Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
6
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 2 SB 411/06
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 6 SB 5923/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 21. November 2007 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob beim Kläger das Vorliegen der Voraussetzungen für die Zuerkennung des Nachteilsausgleich "G" (erhebliche Gehbehinderung) festzustellen ist.
Bei dem 1963 geborenen Kläger stellte das frühere Versorgungsamt H. (VA) erstmals mit Bescheid vom 10. Januar 2002 den Grad der Behinderung (GdB) fest, und zwar mit 90 seit 1. Dezember 2000. Dabei berücksichtigte es als Funktionsbehinderungen eine Enddarmerkrankung in Heilungsbewährung mit einem Teil-GdB von 90 sowie Ohrgeräusche (Tinnitus) mit einem Teil-GdB von 20.
Den vom Kläger am 4. März 2002 gestellten Antrag auf Erhöhung des GdB, den er mit Leistenbruch rechts begründet hatte, lehnte das VA mit Bescheid vom 13. Juni 2002 mit der Begründung ab, die insoweit geltend gemachte Gesundheitsstörung bedinge keine Funktionsbeeinträchtigung, die einen GdB von wenigstens 10 rechtfertige.
Am 30. April 2003 beantragte der Kläger die Feststellung von gesundheitlichen Merkmalen für die Inanspruchnahme von Nachteilsausgleichen, und zwar für die Merkzeichen "G" und "RF". Er machte eine Verschlimmerung des Dickdarmkarzinoms, Blähungen mit sehr starker Geruchsbildung sowie eine Funktionsstörung und Schmerzen im rechten Oberschenkel seit seiner Leistenbruchoperation im Dezember 2001 geltend. Das VA holte von dem Facharzt für Allgemeinmedizin Dr. M. den Befundbericht vom 22. Mai 2003 ein und zog zahlreiche Arztbriefe bei. Sodann veranlasste es die versorgungsärztliche (v.ä.) Stellungnahme der Dr. R. vom 15. Juli 2003, die die Dickdarmerkrankung in Heilungsbewährung mit einem Teil-GdB von 60, eine Neuralgie am rechten Bein mit einem Teil-GdB von 20 und den Gesamt-GdB mit 60 bewertete. Das VA stellte den GdB beim Kläger mit Bescheid vom 30. Juli 2003 sodann ab 30. April 2003 mit 60 fest und lehnte gleichzeitig das Vorliegen der gesundheitlichen Merkmale für die Inanspruchnahme der Nachteilsausgleiche "G", "Gl", "B", "H", "aG", "Bl" und "RF" ab. Im Widerspruchsverfahren stellte es nach Durchführung weiterer Ermittlungen mit Teilabhilfebescheid vom 9. Februar 2004 den GdB seit 30. April 2003 mit 100 fest, wobei die Enddarmerkrankung (in Heilungsbewährung) weiterhin mit einem Teil-GdB von 90, die Ohrgeräusche mit einem Teil-GdB von 20 sowie eine Neuralgie am rechten Bein mit einem Teil-GdB von 20 bewertet wurden. Im Hinblick auf die geltend gemachten Nachteilsausgleiche erklärte der Kläger seinen Widerspruch für erledigt.
Am 28. Juni 2005 beantragte der Kläger (ohne Begründung) erneut die Feststellung der Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des Nachteilsausgleichs "G". Das VA holte bei Dr. M. den Befundbericht vom 8. August 2005 ein, dem er weitere Arztbriefe beifügte. In der sodann eingeholten v.ä. Stellungnahme beschrieb Dr. R. unter dem 6. November 2005 im Hinblick auf die bereits berücksichtigte Neuralgie am rechten Bein, die sie nunmehr mit einem Teil-GdB von 30 bewertete, eine leichte Schwäche des Plexus lumbosacralis mit Fußsenkerschwäche rechts. Der dadurch bedingte GdB von 30 rechtfertige nicht die Feststellung des Merkzeichens G.
Mit Bescheid vom 25. November 2005 lehnte das zwischenzeitlich zuständig gewordene Landratsamt L. (LRA) den Antrag des Klägers daraufhin ab. Im Widerspruchsverfahren machte der Kläger geltend, bei ihm sei es durch die Tumoroperation und die Bestrahlungstherapie zu Verwachsungen im linken Unterbauch gekommen, die sehr oft mit extremen Schmerzen verbunden seien. Wegen dieser Schmerzen, die durch starke Ruckbewegungen verstärkt würden, könne er öffentliche Verkehrsmittel zu seiner Arbeitsstelle nicht mehr benutzen. Zur Erleichterung habe er sich zwischenzeitlich ein Kraftfahrzeug mit Automatikgetriebe angeschafft, was sich positiv auf sein Bewegungsproblem auswirke. Ihm sei es nicht mehr möglich, alle Strecken im Ortsverkehr zu Fuß zurückzulegen. Selbst kleinere Einkäufe in der Innenstadt (Entfernung ca. 500 Meter) müsse er mit dem Auto erledigen. Der Weg von seinem Arbeitsplatz zu seinem Fahrzeug betrage lediglich 100 Meter, da er zwischenzeitlich über eine Parkgenehmigung auf dem betrieblichen Besucherparkplatz verfüge. Dabei handle es sich meist um das Maximum dessen, was er am Feierabend noch zu Fuß zurücklegen könne. Der Weg zum F. Bahnhof von ca. 400 bis 500 Meter sei nicht mehr zu bewältigen. Ein weiteres Problem sei das Treppensteigen, das auf ein Stockwerk begrenzt sei. Mit Widerspruchsbescheid vom 29. Dezember 2005 wurde der Widerspruch zurückgewiesen.
Am 18. Januar 2006 erhob der Kläger dagegen beim Sozialgericht Stuttgart (SG) Klage. Er legte den Entlassungsbericht der R.-Klinik vom 23. August 2006 über die vom 19. Juli bis 16. August 2006 durchgeführte stationäre Rehabilitationsmaßnahme vor, ferner den Arztbrief des Neurologen und Psychiaters Dr. M. vom 23. Oktober 2006 und machte geltend, unter zusätzlicher Berücksichtigung der stark schmerzhaften Lumboischialgie in beiden Beinen sei die Zuerkennung des Merkzeichens G gerechtfertigt. Mit Schriftsatz seiner Bevollmächtigten vom 9. Februar 2007 ließ er ausführen, die von der Neuralgie im rechten Bein ausgehenden Störungen äußerten sich in Form einer Gefühlsstörung im Oberschenkel sowie in einem Nachziehen des Beines, da keine kontrollierte Bewegung möglich sei. Da beim Treppensteigen das Bein nicht genügend angehoben werden könne, komme es häufig zu einem Stolpern. Die Symptome verstärken sich mit zunehmender Gehstrecke, spätestens jedoch ab 100 Metern. Beispielsweise sei die von seinem Arbeitsplatz zu seinem Fahrzeug zurückzulegende Strecke von ca. 100 Metern mindestens viermal wöchentlich nur mit sehr großer Mühe zu bewältigen. Durch die Rehamaßnahme sei eine Verbesserung der Gehfähigkeit nicht erreicht worden. Diese Probleme resultierten aus den Gesundheitsbeeinträchtigungen von Seiten der Wirbelsäule. Hinzu kämen die Unterbauchkrämpfe aufgrund der Bauchverwachsungen. Der Kläger legte ferner den Arztbrief des Schmerztherapeuten Dr. M. vom 2. März 2007 vor.
Der Beklagte trat der Klage unter Vorlage seiner Verwaltungsakten sowie den v.ä. Stellungnahmen des Dr. B. vom 23. Juni 2006, des Dr. Franke vom 8. Januar 2007 und des Dr. Wolf vom 8. Oktober 2007 entgegen. Eine Gesundheitsstörung, die sich derart auf die Gehfähigkeit des Klägers auswirke, dass die Zuerkennung des Merkzeichens G gerechtfertigt sei, sei nicht nachgewiesen.
Das SG hörte den Facharzt für Orthopädie Dr. Sch. unter dem 23. März 2006 und Dr. M. unter dem 18. April 2006 schriftlich als sachverständige Zeugen. Es erhob ferner das Gutachten des Arztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. P. vom 19. Juni 2007, der beim Kläger auf seinem Fachgebiet eine Krankheitsfehlverarbeitung mit Anpassungsstörungen sowie eine Schmerzstörung mit u.a. neuropathischen Beschwerden im Bereich des rechten Beines diagnostizierte, die er mit einem Teil-GdB von 30 bewertete. Diese Gesundheitsstörungen führten zu einer allgemeinen Überempfindlichkeit und einer erhöhten Schmerzwahrnehmung mit funktionellen Beeinträchtigungen auch hinsichtlich der Gehfähigkeit. Insgesamt rechtfertige das komplexe Bild neurologischer und psychiatrischer Beeinträchtigungen unter Hinzuziehung der objektivierbaren orthopädischen und internistischen Erkrankungen die Zuerkennung des Merkzeichens G. Unter Beachtung auch der psychischen Beeinträchtigungen hielt er die Angaben des Klägers für glaubwürdig und nachvollziehbar. Mit Gerichtsbescheid vom 21. November 2007 wies das SG die Klage im Wesentlichen mit der Begründung ab, beim Kläger lägen keine Funktionsbehinderungen der unteren Gliedmaßen oder der Lendenwirbelsäule vor, die für sich betrachtet bereits einen GdB von 50 rechtfertigten. Auch die Verwachsungsbeschwerden wirkten sich nicht derart gravierend aus. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf den Inhalt des den Bevollmächtigten des Klägers am 27. November 2007 gegen Empfangsbekenntnis zugestellten Gerichtsbescheids verwiesen.
Dagegen hat der Kläger am 14. Dezember 2007 beim Landessozialgericht (LSG) Berufung eingelegt und geltend gemacht, das SG habe nicht hinreichend geprüft, ob bei ihm unabhängig von den zur Zuerkennung des Merkzeichens G führenden Regelbeispielen Behinderungen vorliegen, die sich auf die Gehfähigkeit besonders auswirken. Insbesondere habe sich das SG nicht hinreichend mit der Einschätzung des Sachverständigen Dr. P. auseinandergesetzt, nach dessen Auffassung er eine Wegstrecke von zwei Kilometern in einer halben Stunde nicht mehr zurücklegen könne. Soweit das SG sich auf den Entlassungsbericht der R.-Klinik vom 23. August 2006 gestützt habe, sei zu berücksichtigen, dass dieser Bericht zahlreiche fehlerhafte Aussagen enthalte und keine eindeutige Aussage zu den Voraussetzungen des Merkzeichens G treffe. Insgesamt dürfe ihm die Zuerkennung des Merkzeichens G nicht deshalb versagt werden, weil die Schmerzen aus Somatisierungsstörungen und einer Krankheitsfehlverarbeitung mit Anpassungsstörung resultierten und deshalb objektiv nicht nachweisbar seien. Schließlich erführen auch Menschen mit nicht nachweisbaren Schmerzen erhebliche Einschränkungen, die zu einer Immobilität führen könnten.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 21. November 2007 aufzuheben und den Beklagten unter Aufhebung des Bescheids vom 25. November 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29. Dezember 2005 zu verurteilen, die Voraussetzungen für das Merkzeichen "G" festzustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält die angefochtene Entscheidung für richtig und hat geltend gemacht, soweit das Vorliegen eines außergewöhnlichen Schmerzsyndroms das Merkzeichen "G" rechtfertigen solle, sich dieses auf die Regionen beziehen müsse, die sich besonders auf die Gehfähigkeit auswirkten. Sofern entsprechende Schmerzen psychiatrisch bedingt seien, erfordere dies intensive Dauerschmerzen, die zu einer Einschränkung in der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit führten. Derartige schwerwiegende Störungen seien jedoch auch dem Gutachten des Sachverständigen Dr. P., der lediglich von einem GdB von 30 ausgegangen sei, nicht zu entnehmen. Ein dauerhaftes Ausmaß der somatoformen Schmerz- und Bewegungsstörung, die die Zuerkennung des Merkzeichens "G" rechtfertige, sei nicht ausreichend nachvollziehbar.
Der Senat hat auf Antrag des Klägers gemäß § 109 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) das Gutachten des Dr. E., Chefarzt der Klinik für Neurologie im Klinikum am W., vom 21. Januar 2009 erhoben. Dieser hat auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet eine somatoforme Störung mit im Vordergrund stehender Schmerz- und Bewegungsstörung diagnostiziert. Organischer Kern dieser psychischen Erkrankung sei eine Meralgia parästhetica am rechten Oberschenkel, die auf eine Schädigung des Nervus cutaneus femoris lateralis im Rahmen der erfolgten Leistenhernienoperation rechts zurückzuführen sei. Aufgrund der somatoformen Störung sei die Gehfähigkeit des Klägers erheblich durch das ängstliche Erwarten und Erleben von sich beim Gehen verstärkenden Schmerzen eingeschränkt. Sein Zutrauen in die Gehfähigkeit sei so reduziert, dass er mehr als 50 Meter nur noch erschwert zurücklegen könne und darüber hinausgehende Gehstrecken nur mit Einlegung von Pausen möglich seien. Die entsprechende Funktionsbeeinträchtigung sei mit einem GdB von wenigstens 50 zu bewerten, wobei der Kläger in seiner Gehfähigkeit in einem Maße eingeschränkt sei, wie dies beispielsweise bei einer Versteifung des Hüftgelenks oder bei einer Versteifung des Knie- oder Fußgelenks in ungünstiger Stellung der Fall sei.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten des Beklagten sowie der Akten beider Rechtszüge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist statthaft und zulässig; sie ist jedoch nicht begründet.
Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Denn der Bescheid des Beklagten vom 25. November 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29. Dezember 2005 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Es ist nicht zu beanstanden, dass es der Beklagte abgelehnt hat, beim Kläger die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Nachteilsausgleichs "G" festzustellen.
Nach § 145 Abs. 1 des Neunten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB IX) werden schwerbehinderte Menschen, die infolge ihrer Behinderung in ihrer Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt oder hilflos oder gehörlos sind, von Unternehmern, die öffentlichen Personenverkehr betreiben, gegen Vorzeigen eines entsprechend gekennzeichneten Ausweises nach § 69 Abs. 5 SGB IX im Nahverkehr im Sinne des § 147 Abs. 1 SGB IX unentgeltlich befördert. In seiner Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt ist gemäß § 146 Abs. 1 Satz 1 SGB IX, wer in Folge einer Einschränkung des Gehvermögens (auch durch innere Leiden oder infolge von Anfällen oder von Störungen der Orientierungsfähigkeit) nicht ohne erhebliche Schwierigkeiten oder nicht ohne Gefahren für sich oder andere Wegstrecken im Ortsverkehr zurückzulegen vermag, die üblicherweise noch zu Fuß zurückgelegt werden.
Bei der Frage, ob eine erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr vorliegt, hat sich der Senat im Interesse der Gleichbehandlung aller Behinderten bis 31. Dezember 2008 an den Bewertungsmaßstäben, wie sie in den "Anhaltspunkten für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht (Teil 2 SGB IX)", Ausgabe 2008 (AHP) niedergelegt waren, orientiert. Seit 1. Januar 2009 sind nunmehr die "Versorgungsmedizinischen Grundsätze" (VG) anzuwenden, die als Anlage zu § 2 der Verordnung zur Durchführung des § 1 Abs. 1 und 3, des § 30 Abs. 1 und des § 35 Abs. 1 BVG (Versorgungsmedizin-Verordnung - VersMedV) vom 10. Dezember 2008 (BGBl. I, S. 2412) zu diesem Zeitpunkt in Kraft getreten sind. Damit hat das Bundesministerium für Arbeit und Soziales von der Ermächtigung zum Erlass einer Rechtsverordnung gemäß § 30 Abs. 17 BVG Gebrauch gemacht und die maßgebenden Grundsätze für die medizinische Bewertung von Schädigungsfolgen und die Feststellung des Grades der Schädigungsfolgen im Sinne des § 30 Abs. 1 BVG geregelt. Nach § 69 Abs. 1 Satz 5 SGB IX gelten diese Maßstäbe auch für die Feststellung des GdB und gemäß § 69 Abs. 4 SGB IX gleichermaßen für die Feststellung weiterer gesundheitlicher Merkmale, die Voraussetzung für die Inanspruchnahme von Rechten und Nachteilsausgleichen sind. Eine inhaltliche Änderung der bisher angewandten Grundsätze und Kriterien ist hiermit - von wenigen hier nicht einschlägigen Ausnahmen abgesehen - nicht verbunden. Vielmehr wurde an die seit Jahren bewährten Bewertungsgrundsätze und Verfahrensabläufe angeknüpft. In den VG ist ebenso wie in den AHP (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 01. September 1999 - B 9 V 25/98 R - SozR 3-3100 § 30 Nr. 22) der medizinische Kenntnisstand für die Beurteilung von Behinderungen wiedergegeben.
Im Sinne oben dargestellten Regelung des § 146 Abs. 1 Satz 1 SGB IX gelten als Wegstrecken, die im Ortsverkehr - ohne Berücksichtigung von geographischen Besonderheiten im Einzelfall - üblicherweise noch zurückgelegt werden, solche von maximal zwei km bei einer Gehdauer von etwa 30 Minuten (BSG, Urteil vom 10. Dezember 1987 - 9a RVs 11/87 - SozR 3870 § 60 SchwbG Nr. 2; vgl. AHP Nr. 30, Abs. 2 Satz 2; VG Teil D Nr. 1 Buchst. b). Die Voraussetzungen für die Annahme einer derartigen Einschränkung des Gehvermögens sind als erfüllt anzusehen, wenn auf die Gehfähigkeit sich auswirkende Funktionsstörungen der unteren Gliedmaßen und/oder der Lendenwirbelsäule bestehen, die für sich einen GdB von wenigstens 50 bedingen (AHP Nr. 30 Abs. 3 Satz 1; VG Teil D Nr. 1 Buchst. d Satz 1). Darüber hinaus können die Voraussetzungen bei einem GdB von unter 50 auch gegeben sein, wenn sich diese Behinderungen an den unteren Gliedmaßen auf die Gehfähigkeit besonders auswirken, z.B bei einer Versteifung des Hüftgelenks, des Knie- oder Fußgelenks in ungünstiger Stellung oder einer arteriellen Verschlusskrankheit mit einem GdB von 40 (AHP Nr. 30 Abs. 3 Satz 2; VG Teil D Nr. 1 Buchst. d Satz 2). Auch bei inneren Leiden kommt es bei der Beurteilung entscheidend auf die Einschränkung des Gehvermögens an. Dementsprechend ist eine erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit vor allem bei Herzschäden mit Beeinträchtigung der Herzleistung wenigstens nach Gruppe 3 und bei Atembehinderungen mit dauernder Einschränkung der Lungenfunktion wenigstens mittleren Grades anzunehmen. Auch bei anderen inneren Leiden mit einer schweren Beeinträchtigung der körperlichen Leistungsfähigkeit, z.B. chronische Niereninsuffizienz mit ausgeprägter Anämie, sind die Voraussetzungen als erfüllt anzusehen (AHP Nr. 30 Abs. 3 Satz 3 bis 5, VG Teil D Nr. 1 Buchst. d Satz 3 bis 5).
Unter Berücksichtigung dieser Maßstäbe vermochte sich der Senat nach Auswertung der aktenkundigen medizinischen Unterlagen nicht davon zu überzeugen, dass der Kläger als Folge seiner Gesundheitsstörungen in seinem Gehvermögen so erheblich beeinträchtigt ist, dass er ohne erhebliche Schwierigkeiten Wegstrecken im Ortsverkehr, die üblicherweise noch zu Fuß zurückgelegt werden, nicht mehr zurückzulegen vermag.
Eine Störung der Bewegungsfähigkeit durch hirnorganische Anfälle oder Störungen der Orientierungsfähigkeit liegt beim Kläger nicht vor. Ebenso wenig eine Gangstörung durch Funktionsbehinderungen der unteren Gliedmaßen, etwa des Hüftgelenks oder der Knie- bzw. Fußgelenke, oder als Folge von Beeinträchtigungen von Seiten der unteren Lendenwirbelsäule. Im Bereich des rechten Oberschenkels lässt sich beim Kläger lediglich eine Meralgia parästhetica objektivieren. Dabei handelt es sich um die Schädigung eines rein sensiblen Hautnerven am rechten Oberschenkel, dem Nervus cutaneus femoris lateralis. Bei einer solchen Schädigung kommt es im ungünstigsten Fall zu einer chronischen, häufig schmerzhaft erlebten Missempfindung am Oberschenkel. Eine Gangstörung resultiert hieraus jedoch nicht, ebenso wenig wie eine als Lähmung erscheinende Schwäche des Beins oder auch des Gefühls, das Bein gehöre nicht mehr zu einem, wie dies vom Kläger beklagt wird. Entsprechend konnten beim Kläger anlässlich der gutachtlichen Untersuchungen durch die Sachverständigen Dr. P. und Dr. E. auch weder Lähmungen der Muskulatur noch Befunde von Seiten der Wirbelsäule, der Hüft- oder Kniegelenke objektiviert werden, die eine Gehstörung bedingen könnten. Die vom Kläger gleichwohl geklagten erheblichen Schmerzen und Beschwerden und die damit einhergehende Gangstörung lassen sich diagnostisch daher lediglich einer somatoformen Schmerzstörung zuordnen, wovon die Sachverständigen Dr. P. und Dr. E. übereinstimmend ausgegangen sind. Im Hinblick auf diese Erkrankung hat Dr. E. ausgeführt, dass für die betroffenen Patienten die Symptome willentlich unbeeinflussbar seien und die Krankheitsdynamik bewusstseinsfern verlaufe. Je höher der Chronifizierungsgrad und je länger die Dauer der Symptomatik, umso weniger erweise diese sich in der Regel einer psychotherapeutischen Behandlung zugänglich. Der Senat teilt die nervenärztliche Einschätzung der genannten Sachverständigen, wonach beim Kläger eine psychogene Störung und Fehlverarbeitung der körperlichen Erkrankungen und Leiden vorliegt und damit eine somatoforme Störung mit organisch nicht ausreichend begründbarer Schmerz- und Gangstörung. In Übereinstimmung mit dem Sachverständigen Dr. E. geht der Senat auch davon aus, dass zu Beginn der entsprechenden psychosomatischen Symptomentwicklung mit großer Wahrscheinlichkeit die objektiv und insbesondere auch subjektiv empfundene lebensbedrohliche Krebserkrankung stand, was die mehrfach durchgeführten Rehabilitationsbehandlungen, die stationären und ambulanten psychotherapeutischen Behandlungen und die ungewöhnlich lang anhaltenden Rekonvaleszenzzeiten nach den Operationen deutlich machen.
Der von den Sachverständigen Dr. P. und Dr. E. übereinstimmend gezogenen Schlussfolgerung, dass der Kläger durch die psychogene Störung in seiner Gehfähigkeit in einem Maße eingeschränkt sei, das die Zuerkennung des Merkzeichens G rechtfertige, vermag sich der Senat allerdings nicht anzuschließen. Denn der Senat vermochte sich nicht davon zu überzeugen, dass der Kläger bedingt durch diese Störung tatsächlich in dem weitreichenden Ausmaß in seiner Gehfähigkeit eingeschränkt ist, wie er dies im Verwaltungsverfahren gegenüber dem Beklagten und im gerichtlichen Verfahren, insbesondere im Schriftsatz seiner Bevollmächtigten vom 9. Februar 2007 dargelegt hat. Zweifel an der vom Kläger beschriebenen weitreichenden Einschränkung der Gehfähigkeit haben auch die Sachverständigen Dr. P. und Dr. E. im Rahmen ihrer Gutachten geäußert. So beschrieb Dr. P., dass der Kläger beim Verlassen der Praxis und dem Gang zu dem etwa 200 Meter entfernt geparkten Auto ein völlig unauffälliges Gangbild gezeigt habe und keine Behinderung zu erkennen gewesen sei. Auch habe der Kläger trotz des vorhandenen Aufzugs die Treppe benutzt und dabei keine Unterstützung durch das Treppengeländer in Anspruch genommen. Diese Beobachtung lässt sich nicht in Einklang bringen mit den Angaben des Klägers im Klageverfahren, wonach sich die Störungen im Bereich des rechten Beines in einer Gefühlsstörung im Oberschenkel sowie in einem Nachziehen des Beines äußerten, wobei sich die Symptome mit zunehmender Strecke verstärkten, spätestens jedoch ab 100 Meter. Auch der Sachverständige Dr. E. hat anlässlich seiner gutachtlichen Untersuchung den Eindruck gewonnen, dass beim Kläger neben dem die somatoforme Störung charakterisierenden bewusstseinsfernen Krankheitsverhalten zusätzlich eine zielgerichtete Begehrenshaltung vorliegt, die zu einer willentlichen Beschwerdeverdeutlichung führt. Ähnlich wie zuvor schon Dr. P. berichtete auch der Sachverständige Dr. E. über ein deutlich flüssigeres und unbehinderteres Gangbild des Klägers in vermeintlich unbeobachteten Momenten. Im Rahmen des psychischen Befundes beschrieb er darüberhinaus wiederholte akzentuierte, emotional beteiligte Beschwerdeschilderungen, bei denen Versorgungswünsche, die nicht kritisch reflektiert werden könnten, deutlich geworden sind. So habe der Kläger deutlich gemacht, dass ihm die begehrten Vorteilsausgleiche schließlich zustünden und er daher weiter dafür streiten werde, wobei er sich wenig beeindruckt von der Auskunft gezeigt habe, dass die Vergabe der Vorteilsausgleiche strengen Regeln unterliege. Hierbei ist für den Sachverständigen eine asthenisch-beharrende und auch zwanghaft wirkende Primärpersönlichkeit deutlich geworden.
Hinweise auf eine Aggravation entnimmt der Senat darüber hinaus auch dem vom Kläger vorgelegten Entlassungsbericht der R.-Klinik vom 23. August 2006. Diese hat sogar Niederschlag in der Auflistung der Diagnosen gefunden, indem unter Ziffer 5 psychosomatische Dysbalancen mit Aggravation angegeben wurden. Im Rahmen der Aufnahmeuntersuchung hatte der Kläger seinerzeit bereits bei der leichtesten Berührung Schmerzen angegeben, was schon damals als Ausdruck einer Aggravation gesehen wurde.
Der Sachverständige Dr. P. hat im Hinblick die von ihm beschriebenen Diskrepanzen die Auffassung vertreten, dass eine völlig objektive Beurteilung der Gehfähigkeit des Klägers nur bei konstanter Verhaltensbeobachtung im Alltag möglich erscheine und hat lediglich im Hinblick auf den - im Sozialrecht allerdings nicht geltenden - Grundsatz "in dubio pro reo" seiner Beurteilung die Angaben des Klägers als glaubhaft und nachvollziehbar zu Grunde gelegt. Dr. E. hat sich im Hinblick auf diese Problematik dahingehend geäußert, dass bei einer im wesentlichen psychosomatisch bedingten Gehbehinderung aufgrund einer somatoformen Schmerz- und Bewegungsstörung der Grad zwischen willentlich nicht beeinflussbarer Störung und bewusster oder zumindest bewusstseinsnaher Begehrenshaltung schmal und gutachterlich nie exakt zu bestimmen sei. Trotz der von ihm beschriebenen Indizien für eine bewusste Begehrenshaltung hat er deren Gewicht dann jedoch für weniger bedeutsam erachtet als die Symptome der vom Kläger willentlich nicht beeinflussbaren somatoformen Störung und ist zu der abschließenden Einschätzung gelangt, dass die Schmerz- und Bewegungsstörung des Klägers in ihren funktionellen Auswirkungen zumindest so gravierend sei, wie beispielsweise eine Gehbehinderung durch ein Rückenleiden oder eine arterielle Verschlusskrankheit.
Diesen Schlussfolgerungen der Sachverständigen Dr. P. und Dr. E. vermag sich der Senat jedoch nicht anzuschließen. Denn wenn der Anteil der willentlich nicht beeinflussbaren Störung nicht abzugrenzen ist von einer bewussten oder zumindest bewusstseinsnahen Begehrenshaltung, ist auch nicht feststellbar, welcher Anteil der vorgebrachten weitreichenden Einschränkung der Gehfähigkeit auf die willentlich nicht beeinflussbare Störung zurückzuführen ist. Damit bleibt aber offen und für den Senat nicht feststellbar, in welchem konkreten Ausmaß sich die willentlich nicht beeinflussbare somatoforme Schmerzstörung in einer Einschränkung der Bewegungs- und Gehfähigkeit niederschlägt und ob die hierdurch bedingte Einschränkung des Gehvermögens Wegstrecken, die im Ortsverkehr üblicherweise noch zu Fuß zurückgelegt werden können, ohne erhebliche Schwierigkeiten noch zulässt oder ob dies gerade nicht mehr der Fall ist. Ist ein Sachverhalt jedoch nicht beweisbar, so hat nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der objektiven Beweislast (Feststellungslast) der Beteiligte die Folgen zu tragen, der aus dem nicht festgestellten Sachverhalt Rechte für sich herleitet. Dies ist vorliegend der Kläger. Demnach vermag der Kläger auch aus dem von dem Sachverständigen Dr. P. herangezogenen Grundsatz "in dubio pro reo", der ausschließlich im Strafrecht Anwendung findet, keine günstigere Beurteilung abzuleiten.
Da die Berufung des Klägers nach alledem keinen Erfolg haben konnte, war diese zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Für die Zulassung der Revision bestand keine Veranlassung.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob beim Kläger das Vorliegen der Voraussetzungen für die Zuerkennung des Nachteilsausgleich "G" (erhebliche Gehbehinderung) festzustellen ist.
Bei dem 1963 geborenen Kläger stellte das frühere Versorgungsamt H. (VA) erstmals mit Bescheid vom 10. Januar 2002 den Grad der Behinderung (GdB) fest, und zwar mit 90 seit 1. Dezember 2000. Dabei berücksichtigte es als Funktionsbehinderungen eine Enddarmerkrankung in Heilungsbewährung mit einem Teil-GdB von 90 sowie Ohrgeräusche (Tinnitus) mit einem Teil-GdB von 20.
Den vom Kläger am 4. März 2002 gestellten Antrag auf Erhöhung des GdB, den er mit Leistenbruch rechts begründet hatte, lehnte das VA mit Bescheid vom 13. Juni 2002 mit der Begründung ab, die insoweit geltend gemachte Gesundheitsstörung bedinge keine Funktionsbeeinträchtigung, die einen GdB von wenigstens 10 rechtfertige.
Am 30. April 2003 beantragte der Kläger die Feststellung von gesundheitlichen Merkmalen für die Inanspruchnahme von Nachteilsausgleichen, und zwar für die Merkzeichen "G" und "RF". Er machte eine Verschlimmerung des Dickdarmkarzinoms, Blähungen mit sehr starker Geruchsbildung sowie eine Funktionsstörung und Schmerzen im rechten Oberschenkel seit seiner Leistenbruchoperation im Dezember 2001 geltend. Das VA holte von dem Facharzt für Allgemeinmedizin Dr. M. den Befundbericht vom 22. Mai 2003 ein und zog zahlreiche Arztbriefe bei. Sodann veranlasste es die versorgungsärztliche (v.ä.) Stellungnahme der Dr. R. vom 15. Juli 2003, die die Dickdarmerkrankung in Heilungsbewährung mit einem Teil-GdB von 60, eine Neuralgie am rechten Bein mit einem Teil-GdB von 20 und den Gesamt-GdB mit 60 bewertete. Das VA stellte den GdB beim Kläger mit Bescheid vom 30. Juli 2003 sodann ab 30. April 2003 mit 60 fest und lehnte gleichzeitig das Vorliegen der gesundheitlichen Merkmale für die Inanspruchnahme der Nachteilsausgleiche "G", "Gl", "B", "H", "aG", "Bl" und "RF" ab. Im Widerspruchsverfahren stellte es nach Durchführung weiterer Ermittlungen mit Teilabhilfebescheid vom 9. Februar 2004 den GdB seit 30. April 2003 mit 100 fest, wobei die Enddarmerkrankung (in Heilungsbewährung) weiterhin mit einem Teil-GdB von 90, die Ohrgeräusche mit einem Teil-GdB von 20 sowie eine Neuralgie am rechten Bein mit einem Teil-GdB von 20 bewertet wurden. Im Hinblick auf die geltend gemachten Nachteilsausgleiche erklärte der Kläger seinen Widerspruch für erledigt.
Am 28. Juni 2005 beantragte der Kläger (ohne Begründung) erneut die Feststellung der Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des Nachteilsausgleichs "G". Das VA holte bei Dr. M. den Befundbericht vom 8. August 2005 ein, dem er weitere Arztbriefe beifügte. In der sodann eingeholten v.ä. Stellungnahme beschrieb Dr. R. unter dem 6. November 2005 im Hinblick auf die bereits berücksichtigte Neuralgie am rechten Bein, die sie nunmehr mit einem Teil-GdB von 30 bewertete, eine leichte Schwäche des Plexus lumbosacralis mit Fußsenkerschwäche rechts. Der dadurch bedingte GdB von 30 rechtfertige nicht die Feststellung des Merkzeichens G.
Mit Bescheid vom 25. November 2005 lehnte das zwischenzeitlich zuständig gewordene Landratsamt L. (LRA) den Antrag des Klägers daraufhin ab. Im Widerspruchsverfahren machte der Kläger geltend, bei ihm sei es durch die Tumoroperation und die Bestrahlungstherapie zu Verwachsungen im linken Unterbauch gekommen, die sehr oft mit extremen Schmerzen verbunden seien. Wegen dieser Schmerzen, die durch starke Ruckbewegungen verstärkt würden, könne er öffentliche Verkehrsmittel zu seiner Arbeitsstelle nicht mehr benutzen. Zur Erleichterung habe er sich zwischenzeitlich ein Kraftfahrzeug mit Automatikgetriebe angeschafft, was sich positiv auf sein Bewegungsproblem auswirke. Ihm sei es nicht mehr möglich, alle Strecken im Ortsverkehr zu Fuß zurückzulegen. Selbst kleinere Einkäufe in der Innenstadt (Entfernung ca. 500 Meter) müsse er mit dem Auto erledigen. Der Weg von seinem Arbeitsplatz zu seinem Fahrzeug betrage lediglich 100 Meter, da er zwischenzeitlich über eine Parkgenehmigung auf dem betrieblichen Besucherparkplatz verfüge. Dabei handle es sich meist um das Maximum dessen, was er am Feierabend noch zu Fuß zurücklegen könne. Der Weg zum F. Bahnhof von ca. 400 bis 500 Meter sei nicht mehr zu bewältigen. Ein weiteres Problem sei das Treppensteigen, das auf ein Stockwerk begrenzt sei. Mit Widerspruchsbescheid vom 29. Dezember 2005 wurde der Widerspruch zurückgewiesen.
Am 18. Januar 2006 erhob der Kläger dagegen beim Sozialgericht Stuttgart (SG) Klage. Er legte den Entlassungsbericht der R.-Klinik vom 23. August 2006 über die vom 19. Juli bis 16. August 2006 durchgeführte stationäre Rehabilitationsmaßnahme vor, ferner den Arztbrief des Neurologen und Psychiaters Dr. M. vom 23. Oktober 2006 und machte geltend, unter zusätzlicher Berücksichtigung der stark schmerzhaften Lumboischialgie in beiden Beinen sei die Zuerkennung des Merkzeichens G gerechtfertigt. Mit Schriftsatz seiner Bevollmächtigten vom 9. Februar 2007 ließ er ausführen, die von der Neuralgie im rechten Bein ausgehenden Störungen äußerten sich in Form einer Gefühlsstörung im Oberschenkel sowie in einem Nachziehen des Beines, da keine kontrollierte Bewegung möglich sei. Da beim Treppensteigen das Bein nicht genügend angehoben werden könne, komme es häufig zu einem Stolpern. Die Symptome verstärken sich mit zunehmender Gehstrecke, spätestens jedoch ab 100 Metern. Beispielsweise sei die von seinem Arbeitsplatz zu seinem Fahrzeug zurückzulegende Strecke von ca. 100 Metern mindestens viermal wöchentlich nur mit sehr großer Mühe zu bewältigen. Durch die Rehamaßnahme sei eine Verbesserung der Gehfähigkeit nicht erreicht worden. Diese Probleme resultierten aus den Gesundheitsbeeinträchtigungen von Seiten der Wirbelsäule. Hinzu kämen die Unterbauchkrämpfe aufgrund der Bauchverwachsungen. Der Kläger legte ferner den Arztbrief des Schmerztherapeuten Dr. M. vom 2. März 2007 vor.
Der Beklagte trat der Klage unter Vorlage seiner Verwaltungsakten sowie den v.ä. Stellungnahmen des Dr. B. vom 23. Juni 2006, des Dr. Franke vom 8. Januar 2007 und des Dr. Wolf vom 8. Oktober 2007 entgegen. Eine Gesundheitsstörung, die sich derart auf die Gehfähigkeit des Klägers auswirke, dass die Zuerkennung des Merkzeichens G gerechtfertigt sei, sei nicht nachgewiesen.
Das SG hörte den Facharzt für Orthopädie Dr. Sch. unter dem 23. März 2006 und Dr. M. unter dem 18. April 2006 schriftlich als sachverständige Zeugen. Es erhob ferner das Gutachten des Arztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. P. vom 19. Juni 2007, der beim Kläger auf seinem Fachgebiet eine Krankheitsfehlverarbeitung mit Anpassungsstörungen sowie eine Schmerzstörung mit u.a. neuropathischen Beschwerden im Bereich des rechten Beines diagnostizierte, die er mit einem Teil-GdB von 30 bewertete. Diese Gesundheitsstörungen führten zu einer allgemeinen Überempfindlichkeit und einer erhöhten Schmerzwahrnehmung mit funktionellen Beeinträchtigungen auch hinsichtlich der Gehfähigkeit. Insgesamt rechtfertige das komplexe Bild neurologischer und psychiatrischer Beeinträchtigungen unter Hinzuziehung der objektivierbaren orthopädischen und internistischen Erkrankungen die Zuerkennung des Merkzeichens G. Unter Beachtung auch der psychischen Beeinträchtigungen hielt er die Angaben des Klägers für glaubwürdig und nachvollziehbar. Mit Gerichtsbescheid vom 21. November 2007 wies das SG die Klage im Wesentlichen mit der Begründung ab, beim Kläger lägen keine Funktionsbehinderungen der unteren Gliedmaßen oder der Lendenwirbelsäule vor, die für sich betrachtet bereits einen GdB von 50 rechtfertigten. Auch die Verwachsungsbeschwerden wirkten sich nicht derart gravierend aus. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf den Inhalt des den Bevollmächtigten des Klägers am 27. November 2007 gegen Empfangsbekenntnis zugestellten Gerichtsbescheids verwiesen.
Dagegen hat der Kläger am 14. Dezember 2007 beim Landessozialgericht (LSG) Berufung eingelegt und geltend gemacht, das SG habe nicht hinreichend geprüft, ob bei ihm unabhängig von den zur Zuerkennung des Merkzeichens G führenden Regelbeispielen Behinderungen vorliegen, die sich auf die Gehfähigkeit besonders auswirken. Insbesondere habe sich das SG nicht hinreichend mit der Einschätzung des Sachverständigen Dr. P. auseinandergesetzt, nach dessen Auffassung er eine Wegstrecke von zwei Kilometern in einer halben Stunde nicht mehr zurücklegen könne. Soweit das SG sich auf den Entlassungsbericht der R.-Klinik vom 23. August 2006 gestützt habe, sei zu berücksichtigen, dass dieser Bericht zahlreiche fehlerhafte Aussagen enthalte und keine eindeutige Aussage zu den Voraussetzungen des Merkzeichens G treffe. Insgesamt dürfe ihm die Zuerkennung des Merkzeichens G nicht deshalb versagt werden, weil die Schmerzen aus Somatisierungsstörungen und einer Krankheitsfehlverarbeitung mit Anpassungsstörung resultierten und deshalb objektiv nicht nachweisbar seien. Schließlich erführen auch Menschen mit nicht nachweisbaren Schmerzen erhebliche Einschränkungen, die zu einer Immobilität führen könnten.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 21. November 2007 aufzuheben und den Beklagten unter Aufhebung des Bescheids vom 25. November 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29. Dezember 2005 zu verurteilen, die Voraussetzungen für das Merkzeichen "G" festzustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält die angefochtene Entscheidung für richtig und hat geltend gemacht, soweit das Vorliegen eines außergewöhnlichen Schmerzsyndroms das Merkzeichen "G" rechtfertigen solle, sich dieses auf die Regionen beziehen müsse, die sich besonders auf die Gehfähigkeit auswirkten. Sofern entsprechende Schmerzen psychiatrisch bedingt seien, erfordere dies intensive Dauerschmerzen, die zu einer Einschränkung in der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit führten. Derartige schwerwiegende Störungen seien jedoch auch dem Gutachten des Sachverständigen Dr. P., der lediglich von einem GdB von 30 ausgegangen sei, nicht zu entnehmen. Ein dauerhaftes Ausmaß der somatoformen Schmerz- und Bewegungsstörung, die die Zuerkennung des Merkzeichens "G" rechtfertige, sei nicht ausreichend nachvollziehbar.
Der Senat hat auf Antrag des Klägers gemäß § 109 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) das Gutachten des Dr. E., Chefarzt der Klinik für Neurologie im Klinikum am W., vom 21. Januar 2009 erhoben. Dieser hat auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet eine somatoforme Störung mit im Vordergrund stehender Schmerz- und Bewegungsstörung diagnostiziert. Organischer Kern dieser psychischen Erkrankung sei eine Meralgia parästhetica am rechten Oberschenkel, die auf eine Schädigung des Nervus cutaneus femoris lateralis im Rahmen der erfolgten Leistenhernienoperation rechts zurückzuführen sei. Aufgrund der somatoformen Störung sei die Gehfähigkeit des Klägers erheblich durch das ängstliche Erwarten und Erleben von sich beim Gehen verstärkenden Schmerzen eingeschränkt. Sein Zutrauen in die Gehfähigkeit sei so reduziert, dass er mehr als 50 Meter nur noch erschwert zurücklegen könne und darüber hinausgehende Gehstrecken nur mit Einlegung von Pausen möglich seien. Die entsprechende Funktionsbeeinträchtigung sei mit einem GdB von wenigstens 50 zu bewerten, wobei der Kläger in seiner Gehfähigkeit in einem Maße eingeschränkt sei, wie dies beispielsweise bei einer Versteifung des Hüftgelenks oder bei einer Versteifung des Knie- oder Fußgelenks in ungünstiger Stellung der Fall sei.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten des Beklagten sowie der Akten beider Rechtszüge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist statthaft und zulässig; sie ist jedoch nicht begründet.
Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Denn der Bescheid des Beklagten vom 25. November 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29. Dezember 2005 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Es ist nicht zu beanstanden, dass es der Beklagte abgelehnt hat, beim Kläger die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Nachteilsausgleichs "G" festzustellen.
Nach § 145 Abs. 1 des Neunten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB IX) werden schwerbehinderte Menschen, die infolge ihrer Behinderung in ihrer Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt oder hilflos oder gehörlos sind, von Unternehmern, die öffentlichen Personenverkehr betreiben, gegen Vorzeigen eines entsprechend gekennzeichneten Ausweises nach § 69 Abs. 5 SGB IX im Nahverkehr im Sinne des § 147 Abs. 1 SGB IX unentgeltlich befördert. In seiner Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt ist gemäß § 146 Abs. 1 Satz 1 SGB IX, wer in Folge einer Einschränkung des Gehvermögens (auch durch innere Leiden oder infolge von Anfällen oder von Störungen der Orientierungsfähigkeit) nicht ohne erhebliche Schwierigkeiten oder nicht ohne Gefahren für sich oder andere Wegstrecken im Ortsverkehr zurückzulegen vermag, die üblicherweise noch zu Fuß zurückgelegt werden.
Bei der Frage, ob eine erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr vorliegt, hat sich der Senat im Interesse der Gleichbehandlung aller Behinderten bis 31. Dezember 2008 an den Bewertungsmaßstäben, wie sie in den "Anhaltspunkten für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht (Teil 2 SGB IX)", Ausgabe 2008 (AHP) niedergelegt waren, orientiert. Seit 1. Januar 2009 sind nunmehr die "Versorgungsmedizinischen Grundsätze" (VG) anzuwenden, die als Anlage zu § 2 der Verordnung zur Durchführung des § 1 Abs. 1 und 3, des § 30 Abs. 1 und des § 35 Abs. 1 BVG (Versorgungsmedizin-Verordnung - VersMedV) vom 10. Dezember 2008 (BGBl. I, S. 2412) zu diesem Zeitpunkt in Kraft getreten sind. Damit hat das Bundesministerium für Arbeit und Soziales von der Ermächtigung zum Erlass einer Rechtsverordnung gemäß § 30 Abs. 17 BVG Gebrauch gemacht und die maßgebenden Grundsätze für die medizinische Bewertung von Schädigungsfolgen und die Feststellung des Grades der Schädigungsfolgen im Sinne des § 30 Abs. 1 BVG geregelt. Nach § 69 Abs. 1 Satz 5 SGB IX gelten diese Maßstäbe auch für die Feststellung des GdB und gemäß § 69 Abs. 4 SGB IX gleichermaßen für die Feststellung weiterer gesundheitlicher Merkmale, die Voraussetzung für die Inanspruchnahme von Rechten und Nachteilsausgleichen sind. Eine inhaltliche Änderung der bisher angewandten Grundsätze und Kriterien ist hiermit - von wenigen hier nicht einschlägigen Ausnahmen abgesehen - nicht verbunden. Vielmehr wurde an die seit Jahren bewährten Bewertungsgrundsätze und Verfahrensabläufe angeknüpft. In den VG ist ebenso wie in den AHP (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 01. September 1999 - B 9 V 25/98 R - SozR 3-3100 § 30 Nr. 22) der medizinische Kenntnisstand für die Beurteilung von Behinderungen wiedergegeben.
Im Sinne oben dargestellten Regelung des § 146 Abs. 1 Satz 1 SGB IX gelten als Wegstrecken, die im Ortsverkehr - ohne Berücksichtigung von geographischen Besonderheiten im Einzelfall - üblicherweise noch zurückgelegt werden, solche von maximal zwei km bei einer Gehdauer von etwa 30 Minuten (BSG, Urteil vom 10. Dezember 1987 - 9a RVs 11/87 - SozR 3870 § 60 SchwbG Nr. 2; vgl. AHP Nr. 30, Abs. 2 Satz 2; VG Teil D Nr. 1 Buchst. b). Die Voraussetzungen für die Annahme einer derartigen Einschränkung des Gehvermögens sind als erfüllt anzusehen, wenn auf die Gehfähigkeit sich auswirkende Funktionsstörungen der unteren Gliedmaßen und/oder der Lendenwirbelsäule bestehen, die für sich einen GdB von wenigstens 50 bedingen (AHP Nr. 30 Abs. 3 Satz 1; VG Teil D Nr. 1 Buchst. d Satz 1). Darüber hinaus können die Voraussetzungen bei einem GdB von unter 50 auch gegeben sein, wenn sich diese Behinderungen an den unteren Gliedmaßen auf die Gehfähigkeit besonders auswirken, z.B bei einer Versteifung des Hüftgelenks, des Knie- oder Fußgelenks in ungünstiger Stellung oder einer arteriellen Verschlusskrankheit mit einem GdB von 40 (AHP Nr. 30 Abs. 3 Satz 2; VG Teil D Nr. 1 Buchst. d Satz 2). Auch bei inneren Leiden kommt es bei der Beurteilung entscheidend auf die Einschränkung des Gehvermögens an. Dementsprechend ist eine erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit vor allem bei Herzschäden mit Beeinträchtigung der Herzleistung wenigstens nach Gruppe 3 und bei Atembehinderungen mit dauernder Einschränkung der Lungenfunktion wenigstens mittleren Grades anzunehmen. Auch bei anderen inneren Leiden mit einer schweren Beeinträchtigung der körperlichen Leistungsfähigkeit, z.B. chronische Niereninsuffizienz mit ausgeprägter Anämie, sind die Voraussetzungen als erfüllt anzusehen (AHP Nr. 30 Abs. 3 Satz 3 bis 5, VG Teil D Nr. 1 Buchst. d Satz 3 bis 5).
Unter Berücksichtigung dieser Maßstäbe vermochte sich der Senat nach Auswertung der aktenkundigen medizinischen Unterlagen nicht davon zu überzeugen, dass der Kläger als Folge seiner Gesundheitsstörungen in seinem Gehvermögen so erheblich beeinträchtigt ist, dass er ohne erhebliche Schwierigkeiten Wegstrecken im Ortsverkehr, die üblicherweise noch zu Fuß zurückgelegt werden, nicht mehr zurückzulegen vermag.
Eine Störung der Bewegungsfähigkeit durch hirnorganische Anfälle oder Störungen der Orientierungsfähigkeit liegt beim Kläger nicht vor. Ebenso wenig eine Gangstörung durch Funktionsbehinderungen der unteren Gliedmaßen, etwa des Hüftgelenks oder der Knie- bzw. Fußgelenke, oder als Folge von Beeinträchtigungen von Seiten der unteren Lendenwirbelsäule. Im Bereich des rechten Oberschenkels lässt sich beim Kläger lediglich eine Meralgia parästhetica objektivieren. Dabei handelt es sich um die Schädigung eines rein sensiblen Hautnerven am rechten Oberschenkel, dem Nervus cutaneus femoris lateralis. Bei einer solchen Schädigung kommt es im ungünstigsten Fall zu einer chronischen, häufig schmerzhaft erlebten Missempfindung am Oberschenkel. Eine Gangstörung resultiert hieraus jedoch nicht, ebenso wenig wie eine als Lähmung erscheinende Schwäche des Beins oder auch des Gefühls, das Bein gehöre nicht mehr zu einem, wie dies vom Kläger beklagt wird. Entsprechend konnten beim Kläger anlässlich der gutachtlichen Untersuchungen durch die Sachverständigen Dr. P. und Dr. E. auch weder Lähmungen der Muskulatur noch Befunde von Seiten der Wirbelsäule, der Hüft- oder Kniegelenke objektiviert werden, die eine Gehstörung bedingen könnten. Die vom Kläger gleichwohl geklagten erheblichen Schmerzen und Beschwerden und die damit einhergehende Gangstörung lassen sich diagnostisch daher lediglich einer somatoformen Schmerzstörung zuordnen, wovon die Sachverständigen Dr. P. und Dr. E. übereinstimmend ausgegangen sind. Im Hinblick auf diese Erkrankung hat Dr. E. ausgeführt, dass für die betroffenen Patienten die Symptome willentlich unbeeinflussbar seien und die Krankheitsdynamik bewusstseinsfern verlaufe. Je höher der Chronifizierungsgrad und je länger die Dauer der Symptomatik, umso weniger erweise diese sich in der Regel einer psychotherapeutischen Behandlung zugänglich. Der Senat teilt die nervenärztliche Einschätzung der genannten Sachverständigen, wonach beim Kläger eine psychogene Störung und Fehlverarbeitung der körperlichen Erkrankungen und Leiden vorliegt und damit eine somatoforme Störung mit organisch nicht ausreichend begründbarer Schmerz- und Gangstörung. In Übereinstimmung mit dem Sachverständigen Dr. E. geht der Senat auch davon aus, dass zu Beginn der entsprechenden psychosomatischen Symptomentwicklung mit großer Wahrscheinlichkeit die objektiv und insbesondere auch subjektiv empfundene lebensbedrohliche Krebserkrankung stand, was die mehrfach durchgeführten Rehabilitationsbehandlungen, die stationären und ambulanten psychotherapeutischen Behandlungen und die ungewöhnlich lang anhaltenden Rekonvaleszenzzeiten nach den Operationen deutlich machen.
Der von den Sachverständigen Dr. P. und Dr. E. übereinstimmend gezogenen Schlussfolgerung, dass der Kläger durch die psychogene Störung in seiner Gehfähigkeit in einem Maße eingeschränkt sei, das die Zuerkennung des Merkzeichens G rechtfertige, vermag sich der Senat allerdings nicht anzuschließen. Denn der Senat vermochte sich nicht davon zu überzeugen, dass der Kläger bedingt durch diese Störung tatsächlich in dem weitreichenden Ausmaß in seiner Gehfähigkeit eingeschränkt ist, wie er dies im Verwaltungsverfahren gegenüber dem Beklagten und im gerichtlichen Verfahren, insbesondere im Schriftsatz seiner Bevollmächtigten vom 9. Februar 2007 dargelegt hat. Zweifel an der vom Kläger beschriebenen weitreichenden Einschränkung der Gehfähigkeit haben auch die Sachverständigen Dr. P. und Dr. E. im Rahmen ihrer Gutachten geäußert. So beschrieb Dr. P., dass der Kläger beim Verlassen der Praxis und dem Gang zu dem etwa 200 Meter entfernt geparkten Auto ein völlig unauffälliges Gangbild gezeigt habe und keine Behinderung zu erkennen gewesen sei. Auch habe der Kläger trotz des vorhandenen Aufzugs die Treppe benutzt und dabei keine Unterstützung durch das Treppengeländer in Anspruch genommen. Diese Beobachtung lässt sich nicht in Einklang bringen mit den Angaben des Klägers im Klageverfahren, wonach sich die Störungen im Bereich des rechten Beines in einer Gefühlsstörung im Oberschenkel sowie in einem Nachziehen des Beines äußerten, wobei sich die Symptome mit zunehmender Strecke verstärkten, spätestens jedoch ab 100 Meter. Auch der Sachverständige Dr. E. hat anlässlich seiner gutachtlichen Untersuchung den Eindruck gewonnen, dass beim Kläger neben dem die somatoforme Störung charakterisierenden bewusstseinsfernen Krankheitsverhalten zusätzlich eine zielgerichtete Begehrenshaltung vorliegt, die zu einer willentlichen Beschwerdeverdeutlichung führt. Ähnlich wie zuvor schon Dr. P. berichtete auch der Sachverständige Dr. E. über ein deutlich flüssigeres und unbehinderteres Gangbild des Klägers in vermeintlich unbeobachteten Momenten. Im Rahmen des psychischen Befundes beschrieb er darüberhinaus wiederholte akzentuierte, emotional beteiligte Beschwerdeschilderungen, bei denen Versorgungswünsche, die nicht kritisch reflektiert werden könnten, deutlich geworden sind. So habe der Kläger deutlich gemacht, dass ihm die begehrten Vorteilsausgleiche schließlich zustünden und er daher weiter dafür streiten werde, wobei er sich wenig beeindruckt von der Auskunft gezeigt habe, dass die Vergabe der Vorteilsausgleiche strengen Regeln unterliege. Hierbei ist für den Sachverständigen eine asthenisch-beharrende und auch zwanghaft wirkende Primärpersönlichkeit deutlich geworden.
Hinweise auf eine Aggravation entnimmt der Senat darüber hinaus auch dem vom Kläger vorgelegten Entlassungsbericht der R.-Klinik vom 23. August 2006. Diese hat sogar Niederschlag in der Auflistung der Diagnosen gefunden, indem unter Ziffer 5 psychosomatische Dysbalancen mit Aggravation angegeben wurden. Im Rahmen der Aufnahmeuntersuchung hatte der Kläger seinerzeit bereits bei der leichtesten Berührung Schmerzen angegeben, was schon damals als Ausdruck einer Aggravation gesehen wurde.
Der Sachverständige Dr. P. hat im Hinblick die von ihm beschriebenen Diskrepanzen die Auffassung vertreten, dass eine völlig objektive Beurteilung der Gehfähigkeit des Klägers nur bei konstanter Verhaltensbeobachtung im Alltag möglich erscheine und hat lediglich im Hinblick auf den - im Sozialrecht allerdings nicht geltenden - Grundsatz "in dubio pro reo" seiner Beurteilung die Angaben des Klägers als glaubhaft und nachvollziehbar zu Grunde gelegt. Dr. E. hat sich im Hinblick auf diese Problematik dahingehend geäußert, dass bei einer im wesentlichen psychosomatisch bedingten Gehbehinderung aufgrund einer somatoformen Schmerz- und Bewegungsstörung der Grad zwischen willentlich nicht beeinflussbarer Störung und bewusster oder zumindest bewusstseinsnaher Begehrenshaltung schmal und gutachterlich nie exakt zu bestimmen sei. Trotz der von ihm beschriebenen Indizien für eine bewusste Begehrenshaltung hat er deren Gewicht dann jedoch für weniger bedeutsam erachtet als die Symptome der vom Kläger willentlich nicht beeinflussbaren somatoformen Störung und ist zu der abschließenden Einschätzung gelangt, dass die Schmerz- und Bewegungsstörung des Klägers in ihren funktionellen Auswirkungen zumindest so gravierend sei, wie beispielsweise eine Gehbehinderung durch ein Rückenleiden oder eine arterielle Verschlusskrankheit.
Diesen Schlussfolgerungen der Sachverständigen Dr. P. und Dr. E. vermag sich der Senat jedoch nicht anzuschließen. Denn wenn der Anteil der willentlich nicht beeinflussbaren Störung nicht abzugrenzen ist von einer bewussten oder zumindest bewusstseinsnahen Begehrenshaltung, ist auch nicht feststellbar, welcher Anteil der vorgebrachten weitreichenden Einschränkung der Gehfähigkeit auf die willentlich nicht beeinflussbare Störung zurückzuführen ist. Damit bleibt aber offen und für den Senat nicht feststellbar, in welchem konkreten Ausmaß sich die willentlich nicht beeinflussbare somatoforme Schmerzstörung in einer Einschränkung der Bewegungs- und Gehfähigkeit niederschlägt und ob die hierdurch bedingte Einschränkung des Gehvermögens Wegstrecken, die im Ortsverkehr üblicherweise noch zu Fuß zurückgelegt werden können, ohne erhebliche Schwierigkeiten noch zulässt oder ob dies gerade nicht mehr der Fall ist. Ist ein Sachverhalt jedoch nicht beweisbar, so hat nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der objektiven Beweislast (Feststellungslast) der Beteiligte die Folgen zu tragen, der aus dem nicht festgestellten Sachverhalt Rechte für sich herleitet. Dies ist vorliegend der Kläger. Demnach vermag der Kläger auch aus dem von dem Sachverständigen Dr. P. herangezogenen Grundsatz "in dubio pro reo", der ausschließlich im Strafrecht Anwendung findet, keine günstigere Beurteilung abzuleiten.
Da die Berufung des Klägers nach alledem keinen Erfolg haben konnte, war diese zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Für die Zulassung der Revision bestand keine Veranlassung.
Rechtskraft
Aus
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BWB
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