Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 12 R 1040/07
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 R 3069/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlingen vom 04.06.2008 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Im Streit steht der Anspruch der Klägerin auf eine Rente wegen voller Erwerbsminderung.
Die 1953 geborene Klägerin hat keinen Beruf erlernt. Sie leidet seit der Schulzeit an einem zwischenzeitlich chronifizierten Kopfschmerzsyndrom mit Spannungskopfschmerz und Migräne. Von 1968 bis Mai 2003 war sie als Näherin beschäftigt. Im Mai 2003 wurde bei ihr wegen eines linksseitigen Mamma-Karzinoms eine brusterhaltende Operation mit linksseitiger Axilladissektion durchgeführt. Hieran schlossen sich eine Bestrahlung und stationäre medizinische Rehabilitationsmaßnahmen an. Seit der Krebserkrankung ist die Klägerin arbeitsunfähig bzw. arbeitslos.
Die Klägerin beantragte am 21.10.2005 (erneut) die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Bei einer von der Beklagten veranlassten Begutachtung am 14.02.2006 fand die Fachärztin für physikalische und rehabilitative Medizin Dr. H. eine schmerzhafte Funktionseinschränkung - Schwellung, Kraftminderung, Gefühlsstörung - der linken Hand bei Verdacht auf strahlungsbedingten Schaden des Plexus brachialis links, eine Anpassungsstörung mit längerdauernder depressiver Reaktion und einen Kombinationskopfschmerz mit Spannungskopfschmerzen und Migräne und bezeichnete leichte Arbeiten ohne vermehrten Zeitdruck, ohne volle Gebrauchsfähigkeit der linken Hand (hinsichtlich Kraftarbeit oder erhöhter Anforderungen an die Feinmotorik) und ohne Überkopfarbeiten von mindestens sechs Stunden täglich als zumutbar. Als Rechtshänderin könne die Klägerin die linke Hand als Beihand einsetzen.
Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 20.02.2006 den Rentenantrag ab. Den Widerspruch der Klägerin wies sie nach Durchführung einer weiteren stationären medizinischen Rehabilitation der Klägerin in Bad K. (Entlassungsbericht vom 22.12.2006: vollschichtig arbeitsfähig für leichte Arbeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ohne volle Gebrauchsfähigkeit der linken Hand und ohne Überkopfarbeiten, ohne Arbeiten in Nässe, unter Zugluft oder extremen Temperaturschwankungen oder vermehrtem Zeitdruck) mit Widerspruchsbescheid vom 21.02.2007 zurück.
Auf die am 14.03.2007 erhobene Klage hat das Sozialgericht Reutlingen sachverständige Zeugenauskünfte des Arztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. M. (Bedenken gegen leichte Tätigkeiten im Umfang von mindestens sechs Stunden täglich wegen Gebrauchsminderung der linken Hand, schwerer Migräne mit häufigen schweren Attacken und wegen eingeschränkter psychischer Belastbarkeit im Rahmen einer lang dauernden depressiven Störung), bei dem Gynäkologen Dr. S. (Arbeiten mit auch nur geringfügiger Mitbenutzung des linken Armes bzw. Hand auf Grund kontinuierlicher Schmerzattacken nicht möglich) und des Hausarztes Dr. B. (Ausschluss auch leichter Tätigkeiten im Umfang von wenigstens sechs Stunden) eingeholt. Der Neurologe und Psychiater Dr. S. hat nach Untersuchung der Klägerin am 13.12.2007 in seinem für das Sozialgericht erstatteten Gutachten ausgeführt, die Klägerin sei noch in der Lage, mindestens sechs Stunden täglich eine regelmäßige Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt auszuüben. Tätigkeiten, die einen gleichmäßigen beidhändigen Einsatz oder einen Dauergebrauch des linken Armes und der linken Hand erforderten, sollten vermieden werden. Auf Grund der beklagten Kopfschmerzen seien Arbeiten mit besonderer geistiger Beanspruchung und besonderen Anforderungen an das Konzentrationsvermögen eher ungünstig, wenngleich die Klägerin mit den seit Kindheit bestehenden Kopfschmerzen über viele Jahre hinweg im Akkord habe nähen können. Zusätzliche Arbeitspausen seien nicht notwendig.
Mit Gerichtsbescheid vom 04.06.2008 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Aus den Gutachten von Dr. S. und Dr. H. sowie dem Entlassungsbericht aus Bad K. ergäben sich nur qualitative Einschränkungen der Leistungsfähigkeit. Wegen der Beschwerden der Klägerin im linken Arm seien weder eine schwerwiegende spezifische Leistungseinschränkung noch eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen anzunehmen, da die Klägerin Rechtshänderin sei und die linke Hand als Beihand einsetzen könne.
Ihre am 30.06.2008 eingelegte Berufung begründet die Klägerin mit der ausgeprägten Migräneerkrankung. Da Dr. S. diese Erkrankung bezweifle, sei sein Gutachten nicht heranzuziehen.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlingen vom 04.06.2008 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 20.02.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.02.2007 zu verurteilen, ihr eine Rente wegen voller Erwerbsminderung ab dem 01.10.2005, hilfsweise auf Zeit, zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Auf Anfrage des Senats hat Dr. B. als sachverständiger Zeuge mitgeteilt, er behandle die Klägerin seit Mai 1994 wegen Kopfschmerzen vom Mischtyp ohne Besserung der Symptomatik. Sie sei deswegen bis zur Krebserkrankung, die danach im Vordergrund gestanden habe, ca. ein bis zwei Wochen pro Quartal arbeitsunfähig gewesen. Zudem bestehe ein chronisches Schmerzsyndrom.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Beteiligtenvorbringens wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz und die vorgelegten Verwaltungsakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß den §§ 143, 144, 151 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässige Berufung, ist unbegründet.
Das Sozialgericht hat die Klage der Klägerin zu Recht abgewiesen. Der Bescheid vom 20.02.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.02.2007 ist rechtmäßig. Ein Anspruch der Klägerin auf die - im Berufungsverfahren nur noch streitige - Rente wegen voller Erwerbsminderung besteht nicht.
Rechtsgrundlage für die hier begehrte Rente wegen voller Erwerbsminderung ist § 43 Abs. 2 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI). Danach haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, wenn sie - unter anderem - voll erwerbsgemindert sind. Nach § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI sind voll erwerbsgemindert Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Volle Erwerbsminderung besteht über die Regelung des § 43 Abs. 2 SGB VI hinaus nach der Rechtsprechung des BSG (Großer Senat, Beschluss vom 10.12.1976, u.a. GS 2/75 in SozR 2200 § 1246 Nr. 13) bei regelmäßig bejahter Verschlossenheit des Arbeitsmarktes auch dann, wenn eine zeitliche Leistungseinschränkung von drei bis unter sechs Stunden vorliegt. Nach § 43 Abs. 3 SGB VI ist aber nicht erwerbsgemindert, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.
Hiervon besteht eine Ausnahme, wenn wegen einer schweren spezifischen Leistungsbehinderung oder bei einer Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen und bei Vorliegen bestimmter, so genannter Katalogfälle die Benennung einer Verweisungstätigkeit nicht möglich ist. In diesen Fällen führen rein qualitative Einschränkungen selbst im Falle sechsstündigen Leistungsvermögens zur Annahme voller Erwerbsminderung (Großer Senat, Beschluss vom 19.12.1996, GS 2/95 in SozR 3-2600 § 44 Nr. 8).
Diese Voraussetzungen erfüllt die Klägerin nicht.
Eine relevante Leistungsminderung durch die im Jahre 2003 erfolgreich operierte Krebserkrankung selbst hat keiner der Ärzte berichtet und wird von der Klägerin auch nicht behauptet.
Die Klägerin ist auch nicht wegen ihrer Gesundheitsstörungen am linken Arm und an der linken Hand erwerbsgemindert im Sinne des § 43 SGB VI. Ob das von der Klägerin beklagte Beschwerdebild (Schmerzen und Gefühlsstörungen im linken Arm und Handgelenk, Kraftminderung der linken Hand, gestörte Feinmotorik) als Verdacht auf radiogene Irritation des Plexus brachialis links (Dr. M. , Dr. S. ), als schmerzbedingte Funktionseinschränkung unklarer Ursache (Dr. H. , Rehabilitations-Entlassungsbericht Bad K. , Dr. S. ) oder möglicherweise als Morbus Sudeck (Dr. M. im Rahmen einer Begutachtung im früheren Rentenverfahren) diagnostisch einzuordnen ist, hat für den Rentenanspruch der Klägerin keine Bedeutung, weil für die Erwerbsminderung die objektivierbaren Einschränkung der Leistungsfähigkeit maßgeblich sind. Der Senat hält aber jedenfalls die vom behandelnden Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. Z. (Bericht vom 14.05.2004) und vom Hausarzt Dr. B. diagnostizierte Läsion des Plexus brachialis links durch die Bestrahlung des Mammakarzinoms für widerlegt, nachdem Dr. S. darauf hingewiesen hat, dass entsprechende neurologische Befunde bei der Klägerin nicht erhoben worden sind und die für die Bestrahlung verantwortlichen Radioonkologen ausgeführt haben, dass der betroffene Bereich der Lymphabflussbahnen und der Plexusbereich nicht bestrahlt worden sind (Bericht der Klinik für Radioonkologie des Universitätsklinikums T. vom 24.03.2004).
Von einer quantitativen Leistungsminderung auf Grund einer stark eingeschränkten Gebrauchsfähigkeit der linken oberen Extremität, wie die behandelnden Ärzte Dr. M. , Dr. S. und Dr. B. ausgeführt haben, ist der Senat unter Berücksichtigung der von Dr. H. und Dr. S. sowie der im Rehabilitations-Entlassungsbericht vom 22.12.2006 mitgeteilten Befunde nicht überzeugt. Dr. H. erhob bei ihrer Untersuchung am 14.02.2006 lediglich eine abgeschwächte Kraft der linken Hand und eine leichte Parese des Musculus flexor carpi ulnaris. Nackengriff, wenn auch erschwert, Faustschluss, Spitz- und Flaschengriff waren beidseitig normal möglich. Insgesamt hat sie die Beweglichkeit der linken Hand und des linken Arms als normal bezeichnet. Im Rahmen der Rehabilitation in Bad K. sind ebenfalls eine freie Beweglichkeit der linken Hand bei normaler Feinmotorik, ein kompletter Faustschluss und - mit Ausnahme einer Verminderung der groben Kraft - keine relevanten Funktionseinschränkungen erhoben worden.
Dr. S. hat bei der Begutachtung der Klägerin am 13.12.2007 außer einem leichten Lymphödem keine objektivierbaren Einschränkungen oder Lähmungen der linken Hand und am linken Arm erhoben (keine pathologischen Reflexe oder auf einen verminderten Einsatz des Armes hinweisende Muskelatrophien, intakte Feinmotorik, unauffälliger Muskeltonus). Für die von der Klägerin angegebenen Gefühlsstörungen im linken Arm und an der linken Hand hat er keine korrelierende Nervenschädigung als Ursache gefunden. Sie hat nach Angabe des Sachverständigen bei der Untersuchung zwar demonstrativ eine Kraftminderung dargestellt und bei der Beschwerdedarstellung und -schilderung Verdeutlichungstendenzen aufgewiesen, aber im Widerspruch hierzu bei der Untersuchung, insbesondere bei Berührungen am Arm, kein auffälliges Verhalten gezeigt und keine wesentlichen Schmerzangaben gemacht oder schmerzgeplagt gewirkt. Nach Beobachtung des Sachverständigen hat die Klägerin beim An- und Auskleiden und auch gestisch den linken Arm und die linke Hand ebenso eingesetzt wie die rechte. Schließlich hat Dr. S. im Rahmen seiner weiterführenden Diagnostik eine Schädigung der als defizitär demonstrierten Muskelgruppen ausdrücklich ausgeschlossen. Für die Auffassung von Dr. S. , die sich der Senat zu eigen macht, dass eine funktionelle Einhändigkeit nicht vorliegt, weil die Klägerin den linken Arm für mehr als nur Haltearbeiten einsetzen kann, sondern krankheitsbedingt lediglich Tätigkeiten auszuschließen sind, die einen gleichmäßigen beidhändigen Einsatz erfordern oder einen Dauergebrauch des linken Armes und der linken Hand beinhalten, spricht auch die wiederholte Angabe der Klägerin gegenüber den Sachverständigen Dr. H. und Dr. S. , sie erledige den Haushalt im Wesentlichen allein, auch wenn sie wegen der linken Hand nicht alles machen könne. Soweit Dr. H. darüber hinaus noch Arbeiten mit kraftvollem Zufassen und erhöhter Anforderung an Feinmotorik und intakte Sensibilität sowie Überkopfarbeiten ausschloss, bedarf es keiner Feststellung, ob dies auf einer abweichenden Leistungsbeurteilung oder auf einer Verbesserung des Gesundheitszustandes der Klägerin beruht. Denn bei beiden Auffassungen der Sachverständigen handelt es sich jeweils um qualitative Leistungsminderungen, die keine unüblichen Arbeitsbedingungen bei Tätigkeiten des leichten Arbeitsmarktes erfordern.
Daneben ist der Senat auf Grund der durchgehend in den Berichten über Rehabilitationen in den Jahren 1998, 2003, 2004 und 2006 angegebenen und vom Hausarzt Dr. B. und den Sachverständigen bestätigten Beschwerden davon überzeugt, dass die Klägerin seit Jahrzehnten an einem Kopfschmerzsyndrom mit Spannungskopfschmerz und Migräneanfällen leidet. Diese Gesundheitsstörung führt aber ebensowenig wie die Beschwerden am linken Arm zu einem Herabsinken der Leistungsfähigkeit auf unter sechs Stunden täglich für leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes, wenn eine besondere geistige Beanspruchung und besondere Anforderungen an das Konzentrationsvermögen, wie z.B. Arbeiten unter Zeitdruck, ausgeschlossen werden. Der Senat folgt hierbei ebenfalls der Leistungseinschätzung von Dr. H. und Dr. S ...
Die Migräneanfälle mögen zwar zu gelegentlichen Arbeitsunfähigkeitszeiten führen, stehen aber einer vollschichtigen regelmäßigen Erwerbstätigkeit nicht entgegen. Ein Versicherter, der noch eine Erwerbstätigkeit ausüben kann, ist nicht schon deshalb erwerbsunfähig, weil er in Folge eines wie auch immer verursachten Leidens häufig krankheitshalber nicht arbeitsfähig ist. Etwas anderes kann dann gelten, wenn der Versicherte so häufig krank ist, dass die von ihm während eines Arbeitsjahres erbrachten Arbeitsleistungen nicht mehr die Mindestanforderung erfüllen, welche ein vernünftig und billig denkender Arbeitgeber zu stellen berechtigt ist, so dass eine Einstellung oder Weiterbeschäftigung eines solchen Versicherten praktisch ausgeschlossen ist (vgl. Urteil des BSG vom 21.07.1992, 4 RA 13/91). In dem zitierten Urteil hat das BSG darauf abgestellt, ob der Versicherte auf Grund der Anfälle gehindert ist, durchschnittlich in der Woche mehr als zwei oder je Monat mehr als acht volle Schichten in einer Berufstätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu verrichten. Solche zeitlich nicht einplanbaren, häufigen Arbeitsunfähigkeitszeiten, die mit einer vollständigen Leistungsunfähigkeit verbunden sind, sind rechtlich den unüblichen Arbeitsbedingungen zuzuordnen (vgl. BSG, Urteil vom 31.03.1993, 13 RJ 65/91 in SozR 3-2200 § 1247 Nr. 14).
Auch unter Berücksichtigung der Angaben der Klägerin zu den Migräneanfällen im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem Senat sind krankheitsbedingte Fehlzeiten der Klägerin in einem solchen Ausmaß nicht zu erwarten, insbesondere für die Vergangenheit nicht nachgewiesen. Gegen erhebliche Zeiten der Arbeitsunfähigkeit wegen der Migräneanfälle spricht, dass sich die Klägerin während der vierwöchigen (09.11.2006 bis 07.12.2006) medizinischen Rehabilitation in Bad K. nicht einmal wegen eines solchen Anfalls an das Personal wandte, obwohl auf Grund der durch das Aufnahmegespräch bekannten Migräneerkrankung eine Bedarfsmedikation vorgesehen war (ergänzender Bericht der Rehaklinik vom 05.04.2007 an die Beklagte im Rahmen einer von der Klägerin erhobenen Beschwerde). Vielmehr erwähnte sie - so der ergänzende Bericht weiter - nur einmal im Rahmen der üblichen Visite Kopfschmerzen, die sie durch selbst verabreichte Medikamente ausreichend behandelt sah. Der gegenteiligen Behauptung der Klägerin, sie habe während dieser Rehabilitation Migräneanfälle gehabt, sie seien nur nicht dokumentiert, vermag der Senat deshalb und angesichts des tatsächlich absolvierten und im Reha-Bericht dokumentierten umfangreichen Rehabilitationsprogramms nicht zu folgen. Bereits für die Zeit bis Mai 2003 - danach stand die Krebserkrankung im Vordergrund der Beeinträchtigungen - hat der behandelnde Hausarzt Dr. B. die Angabe der Klägerin im erstinstanzlichen Verfahren (Schriftsatz vom 26.02.2008), sie müsse jede Woche mindestens zwei bis drei Tage wegen Migräneattacken liegen, nicht bestätigt, sondern berichtet, die - bei ihm wegen der Kopfschmerzen seit 1994 laufend in Behandlung stehende - Klägerin sei ein bis zwei Wochen im Quartal arbeitsunfähig. Eine erhebliche Einschränkung durch die Migräne ergibt sich auch nicht aus dem von den Sachverständigen erhobenen Tagesablauf der Klägerin. Bei beiden Untersuchungen schilderte die Klägerin Einschränkungen im Tagesablauf lediglich auf Grund der Beschwerden der linken Hand. Die Angabe der Klägerin gegenüber Dr. S. , sie nehme pro Monat (nur) sechs Migränetabletten ein, ist ebenfalls nicht mit der von ihr angegebenen Häufigkeit und Heftigkeit der Migräneattacken oder den hierdurch bedingten tatsächlichen Einschränkungen vereinbar.
Eine erhebliche Leistungsminderung der Klägerin folgt auch nicht aus den - nach ihrem Bekunden seit der Schulzeit bestehenden ständigen - Kopfschmerzen. Denn trotz dieser Beschwerden war die Klägerin in der Lage, von 1968 bis zum Auftreten der Krebserkrankung einer vollschichtigen Berufstätigkeit, teilweise sogar im Akkord, als Näherin nachzugehen. Die von ihr als Erklärung auf die direkte Frage von Dr. S. , wie sie denn Jahrzehnte bei unverändertem Kopfschmerz gearbeitet habe, abgegebene Vermutung, in jüngeren Jahren sei es wohl noch besser gewesen, überzeugt den Senat nicht. Dr. S. hat darauf hingewiesen, dass die Klägerin nicht schmerzgeplagt wirke und die fehlende Inanspruchnahme der Klägerin von schmerztherapeutischen Maßnahmen aller Erfahrung nach das tatsächlich vorhandene Schmerzerleben und die tatsächlichen Einschränkungen durch diese Schmerzen und Beschwerden relativiere. Damit stimmt überein, dass die Klägerin nach eigenen Angaben gegenüber Dr. S. wegen der Kopfschmerzen nur gelegentlich Schmerzmittel nimmt.
Soweit Dr. M. darüber hinaus seine Bedenken gegen noch mindestens sechs Stunden täglich umfassende leichte Tätigkeiten auch auf eine Anpassungsstörung mit länger dauernder depressiver Reaktion gestützt hat, folgt der Senat dem nicht, weil Dr. S. eine Störung von Krankheitswert auf psychiatrischem Teilgebiet nicht bestätigt, sondern ausgeschlossen hat. Dem entsprechend ist eine Behandlung der Klägerin wegen einer psychischen Störung auch nicht dokumentiert.
Die Klägerin kann daher zumindest noch leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes unter Beachtung der von Dr. H. und Dr. S. genannten qualitativen Einschränkungen sechs Stunden täglich ausüben. Sie ist daher nicht erwerbsgemindert. Dabei ist es unerheblich, ob ein dem Leistungsvermögen entsprechender Arbeitsplatz vermittelt werden kann, weil nach § 43 Abs. 3 zweiter Halbsatz SGB VI die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen ist.
Die Benennung einer konkreten Verweisungstätigkeit ist in einem solchen Fall regelmäßig nicht erforderlich (BSG, Urteil vom 14.09.1995, 5 RJ 50/94 in SozR 3-2200 § 1246 Nr. 50, auch zum Nachfolgenden). Denn nach der Rechtsprechung des BSG steht auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt eine so große Anzahl von Tätigkeitsarten zur Verfügung, dass das Vorhandensein einer geeigneten Verweisungstätigkeit offensichtlich ist. Nur ausnahmsweise ist für einen auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verweisbaren Versicherten wie die Klägerin mit zumindest sechsstündigem Leistungsvermögen für leichte Arbeiten die Benennung einer konkreten Verweisungstätigkeit erforderlich, wenn die Erwerbsfähigkeit durch mehrere schwerwiegende gesundheitliche Einschränkungen oder eine besonders einschneidende Behinderung gemindert ist. In der Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes sind bestimmte Fälle anerkannt (z.B. Einarmigkeit, vgl. BSG, a.a.O., m.w.N.), zu denen der vorliegende Fall aber nicht gehört. Vielmehr braucht eine Verweisungstätigkeit erst benannt zu werden, wenn die gesundheitliche Fähigkeit zur Verrichtung selbst leichter Tätigkeiten in vielfältiger, außergewöhnlicher Weise eingeschränkt ist. Dies ist jedenfalls dann nicht der Fall, wenn ein Versicherter noch vollschichtig körperlich leichte Arbeiten ohne Heben und Tragen von Gegenständen über 5 kg, ohne überwiegendes Stehen und Gehen oder ständiges Sitzen, nicht in Nässe, Kälte oder Zugluft, ohne häufiges Bücken, ohne Zwangshaltungen, ohne besondere Anforderungen an die Fingerfertigkeit und nicht unter besonderen Unfallgefahren zu verrichten vermag (BSG, a.a.O.; Urteil vom 27.04.1982, 1 RJ 132/80 in SozR 2200 § 1246 Nr. 90). Denn ein Teil dieser Einschränkungen stimmt bereits mit den Tätigkeitsmerkmalen einer körperlich leichten Arbeit überein; dies gilt insbesondere für die geminderte Fähigkeiten, Lasten zu bewältigen und die geringe Belastbarkeit der Wirbelsäule (BSG, SozR 3 a.a.O.) mit den hierauf beruhenden Einschränkungen. Nicht anders liegt der Fall der Klägerin. Auch bei ihr wird den qualitativen Einschränkungen im Wesentlichen bereits dadurch Rechnung getragen, dass ihr nur noch leichte Arbeiten zugemutet werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Im Streit steht der Anspruch der Klägerin auf eine Rente wegen voller Erwerbsminderung.
Die 1953 geborene Klägerin hat keinen Beruf erlernt. Sie leidet seit der Schulzeit an einem zwischenzeitlich chronifizierten Kopfschmerzsyndrom mit Spannungskopfschmerz und Migräne. Von 1968 bis Mai 2003 war sie als Näherin beschäftigt. Im Mai 2003 wurde bei ihr wegen eines linksseitigen Mamma-Karzinoms eine brusterhaltende Operation mit linksseitiger Axilladissektion durchgeführt. Hieran schlossen sich eine Bestrahlung und stationäre medizinische Rehabilitationsmaßnahmen an. Seit der Krebserkrankung ist die Klägerin arbeitsunfähig bzw. arbeitslos.
Die Klägerin beantragte am 21.10.2005 (erneut) die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Bei einer von der Beklagten veranlassten Begutachtung am 14.02.2006 fand die Fachärztin für physikalische und rehabilitative Medizin Dr. H. eine schmerzhafte Funktionseinschränkung - Schwellung, Kraftminderung, Gefühlsstörung - der linken Hand bei Verdacht auf strahlungsbedingten Schaden des Plexus brachialis links, eine Anpassungsstörung mit längerdauernder depressiver Reaktion und einen Kombinationskopfschmerz mit Spannungskopfschmerzen und Migräne und bezeichnete leichte Arbeiten ohne vermehrten Zeitdruck, ohne volle Gebrauchsfähigkeit der linken Hand (hinsichtlich Kraftarbeit oder erhöhter Anforderungen an die Feinmotorik) und ohne Überkopfarbeiten von mindestens sechs Stunden täglich als zumutbar. Als Rechtshänderin könne die Klägerin die linke Hand als Beihand einsetzen.
Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 20.02.2006 den Rentenantrag ab. Den Widerspruch der Klägerin wies sie nach Durchführung einer weiteren stationären medizinischen Rehabilitation der Klägerin in Bad K. (Entlassungsbericht vom 22.12.2006: vollschichtig arbeitsfähig für leichte Arbeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ohne volle Gebrauchsfähigkeit der linken Hand und ohne Überkopfarbeiten, ohne Arbeiten in Nässe, unter Zugluft oder extremen Temperaturschwankungen oder vermehrtem Zeitdruck) mit Widerspruchsbescheid vom 21.02.2007 zurück.
Auf die am 14.03.2007 erhobene Klage hat das Sozialgericht Reutlingen sachverständige Zeugenauskünfte des Arztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. M. (Bedenken gegen leichte Tätigkeiten im Umfang von mindestens sechs Stunden täglich wegen Gebrauchsminderung der linken Hand, schwerer Migräne mit häufigen schweren Attacken und wegen eingeschränkter psychischer Belastbarkeit im Rahmen einer lang dauernden depressiven Störung), bei dem Gynäkologen Dr. S. (Arbeiten mit auch nur geringfügiger Mitbenutzung des linken Armes bzw. Hand auf Grund kontinuierlicher Schmerzattacken nicht möglich) und des Hausarztes Dr. B. (Ausschluss auch leichter Tätigkeiten im Umfang von wenigstens sechs Stunden) eingeholt. Der Neurologe und Psychiater Dr. S. hat nach Untersuchung der Klägerin am 13.12.2007 in seinem für das Sozialgericht erstatteten Gutachten ausgeführt, die Klägerin sei noch in der Lage, mindestens sechs Stunden täglich eine regelmäßige Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt auszuüben. Tätigkeiten, die einen gleichmäßigen beidhändigen Einsatz oder einen Dauergebrauch des linken Armes und der linken Hand erforderten, sollten vermieden werden. Auf Grund der beklagten Kopfschmerzen seien Arbeiten mit besonderer geistiger Beanspruchung und besonderen Anforderungen an das Konzentrationsvermögen eher ungünstig, wenngleich die Klägerin mit den seit Kindheit bestehenden Kopfschmerzen über viele Jahre hinweg im Akkord habe nähen können. Zusätzliche Arbeitspausen seien nicht notwendig.
Mit Gerichtsbescheid vom 04.06.2008 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Aus den Gutachten von Dr. S. und Dr. H. sowie dem Entlassungsbericht aus Bad K. ergäben sich nur qualitative Einschränkungen der Leistungsfähigkeit. Wegen der Beschwerden der Klägerin im linken Arm seien weder eine schwerwiegende spezifische Leistungseinschränkung noch eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen anzunehmen, da die Klägerin Rechtshänderin sei und die linke Hand als Beihand einsetzen könne.
Ihre am 30.06.2008 eingelegte Berufung begründet die Klägerin mit der ausgeprägten Migräneerkrankung. Da Dr. S. diese Erkrankung bezweifle, sei sein Gutachten nicht heranzuziehen.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlingen vom 04.06.2008 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 20.02.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.02.2007 zu verurteilen, ihr eine Rente wegen voller Erwerbsminderung ab dem 01.10.2005, hilfsweise auf Zeit, zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Auf Anfrage des Senats hat Dr. B. als sachverständiger Zeuge mitgeteilt, er behandle die Klägerin seit Mai 1994 wegen Kopfschmerzen vom Mischtyp ohne Besserung der Symptomatik. Sie sei deswegen bis zur Krebserkrankung, die danach im Vordergrund gestanden habe, ca. ein bis zwei Wochen pro Quartal arbeitsunfähig gewesen. Zudem bestehe ein chronisches Schmerzsyndrom.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Beteiligtenvorbringens wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz und die vorgelegten Verwaltungsakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß den §§ 143, 144, 151 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässige Berufung, ist unbegründet.
Das Sozialgericht hat die Klage der Klägerin zu Recht abgewiesen. Der Bescheid vom 20.02.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.02.2007 ist rechtmäßig. Ein Anspruch der Klägerin auf die - im Berufungsverfahren nur noch streitige - Rente wegen voller Erwerbsminderung besteht nicht.
Rechtsgrundlage für die hier begehrte Rente wegen voller Erwerbsminderung ist § 43 Abs. 2 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI). Danach haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, wenn sie - unter anderem - voll erwerbsgemindert sind. Nach § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI sind voll erwerbsgemindert Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Volle Erwerbsminderung besteht über die Regelung des § 43 Abs. 2 SGB VI hinaus nach der Rechtsprechung des BSG (Großer Senat, Beschluss vom 10.12.1976, u.a. GS 2/75 in SozR 2200 § 1246 Nr. 13) bei regelmäßig bejahter Verschlossenheit des Arbeitsmarktes auch dann, wenn eine zeitliche Leistungseinschränkung von drei bis unter sechs Stunden vorliegt. Nach § 43 Abs. 3 SGB VI ist aber nicht erwerbsgemindert, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.
Hiervon besteht eine Ausnahme, wenn wegen einer schweren spezifischen Leistungsbehinderung oder bei einer Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen und bei Vorliegen bestimmter, so genannter Katalogfälle die Benennung einer Verweisungstätigkeit nicht möglich ist. In diesen Fällen führen rein qualitative Einschränkungen selbst im Falle sechsstündigen Leistungsvermögens zur Annahme voller Erwerbsminderung (Großer Senat, Beschluss vom 19.12.1996, GS 2/95 in SozR 3-2600 § 44 Nr. 8).
Diese Voraussetzungen erfüllt die Klägerin nicht.
Eine relevante Leistungsminderung durch die im Jahre 2003 erfolgreich operierte Krebserkrankung selbst hat keiner der Ärzte berichtet und wird von der Klägerin auch nicht behauptet.
Die Klägerin ist auch nicht wegen ihrer Gesundheitsstörungen am linken Arm und an der linken Hand erwerbsgemindert im Sinne des § 43 SGB VI. Ob das von der Klägerin beklagte Beschwerdebild (Schmerzen und Gefühlsstörungen im linken Arm und Handgelenk, Kraftminderung der linken Hand, gestörte Feinmotorik) als Verdacht auf radiogene Irritation des Plexus brachialis links (Dr. M. , Dr. S. ), als schmerzbedingte Funktionseinschränkung unklarer Ursache (Dr. H. , Rehabilitations-Entlassungsbericht Bad K. , Dr. S. ) oder möglicherweise als Morbus Sudeck (Dr. M. im Rahmen einer Begutachtung im früheren Rentenverfahren) diagnostisch einzuordnen ist, hat für den Rentenanspruch der Klägerin keine Bedeutung, weil für die Erwerbsminderung die objektivierbaren Einschränkung der Leistungsfähigkeit maßgeblich sind. Der Senat hält aber jedenfalls die vom behandelnden Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. Z. (Bericht vom 14.05.2004) und vom Hausarzt Dr. B. diagnostizierte Läsion des Plexus brachialis links durch die Bestrahlung des Mammakarzinoms für widerlegt, nachdem Dr. S. darauf hingewiesen hat, dass entsprechende neurologische Befunde bei der Klägerin nicht erhoben worden sind und die für die Bestrahlung verantwortlichen Radioonkologen ausgeführt haben, dass der betroffene Bereich der Lymphabflussbahnen und der Plexusbereich nicht bestrahlt worden sind (Bericht der Klinik für Radioonkologie des Universitätsklinikums T. vom 24.03.2004).
Von einer quantitativen Leistungsminderung auf Grund einer stark eingeschränkten Gebrauchsfähigkeit der linken oberen Extremität, wie die behandelnden Ärzte Dr. M. , Dr. S. und Dr. B. ausgeführt haben, ist der Senat unter Berücksichtigung der von Dr. H. und Dr. S. sowie der im Rehabilitations-Entlassungsbericht vom 22.12.2006 mitgeteilten Befunde nicht überzeugt. Dr. H. erhob bei ihrer Untersuchung am 14.02.2006 lediglich eine abgeschwächte Kraft der linken Hand und eine leichte Parese des Musculus flexor carpi ulnaris. Nackengriff, wenn auch erschwert, Faustschluss, Spitz- und Flaschengriff waren beidseitig normal möglich. Insgesamt hat sie die Beweglichkeit der linken Hand und des linken Arms als normal bezeichnet. Im Rahmen der Rehabilitation in Bad K. sind ebenfalls eine freie Beweglichkeit der linken Hand bei normaler Feinmotorik, ein kompletter Faustschluss und - mit Ausnahme einer Verminderung der groben Kraft - keine relevanten Funktionseinschränkungen erhoben worden.
Dr. S. hat bei der Begutachtung der Klägerin am 13.12.2007 außer einem leichten Lymphödem keine objektivierbaren Einschränkungen oder Lähmungen der linken Hand und am linken Arm erhoben (keine pathologischen Reflexe oder auf einen verminderten Einsatz des Armes hinweisende Muskelatrophien, intakte Feinmotorik, unauffälliger Muskeltonus). Für die von der Klägerin angegebenen Gefühlsstörungen im linken Arm und an der linken Hand hat er keine korrelierende Nervenschädigung als Ursache gefunden. Sie hat nach Angabe des Sachverständigen bei der Untersuchung zwar demonstrativ eine Kraftminderung dargestellt und bei der Beschwerdedarstellung und -schilderung Verdeutlichungstendenzen aufgewiesen, aber im Widerspruch hierzu bei der Untersuchung, insbesondere bei Berührungen am Arm, kein auffälliges Verhalten gezeigt und keine wesentlichen Schmerzangaben gemacht oder schmerzgeplagt gewirkt. Nach Beobachtung des Sachverständigen hat die Klägerin beim An- und Auskleiden und auch gestisch den linken Arm und die linke Hand ebenso eingesetzt wie die rechte. Schließlich hat Dr. S. im Rahmen seiner weiterführenden Diagnostik eine Schädigung der als defizitär demonstrierten Muskelgruppen ausdrücklich ausgeschlossen. Für die Auffassung von Dr. S. , die sich der Senat zu eigen macht, dass eine funktionelle Einhändigkeit nicht vorliegt, weil die Klägerin den linken Arm für mehr als nur Haltearbeiten einsetzen kann, sondern krankheitsbedingt lediglich Tätigkeiten auszuschließen sind, die einen gleichmäßigen beidhändigen Einsatz erfordern oder einen Dauergebrauch des linken Armes und der linken Hand beinhalten, spricht auch die wiederholte Angabe der Klägerin gegenüber den Sachverständigen Dr. H. und Dr. S. , sie erledige den Haushalt im Wesentlichen allein, auch wenn sie wegen der linken Hand nicht alles machen könne. Soweit Dr. H. darüber hinaus noch Arbeiten mit kraftvollem Zufassen und erhöhter Anforderung an Feinmotorik und intakte Sensibilität sowie Überkopfarbeiten ausschloss, bedarf es keiner Feststellung, ob dies auf einer abweichenden Leistungsbeurteilung oder auf einer Verbesserung des Gesundheitszustandes der Klägerin beruht. Denn bei beiden Auffassungen der Sachverständigen handelt es sich jeweils um qualitative Leistungsminderungen, die keine unüblichen Arbeitsbedingungen bei Tätigkeiten des leichten Arbeitsmarktes erfordern.
Daneben ist der Senat auf Grund der durchgehend in den Berichten über Rehabilitationen in den Jahren 1998, 2003, 2004 und 2006 angegebenen und vom Hausarzt Dr. B. und den Sachverständigen bestätigten Beschwerden davon überzeugt, dass die Klägerin seit Jahrzehnten an einem Kopfschmerzsyndrom mit Spannungskopfschmerz und Migräneanfällen leidet. Diese Gesundheitsstörung führt aber ebensowenig wie die Beschwerden am linken Arm zu einem Herabsinken der Leistungsfähigkeit auf unter sechs Stunden täglich für leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes, wenn eine besondere geistige Beanspruchung und besondere Anforderungen an das Konzentrationsvermögen, wie z.B. Arbeiten unter Zeitdruck, ausgeschlossen werden. Der Senat folgt hierbei ebenfalls der Leistungseinschätzung von Dr. H. und Dr. S ...
Die Migräneanfälle mögen zwar zu gelegentlichen Arbeitsunfähigkeitszeiten führen, stehen aber einer vollschichtigen regelmäßigen Erwerbstätigkeit nicht entgegen. Ein Versicherter, der noch eine Erwerbstätigkeit ausüben kann, ist nicht schon deshalb erwerbsunfähig, weil er in Folge eines wie auch immer verursachten Leidens häufig krankheitshalber nicht arbeitsfähig ist. Etwas anderes kann dann gelten, wenn der Versicherte so häufig krank ist, dass die von ihm während eines Arbeitsjahres erbrachten Arbeitsleistungen nicht mehr die Mindestanforderung erfüllen, welche ein vernünftig und billig denkender Arbeitgeber zu stellen berechtigt ist, so dass eine Einstellung oder Weiterbeschäftigung eines solchen Versicherten praktisch ausgeschlossen ist (vgl. Urteil des BSG vom 21.07.1992, 4 RA 13/91). In dem zitierten Urteil hat das BSG darauf abgestellt, ob der Versicherte auf Grund der Anfälle gehindert ist, durchschnittlich in der Woche mehr als zwei oder je Monat mehr als acht volle Schichten in einer Berufstätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu verrichten. Solche zeitlich nicht einplanbaren, häufigen Arbeitsunfähigkeitszeiten, die mit einer vollständigen Leistungsunfähigkeit verbunden sind, sind rechtlich den unüblichen Arbeitsbedingungen zuzuordnen (vgl. BSG, Urteil vom 31.03.1993, 13 RJ 65/91 in SozR 3-2200 § 1247 Nr. 14).
Auch unter Berücksichtigung der Angaben der Klägerin zu den Migräneanfällen im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem Senat sind krankheitsbedingte Fehlzeiten der Klägerin in einem solchen Ausmaß nicht zu erwarten, insbesondere für die Vergangenheit nicht nachgewiesen. Gegen erhebliche Zeiten der Arbeitsunfähigkeit wegen der Migräneanfälle spricht, dass sich die Klägerin während der vierwöchigen (09.11.2006 bis 07.12.2006) medizinischen Rehabilitation in Bad K. nicht einmal wegen eines solchen Anfalls an das Personal wandte, obwohl auf Grund der durch das Aufnahmegespräch bekannten Migräneerkrankung eine Bedarfsmedikation vorgesehen war (ergänzender Bericht der Rehaklinik vom 05.04.2007 an die Beklagte im Rahmen einer von der Klägerin erhobenen Beschwerde). Vielmehr erwähnte sie - so der ergänzende Bericht weiter - nur einmal im Rahmen der üblichen Visite Kopfschmerzen, die sie durch selbst verabreichte Medikamente ausreichend behandelt sah. Der gegenteiligen Behauptung der Klägerin, sie habe während dieser Rehabilitation Migräneanfälle gehabt, sie seien nur nicht dokumentiert, vermag der Senat deshalb und angesichts des tatsächlich absolvierten und im Reha-Bericht dokumentierten umfangreichen Rehabilitationsprogramms nicht zu folgen. Bereits für die Zeit bis Mai 2003 - danach stand die Krebserkrankung im Vordergrund der Beeinträchtigungen - hat der behandelnde Hausarzt Dr. B. die Angabe der Klägerin im erstinstanzlichen Verfahren (Schriftsatz vom 26.02.2008), sie müsse jede Woche mindestens zwei bis drei Tage wegen Migräneattacken liegen, nicht bestätigt, sondern berichtet, die - bei ihm wegen der Kopfschmerzen seit 1994 laufend in Behandlung stehende - Klägerin sei ein bis zwei Wochen im Quartal arbeitsunfähig. Eine erhebliche Einschränkung durch die Migräne ergibt sich auch nicht aus dem von den Sachverständigen erhobenen Tagesablauf der Klägerin. Bei beiden Untersuchungen schilderte die Klägerin Einschränkungen im Tagesablauf lediglich auf Grund der Beschwerden der linken Hand. Die Angabe der Klägerin gegenüber Dr. S. , sie nehme pro Monat (nur) sechs Migränetabletten ein, ist ebenfalls nicht mit der von ihr angegebenen Häufigkeit und Heftigkeit der Migräneattacken oder den hierdurch bedingten tatsächlichen Einschränkungen vereinbar.
Eine erhebliche Leistungsminderung der Klägerin folgt auch nicht aus den - nach ihrem Bekunden seit der Schulzeit bestehenden ständigen - Kopfschmerzen. Denn trotz dieser Beschwerden war die Klägerin in der Lage, von 1968 bis zum Auftreten der Krebserkrankung einer vollschichtigen Berufstätigkeit, teilweise sogar im Akkord, als Näherin nachzugehen. Die von ihr als Erklärung auf die direkte Frage von Dr. S. , wie sie denn Jahrzehnte bei unverändertem Kopfschmerz gearbeitet habe, abgegebene Vermutung, in jüngeren Jahren sei es wohl noch besser gewesen, überzeugt den Senat nicht. Dr. S. hat darauf hingewiesen, dass die Klägerin nicht schmerzgeplagt wirke und die fehlende Inanspruchnahme der Klägerin von schmerztherapeutischen Maßnahmen aller Erfahrung nach das tatsächlich vorhandene Schmerzerleben und die tatsächlichen Einschränkungen durch diese Schmerzen und Beschwerden relativiere. Damit stimmt überein, dass die Klägerin nach eigenen Angaben gegenüber Dr. S. wegen der Kopfschmerzen nur gelegentlich Schmerzmittel nimmt.
Soweit Dr. M. darüber hinaus seine Bedenken gegen noch mindestens sechs Stunden täglich umfassende leichte Tätigkeiten auch auf eine Anpassungsstörung mit länger dauernder depressiver Reaktion gestützt hat, folgt der Senat dem nicht, weil Dr. S. eine Störung von Krankheitswert auf psychiatrischem Teilgebiet nicht bestätigt, sondern ausgeschlossen hat. Dem entsprechend ist eine Behandlung der Klägerin wegen einer psychischen Störung auch nicht dokumentiert.
Die Klägerin kann daher zumindest noch leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes unter Beachtung der von Dr. H. und Dr. S. genannten qualitativen Einschränkungen sechs Stunden täglich ausüben. Sie ist daher nicht erwerbsgemindert. Dabei ist es unerheblich, ob ein dem Leistungsvermögen entsprechender Arbeitsplatz vermittelt werden kann, weil nach § 43 Abs. 3 zweiter Halbsatz SGB VI die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen ist.
Die Benennung einer konkreten Verweisungstätigkeit ist in einem solchen Fall regelmäßig nicht erforderlich (BSG, Urteil vom 14.09.1995, 5 RJ 50/94 in SozR 3-2200 § 1246 Nr. 50, auch zum Nachfolgenden). Denn nach der Rechtsprechung des BSG steht auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt eine so große Anzahl von Tätigkeitsarten zur Verfügung, dass das Vorhandensein einer geeigneten Verweisungstätigkeit offensichtlich ist. Nur ausnahmsweise ist für einen auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verweisbaren Versicherten wie die Klägerin mit zumindest sechsstündigem Leistungsvermögen für leichte Arbeiten die Benennung einer konkreten Verweisungstätigkeit erforderlich, wenn die Erwerbsfähigkeit durch mehrere schwerwiegende gesundheitliche Einschränkungen oder eine besonders einschneidende Behinderung gemindert ist. In der Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes sind bestimmte Fälle anerkannt (z.B. Einarmigkeit, vgl. BSG, a.a.O., m.w.N.), zu denen der vorliegende Fall aber nicht gehört. Vielmehr braucht eine Verweisungstätigkeit erst benannt zu werden, wenn die gesundheitliche Fähigkeit zur Verrichtung selbst leichter Tätigkeiten in vielfältiger, außergewöhnlicher Weise eingeschränkt ist. Dies ist jedenfalls dann nicht der Fall, wenn ein Versicherter noch vollschichtig körperlich leichte Arbeiten ohne Heben und Tragen von Gegenständen über 5 kg, ohne überwiegendes Stehen und Gehen oder ständiges Sitzen, nicht in Nässe, Kälte oder Zugluft, ohne häufiges Bücken, ohne Zwangshaltungen, ohne besondere Anforderungen an die Fingerfertigkeit und nicht unter besonderen Unfallgefahren zu verrichten vermag (BSG, a.a.O.; Urteil vom 27.04.1982, 1 RJ 132/80 in SozR 2200 § 1246 Nr. 90). Denn ein Teil dieser Einschränkungen stimmt bereits mit den Tätigkeitsmerkmalen einer körperlich leichten Arbeit überein; dies gilt insbesondere für die geminderte Fähigkeiten, Lasten zu bewältigen und die geringe Belastbarkeit der Wirbelsäule (BSG, SozR 3 a.a.O.) mit den hierauf beruhenden Einschränkungen. Nicht anders liegt der Fall der Klägerin. Auch bei ihr wird den qualitativen Einschränkungen im Wesentlichen bereits dadurch Rechnung getragen, dass ihr nur noch leichte Arbeiten zugemutet werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
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