008 Berufung eingelegt. Zur Begründung trägt sie ergänzend vor, das Indikationsattest des aufnehmenden Krankenhauses belege, dass sie Anspruch auf Gewährung einer Magenbandimplantation gehabt habe. Sie habe ausreichend nachgewiesen, dass konservative Behandlungsmaßnahmen erfolglos geblieben seien. Im Hinblick auf die Folgeerkrankungen ihrer Adipositas sei weiteres Abwarten nicht zumutbar gewesen. Ihre Bemühungen zur Gewichtsabnahme hätten nur zum so genannten Jojo-Effekt geführt.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 17.4.2008 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 18.2.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 3.5.2006 zu verurteilen, die Kosten für die im Krankenhaus Bad Cannstatt in der Zeit vom 21. bis 27.6.2006 durchgeführte Magenbandimplantation in Höhe von 6.424,08 zu erstatten.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil im Hinblick auf die Rechtsprechung des BSG für zutreffend.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze sowie die Akten der Beklagten, des Sozialgerichts und des Senats Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gem. §§ 143, 144, 141 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und auch sonst zulässige Berufung der Klägerin ist nicht begründet. Die Beklagte hat die Erstattung der für die Magendbandimplantation gezahlten Kosten zu Recht abgelehnt.

I. Rechtsgrundlage des geltend gemachten Anspruchs sind die Bestimmungen der § 2 Abs. 2 Satz 1, 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V, wobei die bei Durchführung der Magenbandimplantation (im Jahr 2006) geltende Gesetzesfassung maßgeblich ist (vgl. dazu auch BSG, Urt. v. 6.9.2007, - B 3 KR 20/06 R -). Gem. § 2 Abs. 2 Satz 1 SGB V erhalten die Versicherten die Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung grundsätzlich als Sach- und Dienstleistungen. Kostenerstattung findet nur statt, wenn dies gesetzlich vorgesehen ist. Hierfür kommt insbesondere die Regelung in § 13 Abs. 3 SGB V in Betracht. § 13 Abs. 3 Satz 1 1. Alt. SGB V betrifft die Kostenerstattung bei hier unstreitig nicht in Rede stehenden unaufschiebbaren (Notfall-)Leistungen (dazu näher etwa Senatsurteil vom 22.11.2006, - L 5 KR 1015/06 -). Im Übrigen sind dem Versicherten gem. § 13 Abs. 3 Satz 1 2. Alt. SGB V die Kosten für eine selbst beschaffte Leistung zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war und die Krankenkasse die Leistung zu Unrecht abgelehnt hat. Aus Wortlaut und Zweck dieser Vorschrift folgen Vorgaben für den Beschaffungsweg bei selbst beschafften Leistungen. Zwischen der rechtswidrigen Ablehnung der Leistung und der Kostenlast des Versicherten muss ein Kausalzusammenhang bestehen (vgl. etwa BSG, Urteil vom 20.5.2003 - B 1 KR 9/03 R -; Urteil vom 19.2.2003 - B 1 KR 18/01 R -). Der Erstattungsanspruch ist daher ausgeschlossen, wenn der Versicherte vor der Inanspruchnahme bzw. Beschaffung der Leistung nicht die Entscheidung der Krankenkasse über deren Gewährung abgewartet hat. Das Abwarten (auch) der Entscheidung über einen gegen die Leistungsablehnung eingelegten Widerspruch ist in der Regel aber nicht notwendig (BSG, Urt. v. 23.7.2002, - B 3 KR 66/01 R -).

II. Die Voraussetzungen des § 13 Abs. 3 Satz 1 2. Alt. SGB V sind nicht erfüllt. Der Klägerin kann zwar nicht vorgeworfen werden, sie habe den in § 13 Abs. 3 SGB V vorgeschriebenen Beschaffungsweg nicht eingehalten, da sie die Magenbandimplantation nach Ergehen des Ablehnungsbescheids der Beklagten vom 18.2.2006 und des Widerspruchsbescheids vom 3.5.2006 in der Zeit vom 21. bis 27.6.2006 hatte durchführen lassen. Die Beklagte hat die Gewährung des operativen Eingriffs als Sachleistung der gesetzlichen Krankenversicherung aber nicht zu Unrecht abgelehnt. Die Klägerin hatte darauf keinen Anspruch.

Gem. § 11 Abs. 1 und § 27 Abs. 1 SGB V haben gesetzlich Versicherte Anspruch auf Behandlung einer Krankheit. Gemäß § 12 Abs. 1 SGB V muss die Behandlung ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein und darf das Maß des Notwendigen nicht überschreiten. Der Anspruch umfasst u. a. die notwendige ärztliche Behandlung und die Krankenhausbehandlung. Krankheit im Sinne des SGB V ist ein regelwidriger Körper- und Geisteszustand, der die Notwendigkeit einer ärztlichen Behandlung des Versicherten und zugleich oder allein Arbeitsunfähigkeit zur Folge hat. Eine Krankheit wird dann zu einer Leistungsverpflichtung der Kasse, wenn Behandlungsbedürftigkeit oder Arbeitsunfähigkeit vorliegt (vgl. Zipperer in Maaßen-Schermer-Wiegand, Kommentar zum SGB V, Rdnr. 12 zu § 27 m.w.N.). Hierbei kommt es nicht darauf an, ob die Krankheit im Augenblick behandlungsbedürftig ist. Die Behandlungsbedürftigkeit ist schon dann anzunehmen, wenn der gegenwärtige Zustand zwar noch keine Schmerzen oder Beschwerden bereitet, durch ärztliche Behandlung im Frühstadium eine wesentliche Besserung oder gar Beseitigung des Leidens und damit eine günstige Wirkung auf die spätere Erwerbsfähigkeit erreicht werden kann. Regelwidrig ist ein Zustand, der von der Norm vom Leitbild des gesunden Menschen abweicht.

Nicht unumstritten ist, ob bereits der Adipositas als solcher Krankheitswert zukommt. Einigkeit besteht in der Medizin aber darüber, dass bei starkem Übergewicht (im allgemeinen ab einem BMI ab 30) eine Behandlung mit dem Ziel der Gewichtsreduktion erforderlich ist, weil andernfalls ein erhöhtes Risiko für das Auftreten von Begleit- und Folgeerkrankungen wie Stoffwechselkrankheiten, Herz- und Kreislauferkrankungen, Atemwegserkrankungen, gastrointestinale Erkrankungen, Krankheiten des Bewegungsapparates und bösartige Neubildungen besteht. Erfordert die Adipositas mithin eine ärztliche Behandlung, so belegt dies nach Auffassung des Senats zugleich die Regelwidrigkeit des bestehenden Zustandes und damit das Vorliegen einer Krankheit im krankenversicherungsrechtlichen Sinne.

Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts - BSG - (vgl. Urteile vom 19.02.2003 - B 1 KR 1/02 R und Parallelentscheidungen), der der Senat folgt (hierzu und zum Folgenden: Senatsurteil v. 14.3.2008, - L 5 KR 5041/06 -), kann die Leistungspflicht für eine chirurgische Therapie dieser Krankheit nicht mit der Erwägung verneint werden, dass für das Übergewicht das krankhafte Essverhalten des Patienten und nicht eine Funktionsstörung des Magens verantwortlich ist. Zwar stellt die operative Verkleinerung bzw. Veränderung des Magens keine kausale Behandlung dar, vielmehr soll damit die Verhaltensstörung des Klägers durch eine zwangsweise Begrenzung der Nahrungsmenge lediglich indirekt beeinflusst werden. Eine solche mittelbare Therapie wird jedoch vom Leistungsanspruch grundsätzlich mitumfasst, wenn sie ansonsten die in § 2 Abs. 1 Satz 3 und § 12 Abs. 1 SGB V aufgestellten Anforderungen erfüllt, also ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich ist sowie dem allgemein anerkannten Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse entspricht.

Für chirurgische Eingriffe hat das BSG diesen Grundsatz jedoch eingeschränkt, wenn durch eine Operation in ein funktionell intaktes Organ eingegriffen und dieses regelwidrig verändert wird, wie das bei der Applikation eines Magenbandes geschieht. In diesem Fall bedarf die mittelbare Behandlung einer speziellen Rechtfertigung, wobei die Art und Schwere der Erkrankung, die Dringlichkeit der Intervention, die Risiken und der zu erwartende Nutzen der Therapie sowie etwaige Folgekosten für die Krankenversicherung gegeneinander abzuwägen sind (BSG a.a.O.; BSGE 85, 56, 60 = SozR 3 - 2500 § 28 Nr. 4 S. 18). Nachdem ein operativer Eingriff stets mit einem erheblichen Risiko (Narkose, Operationsfolgen z. B. Entzündung, Thrombose bzw. Lungenembolie, operationsspezifische Komplikationen wie Pouchdilatation, Portinfektionen und Stomastenose) verbunden ist, darf eine chirurgische Behandlung wie das Gastric-Banding (Magenbandimplantation) stets nur die ultima ratio sein. Sie kommt nur bei Erfüllung einer Reihe von Bedingungen für eine erfolgreiche Behandlung (BMI über 35 mit erheblichen Begleiterkrankungen bzw. über 40; Erschöpfung konservativer Behandlungsmethoden; tolerables Operationsrisiko; ausreichende Motivation, keine manifeste psychiatrische Erkrankung; Möglichkeit einer lebenslangen medizinischen Nachbetreuung u. a.) in Betracht. Dies bedeutet, dass vor einer Operation zunächst sämtliche konservativen Behandlungsalternativen durchzuführen sind (vgl. zu alledem auch das Senatsurteil vom 29. August 2005, - L 5 KR 1676/05 -). Hierfür zieht der Senat die Erkenntnisse der Deutschen Adipositas-Gesellschaft in der Evidenzbasierten Leitlinie Prävention und Therapie der Adipositas (Version 2007 - Adipositas-Leitlinie) bzw. in der Evidenzbasierten Leitlinie Chirurgische Therapie der extremen Adipositas (Stand 2005) heran.

Mit dem Sozialgericht folgt auch der Senat folgt im Fall der Klägerin der Einschätzung des MDK. Dieser hat im Gutachten vom 15.2.2006 mit Recht darauf hingewiesen, dass die konservativen Behandlungsmaßnahmen nicht hinreichend ausgeschöpft worden sind. Es fehlt an einem hinreichend stringenten, alle gebotenen Maßnahmen koordiniert ausschöpfenden und in der Umsetzung auch hinreichend dokumentierten ärztlichen Therapiekonzept; hierbei ist eine strenge Prüfung erforderlich (dazu im einzelnen Nr. 6.3 und 6.4 sowie 6.4.7 dritter und vierter Absatz der Adipositas-Leitlinine). Angaben der Klägerin zu durchaus vielfältigen, im Wesentlichen nicht dauerhaft erfolgreichen Anstrengungen oder einzelne Arztatteste können dies nicht ersetzen. Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass eine - für langfristigen Erfolg - ausschlaggebende Motivation der Klägerin zum Halten eines einmal (kurzfristig) reduzierten Körpergewichts (vgl. Nr. 6.3 bzw. 6.4.7 der Adipositas-Leitlinie) nicht hinreichend erkennbar ist, nachdem die Klägerin bislang nicht in der Lage gewesen war, auch geringfügige Gewichtsabnahmen durchzuhalten. Die Fähigkeit zu einer konsequenten, grundlegenden und nachhaltigen Änderung des Essverhaltens - nach durchgeführter Operation - ist von entscheidender Bedeutung für den dauerhaften Erfolg einer Magenbandimplantation, da der Energieverbrauch im Rahmen der Gewichtsreduktion zurückgeht und die Rückkehr zum früheren Lebensstil daher eine Gewichtszunahme bewirkt (Nr. 6.4.8 der Adipositas-Leitlinie). Die von der Klägerin vorgelegten Arztberichte und Atteste können die überzeugende Einschätzung des MDK-Gutachters nicht erschüttern. Die genannten Arztunterlagen haben dem Gutachter vorgelegen und sind in die gutachterliche Einschätzung einbezogen worden. Sie ersetzen ein in sich schlüssiges, integratives, sachkundig geleitetes und - ärztlich dokumentiert - umgesetztes konservatives Behandlungskonzept nicht. Der so genannte Jojo-Effekt, auf den sich die Klägerin für die Erfolglosigkeit ihrer bisherigen Bemühungen (ergänzend) gestützt hat, legt eher Zweifel daran nahe, ob das Ernährungsverhalten tatsächlich hinreichend und vor allem nachhaltig genug umgestellt werden kann, dass die Annahme genügender Aussichten auf langfristigen Erfolg der Magenbandimplantation gerechtfertigt ist und diese damit als zweckmäßige Leistung i. S. d. § 12 Abs. 1 SGB V angesehen werden kann. Der mittlerweile nach der Operation offenbar eingetretene Gewichtsverlust der Klägerin besagt zu einer dauerhaften Stabilisierung der Gewichtsverhältnisse wenig; davon abgesehen kommt es für die Beurteilung der Ablehnungsentscheidung der Beklagten ohnehin auf eine prognostische Betrachtung an.

III. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen, weshalb die Berufung der Klägerin erfolglos bleiben muss. Hierauf und auf § 193 SGG beruht die Kostenentscheidung.

Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht (§ 160 Abs. 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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