L 18 AS 1108/09 B ER

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
18
1. Instanz
SG Potsdam (BRB)
Aktenzeichen
S 27 AS 2424/09 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 18 AS 1108/09 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde der Antragsteller gegen die Ablehnung des Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird der Beschluss des Sozialgerichts Potsdam vom 25. Juni 2009 geändert. Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, Mietschulden für die von den Antragstellern bewohnte Unterkunft in der L, D, in Höhe von 3.018,29 EUR im Wege eines Darlehens zu übernehmen. Das Darlehen wird ab 1. Juli 2009 durch monatliche Aufrechnung in Höhe von 10 vom Hundert der an die Antragsteller jeweils zu zahlenden Regelleistung getilgt. Im Übrigen wird die Beschwerde gegen die Ablehnung des Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zurückgewiesen. Die Antragsgegnerin trägt die außergerichtlichen Kosten der Antragsteller im gesamten Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes. Die Beschwerde der Antragsteller gegen die Ablehnung der Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das erstinstanzliche Verfahren wird zurückgewiesen. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren des einstweiligen Rechtsschutzes unter Beiordnung von Rechtsanwalt B B, H, D, wird zurückgewiesen.

Gründe:

Die Beschwerde, mit der die Antragsteller ihren Antrag weiter verfolgen, die Antragsgegnerin im Wege einer gerichtlichen Regelungsanordnung gemäß § 86b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zu verpflichten, Mietschulden für die im Rubrum bezeichnete Wohnung als Darlehen zu übernehmen, ist im tenorierten Umfang begründet.

Der Anordnungsanspruch ergibt sich aus § 22 Abs. 5 Sozialgesetzbuch – Grundsicherung für Arbeitsuchende – (SGB II). Danach können Mietschulden übernommen werden, soweit dies zur Sicherung der Unterkunft gerechtfertigt ist (Satz 1). Sie sollen übernommen werden, wenn dies gerechtfertigt und notwendig ist und sonst Wohnungslosigkeit einzutreten droht (Satz 2). Die zuletzt genannte Voraussetzung ist entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin (vgl. Schreiben vom 29. Juni 2009) vorliegend erfüllt, da aufgrund des Versäumnisurteils des Amtsgerichts L – 12 C 172/09 - ein Räumungstitel für die Wohnung der Antragsteller vorliegt. Dies hat eine telefonische Anfrage des Senats beim Amtsgericht L am 26. Juni 2009 ergeben, über deren Ergebnis die Antragsgegnerin bereits an diesem Tag unterrichtet wurde. Die Frist des § 569 Abs. 3 Nr. 2 Satz 1 Bürgerliches Gesetzbuch, innerhalb derer eine vollständige Befriedigung des Vermieters die Unwirksamkeit der Kündigung zur Folge hat, endet nach den glaubhaften Angaben der Antragsteller am 29. Juni 2009.

Da wegen der Eilbedürftigkeit des Rechtsschutzbegehrens eine abschließende Sachaufklärung, bei der eine Prüfung der Angemessenheit der bisherigen Unterkunftskosten nach Maßgabe der insoweit heranzuziehenden Produkttheorie (vgl. BSG SozR 4-4200 § 22 Nr. 3) ebenso vorzunehmen wie das Vorhandensein zumutbaren Ersatzwohnraums zu klären wäre, nicht möglich ist und somit über die Rechtfertigung einer Schuldenübernahme nach § 22 Abs. 5 Satz 2 SGB II erst im Hauptsacheverfahren entschieden werden kann, war nach Maßgabe einer Folgenabwägung zu entscheiden (vgl. BVerfG, Beschluss vom 12. Mai 2005 – 1 BvR 569/05 = NVwZ 2005, 927-929). Danach bestünde im Fall der Ablehnung des Antrags auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes die Gefahr einer Wohnungs- oder gar Obdachlosigkeit der Antragsteller. Dieser Nachteil wiegt aber im Verhältnis zu den der Antragsgegnerin drohenden Nachteilen ungleich schwerer. Diese hat die ausgeworfene Leistung ohnehin nur als Darlehen zu erbringen. Überdies hat der Senat in entsprechender Anwendung von § 23 Abs. 1 Satz 3 SGB II eine Anordnung zur Darlehenstilgung getroffen.

Es war daher vom Regelfall der Schuldenübernahme bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 22 Abs. 5 Satz 2 SGB II auszugehen und bei entsprechend gebundenem Ermessen (vgl. hierzu auch Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Auflage 2008, § 22 Rn. 108) die Antragsgegnerin zur Gewährung wie tenoriert zu verpflichten. Der Anordnungsgrund folgt dabei aus der Tatsache, dass – wie ausgeführt – bereits ein Räumungstitel vorliegt und mithin ein Verlust der Wohnung unmittelbar bevorsteht, ohne dass hinreichend geklärt ist, ob den Antragstellern zumutbarer Ersatzwohnraum zur Verfügung gestellt werden kann. Die Antragsgegnerin wird infolge der gerichtlichen Anordnung verpflichtet sein, sich noch heute (29. Juni 2009) zur Befriedigung des Vermieters zu verpflichten. Soweit die Antragsteller darüber hinausgehend die sofortige Befriedigung des Vermieters begehren, war die Beschwerde zurückzuweisen. Insoweit fehlt es jedenfalls an einem Anordnungsgrund, denn nach § 569 Abs. 3 Nr. 2 Satz 1 BGB reicht bereits die fristgerechte Verpflichtungserklärung einer öffentlichen Stelle aus, um die Unwirksamkeit der Kündigung herbeizuführen.

Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.

Die gegen die Ablehnung der Bewilligung von Prozesskostenhilfe erhobene Beschwerde war zurückzuweisen und den Antragstellern war für beide Instanzen keine Prozesskostenhilfe zu bewilligen (vgl. § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG iVm den §§ 114, 121 Abs. 2 Zivilprozessordnung). Denn aufgrund der für beide Rechtszüge ergangenen Kostenentscheidungen sind die Antragsteller in der Lage, die Kosten der Verfahrensführung aufzubringen

Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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