L 6 U 2/05

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Dessau-Roßlau (SAN)
Aktenzeichen
S 8 U 78/03
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 6 U 2/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Das Urteil des Sozialgerichts Dessau vom 18. November 2004 wird abgeändert, dessen Tenor zu Ziffer 1 wie folgt neu gefasst und im Kostenpunkt ergänzt: Der Bescheid der Beklagten vom 5. August 2002 in der Fassung des Bescheids vom 10. Januar 2003 und des Widerspruchsbescheids vom 18. Juni 2003 wird aufgehoben, soweit die Beklagte die Feststellung der Verletzungsfolge "gedeckte isolierte vordere Kreuzbandruptur des linken Kniegelenkes" abgelehnt und eine Behandlungsbedürftigkeit ausschließlich für den 10. April 1998 festgestellt hat. Es wird festgestellt, dass die "gedeckte isolierte vordere Kreuzbandruptur des linken Kniegelenkes" des Klägers Folge des Versicherungsfalls vom 9. April 1998 ist. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen. Die Beklagte hat dem Kläger auch die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Vorverfahrens und Berufungsverfahrens zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beklagte wehrt sich gegen die vom Sozialgericht ausgesprochene Verpflichtung, die gedeckte isolierte vordere Kreuzbandruptur des linken Kniegelenkes des Klägers als weitere Folge des Arbeitsunfalls vom 9. April 1998 anzuerkennen.

Der 1982 geborene Kläger erlitt am 12. April 2000 während des Schulsports beim Zweifelderball eine Verletzung des linken Kniegelenkes. Noch am Unfalltag wurde er im Städtischen Klinikum D wegen des Verdachts einer Meniskusläsion stationär aufgenommen. Am 17. April 2000 wurde durch den Oberarzt Dr. S eine Arthroskopie vorgenommen. Im Operationsbericht vom 19. April 2000 wurde u. a. ausgeführt, ein wesentlicher Gelenkerguss sei nicht nachweisbar gewesen. Es habe sich eine zentrale Fissur im Bereich der Patellarückfläche gezeigt. Die Patella sei insgesamt abgeflacht; unter Valgusstress komme es zu einer deutlichen Lateralisierung der Patella. In der Kreuzbandregion zeigte sich ein flacher Anstieg des hinteren Kreuzbandes. Es handele sich hier "offenbar um eine alte vordere Kreuzbandruptur, welche auf dem hinteren Kreuzband fehlinseriert ist". Die während der Operation ausgeführte Funktionskontrolle zeigte eine einfach positive Schublade sowie einen positiven Lachmann-Test. Der Kläger wurde am 19. April 2000 mit den Diagnosen "alte fehlinserierte LCA-Ruptur" und "Patelladysplasie linkes Kniegelenk" entlassen. Im Rahmen der weiteren Ermittlungen gab der Kläger zunächst an, ihm seien keine vorhergehenden Verletzungen des linken Kniegelenkes bekannt. Erst im Mai 2001 teilte er mit, es sei bereits früher während der Fußball-AG seiner Schule zu einer Verletzung am linken Kniegelenk gekommen. Das Knie sei damals geröntgt worden und es sei eine Nachbehandlung bei Dr. S erfolgt. Diese teilte auf Nachfrage der Beklagten mit Schreiben vom 6. Juni 2001 mit, den Kläger bisher nur wegen Erkrankungen des linken Daumens und des rechten oberen Sprunggelenks behandelt zu haben. Ebenfalls auf Nachfrage der Beklagten teilte Dr. S mit Schreiben vom 16. Juli 2001 mit, der Kläger habe sich dort am 10. April 1998 vorgestellt und angegeben, sich am Vortag um 22:00 Uhr beim Fußballspielen das linke Knie verdreht zu haben. Zum Aufnahmezeitpunkt hätten Schmerzen im linken Kniegelenk und eine deutliche Belastungsinsuffizienz des Gelenkes bestanden. Es sei eine endgradige Streckhemmung von 10° nachweisbar gewesen. Aufgrund der Schmerzhaftigkeit des linken Kniegelenkes sei die Band- und Meniskusbeurteilung unsicher gewesen. Es hätten ein geringer Gelenkerguss und ein schmerzhafter medialer Bandansatz bestanden. Die Röntgenuntersuchung habe keine pathologischen Knochenveränderungen ergeben. Die weitere Behandlung habe bei Dr. S durchgeführt werden und bei anhaltender Beschwerdesymptomatik eine Wiedervorstellung erfolgen sollen. Weiter führte er aus, die bei der Arthroskopie am 17. April 2000 festgestellte Kreuzbandverletzung sei nicht auf den Unfall am 12. April 2000, sondern mit großer Wahrscheinlichkeit auf den Unfall am 9. April 1998 zurückzuführen. Die erhobenen Befunde sprächen insgesamt dafür, dass es durch den Unfall am 12. April 2000 zwar zu einer kurzzeitigen Verschlechterung gekommen sei, rechtlich wesentlich seien aber die vorbestehenden Verletzungen am vorderen Kreuzband und die anlagebedingten Vorschädigungen des linken Kniegelenkes gewesen.

Nachdem die Beklagte die Anerkennung des Unfalls vom 12. April 2000 als Versicherungsfall abgelehnt und Behandlungskosten in Höhe von 2422,59 DM vom Kläger zurückverlangt hatte, beantragte dieser mit Schreiben am 18. Dezember 2001 die Anerkennung des Unfalls vom 9. April 1998 als Arbeitsunfall. Auf einem Fragebogen der Beklagten gab er am 10. April 2002 an, sich aufgrund des Zeitablaufs nicht mehr an den genauen Unfallhergang erinnern zu können. Die Schule des Klägers teilte der Beklagten mit, ein Unfall am 9. April 1998 sei dort nicht aktenkundig. Es sei jedoch nicht ausgeschlossen, dass der bei der abendlichen Fußball-AG aufsichtsführende Lehrer wegen der am selben Tage beginnenden Osterferien keine Unfallmeldung habe erstatten können. Dieser Lehrer arbeite inzwischen im Ausland. Nach den Ferien habe der Kläger nicht gefehlt. Auch ein vom Kläger als Zeuge benannter Mitschüler konnte zwar das Unfallereignis bestätigen, jedoch keine genauen Angaben zum Unfallhergang machen. Der Vater des Klägers gab auf telefonische Nachfrage an, sich nicht mehr an die Weiterbehandlung des Unfalls erinnern zu können. Abschließend sei im städtischen Klinikum D eine Ultraschalldiagnostik durchgeführt worden, bei der nichts "Nennenswertes" festgestellt worden sei. Weiterhin zog die Beklagte die am 10. April 1998 gefertigten Röntgenaufnahmen bei und veranlasste eine Beratungsärztliche Stellungnahme des Arztes für Chirurgie und Unfallchirurgie Dr. L. Dieser vertrat unter dem Datum des 26. Juni 2002 die Auffassung, nach dem Wortlaut des Operationsberichtes stehe nicht fest, dass am 17. April 2000 tatsächlich eine alte Zusammenhangstrennung des vorderen Kreuzbandes im Vollbeweis gesichert worden sei. Auch wenn man diese unterstelle, sei ein Kausalzusammenhang mit dem Unfallereignis am 9. April 1998 zwar möglich, jedoch nicht wahrscheinlich. Ein Verdrehen des Kniegelenkes führe zu keiner isolierten Verletzung des vorderen Kreuzbandes. Zudem sei es verletzungsatypisch, dass ein Arzt erst nach 14 Stunden und nur einmalig aufgesucht werde. Zudem liefen innerhalb von zwei Jahren "über ein Kniegelenk derart viele Dinge ab", dass es nicht mehr möglich sei, den Ursachenbeitrag eines zwei Jahre zurückliegenden Ereignisses zu sichern.

Mit Bescheid vom 5. August 2002 lehnte die Beklagte die Anerkennung des Ereignisses vom 9. April 1998 als Versicherungsfall ab. Dem Widerspruch des Klägers half sie mit Bescheid vom 10. Januar 2003 teilweise ab und erkannte den Unfall vom 9. April 1998 mit Verdrehung des linken Knies als Arbeitsunfall an. Gleichzeitig stellte sie fest, unfallbedingte Behandlungsbedürftigkeit habe nur am 10. April 1998 bestanden. Nachdem die Hausärztin des Klägers, Dr. T , auf telefonische Nachfrage der Beklagten mitgeteilt hatte, der Kläger habe sich dort im April 1998 oder später nicht wegen einer Knieverletzung in Behandlung befunden, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 18. Juni 2003 den Widerspruch im Übrigen zurück.

Mit seiner am 18. Juli 2003 beim Sozialgericht Dessau eingegangenen Klage hat der Kläger geltend gemacht, der Unfall am 9. April 1998 müsse für die im Jahre 2000 festgestellte Kreuzbandverletzung ursächlich gewesen sein, da es keine andere geeignete Einwirkung gegeben habe. Dies könne seine Mutter bezeugen. Wegen dieser Verletzung habe auch über den 10. April 1998 hinaus Behandlungsbedürftigkeit bestanden. Das Sozialgericht hat Beweis erhoben durch Einholen eines Befundberichtes des Dr. S vom 23. Oktober 2003 und eines Gutachtens des Chefarztes der Klinik für Unfall- und Handchirurgie des Städtischen Klinikums D Dr. Z vom 2. Juni 2004 (Bl. 38 bis 48 d.A.). Darin ist Dr. Z zu dem Ergebnis gekommen, dass mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit die anlässlich der Untersuchung am 12. April 2000 und der nachfolgenden Spiegelung des linken Kniegelenkes festgestellte vordere Kreuzbandruptur auf das Unfallereignis vom 9. April 1998 zurückzuführen sei. Hierauf sei auch die gesamte aktenkundige Behandlungsbedürftigkeit, insbesondere auch die Behandlung nach dem 12. April 2000 zurückzuführen. Dem hat die Beklagte eine Beratungsärztliche Stellungnahme des Orthopäden Dr. T vom 12. September 2004 (Bl. 66 bis 70 d.A.) entgegengehalten. Dieser hat die Auffassung vertreten, das Ereignis vom 9. April 1998 sei als Ursache der Kreuzbandläsion nicht gänzlich auszuschließen. Jedoch könne es aufgrund der vorhandenen Informationen zum Geschehensablauf nach pathobiomechanischen Kriterien nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit als Ursache gesichert werden. Unterstelle man eine ansonsten leere Knieanamnese, so nähere man sich einer Anerkennungsempfehlung. In einer ergänzenden Stellungnahme vom 9. November 2004 hat Dr. Z an seiner Auffassung festgehalten, dass das Ereignis vom 9. April 1998 geeignet gewesen sei, eine isolierte vordere traumatische Kreuzbandverletzung zu verursachen. Insgesamt spreche wesentlich mehr für als gegen die Annahme des ursächlichen Zusammenhangs zwischen dieser Verletzung und dem Ereignis am 9. April 1998.

Entsprechend dem in der mündlichen Verhandlung gestellten Antrag des Klägers hat das Sozialgericht mit Urteil vom 18. November 2004 die Beklagte unter Abänderung der angefochtenen Bescheide verurteilt, die gedeckte isolierte vordere Kreuzbandruptur des linken Kniegelenkes des Klägers als weitere Folge des anerkannten Arbeitsunfalls vom 9. April 1998 anzuerkennen und insoweit Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung zu erbringen. Zur Begründung hat das Sozialgericht ausgeführt, es schließe sich dem Gutachter Dr. Z an. Dessen Ergebnisse seien nachvollziehbar und nicht zu beanstanden. Insbesondere habe er das Hauptargument der Beklagten, eine gedeckte isolierte vordere Kreuzbandruptur führe zu solch anhaltenden subjektiven Beschwerden, dass dies nicht mit einem Arztbesuch abgetan sei, widerlegt. Da die Beklagte bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung einen Hinweis auf eine konkurrierende Ursache des Schadens am Knie des Klägers schuldig geblieben sei, schieden ernste Zweifel hinsichtlich einer anderen Verursachung aus.

Gegen das ihr am 10. Dezember 2004 zugestellte Urteil hat die Beklagte mit einem am 7. Januar 2005 beim Landessozialgericht Sachsen-Anhalt eingegangenen Telefax Berufung eingelegt. Sie ist der Auffassung, ein Erstschaden am 9. April 1998 sei nicht mit der für einen Vollbeweis erforderlichen Sicherheit festgestellt worden. Die damals erhobenen Befunde belegten keine Kreuzbandruptur und der Unfallhergang sei nicht mehr zu rekonstruieren. Auch fehlten Brückensymptome, die einen Ursachenzusammenhang zwischen dem Unfall 1998 und der im April 2000 festgestellten Kreuzbandverletzung wahrscheinlich machten. Aus der Verletzung selbst könne nicht auf deren Alter geschlossen werden. Zudem sei das Argument der fehlenden Alternativursache im Unfallversicherungsrecht unzulässig.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Dessau vom 18. November 2004 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält das Urteil des Sozialgerichts Dessau für zutreffend und bietet weiter Beweis durch Vernehmung seiner Mutter dafür an, dass es kein anderes geeignetes Ereignis gegeben hat, durch das die gedeckte isolierte vordere Kreuzbandruptur hätte verursacht werden können.

Der Senat hat Beweis erhoben durch das Einholen eines Gutachtens des Facharztes für Orthopädie, Sportmedizin und Chirotherapie Dr. S vom 14. Juli 2007 (Bl. 162 bis 181 d.A.) nebst ergänzender Begutachtung zwischenzeitlich von der Beklagten aufgefundener Röntgenbilder vom 23. November 2008 (Bl. 215 bis 218 d.A.). Dr. S ist zu dem Ergebnis gelangt, die gedeckte isolierte vordere Kreuzbandruptur des Klägers sei seit der Arthroskopie des linken Kniegelenkes am 17. April 2000 gesichert. Aufgrund der am 10. April 1998 erhobenen Befunde halte er das Ereignis vom 9. April 1998 für die alleinige Ursache der Kreuzbandruptur. Die ebenfalls festgestellte Dysplasie der Kniescheibe sowie der kleine Knorpelschaden an der Kniescheibenrückfläche hätten hierauf keinen Einfluss gehabt. Zwar sei nicht auszuschließen, dass außer den erlittenen Verdrehtraumata des linken Kniegelenkes am 9. April 1998 und am 12. April 2000 noch andere Unfallereignisse bestanden haben, doch habe der Kläger glaubhaft beschrieben, dass dies nicht der Fall sei. Ergänzend hat der Senat die Krankenakten der Dr. S und der Dr. T über den Kläger beigezogen (Bl. 192 bis 200 bzw. 205 bis 208 d.A.). Diese enthalten für die Zeit vor April 2000 keinen Hinweis auf Behandlungen des Klägers wegen Verletzungen am linken Kniegelenk.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten der vom Sozialgericht und vom Senat eingeholten Unterlagen und Gutachten wird auf die angegebenen Blätter der Prozessakte Bezug genommen. Die den Kläger betreffenden Verwaltungsakten der Beklagten (Az.: 2002000719 und 2000027472) haben während der mündlichen Verhandlung und bei der Beratung vorgelegen.

Entscheidungsgründe:

Die nach § 143 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und im übrigen frist- und formgerecht eingelegte Berufung ist nur zu einem geringen Teil begründet.

Streitgegenstand des Berufungsverfahrens ist nach der vom Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat erklärten Rücknahme der Leistungsklage allein noch die vom Sozialgericht ausgesprochene Verpflichtung der Beklagten, die gedeckte isolierte vordere Kreuzbandruptur des linken Kniegelenkes des Klägers als weitere Folge des anerkannten Arbeitsunfalls vom 9. April 1998 anzuerkennen, sowie die Aufhebung der Feststellung einer Behandlungsbedürftigkeit der infolge des Arbeitsunfalls vom 9. April 1998 nur am 10. April 1998.

Die Berufung ist bezüglich der Feststellung der Verletzungsfolge "gedeckte isolierte vordere Kreuzbandruptur des linken Kniegelenkes" nur im Sinne einer Neuformulierung des Urteilsauspruchs des Sozialgerichts begründet. Da die Beklagte mit dem Teilabhilfebescheid vom 10. Januar 2003 das Ereignis vom 9. April 1998 auch mit Bindungswirkung für das Gericht als Versicherungsfall (Schulunfall) anerkannt hat, war insoweit allein noch die vom Kläger begehrte Feststellung dieser Verletzungsfolge Gegenstand der Klage. Dieses Begehren kann der Kläger zulässigerweise nur im Wege einer kombinierten Anfechtungs- und Feststellungsklage nach den §§ 54 Abs. 1, 55 Abs. 1 Nr. 3 SGG geltend machen (vgl. BSG, Beschluss vom 27. Juni 2006 – B 2 U 77/06 BSozR 4-1500 § 55 Nr. 4; vgl. auch Urteil vom 15. Februar 2005 – B 2 U 1/04 RSozR 4-2700 § 8 Nr. 12). Bei verständiger Würdigung ist sein auf Verurteilung der Beklagten zur Anerkennung der genannten Verletzung als Unfallfolge gerichteter Antrag in diesem Sinne auszulegen und der Urteilsauspruch des Sozialgerichts dementsprechend abzuändern.

Die Berufung ist unbegründet, soweit sich die Beklagte gegen die Feststellung wendet, die gedeckte isolierte vordere Kreuzbandruptur des linken Kniegelenkes des Klägers sei Folge des Versicherungsfalls vom 9. April 1998. Zunächst steht zur vollen Überzeugung des Senats fest, dass beim Kläger der genannte Gesundheitsschaden im Sinne des § 8 Abs. 1 Satz 2 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch – Gesetzliche Unfallversicherung (SGB VII) vorliegt, was auch von der Beklagten nicht mehr ernstlich bestritten wird. Seine Überzeugung zieht der Senat insoweit zunächst aus dem Operationsbericht vom 19. April 2000 über die am 17. April 2000 von Dr. S durchgeführte Arthros¬kopie. Soweit darin das von Dr. L als Zeichen einer unsichereren Diagnose gewertete Wort "offenbar" verwandt wird, deutet dies nur darauf hin, dass es sich bei der darauf folgenden Diagnose einer alten vorderen Kreuzbandruptur um einen Rückschluss aufgrund der nunmehr vorliegenden Befundsituation (flacher Anstieg des hinteren Kreuzbandes, Verwachsung des vorderen auf dem hinteren Kreuzband) handelt. Die genannte Diagnose hat Dr. S sowohl in seiner Auskunft gegenüber der Beklagten vom 16. Juli 2001 wie auch in seinem Befundbericht gegenüber dem Sozialgericht vom 23. Oktober 2003 bestätigt, ohne hieran Zweifel zu äußern. Dr. Z hat sich in seinem Gutachten ausdrücklich mit der Auffassung des Dr. L auseinandergesetzt und nach Einsicht in die arthroskopische Dokumentation überzeugend dargelegt, dass diese sowie der während der Operation und auch bei der Begutachtung positive Lachmanntest bei beweglicher vorderer Schublade die aufgrund des Arthroskopiebefundes gestellte Diagnose bewiesen. Dem ist auch der Sachverständige Dr. S unter Hinweis auf die Arthroskopie und den bei seiner Untersuchung ebenfalls positiven Lachmanntest nebst angedeuteter anteromedialer Instabilität beigetreten.

Der Riss des vorderen Kreuzbandes am linken Knie des Klägers ist auch Folge des Versicherungsfalls vom 9. April 1998, denn dieser "führte" im Sinne des § 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII zu diesem Gesundheitsschaden. Für den hiernach erfoderlichen ursächlichen Zusammenhang zwischen dem Gesundheitsschaden und dem Arbeitsunfall gilt der Beweismaßstab der hinreichenden Wahrscheinlichkeit (vgl. hierzu und zum folgenden z.B. BSG, Urteil vom 20. Januar 1987 – 2 RU 27/86BSGE 61, 127 = SozR 2200 § 548 Nr. 84; Urteil vom 9. Mai 2006 – B 2 U 1/05 RBSGE 96, 196 = SozR 4-2700 § 8 Nr. 17). Dies bedeutet, dass bei vernünftiger Abwägung aller Umstände, insbesondere unter Berücksichtigung der geltenden medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnisse, mehr für als gegen den Ursachenzusammenhang spricht und ernste Zweifel ausscheiden. Die bloße Möglichkeit einer Verursachung genügt nicht. Zur Vermeidung eines nach der naturwissenschaftlich-philosophischen Betrachtungsweise denkbaren unendlichen Ursachenzusammenhangs (Bedingungs- bzw. Äquivalenztheorie) wird die im Recht der gesetzlichen Unfallversicherung rechtlich relevante Kausalität nach der "Theorie der wesentlichen Bedingung" eingegrenzt. Danach ist nur die Bedingung rechtlich erheblich, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Eintritt des geltend gemachten Gesundheitsschadens "wesentlich" beigetragen hat (vgl. Ricke in Kasseler Kommentar, § 8 SGB VII RdNr. 4, 15 m. w. N.). Das bedeutet, dass nicht jede Gesundheitsstörung, die im naturwissenschaftlichen Sinne durch das angeschuldigte versicherte Ereignis beeinflusst worden ist, rechtlich dessen Folge ist, sondern nur der Gesundheitsschaden, der "wesentlich" durch das Ereignis verursacht worden ist. Welche Ursache wesentlich ist und welche nicht, muss aus der Auffassung des praktischen Lebens über die besonderen Beziehungen der Ursache zum Eintritt des Gesundheitsschadens abgeleitet werden. Gesichtspunkte für diese wertende Entscheidung sind Art und Ausmaß der versicherten Einwirkung sowie der konkurrierenden Ursachen, der zeitliche Ablauf des Geschehens, das Verhalten des Versicherten nach dem Unfall, die Krankheitsgeschichte und ergänzend auch der Schutzzweck der Norm. Haben mehrere Bedingungen den Eintritt des Gesundheitsschaden zusammen verursacht, erlangen bei wertender Betrachtung auch mehrere (Mit-) Ursachen rechtliche Bedeutung, wenn sie jeweils einen wesentlichen Einfluss auf den Eintritt der Gesundheitsstörung des Versicherten gehabt haben und eine andere Ursache keine überragende Bedeutung hat.

Nach diesem Maßstab spricht vorliegend mehr für als gegen eine Verursachung der am 17. April 2000 festgestellten alten vorderen Kreuzbandruptur durch den – nach den bindenden Feststellungen der Beklagten – versicherten Unfall am 9. April 1998. So hat insbesondere der Gutachter Dr. Z überzeugend dargelegt, dass dieser Unfall nach den darüber bekannten Tatsachen zunächst einmal geeignet war, die im April 2000 festgestellte Verletzung hervorzurufen. Entgegen der Auffassung der Beklagten ist für diese Einschätzung nicht eine lückenlose Beschreibung des Unfallmechanismus erforderlich. Der genaue Hergang des Unfallereignisses am 9. April 1998 kann schon deshalb offen bleiben, weil bereits aufgrund des Bescheids der Beklagten vom 10. Januar 2003 auch mit Bindungswirkung für das Gericht fest steht, dass es dabei infolge einer versicherten Tätigkeit zu einer Verdrehung des linken Kniegelenks des Klägers kam, die am 10. April 1998 ambulant im Städtischen Klinikum D behandelt worden ist. Eine solche Verdrehung ist nach der ausdrücklichen und überzeugenden Einschätzung Dr. Z geeignet, isoliert das vordere Kreuzband zu gefährden. Der nach Dr. T nicht nachgewiesenen Fixierung des Fußes bedürfe es hierbei nicht. Diese sei nur Voraussetzung einer isolierten traumatischen Meniskusläsion. Dem schließt sich der Senat an, da die von Dr. L geäußerte Ansicht, ein Verdrehen des Kniegelenks führe zu keiner isolierten Gefährdung des vorderen Kreuzbandes, durch die von Dr. Z angeführten Studien widerlegt wird und auch keine Stütze in der spezifisch unfallversicherungsrechtlichen Literatur findet. So wird bei Schönber¬ger/Mehrtens/Valentin (Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 7. Aufl. 2003, S. 684) zwar dargelegt, isolierte Kreuzbandrisse seien deutlich seltener als Kombinationsverletzungen, jedoch wird u.a. eine plötzliche kraftvolle Überstreckung bei Einwärtsdrehung des Unterschenkels und hoher kinetischer Energie als geeignet angesehen, eine isolierte Verletzung des vorderen Kreuzbandes hervorzurufen (so wohl auch Weber/Ludolph in Ludolph/Lehmann/Schürmann, Kursbuch der ärztlichen Begutachtung, Stand 4/01, VI-1.2.4., S. 4 f., die als gefährdenden Mechanismus u.a. ein Wegknicken des gebeugten Kniegelenks mit Außendrehung des Unterschenkels diskutieren). In Übereinstimmung mit den Ausführungen Dr. Z wird dort eine Fixierung des Fußes auch nur für die isolierte Meniskusverletzung (Schönberger/Mehrtens/Valentin, a.a.O., S. 693 f.), nicht aber für Kreuzbandverletzungen gefordert.

Im Übrigen hält der Senat – worauf es aber nicht ankommt – auch nach den Angaben des Klägers in Verbindung mit der Behandlungsbedürftigkeit der primären Verletzung den Unfallhergang zur Verursachung eines Kreuzbandrisses für geeignet. Der Kläger hat nach den Angaben Dr. S schon am 10. April 1998 eine Verdrehung als Unfallmechanismus geschildert. Als Hintergrund hat er schon dort Fußballspielen genannt, was seine spätere Angabe, es habe sich bei dem Verletzungsereignis um einen Zweikampf um den Ball gehandelt, nahe legt. Die grundsätzlichen Angaben – Fußballspiel und Unfall – hat glaubhaft ein früherer Mitschüler bestätigt. Die am 10. April 1998 erhobenen Befunde passen darüber hinaus gut zu einer erheblichen Krafteinwirkung auf den Kniegelenksbereich und legen nach den Einschätzungen der Sachverständigen schon als solche einen Kniebinnenschaden nahe. In der Zusammenschau sind auch insoweit ernstliche Zweifel an der Eignung des Verletzungsvorgangs vom 9. April 1998 zur Verursachung eines Kreuzbandrisses nicht berechtigt. Es ist daher allein eine Frage verbleibender Gegenbeweismöglichkeiten zu Gunsten der Beklagten, dass eine weitere Aufklärung des Unfallmechanismus nicht möglich ist. Entscheidend dafür ist im Übrigen nicht der hier unterdessen eingetretene Zeitablauf, der dazu geführt hat, dass Zeugen nicht mehr erreichbar sind. Vielmehr überspannt die Beklagte mit der Forderung nach einem in physiologische Details gehenden Beleg des Unfallmechanismus die Beweisanforderungen, weil angesichts der begriffsnotwendigen Plötzlichkeit eines Unfalls eine solche Beschreibung menschliche Möglichkeiten – sowohl die von Unfallopfern als auch die von Zeugen – übersteigt.

Es gibt weiterhin keine ernstlichen Zweifel daran, dass die fest stehende Verdrehung einen Kreuzbandriss auch tatsächlich hervorgerufen hat. Aufgrund der Angaben Dr. S vom 16. Juli 2001 steht zur Überzeugung des Senats fest, dass zum Aufnahmezeitpunkt Schmerzen im linken Kniegelenk, eine deutliche Belastungsinsuffizienz und eine endgradige Streckhemmung von 10° des Gelenkes bestanden. Daneben lagen ein geringer Gelenkserguss und ein schmerzhafter medialer Bandansatz ohne pathologische Knochenveränderungen vor. Weiterhin geht der Senat davon aus, dass die Schmerzen des Klägers entsprechend seinen Angaben nach etwa einer Woche abklangen, weil die im Klinikum vorgeschlagene Nachbehandlung bei Dr. S unterblieb.

Nach den für den Senat überzeugenden Ausführungen des Dr. Z kann aufgrund dieser Tatsachen auf die Wahrscheinlichkeit der Verursachung einer gedeckten isolierten vorderen Kreuzbandruptur des linken Kniegelenkes des Klägers schon am 9. April 1998 geschlossen werden. Für eine Ursächlichkeit des Unfallereignisses am 9. April 1998 für die Verletzung des vorderen Kreuzbandes des Klägers sprechen die am 10. April 1998 im Städtischen Klinikum D erhobenen, in der Auskunft Dr. S gegenüber der Beklagten vom 16. Juli 2001 mitgeteilten Befunde, die nach Auffassung der Gutachter Dr. Z und Dr. S sehr gut eine vordere Kreuzbandruptur beschreiben könnten, was auch Dr. T einräumt. Zwar wurde diese Diagnose damals nicht gesichert, doch haben beide Gutachter für den Senat überzeugend dargelegt, dass die Beurteilung einer vorderen Kreuzbandruptur im Akutstadium bei schmerzhafter Gegenspannung des Patienten – wie im Bericht des Dr. S vom 16. Juli 2001 geschildert – schwierig sei, die Befunde jedoch für einen Kniebinnenschaden sprechen. In Übereinstimmung mit Dr. S sieht auch der Senat in der Anfertigung von Röntgenaufnahmen einen Hinweis darauf, dass damals nicht nur ein Bagatellschaden, sondern eine ernsthafte Verletzung des Kniegelenks von den Ärzten vermutet wurde. Er hält auch dessen Angabe für zutreffend, wonach diese Aufnahmen selbst keine Beurteilung eines möglichen Kreuzbandschadens zulassen, da es sich nicht um eine knöcherne Verletzung handele.

Durchgreifende Zweifel an einer Verursachung der Kreuzbandruptur durch den Unfall am 9. April 1998 ergeben sich weder aus dem Umstand, dass der Kläger erst am nächsten Tag einen Arzt aufgesucht hat, noch daraus, dass er die empfohlene Nachbehandlung nicht in Anspruch nahm und Brückensymptome bis zur "Entdeckung" des Gesundheitsschadens am 17. April 2000 fehlen. So hat Dr. Z in seinem Gutachten vom 2. Juni 2004 ausführlich begründet, dass isolierte Rupturen des vorderen Kreuzbandes unter Umständen klinisch stumm verlaufen können und es deshalb nicht ungewöhnlich, sondern nach seiner klinischen Erfahrung sogar die Regel sei, dass eine ärztliche Behandlung nicht unmittelbar im Anschluss an das Unfallereignis aufgenommen wird. Auch hat er darauf hingewiesen, dass im Falle einer muskulären Kompensation das Kniegelenk subjektiv stabil und die Sportfähigkeit erhalten sei. Diese Aussagen vermögen den Senat aufgrund der vom Gutachter unter Rückgriff auf einschlägige Fachliteratur und Darstellung der physiologischen Verhältnisse des Kniegelenks gegebenen Erläuterungen zu überzeugen, zumal auch Dr. T das Fehlen von Brückensymptomen nur als Argument, nicht aber als abschließenden Beweis gegen einen Ursachenzusammenhang ansieht. Darüber hinaus ist das Fehlen von Brückensymptomen nach den Ausführungen des Gutachters Dr. S auch durch die Vernarbung des vorderen auf dem hinteren Kreuzband zu erklären.

Es bestehen auch keine Anhaltspunkte für andere, nicht im Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit stehende Ursachen der Kreuzbandruptur, die in einer vergleichbaren Beziehung zum Gesundheitsschaden stünden. Zwar vermag dieser Umstand alleine keine hinreichende Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhangs zwischen dem Unfallereignis und dem Gesundheitsschaden zu begründen (BSG Urt.v. 9.5.2006 – B 2 U 1/05BSGE 96, 196 = SozR 4-2700 § 8 Nr. 17), doch ist seine Feststellung zum Ausschluss diesbezüglicher Zweifel geboten. Eine Verursachung der am 17. April 2000 festgestellten Kreuzbandruptur durch das Unfallereignis am 12. April 2000 scheidet aus, da damals ausdrücklich eine "alte" und keine "frische" Ruptur des vorderen Kreuzbands gesichert worden ist. Auch die Angaben des Klägers, wonach bis dahin mit Ausnahme des Unfallereignisses am 9. April 1998 kein vergleichbares weiteres Ereignis vorgefallen sei, erscheinen glaubhaft. Denn auch in den Behandlungsunterlagen der Hausärztin des Klägers Dr. T , wie auch in denen der den Kläger bereits seit 1995 behandelnden Chirurgin Dr. S finden sich keine Hinweise auf eine Vorstellung oder Behandlung wegen Beschwerden am linken Kniegelenk. Zwar hat Dr. Z auch dargelegt, dass isolierte Rupturen des vorderen Kreuzbandes unter Umständen klinisch stumm verlaufen können, und Dr. T ohne nähere Belege behauptet, auch eine Schädigung durch mehrere aufeinander folgende kleinere Ereignisse komme in Betracht. Doch fehlt vorliegend jeder objektive Anhaltspunkt für einen solchen Geschehensablauf, während andererseits die am 10. April 1998 erhobenen Befunde eine Verursachung der Kreuzbandruptur am Vortag sehr nahe legen. Ebenso bestehen keine Anhaltspunkte für eine besondere Veranlagung des Klägers im Hinblick auf die eingetretene Schädigung. Vorschäden sind von den Gutachtern Dr. Z Und tschüss Dr. S genauso ausgeschlossen worden, wie eine ursächliche Beteiligung der Kniescheibendysplasie und –fehlform an der Kreuzbandruptur.

Die Berufung ist auch unbegründet, soweit das Sozialgericht die Feststellung der Beklagten aufgehoben hat, dass eine Behandlungsbedürftigkeit infolge des Versicherungsfalls vom 9. April 1998 nur am 10. April 1998 bestanden habe. Zwar zeigt der Verzicht des Klägers auf eine Nachbehandlung bei Dr. S und das von ihm angegebene Abklingen seiner Beschwerden innerhalb einer Woche, dass zunächst tatsächlich keine weitere Behandlung notwendig war. Jedoch findet sich bereits am Ende des Operationsberichts vom 19. April 2000 der Hinweis, dass später evtl. eine Kreuzbandplastik erforderlich werden könnte. Zudem gelangte der Gutachter Dr. Z zu dem Ergebnis, dass die gesamte aktenkundige Behandlungsbedürftigkeit, insbesondere auch nach dem 12. April 2000, auf das Ereignis am 9. April 1998 zurückzuführen sei.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG. Dabei war zu berücksichtigen, dass die Berufung der Beklagten nur in geringem Umfange und ohne Änderung des vollstreckbaren Inhalts des Urteils des Sozialgerichts erfolgreich war.

Gründe für eine Zulassung der Revision bestehen nicht, da es sich um eine Einzelfallentscheidung auf gesicherter Rechtsgrundlage handelt.
Rechtskraft
Aus
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