L 6 SB 2748/07

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
6
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 3 SB 1175/05
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 6 SB 2748/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 14.05.2007 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die 1949 geborene Klägerin begehrt die Feststellung ihres Grades der Behinderung (GdB) mit 50 bereits ab 15.11.2000.

Die Klägerin beantragte am 17.10.2003 die Feststellung ihrer Schwerbehinderteneigenschaft. Sie legte den Arztbrief der Ärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. Sch. vom 25.10.2002 (Verdacht auf beginnende Mischpsychose) vor Das ehemalige Versorgungsamt St. (VA) zog daraufhin über den Praktischen Arzt Dr. W. die Arztbriefe der Gemeinschaftspraxis für Radiologie Dr. Sch./W. vom 15.11.1994 (Hinweis auf Arthrose des rechten Acromionclaviculargelenks und des rechten Sternumclaviculargelenks, deutlich vermehrter Knochenumbau im Bereich der rechten Patella) und vom 16.05.1995 (rechtsbetonte Struma parenchymatosa I bis II ohne nachweisbare Knotenbildungen), den Ärztlichen Entlassungsbericht des Arztes für Innere Medizin Dr. Sch. vom 07.03.1996 über eine Heilbehandlung in der Kurklinik O. in Bad W. (Acromionclaviculararthrose rechts, Sternumclaviculararthrose rechts, chronische Bronchitis, arterielle Hypertonie, Adipositas), die Arztbriefe der Gemeinschaftspraxis für Radiologie Dr. K./Dr. R./Dr. Sch. vom 19.12.1996 (unauffällige Darstellung des Neurocraniums ohne Nachweis tumoröser, entzündlicher oder vaskulär bedingter Läsionen), des Neurologen Dr. D. vom 20.12.1996 (kein Anhalt für eine neurologische Ursache der Kopfschmerzen),der Ärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. Sch. vom 25.10.2002 (Verdacht auf Mischpsychose), des Arztes für Hals-Nasen-Ohren-Krankheiten Dr. K. vom 19.12.2002 (Septumdeviation, Muschelhyperplasie beidseits, Stromaknoten) und der Gemeinschaftspraxis für Radiologie W./Dr. H./Dr. St. vom 22.01.2003 (normalgroße Schilddrüse mit gering regressiven Veränderungen ohne Knotenbildung) bei und holte den Befundbericht des Augenarztes Dr. K. vom 23.01.2004 (Aphakie links, Pseudophakie rechts, Amblyopie, Anisometropie, Opticusatrophie, Fundus hypertonicus bei Hypertonie, myopische Netzhautdegeneration; Sehschärfe mit Korrektur rechts 1,0 und links 0,6) ein. Dr. G. berücksichtigte in der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 10.03.2004 als Behinderungen eine Sehminderung und einen Grünen Star (Teil-GdB 10), eine Funktionsbehinderung der Wirbelsäule und ein Schulter-Arm-Syndrom (Teil-GdB 10), eine seelische Störung (Teil-GdB 10) sowie ein Bronchialasthma (Teil-GdB 10) und beurteilte den Gesamt-GdB mit 10. Hierauf gestützt lehnte das VA mit Bescheid vom 22.03.2004 den Antrag der Klägerin ab.

Hiergegen legte die Klägerin Widerspruch ein. Das VA zog über Dr. W. dessen gegenüber dem Sozialgericht Stuttgart (SG) im Rahmen eines auf die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung gerichteten Rechtsstreits verfasste Zeugenauskunft vom 27.10.2004 (seit Jahren Borderline-Psychose mit einer deutlichen Persönlichkeitsstörung und Störung der Wahrnehmung der eigenen Körpersituation), den Arztbrief der Ärztin für Chirurgie und Sportmedizin Dr. Z. vom 11.03.2004 (Verdacht auf Außenmeniskusläsion links) und Teile des für die damalige Landesversicherungsanstalt B.-W. (LVA-BW) verfassten Gutachtens des Arztes für Chirurgie Dr. R. vom 12.11.2003 in Teilen bei. Dr. G. berücksichtigte in der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 23.11.2004 als Behinderungen eine Linsenlosigkeit links, eine eingepflanzte Kunstlinse rechts und einen Grünen Star (Teil-GdB 10), eine Funktionsbehinderung der Wirbelsäule und ein Schulter-Arm-Syndrom (Teil-GdB 10), eine seelische Störung und funktionelle Organbeschwerden (Teil-GdB 10) sowie ein Bronchialasthma (Teil-GdB 10) und bewertete den Gesamt-GdB mit 10. Daraufhin wies der Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 14.10.2005 zurück.

Hiergegen erhob die Klägerin am 02.03.2005 Klage zum SG.

Das SG zog die im Rahmen des Rechtsstreits S 19 RJ 1491/04 angefallenen ärztlichen Unterlagen, insbesondere die Zeugenauskunft des Dr. W. vom 19.05.2004 und das Gutachten des Arztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. P. vom 12.04.2005 (depressive Verstimmungszustände mit somatoformen Schmerzstörungen, chronisches Wirbelsäulensyndrom mit Zervikobrachialgien und Lumboischialgien bei degenerativen Veränderungen des Bewegungsapparates ohne manifeste neurologische Ausfälle), bei. Sodann berücksichtigte Dr. W. in der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 01.08.2005 neben den jetzt mit einem Teil-GdB von 20 bewerteten seelischen Störung mit funktionellen Organbeschwerden als weitere Behinderung einen Bluthochdruck (Teil-GdB 20) und bewertete den Gesamt-GdB mit 30 ab 15.11.2000.

Das SG hörte sodann Dr. K., den Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. F. und Dr. W. schriftlich als sachverständige Zeugen. Dr. K. legte unter dem 26.09.2005 den Arztbrief des Facharztes für Augenheilkunde Dr. Sch. vom 17.08.2004 (Implantation einer Vorderkammerlinse) vor und beschrieb eine Sehschärfe mit Korrektur von rechts 0,9 und links 0,4 sowie deutliche unregelmäßige Gesichtsfeldausfälle und -einschränkungen links mehr als rechts (links zwischen einem Drittel und zwei Dritteln). Dr. F. beschrieb unter dem 07.10.2005 eine schizoaffektive Psychose mit intermittierender depressiver Verstimmung und Antriebsminderung mit zwischenzeitlich erreichter Besserung, sodass die derzeitige psychische Erkrankung als leichte Funktionsstörung eingestuft werden könne. Dr. W. legte die Arztbriefe des Dr. F. vom 13.01.2005 (leichte depressive Verstimmung, Klagsamkeit, reduzierte Schwingungsfähigkeit), 26.07.2005 (leichtes Residualsyndrom, gehemmte und depressive Verstimmung, eingeschränkte Schwingungsfähigkeit, keine strukturellen Denkstörungen), 11.01.2006 und 25.01.2006 (jeweils beginnendes Sulcus-Ulnaris-Syndrom beidseits ohne neurophysiologische Defizite) sowie des Facharztes für Innere Medizin Dr. T.-V. vom 14.10.2005 (Fibromyalgiesyndrom) vor und beschrieb eine Hypertonie, eine Adipositas, ein depressives Erschöpfungssyndrom mit Somatisierungsstörung, ein chronisches Wirbelsäulensyndrom sowie eine chronische Herzinsuffizienz.

Sodann zog das SG das im Rahmen des erwähnten Rentenrechtsstreits eingeholte Gerichtsgutachten des Orthopäden Dr. W. vom 12.04.2006 (degenerative Spondylolisthese L4 Grad I nach Meyerding mit erheblicher Spondylarthrose L4/L5, Spondylose und Osteochondrose der mittleren und unteren Brustwirbelsäule) bei. Dr. W. berücksichtigte in der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 03.08.2006 als Behinderungen eine eingepflanzte Kunstlinse beidseits, einen Grünen Star und unregelmäßige Gesichtsfeldausfälle beidseits (Teil-GdB 30 ab 01.07.2005), eine Funktionsbehinderung der Wirbelsäule und ein Schulter-Arm-Syndrom (Teil-GdB 10), eine seelische Störung und funktionelle Organbeschwerden (Teil-GdB 20), ein Bronchialasthma (Teil-GdB 10) sowie einen Bluthochdruck (Teil-GdB 20) und bewertete den Gesamt-GdB mit 30 ab 15.11.2000 und mit 50 ab 01.07.2005. Das entsprechende Teil-Anerkenntnis nahm die Klägerin an und führte den Rechtsstreit mit dem Begehren fort, ihren GdB mit 50 bereits ab 15.11.2000 festzustellen.

Mit Gerichtsbescheid vom 14.05.2007 wies das SG die Klage ab. Den vorliegenden medizinischen Unterlagen lasse sich kein Gesamt-GdB von 50 bereits ab 15.11.2000 entnehmen. Vor dem Hintergrund der von Dr. W. erhobenen Befunde lägen bei der Klägerin Wirbelsäulenschäden mit lediglich geringen funktionellen Auswirkungen vor, die gemäß den Anhaltspunkten für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht (AHP), Seite 116 mit einem GdB von 10 zu bewerten seien. Das Schulter-Arm-Syndrom führe im Hinblick auf die von Dr. W. erhobenen Befunde und auf die AHP, Seite 119 nicht zu einer GdB-Erhöhung. Die psychische Erkrankung der Klägerin sei angemessen mit einem GdB von 20 bewertet. Dem Gutachten des Dr. P. und der Arztauskunft des Dr. F. ließen sich keine Befunde entnehmen, die eine höhere Bewertung rechtfertigten. Eine stärker behindernde Störung mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit, welche nach den AHP, Seite 48 einen GdB von zumindest 30 bedinge, liege nicht vor. Bei der Bluthochdruckerkrankung handle es sich um eine mittelschwere Form der Hypertonie mit einer Organbeteiligung leichten bis mittleren Grades, welche angemessen gemäß den AHP, Seite 75 mit einem GdB von 20 bewertet sei. Das bei der Klägerin vorliegende Asthma führe nicht zu einer Höherbewertung des GdB, da keine konkreten Befunde bezüglich einer Einschränkung der Lungenfunktion vorlägen. Die bei der Klägerin vorhandene Sehschärfen-Einschränkung bedinge nach den AHP, Seite 51 und 52 einen GdB von 10. Wegen der Gesichtsfeldausfälle sei gemäß den AHP, Seite 55 der GdB um 20 zu erhöhen. Die Gesichtsfeldausfälle seien erst seit der Untersuchung am 01.07.2005 nachgewiesen und könnten somit erst ab diesem Zeitpunkt GdB-erhöhend berücksichtigt werden. Für die Adipositas sei kein weiterer GdB in Ansatz zu bringen. Dasselbe gelte für die Fibromyalgie, da diese erst am 14.10.2005 und damit außerhalb des streitigen Zeitraums diagnostiziert worden sei. Aus alledem ergebe sich ein Gesamt-GdB von 30, welcher ab 01.07.2005 auf 50 anzuheben sei.

Hiergegen hat die Klägerin am 31.05.2007 Berufung eingelegt. Sie begehre weiterhin die Feststellung ihrer Schwerbehinderteneigenschaft bereits ab 15.11.2000, da sie hoffe, eine abschlagsfreie Altersrente erhalten zu können. Zu Unrecht habe das SG im Bereich der Wirbelsäule lediglich einen GdB von 10 angenommen. Das SG habe sich zu Unrecht über die Feststellungen des jahrelang behandelnden Hausarztes Dr. W. hinweggesetzt, der in aller Deutlichkeit darauf verwiesen habe, dass es sich um eine schwere Verlaufsform mit deutlicher subjektiver und objektiver Bewegungseinschränkung der gesamten Wirbelsäule handle. Außerdem ergebe sich aus den im Rahmen eines auf die Gewährung von Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung gerichteten Rechtsstreits angefallenen ärztlichen Unterlagen, dass bereits vor dem Jahr 2000 nachhaltig wegen wirbelsäulenbedingter Beschwerden ärztliche Behandlungen stattgefunden hätten. Die Aussage des Dr. W. könne jedenfalls für Zeitverläufe vor der Untersuchung bei Dr. W. nicht durch die nunmehrige Begutachtung entwertet werden. Vielmehr sei zu berücksichtigen, dass sich die sehr schwere Verlaufsformen ihrer Wirbelsäulenerkrankung insbesondere durch ihre schwere Fabrikarbeit entwickelt habe. Zum Zeitpunkt der Untersuchung bei Dr. W. sei sie offenbar mit diesen einschränkenden Tätigkeiten nicht mehr befasst gewesen. Darüber hinaus sei die erhebliche Adipositas, welche sich im Bereich der Wirbelsäulensyndrome nachteilig auswirke, zu berücksichtigen. Auch habe Dr. P. ein chronisches Wirbelsäulensyndrom mit Cervikobrachialgie und Lumboischialgie bei degenerativen Veränderungen des Bewegungsapparates beschrieben. Des Weiteren sei der für die psychische Beeinträchtigung angesetzte GdB von 20 zu niedrig bemessen. Der Arztauskunft des Dr. F. sei zu entnehmen, dass die derzeit mit einem GdB von 20 bewertete psychische Störung in der Vergangenheit ohne die inzwischen eingetretene Besserung anders zu bewerten gewesen sei.

Die Klägerin beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 14.05.2007 aufzuheben, den Bescheid vom 22.03.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.02.2005 abzuändern und über das angenommene Teil-Anerkenntnis vom 10.08.2004 hinaus ihren GdB mit 50 bereits ab 15.11.2000 festzustellen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält die Berufung für nicht begründet.

Der Senat hat zunächst Dr. K. schriftlich als sachverständigen Zeugen gehört. Er hat unter dem 10.12.2007 ausgeführt, die Gesichtsfeldausfälle hätten bereits seit der im Jahr 2000 erfolgten Erstuntersuchung vorgelegen. Danach sei eine deutliche kontinuierliche Verschlechterung eingetreten. Für den 15.11.2000 sei der GdB mit 30 einzuschätzen, da bei etwa ähnlichen Sehschärfewerten wie derzeit ein noch besseres Gesichtsfeld vorgelegen habe. Dr. K. hat sieben Gesichtsfeld-Analysen aus dem Zeitraum vom 15.12.2000 bis zum 13.11.2007 vorgelegt. Hierzu hat Dr. G. in der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 01.04.2008 ausgeführt, der von Dr. K. geschätzte GdB von 30 auf augenärztlichem Fachgebiet für den Zeitpunkt 15.11.2000 sei nicht nachvollziehbar. Der für den 15.11.2000 angegebene korrigierte Visus von rechts 0,8 und links 0,6 bis 0,7 bedinge nach den AHP, Seite 52 einen GdB von 5, welcher sich durch den Linsenverlust beider Augen gemäß den AHP, Seite 51 um 10 auf 15 erhöhe. Durch die von Dr. K. vorgelegte Gesichtsfelduntersuchung vom 15.12.2000 lasse sich eine weitere Erhöhung des GdB nicht begründen. Die Gesichtsfelduntersuchung vom 15.12.2000 sowie auch die weiteren Gesichtsfelduntersuchungen erfüllten nicht den Standard nach den Vorgaben der AHP und seien nicht gutachtlich verwertbar. Nach den AHP, Seite 50 dürften für die Gesichtsfeldbestimmung nur Ergebnisse der manuell-kinetischen Perimetrie entsprechend der Marke Goldmann III/4 verwertet werden. In seiner ergänzenden Zeugenauskunft vom 17.05.2008 hat Dr. K. ausgeführt, er habe in seiner Praxis nur ein automatisches Projektionsperimeter benutzt.

Sodann hat der Senat das Gutachten der Fachärztin für Augenheilkunde Dr. G. vom 26.10.2008 eingeholt. Diese hat ausgeführt, die am 05.09.2008 erfolgte Durchführung einer Goldmann-Perimetrie habe am rechten Auge einen sektorförmigen Gesichtsfeldausfall temporal und am linken Auge regelrechte Außengrenzen gezeigt. Hierzu hat Dr. W. in der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 28.01.2009 ausgeführt, die jetzt vorgelegten Gesichtsfeldbefunde ergäben allenfalls geringgradige Gesichtsfeldeinschränkungen, welche, wenn überhaupt, für sich allein betrachtet, maximal mit einem GdB von 20 bewertet werden könnten. Nach den Versorgungsmedizinischen Grundsätzen (VG), Teil B, Nr. 4.5 bedinge eine allseitige Gesichtsfeldeinengung binokular, also beidäugig, auf 30 Grad Abstand vom Zentrum einen GdB von 30. Im konkreten Fall seien die Gesichtsfeldausfälle erheblich geringer. Somit könne der GdB von 30 auf augenärztlichem Gebiet keinesfalls noch weiter erhöht werden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten sowie der Gerichtsakten beider Instanzen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß §§ 143 und 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und nach § 151 SGG zulässige Berufung ist unbegründet.

Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Feststellung ihres GdB mit 50 bereits ab 15.11.2000.

Das SG hat in der angefochtenen Entscheidung die für den Rechtsstreit maßgeblichen Rechtsvorschriften zutreffend und umfassend dargestellt und ausgeführt, weshalb im vorliegenden Verfahren der GdB der Klägerin nicht bereits ab 15.11.2000 mit 50 festzustellen ist. Der Senat schließt sich diesen Ausführungen nach eigener Prüfung unter Verweis auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils zur Vermeidung von Wiederholungen an (§ 153 Abs. 2 SGG). Ergänzend weist der Senat darauf hin, dass seit 01.01.2009 an die Stelle der bis zum 31.12.2008 im Interesse einer gleichmäßigen Rechtsanwendung als antizipierte Sachverständigengutachten angewandten (BSG, Urteil vom 23.06.1993 - 9/9a RVs 1/91 - BSGE 72, 285; BSG, Urteil vom 09.04.1997 - 9 RVs 4/95 - SozR 3-3870 § 4 Nr. 19; BSG, Urteil vom 18.09.2003 - B 9 SB 3/02 R - BSGE 190, 205; BSG, Urteil vom 29.08.1990 - 9a/9 RVs 7/89 - BSG SozR 3-3870 § 4 Nr. 1) AHP die Anlage "Versorgungsmedizinische Grundsätze" (VG) zu § 2 der Verordnung zur Durchführung des § 1 Abs. 1 und 3, § 30 Abs. 1 und § 35 Abs. 1 Bundesversorgungsgesetz (BVG - Versorgungsmedizin-Verordnung; VersMedV) getreten ist. Damit hat das Bundesministerium für Arbeit und Soziales von der Ermächtigung nach § 30 Abs. 17 BVG zum Erlass einer Rechtsverordnung Gebrauch gemacht und die maßgebenden Grundsätze für die medizinische Bewertung von Schädigungsfolgen und die Feststellung des Grades der Schädigungsfolgen im Sinne des § 30 Abs. 1 BVG aufgestellt. Nach § 69 Abs. 1 Satz 5 SGB IX gelten diese Maßstäbe auch für die Feststellung des GdB und weiterer gesundheitlicher Merkmale, die Voraussetzung für die Inanspruchnahme von Rechten und Nachteilsausgleichen sind. Eine inhaltliche Änderung der bisher angewandten Grundsätze und Kriterien erfolgte hierdurch - von wenigen Ausnahmen abgesehen - nicht. Vielmehr wurde an die seit Jahren bewährten Bewertungsgrundsätze und Verfahrensabläufe angeknüpft. In der Anlage zu § 2 VersMedV ist ebenso wie in den AHP (BSG, Urteil vom 01.09.1999 - B 9 V 25/98 R - SozR 3-3100 § 30 Nr. 22) der medizinische Kenntnisstand für die Beurteilung von Behinderungen wiedergegeben. Dadurch wird eine für den behinderten Menschen nachvollziehbare, dem medizinischen Kenntnistand entsprechende Festsetzung des GdB ermöglicht.

Auch unter Berücksichtigung des Vorbringens im Berufungsverfahren und der vom Senat veranlassten Ermittlungen ist gegenüber der angefochtenen Entscheidung des SG eine andere Beurteilung nicht gerechtfertigt.

Die Funktionsbehinderung der Augen ist für den 15.11.2000 nicht höher als mit einem GdB von 15 zu bewerten. Bei der Klägerin liegt eine Sehschärfeminderung beidseits, eine Linsenimplantation links und eine Gesichtsfeldeinschränkung vor.

In Bezug auf die Sehschärfeminderung liegen Visuswerte von rechts/links 1,0/0,6 am 19.12.2003, 0,9/0,4 am 01.07.2005 und 0,8/0,4 am 13.11.2007 und links 0,6 bis 0,7 am 21.11.2007 vor. Hieraus ergibt sich nach der Tabelle in den VG, Teil B, Nr. 4.3 ein GdB zwischen 0 und 5 am 19.12.2003, zwischen 5 und 10 am 01.07.2005, von 10 am 13.11.2007 und von 5 am 21.11.2007. Da Dr. K. in seiner Zeugenauskunft vom 10.12.2007 ausgeführt hat, am 15.11.2000 hätten ähnliche Werte vorgelegen, ist ausgehend von der Annahme, dass zum damaligen Zeitpunkt jedenfalls kein schlechterer Visuswert als am 19.12.2003 vorgelegen hat, der GdB für die Sehschärfeminderung allenfalls auf 5 einzuschätzen.

Für einen Linsenverlust eines Auges sehen die VG, Teil B, Nr. 4.2 bei einer auf mindestens 0,4 korrigierten Sehschärfe einen GdB von 10 vor. Dies ist vorliegend der Fall.

Hinsichtlich der Beurteilung von Gesichtsfeldeinschränkungen sehen die VG, Teil B, Nr. 4 vor, dass neben der Sehschärfenminderung die übrigen Partialfunktionen des Sehvermögens nur mit Geräten und Methoden zu prüfen sind, die den Richtlinien der Deutschen Ophtalmologischen Gesellschaft (DOG) entsprechen und eine gutachtenrelevante einwandfreie Beurteilung erlauben, was hinsichtlich der Gesichtsfeldbestimmung bedeutet, dass nur Ergebnisse der manuellkinetischen Perimetrie entsprechend der Marke Goldmann III/4 verwertet werden dürfen. Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze kann für den 15.11.2000 kein GdB für die Gesichtsfeldeinschränkung festgestellt werden. Denn eine manuell-kinetische Perimetrie entsprechend der Marke Goldmann III/4 fand erstmals am 05.09.2008 im Rahmen der Begutachtung durch Dr. G. statt. Für den 15.11.2000 oder davor liegen keine nach den VG verwertbaren Untersuchungen des Gesichtsfeldes vor. Dass bei der Klägerin nicht zeitnah die erforderlichen augenärztlichen Untersuchungen durchgeführt worden sind, fällt in ihren Risikobereich (LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 19.04.2007 - L 11 SB 31/05 - 26). Hierauf hat Dr. W. zu Recht in seiner versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 01.04.2008 hingewiesen. Außerdem hat Dr. K. unter dem 10.12.2007 für den Senat überzeugend dargelegt, dass sich die Gesichtsfeldausfälle seit 2000 kontinuierlich verschlechtert haben.

Nach Überzeugung des Senats hatte die Funktionsbehinderung auf nervenheilkundlichem Fachgebiet am 15.11.2000 kein GdB-relevantes Ausmaß erreicht. Nach den VG, Teil B, Nr. 3.7 beträgt für leichtere psychovegetative oder psychische Störungen der GdB 0 bis 20, stärker behindernde Störungen mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit (zum Beispiel ausgeprägtere depressive, hypochondrische, asthenische oder phobische Störungen, Entwicklungen mit Krankheitswert, somatoforme Störungen) der GdB 30 bis 40, schwere Störungen (zum Beispiel schwere Zwangskrankheit) mit mittelgradigen sozialen Anpassungsschwierigkeiten der GdB 50 bis 70 und mit schweren sozialen Anpassungsschwierigkeiten der GdB 80 bis 100. Dr. Sch. sprach in ihrem Arztbrief vom 25.10.2002 von einer "beginnenden" Mischpsychose. Auch setzte die nervenärztliche Behandlung bei Dr. F. ausweislich seiner sachverständigen Zeugenauskunft vom 07.10.2005 erst am 22.10.2002 ein. Ferner hat die Klägerin im Rahmen der Begutachtung durch Dr. P. am 04.04.2005 angegeben, seit etwa drei Jahren an Ängsten, die "plötzlich über Nacht" aufgetreten seien, zu leiden. Mithin kann für den 15.11.2000 noch nicht von einer psychovegetativen oder psychischen Störung, die einen GdB von mindestens 20 bedingt, ausgegangen werden.

Die Funktionsbehinderung der Wirbelsäule ist für den 15.11.2000 allenfalls mit einem Teil-GdB von 10 zu bewerten. Nach den VG, Teil B, Nr. 18.9 beträgt bei Wirbelsäulenschäden ohne Bewegungseinschränkung oder Instabilität der GdB 0, mit geringen funktionellen Auswirkungen (Verformung, rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität geringen Grades, seltene und kurz dauernd auftretende leichte Wirbelsäulensyndrome) der GdB 10, mit mittelgradigen funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt (Verformung, häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität mittleren Grades, häufig rezidivierende und über Tage andauernde Wirbelsäulensyndrome) der GdB 20, mit schweren funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt (Verformung, häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität schweren Grades, häufig rezidivierende und Wochen andauernde ausgeprägte Wirbelsäulensyndrome) der GdB 30 sowie mit mittelgradigen bis schweren funktionellen Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten der GdB 30 bis 40. Der Senat verweist auf den Ärztlichen Entlassungsbericht des Arztes für Innere Medizin Dr. Sch. vom 07.03.1996 über eine Heilbehandlung in der Kurklinik O. in Bad W., worin eine völlige Beschwerdefreiheit hinsichtlich der Wirbelsäule geschildert wird. Ferner hat Dr. R. in seinem Gutachten vom 12.11.2003 in der Wirbelsäule eine freie Seitwärtsneigung, Reklination und Rotation beschrieben. Der Senat ist der Überzeugung, dass vor dem Begutachtungszeitpunkt und mithin am 15.11.2000 kein gravierenderer Wirbelsäulenbefund vorgelegen hat. Nichts anderes ergibt sich aus der sachverständigen Zeugenauskunft des Dr. W. vom 15.02.2006, in der zwar ausgeführt wird, es liege unter anderem ein chronisches Wirbelsäulensyndrom vor und "die Beschwerden" bestünden schon "seit sehr langer Zeit, mindestens aber seit dem Jahr 2003". Abgesehen davon, dass Dr. W. Bewegungsmaße hinsichtlich der Wirbelsäule nicht dokumentiert hat, ergibt sich aus dessen Angaben nicht zwingend, dass die Wirbelsäulenproblematik bereits seit dem 15.11.2000 besteht. Mithin kann nicht von mindestens mittelgradigen funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt am 15.11.2000 ausgegangen werden.

Auch auf internistischem Fachgebiet ergeben sich keine Hinweise auf GdB-relevante Funktionsbehinderungen am 15.11.2000.

Nach alledem hat die Klägerin keinen Anspruch auf Feststellung ihres GdB mit 50 bereits ab 15.11.2000.

Die Berufung war daher zurückzuweisen.

Hierauf und auf § 193 SGG beruht die Kostenentscheidung.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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